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Kompendium
Mittelalter

Archäologie

Die Vor- und Frühgeschichtsforschung kann nur mit archäologischen Quellen arbeiten; bei der Archäologie des Mittelalters tritt jedoch als zusätzlicher Faktor noch die eventuelle Vergleichbarkeit archäologischer Befunde mit historischen Quellen auf. Dies gilt insbesondere für die mittelalterliche Siedlungsarchäologie, die neben sakralen Strukturen (Gräbern und Gräberfeldern, Kirchen) auch Wehranlagen, ländliche und städtische Siedlungen sowie Verkehrseinreichtungen untersucht. Methoden der Mittelalterarchäologie sind: archäologische Landesaufnahme und Prospektion, Grabung und Funddatierung (Stratigrafie, physikalische Methoden), Auswertung der Funde.

Die Siedlungsarchäologie befasst sich mit der materiellen Hinterlassenschaft in einer zu untersuchenden geografisch-räumlichen Einheit (Landschaft), soweit es sich um Funde und Befunde handelt, die mit Siedlungen in Zusammenhang gebracht werden können. Solche Sachüberreste sind einmal die Ansiedlungen selbst mit ihren archäologisch gewonnenen Erkenntnissen z.B. hinsichtlich Siedlungsaufbau (Siedlungstyp; Häuser, Heiligtümer), Wirtschaftsweise und sozialer Gliederung. Dabei spielen auch (nicht immer ständig bewohnte) Befestigungen (Burgen, Fluchtburgen, befestigte Höfe) eine Rolle. Hinzu kommen die (zum größten Teil in der Nähe von nicht unbedingt erfassbaren Siedlungen liegenden) Grabfunde (Brand-, Körpergräber mit evtl. Beigaben; Gräberfelder), die im günstigsten Fall demographische Implikationen ermöglichen. Hinterlassenschaften der landwirtschaftlichen Produktion (Flurformen) bzw. der Rohstoffgewinnung und -verarbeitung sowie Depotfunde (Verwahr- und Versteckfunde, Opfergaben) und Funde in Zusammenhang mit Verkehrswegen (Straßen, Brücken, Wasserwege) gehören ebenfalls hierher.

Die Archäologie besitzt nun eine Anzahl von Methoden zur Sichtung von Sachüberresten. Prospektionen (Oberflächenbeobachtung; Luftbildarchäologie; naturwissenschaftliche Prospektion wie Phosphatmethode, geomagnetische Methode, botanische Prospektion) dienen dabei der Erfassung der Fundstätten. Ausgrabungen (als Flächen- oder Sondiergrabungen) und Befundsicherung (Befunddokumentation, Konservierung und Restaurierung) machen die Funde der sich anschließenden Fundanalyse zugänglich, bei der es neben einer typologischen Einordnung insbesondere um die Datierung (relative (stratigraphische) und absolute Datierung; Radiokarbondatierung, Dendrochronologie) geht. Fundbergung und -analyse schlagen sich in der archäologischen Landesaufnahme (Inventarisation) nieder, also in der möglichst vollständigen Erfassung des archäologischen Materials innerhalb einer Landschaft. Ausfluss einer solchen Landesaufnahme ist u.a. die Fundkarte. Diese ist dann - bei richtiger Interpretation - auch für die Siedlungskunde höchst bedeutsam.

Literatur: BERNBECK, R., Theorien in der Archäologie (= UTB 1964), Tübingen-Basel 1997; EGGERT, M.K.H., Prähistorische Archäologie. Konzepte und Methoden (= UTB 2092), Tübingen-Basel 2001; JANKUHN, H., Einführung in die Siedlungsarchäologie, Berlin-New York 1977; JANKUHN, H., SCHLESINGER, W., STEUER, H. (Hg.), Vor- und Frühformen der europäischen Stadt im Mittelalter, Tl.I (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, phil.-hist. Kl. III,83), Göttingen 2.Aufl. 1975; JANSSEN, W., Namen - Scherben - Urkunden. Quellenprobleme der frühen bergischen Geschichte, in: ZBGV 90 (1983), S.1-14; LAMPEN, A., Fischerei und Fischhandel im Mittelalter. Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Untersuchungen nach urkundlichen und archäologischen Quellen des 6. bis 14. Jahrhunderts im Gebiet des Deutschen Reiches (= Historische Studien, Bd.461), Husum 2000; SCHLESINGER, W., Archäologie des Mittelalters in der Sicht des Historikers, in: ZAM 2 (1974), S.7-31; STEUER, H., Archäologie und die Erforschung der germanischen Sozialgeschichte des 5. bis 8. Jahrhunderts, in: SIMON, D. (Hg.), Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages (= Ius commune, Sonderh.30), Frankfurt a.M. 1987, S.443-453; WALZIK, G.B., Siedlungsgeschichtlicher Ertrag archäologischer Untersuchungen an ländlichen Pfarrkirchen des Rheinlandes (= Habelts Dissertationsdrucke, Reihe Mittelalterliche Geschichte, H.2), Bonn 1981

Bearbeiter: Michael Buhlmann