www.michael-
buhlmann.de

Kompendium
Mittelalter

Überblick Wissenschaften/Hilfswissenschaften

Die Wissenschaft von der mittelalterlichen Geschichte (Mediävistik) benötigt zur historischen Erforschung dieser Epoche eine Reihe von sog. Hilfswissenschaften. Die Hilfswissenschaften sind eigenständige Wissenschaftsgebiete.

Die historischen Hilfswissenschaften vereinen alle Methoden und Techniken, die der Historiker zur Interpretation der ihm vorliegenden Überlieferung benötigt. Alle Hilfswissenschaften dienen schließlich der Quellenkritik und damit der historischen Interpretation, die allein zur adäquaten Beurteilung und Darstellung geschichtlicher Sachverhalte führt (historisch-kritische Methode) und die in einer allgemeinen Quellenkunde (nicht nur der schriftlichen Überlieferung) ihre Heimat findet. Hinsichtlich der Sachüberreste (der Vor- und Frühgeschichte sowie des Mittelalters) ist es die Archäologie, die Funde bergen und Befunde dem Historiker bereitstellen kann. Kunstgeschichte und Architektur beziehen sich auf Sachüberreste oder Bestehendes in deren künstlerischer Dimension. Die schriftliche Überlieferung im Sinn haben die Namenkunde, die historische Texte auch als Teil der Sprachwissenschaften auf Personen- oder Ortsnamen hin untersucht, und die Patrozinienkunde, die sich mit den Schutzheiligen von Kirchen und geistlichen Gemeinschaften auseinandersetzt. Ortsnamen- und Patrozinienkunde können auch als Bestandteile der Siedlungsgeschichte gelten, die wiederum Teil der geschichtlichen Landeskunde als historischer Regional- und Landschaftsforschung ist. Hierher gehört ebenso die Siedlungsgeografie, die historisch-genetische Siedlungskunde und die historische Geografie. Vornehmlich den Bereich des Adels und des Bürgertums betreffen die Genealogie, die Lehre von den verwandtschaftlichen Beziehungen, und die Heraldik als Wappenkunde. Eine Reihe von historischen Hilfswissenschaften beschäftigt sich mit den mittelalterlichen Urkunden (und Akten): Die Diplomatik (Urkundenlehre) ist die kritische Wissenschaft von den Urkunden, die Urkundenkritik (insbesondere Echtheitskritik) mit äußerer (äußere Urkundenmerkmale) und innerer Kritik (inhaltliche Aussagen) verbindet; die (lateinische) Paläografie ist die Lehre von den alten Schriften einschließlich der Schriftentwicklung und der Schreibmaterialkunde, die Sphragistik (Siegelkunde) die Lehre von der Echtheit und Gestalt der Siegel. Wichtig ist noch die Chronologie als Lehre von der Zeitmessung, -rechnung und Datierung. Hilfswissenschaften wie Paläografie oder Chronologie sind natürlich auch auf andere historische Quellengattungen anwendbar, die Paläografie z.B. auf Inschriften (Epigraphik), die Chronologie auf Quellen der Geschichtsschreibung. Erwähnt werden müssen noch die Numismatik als Münzkunde und die historische Metrologie als Lehre von den (Längen-, Flächen-, Hohl- und Gewichts -) Maßen.

Literatur: BRANDT, A. VON, Werkzeug des Historikers. Eine Einführung in die Historischen Hilfswissenschaften (= Urban Tb 33), Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 8.Aufl. o.J.; BUHLMANN, M., St. Georgen und Südwestdeutschland bis zum Mittelalter (= Quellen zur mittelalterlichen Geschichte St. Georgens, Teil I = VA 2), St. Georgen 2002; CAENEGEM, R.C. VAN, GANSHOF, F.L., Kurze Quellenkunde des Westeuropäischen Mittelalters, Göttingen 1963; FEHRING, G.P., Einführung in die Archäologie des Mittelalters, Darmstadt 1987; GOETZ, H.-W., Proseminar Geschichte: Mittelalter (= UTB 1719), Stuttgart 1993; NUSSER, P., Deutsche Literatur im Mittelalter. Lebensformen, Wertvorstellungen und literarische Entwicklungen (= Kröner Tb 480), Stuttgart 1992; QUIRIN, H., Einführung in das Studium der mittelalterlichen Geschichte, Braunschweig 3.Aufl. 1964

Bearbeiter: Michael Buhlmann