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Kompendium
Mittelalter

Sphragistik/Siegelkunde

Die Sphragistik oder Siegelkunde ist die Lehre von den Siegeln. Sie beschäftigt sich also mit Gestalt, Typen, Material, Befestigung, Anfertigung und Echtheit von Siegeln. Mittelalterliche Siegel (lat. sigillum) hatten dabei die Funktion als Erkennungszeichen, Verschluss- oder Beglaubigungsmittel von Urkunden und Briefen. Anfangs nur den mittelalterlichen Königen vorbehalten (Siegelrecht), verbreitete sich ab dem 10./11. Jahrhundert die Verwendung von Siegeln auch auf geistliche und weltliche Herrscher, im hohen und späten Mittelalter ebenso auf geistliche Dignitäre, Städte, Bürger usw. Da Siegel die Umschrift des Ausstellers, verbunden mit einem wie immer gearteten Siegelbild, tragen, sind sie Zeichen hoheitlicher Funktion und dienen auch der Repräsentation.

Siegelstempel: Das Urbild eines Siegels ist der Siegelstempel (Matrize, Typar, Petschaft), das Siegel mithin der Abdruck des Stempels u.a. in Wachs oder Metall. Als Stempel fanden im Mittelalter Verwendung: Siegelringe (für kleinere Siegel); Gemmen, größere Stempel. Die sorgfältige Aufbewahrung der Siegelstempel geschah in sicheren Räumlichkeiten und Behältern. Die Stempel wurden von Goldschmieden und handwerklich geschickten Geistlichen hergestellt. Ein Urkundenaussteller konnte mehrere Siegelstempel besitzen.

Einteilung der Siegel gemäß einer primären und sekundären Typologie: a) nach den Urkundenausstellern: Könige, geistliche und weltliche Fürsten, Grafen, Ministeriale, geistliche Dignitäre, Städte, Zünfte, Universitäten, Bürger; gemeinschaftliche Siegel; b) nach der Siegelform: Rund-, Oval-, Schildsiegel u.a.m.; c) nach dem Siegelstoff: Wachs-, Blei-, Silber- und Goldsiegel und damit zusammenhängend nach den verschiedenen Befestigungsarten von Siegeln an Urkunden (sigillum impressum (SI.): Wachssiegel durch Kreuzschnitt auf dem Pergament befestigt, sigillum pendens (SP.): Siegel an Urkunde hängend mittels eines Pergamentstreifens, einer Hanf- oder Seidenschnur, bulla (B.): Blei-, Silber- oder Goldbulle als Metallsiegel an die Urkunde gehängt; anhängende Siegel sind an der Plica, dem unteren Pergamentumschlag befestigt); d) nach dem Siegelbild: Bildsiegel (mit und ohne Namen des Inhabers, symbolische, architektonische, religiöse Bilder enthaltend), Porträtsiegel (Kopf [Gemmensiegel], Brustbild, Standbildsiegel [stehend, sitzend, auf den Knien; Thronsiegel], Reitersiegel; jeweils mit und ohne Wappen), Wappensiegel (mit Wappenbildern oder -helmen); e) nach der Verwendung: große Siegel, Geschäftssiegel (ad causas, ad missivas), Sekretsiegel (= Gegen-, Rücksiegel).

Siegelgröße: Die Siegelgröße schwankt zwischen 5 und 175 mm, wobei die Größe der Wachssiegel während des Mittelalters zunahm und Metallbullen einen Durchmesser von 12 bis 43 mm hatten.

Literatur: BRANDT, A. VON, Werkzeug des Historikers. Eine Einführung in die Historischen Hilfswissen-schaften (= Urban Tb 33), Stuttgart-Berlin-Köln 15.Aufl. 1998; BUHLMANN, M., Die Päpste in ihren Beziehungen zum mittelalterlichen Kloster St. Georgen (= Quellen zur mittelalterlichen Geschichte St. Georgens, Teil IV = VA 8), St. Georgen 2004; EWALD, W., Siegelkunde, München 1914, Ndr 1975; GOETZ, H.-W., Proseminar Geschichte: Mittelalter (= UTB 1719), Stuttgart 1993; ILGEN, THEODOR, Sphragistik, München 7.Aufl. 1912

Bearbeiter: Michael Buhlmann