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Kompendium
Mittelalter

Architektur

I. [folgt]. II. [folgt]. III. Sakralarchitektur: Christliche Sakralarchitektur ist die Architektur christlicher Gotteshäuser (Kirchengebäude). (Sakral-) Architektur des Mittelalters kann kunst- und stilgeschichtlich interpretiert und gedeutet werden (voruniversitäre und universitäre Kunstgeschichte), die Deutung (Stilkritik) beruht auf Architekturbeispielen (Kunstwerk [Urheber, Entstehungsort, Entstehungszeit]) und deren stilgeschichtliche Beziehungen zu allgemeinen, einer Zeitepoche verhafteten Architekturentwicklungen. Sakralarchitektur muss aus der Zeit ihrer Entstehung heraus gedeutet werden. Für das Mittelalter etwa ist davon auszugehen, dass Sakralarchitektur als Bedeutungsträger fungierte. Wenn auch eine mittelalterliche Architekturtheorie fehlt, so erklären sich dennoch die Kirchengebäude in ihrer Symbolik, Ikonografie und Ikonologie als Ausfluss mittelalterlich-biblischer Hermeneutik. Dies gilt für gotische Kathedralen (Abbild des Himmels, himmlisches Jerusalem [Lichtsymbolik], mathematisches Modell [Gott als Baumeister], Beziehungen zu Scholastik und Philosophie [Architektur als manifestatio]) ebenso wie für Architekturkopien (Kopien architektonischer Formen als Bedeutungsträger). Kirchengebäude, zumal Großbauten, entstehen aus gesellschaftlichen Zielvorstellungen (Gott) heraus, übersteigen daher das Zweckhafte in der Architektur und drücken dies in besonderen, nicht alltäglichen Formen der Baukunst aus. Dazu gehört eine durch den Kirchenbau medial vermittelte und inszenierte politische Ikonografie, die eine ranggestufte Sakralarchitektur zum Instrument politischer Repräsentation macht (Zitattheorie), dazu gehört auch die mittelalterliche memoria ("Gedächtnis-Kultur", "kulturelles Gedächtnis"), die Kirchen und Kathedralen zu einem heilsgeschichtlichen "Zeitenraum" und einer Gedächtnisstiftung machte bzw. institutionelle Vergangenheit gedächtnishaft inszenierte (Spolien u.a.). (Mittelalterliche) Gotteshäuser gaben mit ihrer Architektur als "räumlich-organisiertes Medienensemble" (Prager Veitsdom) nicht zuletzt den Rahmen für kirchlich-christliche Rituale (Gottesdienst, Prozessionen). Insgesamt erscheint somit (mittelalterliche) Sakralarchitektur befrachtet mit unterschiedlichen Deutungen moderner Geschichtsschreibung ("gedeutete Geschichte").

Literatur: NILLE, CHRISTIAN, Mittelalterliche Sakralarchitektur interpretieren (= Einführung. Kunst und Architektur), Darmstadt 2013

Bearbeiter: Michael Buhlmann