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Kompendium
Mittelalter

Archivkunde

I. Archivkunde ist die (historische Hilfs-) Wissenschaft von den in Archiven befindlichen Unterlagen und Materialien. Archive (lateinisch archivum, griechisch archeion <- "archaisch/alt") dienen der geordneten Verwahrung und Aufbewahrung von Verwaltungsschriftgut (als historisches Quellenreservoir), d.h. von mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Urkunden, Akten, Amtsbüchern, Kopialbüchern bis hin zu neuzeitlichen analogen und digitalen Speichermedien. Archive gab es schon in den antiken Reichen des Vorderen Orients, in den antik-griechischen Stadtstaaten oder im Rom der römischen Republik (Tabularium). Das mittelalterliche Archivwesen - z.T. in der Tradition des Kanzlei- und Registerwesens der römischen Kaiser - war das der Klöster, Stifte und Kirchen, der Stadtgemeinden (Tresekammern der Hansestädte) oder Fürsten (Schatzarchive, Samtarchive), Herrscher (archivum, armarium sacri palatii Kaiser Karls des Großen) und Päpste (Vatikanisches Archiv). Dabei nahm die Bedeutung der Archive mit dem (spätmittelalterlichen) Ausbau der Verwaltungen und des Kanzleiwesens zu (Kanzlei- und Aktenarchive). In der frühen Neuzeit setzte sich die Entwicklung des Archivwesens in den im Spätmittelalter begründeten Bahnen im Wesentlichen fort. Neuerungen gab es im 18. Jahrhundert und im Gefolge der Französischen Revolution. Die heutige Archivlandschaft im Bereich der Bundesrepublik Deutschland kennt Staats-, Landes-, Regional- und Kommunal- (Stadt-) Archive, Herrschafts-, Haus- und Familienarchive, kirchliche (u.a. Diözesan-, Landeskirchen-) Archive, ein "Gesamtarchiv der deutschen Juden", Wirtschaftsarchive (u.a. Betriebs- und Konzernarchive), Literatur-, Kunst- und Wissenschaftsarchive u.a. (Privatarchive als nichtöffentliche Archive). Dabei unterliegen die (staatlichen) Archive dem Archivgesetz (Archivschutz, Archivpflege, EU-Kulturgutsicherungsgesetz). II. Das Archivgut eines Archivs, seine Bestände, sind nach gewissen Kriterien verteilt und abgegrenzt (Standortprinzip, Provenienz-/Herkunftsprinzip, Pertinenzprinzip, Mischbestände -> Archivtektonik). (Ältere) Urkunden können in Urkundenabteilungen des Archivs versammelt sein. Das Mittelalter war das Zeitalter der Urkunden, die frühe Neuzeit das der Akten (Registratur, Serienakten u.a.), wenngleich Aktenschriftstück und Aktenbildung schon im späten Mittelalter aufgekommen sind. Auch Amts- und Geschäftsbücher (Register, Briefbücher, Kopialbücher, Urbare, Lagerbücher) gehen (meist) ins (hohe) Mittelalter zurück. Druckschriften, Karten und Pläne betreffen weitgehend neuzeitliches und modernes Archivgut (Kartengut, Liegenschaftskataster), Bild-, Ton- und elektronisch-digitale Dokumente das 19. bzw. hauptsächlich das 20. und 21. Jahrhundert. Bei der Verwaltung des Archivs und seiner Bestände kommt dem Archivar naturgemäß besondere Bedeutung zu (Bewertung und etwaige Aussonderung von Archivalien, Registratur [Ordnung, Verzeichnung], Repertorium, Konservierung und Restaurierung von Archivgut, Archivgutsicherung [Sicherungsverfilmung, Digitalisierung], Beständeübersichte, Gesamtinventare, Öffenlichkeitsarbeit [Ausstellungen]). III. Erschlossen wird das Archivgut für den Archivbenutzer durch die Findmittel (Bestandsübersichten, Repertorien, Findbücher, Zusatzfindmittel, Dienstbibliothek des Archivs, archivische Sammlungen). Dabei können an ein Archiv Anfragen gestellt werden, Archivalien im Rahmen einer Benutzerordnung (Recht der Archivbenutzung, Benutzungsbedingungen, Benutzungsbeschränkungen) im Archiv eingesehen, oder Kopien oder Digitalisate von Archivgut angefordert werden (Veröffentlichung von Archivgut im Rahmen von Publikationen).

Literatur: FRANZ, E.G., LUX, T., Einführung in die Archivkunde, Darmstadt 92018

Bearbeiter: Michael Buhlmann