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Kompendium
Mittelalter

Quellenkunde, Quelleninterpretation

(Geschichts-) Quellen sind alle Zeugnisse (Überlieferungen), die über historische Vorgänge unterrichten. Geschichte ist die Wissenschaft von den Menschen betreffenden Ereignissen in Zeit und Raum, die durch Quellen dokumentiert sind. Die historische Forschung analysiert und interpretiert also Quellenbefunde, wobei sie es bei den schriftlichen, d.h. den eigentlichen historischen Quellen mit einer "doppelten Subjektivität" zu tun hat. Zum einen handelt es sich um die Subjektivität der Quellen, die unter bestimmten Voraussetzungen, Anliegen und Intentionen verfasst wurden. Zum anderen ist die Subjektivität der Quelleninterpretation, d.h. die Subjektivität des heutigen Historikers in Rechnung zu stellen. Geschichte unterliegt also durch ihre verschiedenen Deutungen der Vergangenheit einem dauernden Wandel. Diese "historische Unschärfe" bedingt vielfach, dass Geschichte alles andere ist als das, wie es gewesen war. Nur Annäherungen an eine interpretierte Art von Vergangenheit sind möglich. Und diese Annäherungen sind so gut oder so schlecht, wie die auf überlieferten Quellen und deren Interpretation(en) es zulassen.

Quelleninterpretation bedeutet den historisch-wissenschaftlichen Umgang mit einer (mittelalterlichen) (Geschichts-) Quelle. Einer ersten Annäherung an die Quelle (1.: Quelleneinordnung, Quellensprache [Latein, Deutsch u.a.], Quellenstil, Quelleninhalt) folgt die Analyse (2.: Quellenüberlieferung, Quellenaussage, Art der Quellenaussage), die Synthese (Quellengattung, Verfasserschaft und Quellenherkunft, Rezipienten und Quellenwirkung, soziale Beziehungen, Gliederung, Stilarten [Rhetorik, Topoi, Klang]), die Kritik (4.: Quellenaussage im Rahmen von Traditionen und Wirkungszusammenhängen, Tatsächlichkeit der Überlieferung und der Quellenaussage [durch die Quelle beschriebene Sachverhalte], Werturteile und Tendenzen), der Quellenvergleich (5.: Glaubwürdigkeit der Quelle, Eindeutigkeit der Quellenaussage, Widersprüche), die Zusammenfassung (6.: abschließende Abwägung von Analyse, Synthese, Kritik, Vergleich).

Literatur: BUHLMANN, M., St. Georgen als Reformmittelpunkt benediktinischen Mönchtums (= Quellen zur mittelalterlichen Geschichte St. Georgens, Teil VIII = VA 20), St. Georgen 2005; THEUERKAUF, G., Die Interpretation historischer Quellen. Schwerpunkt: Mittelalter (= UTB 1554), Paderborn-München-Wien-Zürich 1991

Bearbeiter: Michael Buhlmann