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(Geschichts-) Quellen

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Gerbert von Aurillac, Brief zu den Tageslängen

Gerbert von Aurillac, geboren um 950 in Aquitanien, gestorben 1003 in Rom, war Gelehrter, Erzbischof, persönlicher Lehrer und politischer Berater des deutschen Königs Otto III. (983-1002), Papst (999-1003). Den politisch-kirchlichen Ambitionen gleichwertig ist die wissenschaftliche Tätigkeit Gerberts. Seine rhetorischen Fähigkeiten wurden gerühmt, ebenso seine Kenntnisse besonders in der Mathematik und Astronomie. Im nachstehenden Brief berichtet Gerbert über die von Jahreszeiten und Breitengraden abhängigen Tageslängen.

Gerbert grüßt seinen Bruder Adam.

Nach dem Ableben meines Abtes Ad[albero] haben mich große Sorgen so belastet, dass ich fast alle meine Studien vergessen habe. Da ich dich wahrhaft in Erinnerung gehalten habe, [außerdem] nicht tief der Muße verfallen bin und mich [auch] nicht beim abwesenden Freund in irgendeiner Sache entschuldigt habe, schrieb ich dir den Brief und habe dir in Freundschaft eine Sammlung astronomischer Tatsachen geschickt, das sind die zusammengestellten Auf- und Untergänge der Sonne durchaus nicht gemäß der Meinung derer, die einzig glauben, dass die Sonne in den Monaten gleichartig bewegt wird, sondern vielmehr nach der Berechnung derjenigen, die im Allgemeinen das Ungleichartige beschreiben. Martianus [Capella] freilich zeigt in seiner Astronomie, dass die Zunahme der Stunden [folgendermaßen] geschieht und sagt: Es ist verständlich, dass vom kürzesten Tag an der Tag so zunimmt, und zwar im ersten Monat 1/12 der Zeit, die bis zum Sommer hinzukommt, im 2. Monat 1/6, im 3. 1/4, im 4. nochmals 1/4, im 5. 1/6 und im 6. 1/12. Deshalb habe ich gemäß dieser Berechnung durch sichere Messungen die Zeiten zweier Klimate geschildert, die festgestellten Stunden in den einzelnen Monaten hinzufügend. Das eine ist der Hellespont, wo der längste Tag 15 [Stunden] der Stunden bei der Tag- und Nachtgleiche entspricht, das andere das Klima jener, die als längsten Tag 18 Stunden des Äquinoktiums haben. Dies habe ich aber deshalb gemacht, damit du dir unter den gesamten Klimaten ein Klima gemäß deiner Zeitrechnung aussuchen kannst, wenn du die Länge des Sommersonnenwendtages von den Wasseruhren erkannt hast. Dies ist jedenfalls leicht gemacht, wenn das abgelaufene Wasser der nächtlichen und täglichen Zeit der Sommersonnenwende - jeweils gesondert - aufgenommen wird und bei der Ausmessung die ganze Summe von 24 Teilen berücksichtigt wird.

DIE STUNDEN GEMÄSS DENEN, DIE DEN LÄNGSTEN TAG MIT 18 STUNDEN DER TAG- UND NACHTGLEICHE HABEN:

Juni und Juli: Tagesstunden 18; Nachtstunden 6
Mai und August: 17; 7
April und September: 15; 9
März und Oktober: 12; 12
Februar und November: 9; 15
Januar und Dezember: 6; 18

DIESELBEN ZEITEN AM HELLESPONT, WO DER LÄNGSTE TAG 15 STUNDEN DER TAG- UND NACHTGLEICHE IST:

Januar und Dezember: Tagesstunden 9; Nachtstunden 15
Februar und November: 10 1/2; 13 1/2
März und Oktober: 12; 12
April und September: 13 1/2; 10 1/2
Mai und August: 14 1/2; 9 1/2
Juni und Juli: 15; 9 [Buhlmann]

Monumenta Germaniae Historica. Epistolae: Die Briefe der deutschen Kaiserzeit, Bd.2: Die Briefsammlung Gerberts von Reims, hrsg. v. F. WEIGLE, München Ndr 1988, S.180f.

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