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Kompendium
Mittelalter

Numismatik/Münzkunde

Numismatik (Münzkunde) ist die Lehre von den Münzen als Geschichtsquellen und der (hilfs)wissenschaftlichen Kritik an ihnen. Münzen (nummi; Metallstücke) hatten und haben die Funktion von öffentlichen, gesetzlichen Zahlungsmitteln, woraus sich u.a. für das Mittelalter eine Münz- und Geldgeschichte (Münztypen, Münzstätten, Münzherren) rekonstruieren lässt. Der Quellentyp "Münze" gibt darüber hinaus noch vielfältige Einblicke in die mittelalterliche Wirtschafts- und Sozialgeschichte (Verbreitung von Münzen, Handel und Verkehr, Stabilität und Wachstum, Kaufkraft), in die Herrschafts- und Verfassungsgeschichte (Münzen als Hoheitszeichen, Münzumschrift [Orte und Personennamen], Münzbild) sowie in die Kunstgeschichte (Symbolcharakter von Bildmünzen, Vorstellungswelt). Symbolcharakter und Vorstellungswelt betonen auch die ab der Renaissance auftretenden Medaillen.

Münzfunde, d.h.: Schatzfunde, Einzelfunde, Grabfunde und Votivfunde, unterrichten über die mittelalterlichen Münzen, die vergraben (Münzschätze), verloren, begraben (Charonsmünze, Totenpfennig) oder gespendet (Weihemünzen für Gewässer und Brunnen) wurden, und stellen damit wichtige archäologische Entdeckungen dar (Münzen als Sachüberreste). Insbesondere Schatzfunde geben darüber hinaus Auskunft über Handels- und Verkehrsbeziehungen (Schatzfunde deutscher Münzen in Skandinavien, 10./11. Jahrhundert), Einzelfunde sind, wenn sie gehäuft auftreten, für die Siedlungsgeschichte wichtig.

Mittelalterliche Münzen wurden im Auftrag des Münzherrn, der in der Regel den Münzgewinn (Schlagschatz) für sich beanspruchte, geprägt. Zur Herstellung von Münzen benötigte man den Münzstempel, einen Zylinder aus gehärtetem Eisen, auf dessen Kopfseite der Stempelschneider das Münzbild mit der Umschrift spiegelverkehrt eingravierte; es wurden für zweiseitige Münzen ein Unter- und ein Oberstempel angefertigt. Nach der Herstellung der Schrötlinge begann der eigentliche Prägevorgang, die Hammerprägung. Den Schrötling legte man auf den Stock (auf den Unterstempel), den (Ober-) Stempel auf den Schrötling und schlug dann mit dem Hammer auf den (Ober-) Stempel, wobei man Prägefehler (falsche Winkelstellung zwischen Unter- und Oberstempel, Doppelschlag, Hohlschlag, verschlissene oder fehlerhafte Stempel) zu vermeiden suchte.

Mittelalterliche Münzgeschichte

Die römische Währung (1.-5. Jahrhundert) und das byzantinische Reich (5.-15. Jahrhundert). Die Münzreform des Kaisers Augustus (27 v.Chr.-14 n.Chr.) (Gold(-Silber-)währung mit Aurei und Denaren etc.) blieb für das Geldwesen im Römischen Reich über die engere Prinzipatszeit (1./2. Jahrhundert) hinaus bis ins 3. Jahrhundert maßgeblich. Die politische (und wirtschaftliche Krise) des 3. Jahrhunderts mündete dann unter den Kaisern Diokletian (284-305) und Konstantin d.Gr. (306-337) in die stabile römische Währung der Spätantike (Diokletian: Aurei, Argentii, Folles; Konstantin [312]: Solidi, [Seliquae, Semis, Triens]). Der Solidus überdauerte dabei die Antike und bestimmte insbesondere das oströmisch-byzantinische Geldwesen über ein Jahrtausend lang, basierte doch das Münzwesen im byzantinischen Reich bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts auf einer Goldwährung mit Silber-, Bronze- und Kupfermünzen (Goldmünzen: Solidus, Semis und Triens [bis 8. Jahrhundert], Solidus [ab 8. Jahrhundert], Tetarteron [ab 10. Jahrhundert], Silbermünzen: Miliarense, Siliqua, Hexagramm). Unter Kaiser Alexios I. (1081-1118) wurde das Hyperpyron als Goldmünze eingeführt, im spätbyzantinischen Reich kam das Basilikon als Silbermünze auf, in den letzten hundert Jahren byzantinischer Geschichte wurde das Silber-Hyperpyron Hauptmünze.

Die Merowingerzeit (5.-8. Jahrhundert). Die germanischen Nachfolgestaaten auf weströmischen Boden übernahmen auch das römische Münzsystem, wie die Verwendung von Solidi und Trienten im Merowingerreich beweist. Danach lassen sich drei Phasen merowingischer Münzgeschichte unterscheiden: Die Zeit der "pseudo-imperialen" Solidi und Trienten, etwa eines Theudebert I. (534-548) (ca.500-580); die Zeit der Monetarprägungen von Trienten (und eingeschränkt Solidi), die in ca. 800 Münzstätten im Frankenreich hergestellt wurden (580-670); die Zeit der merowingischen Silberwährung, d.h. der Prägung von Denaren (670-750). Daneben traten im letzten Viertel des 7. Jahrhundert als weitere Silbermünzen angelsächsische Sceattas in Erscheinung, die z.B. in Friesland nachgeprägt wurden.

Die Periode des überregionalen Pfennigs (8.-11. Jahrhundert). Münzreformen, die das nachfolgende Mittelalter stark beeinflussten und eine Vereinheitlichung des Münzwesens brachten, stehen am Beginn der karolingischen Zeit. König Pippin der Jüngere (751-768) legte im Jahre 751 die Prägung von Silberdenaren fest sowie den bei der Prägung dem Münzherrn zustehenden Gewinn; außerdem reduzierte er die Anzahl der fränkischen Münzstätten stark. Sein Nachfolger Karl der Große (768-814) bestimmte in der Münzreform von 793/94, dass 240 Denare (Pfennige) auf ein karolingisches Münzpfund kommen sollten. Mithin wurden die Denare schwerer, während die Solidi (Schillinge) nicht mehr ausgeprägt werden sollten. Unter Ludwig dem Frommen (814-840) sind aber noch Goldsolidi belegt. Die Münzreformen der frühen karolingischen Könige leiteten damit die Periode der überregionalen Pfennigwährung ein. Bis zum 11. Jahrhundert sollten die Silberpfennige Grundlage des Münzwesens in den sich herausbildenden nachkarolingischen Staaten Deutschland, Frankreich und Italien sein. Das Münzrecht blieb auch im ottonisch-salischen Deutschland Regal (königliches Hoheitsrecht), das die deutschen Herrscher aber an Bischöfe und Äbte (als Münzherrn) weiterverliehen (ottonische Markt- und Münzpolitik). Nachweisbar u.a. anhand der großen skandinavischen Münzfunde ist die sog. Epoche des Fernhandelsdenars (940-1125), in der große Mengen deutscher Pfennige nach Nord- und Osteuropa abgeflossen sind. So sind in Schweden die Otto-Adelheid-Pfennige (wahrscheinlich geschlagen unter Otto III. [983-1002]) feststellbar, ebenso Kölner, fränkische, lothringische, schwäbische und bayerische Pfennige, womit die "Münzprovinzen" in Deutschland ungefähr charakterisiert sind.

Die Periode der regionalen Pfennigwährungen (11./12.-13. Jahrhundert). Ab dem Ende des 11. Jahrhunderts wird von Kölner, Aachener, Trierer Pfennigen usw. geredet, Hinweis auf die sich zu dieser Zeit ausbildenden regionalen Pfennigsorten. Neben dem schweren Kölner Pfennig, der gegenüber dem karolingischen Pfennig kaum an Gewicht und Feingehalt verloren hatte und somit noch den bisherigen, einheitlichen Münztyp vertrat, kamen die sog. leichten Pfennige auf, z.B. aus Friesland und vom Oberrhein. Ausgrenzungen fremder Währungen wurden nun üblich; der Wechselzwang bei gleichzeitigem Einschmelzen der gewechselten Fremdwährung in eigene Münzen und periodischen Münzverrufungen setzte sich durch und damit das territoriale Münzmonopol der Münzherren. Hinzu kam die generelle Verknappung von Silber bei steigendem Handel und Geldbedarf. Die fortschreitende Verschlechterung des Münzfußes machte daher die Einführung eines neuen Münzgewichts nötig, der Mark (ab 11. Jahrhundert). Wahrscheinlich halb so schwer wie das karolingische Münzpfund, setzte sie sich zunächst im Rheinland durch (Kölner Mark), u.a. auch als Zählmark zu 144 Pfennigen. Die leichten Pfennige wurden dabei nach dem Pfund gezählt, die schweren nach der Mark. Der Kölner Pfennig blieb trotz der Territorialisierung des Münzwesens die bedeutendste (Leit-) Währung entlang des Rheins bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts. In Süddeutschland trat um 1180 der nach der staufisch-königlichen Münzstätte Schwäbisch Hall bezeichnete Heller auf, der zu Beginn des 13. Jahrhundert zu einer überregionalen Leitwährung wurde.

Spätmittelalterliche Silber- und Goldwährungen (13.-15. Jahrhundert). Der Heller stellte eine Abkehr von der bisherigen Pfennigwährung dar. In der Tat setzten sich im späten Mittelalter neue, auch höherwertige Münzsorten durch, die großen Einfluss auf die territorialen Währungsbereiche hatten und diese aufhoben bzw. überlagerten. Wechselzwang und Münzverrufungen verschwanden somit als "münzpolitisch-fiskalische Maßnahmen"; an ihre Stelle trat die Münzverschlechterung durch Verringerung des Edelmetallgehalts in den Prägungen (Inflation). Geldkontrolle wurde auf der anderen Seite ermöglicht u.a. durch die Pagamentshoheit der Städte (Festsetzung des Wertes fremder Münzen; Pagament als Rechenwährung), die Ge-genstempelung von Münzen durch die Städte und den Zusammenschluss landesherrlicher Währungen (Rheinischer Münzverein und andere Münzvereine). Ausländische Münzen und deren deutsche Nachprägungen hatten ab der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts großen Einfluss in Deutschland. Dies galt für den englischen Sterling, einen Silberpfennig (ab 1180), und dessen Nachprägung, den Brabantiner, genauso wie für den französischen Turnosgroschen, die Turnose (ab 1266), einer höherwertigen Silbermünze. Während der Kölner Pfennig im 14. Jahrhundert verschwand, setzten sich in Deutschland die Turnosen als Großsilbermünzen durch und wurden vielfach nachgeprägt (Entstehung des Groschens). Goldmünzen außerhalb des byzantinischen bzw. islamischen Herrschaftsbereichs prägte ab 1231 erstmals Kaiser Friedrich II. (1212/15-1250) (Augustalen, Halbaugustalen im Königreich Sizilien). 1252 begann man in Genua und Florenz mit der Prägung von Goldmünzen. Besonders der Florentiner (Gulden) war auch in Mitteleuropa erfolgreich. Als weitere Goldmünzen traten hinzu: Dukaten (ab 1284), Goldschild (ab 1337), Nobel (ab 1344). Gulden wurden ab dem 14. Jahrhundert nachgeprägt. Auf dem rheinischen Goldgulden beruhte so - neben dem neu eingeführten Weißpfennig (Albus) - der Zusammenschluss der vier rheinischen Kurfürsten im 1. Kurrheinischen Münzverein (1385). Auch der 1484 geschaffene Taler, eine Großsilbermünze, benannt nach dem Prägeort Joachimsthal in Böhmen, konnte sich gegen den rheinischen Gulden als Leitwährung des 15. und 16. Jahrhunderts nicht durchsetzen.

Währungen und Umrechnungen

Literatur: BUHLMANN, M., Der Tennenbacher Güterstreit (= Quellen zur mittelalterlichen Geschichte St. Georgens, Teil VII = VA 12), St. Georgen 2004; CAUWENBERHE, E. VAN, IRSIGLER, F. (Hg.), Münzprägung, Geldumlauf und Wechselkurse (= Trierer Historische Forschungen 7), Trier 1984; EBENGREUTH, A. LUSCHIN VON, Allgemeine Münzkunde und Geldgeschichte des Mittelalters und der neueren Zeit, München 2.Aufl. 1976, Ndr 1969; GAETTENS, R., Mittelaltermünzen als Quellen der Geschichte, in: Welt als Geschichte 14 (1954), S.91-108; GRIERSON, P., Münzen des Mittelalters, München 1976; KLUGE, B., Deutsche Münzgeschichte von den Spätkarolingern bis zum Ende der Salier, Sigmaringen 1991; REY, M. VAN, Einführung in die rheinische Münzgeschichte des Mittelalters (= Beiträge zur Geschichte der Stadt Mönchengladbach 17), Mönchengladbach 1983; SPUFFORD, P., Handbook of Medieval Exchange, London 1986; SPUFFORD, P., Money and its Use in Medieval Europe, Cambridge 1988; SUHLE, A., Deutsche Münz- und Geldgeschichte von den Anfängen bis zum 15. Jahrhundert, Berlin 8.Aufl. 1975

Bearbeiter: Michael Buhlmann