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Belgien: Moderne

Die Existenz des keltischen Stammes der Belger (1. Jahrhundert v.Chr.), die römische Provinz Belgica (1. Jahrhundert n.Chr.), das Flandern des Mittelalters und des burgundischen "Zwischenreichs", die Spanische (1555) und die Österreichische Niederlande (1714) können nur bedingt als Vorläufer belgischer Geschichte gelten. Ins Vorfeld der Entstehung des Königreichs Belgien gehören immerhin die "Kleine Revolution" (1787) und die Brabanter Revolution (1789/90/93) gegen die Habsburger bei französischer Besetzung Belgiens (boerenkrijg 1798), das letztlich Teil des französischen Kaiserreichs wurde. Nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft (1814/15; Schlacht bei Waterloo 1815) ließ das Königreich der Vereinigten Niederlande (Niederlande, Belgien, Luxemburg) entstehen, doch führte der Brüsseler Aufstand (25. August 1830) nach erfolgreicher Abwehr niederländischer Übergriffe (1830/31) zur Bildung des Königreichs Belgien und König Leopold I. (von Sachsen-Coburg-Gotha; 1831-1865), das die Unterstützung Großbritanniens und Frankreich genoss und schließlich auch von der Niederlande anerkannt wurde (Londoner Konferenz 1831, Londoner Schlussvertrag 1839 [u.a. betreffend Belgien zukommnende Teile von Limburg und Luxemburg). Belgien war von Anfang an ein zweigeteiltes Land (abgesehen von der deutschen Minderheit) zwischen (Niederländisch sprechenden) Flamen und (Französisch sprechenden) Wallonen (west-östliche Sprachgrenze südlich der Hauptstadt Brüssel; zweisprachiges Brüssel), zunächst auch zwischen Liberalen und Katholiken. Von der Industrialisierung im 19. Jahrhundert (Kohle-, Erzbergbau, Stahlindustrie) profitierte das Königreich überdurchschnittlich, womit durch geringen sozialen Fortschritt eine massive Verelendung der Industriearbeiter (Männer, Frauen, Kinder) einherging (soziale Frage). Unter König Leopold II. (1865-1909) setzte immerhin eine Sozialgesetzgebung ein (1884), auch Gewerkschaften und die sozialistisch orientierte Belgische Arbeiterpartei (1885) formierten sich (neben schon bestehenden anderen Parteien wie etwa den Liberalen [1846]). Leopold II. konnte das mittelafrikanische Land Kongo als seinen Privatbesitz erwerben; der Kongo wurde 1908 belgische Kolonie. Außenpolitisch blieb das neutrale Belgien gefährdet durch die das Königreich benachbarten Großmächte; verwiesen sei auf französische Annexionspläne (1866) und die deutsche Besetzung großer Teile Belgiens im Ersten Weltkrieg (1914-1918). Letztere verstärkte auch den flämisch-wallonischen Gegensatz, während die von König Albert I. (1909-1934) verfolgte Neutralitätspolitik gescheitert war. Im Versailler Vertrag (1919) erlangte Belgien vom deutschen Reich die Gebiete um Eupen, Malmedy und St. Vith sowie koloniale Mandate über Ruanda und Burundi (ehemals Deutsch-Ostafrika). Belgien kehrte erst 1936 - unter König Leopold III. (1934-1951) - zur bewaffneten Neutralität zurück, nachdem z.B. sich belgische Truppen an der Besetzung des Ruhrgebiets beteiligt hatten (1923). Im Zweiten Weltkrieg (1939-1945) wurde das neutrale Belgien 1940 von deutschen Truppen besetzt; die deutschen Besatzer fanden in den flämischen Nationalisten (Partei "Vlaamsch National Verbond") und den (wallonischen) Rexisten (Partei "Rex Christus") willige Kollaborateure; die Rechtsaußenparteien profitierten von der Schwäche des parlamentarischen Systems infolge der Weltwirtschaftskrise (1929). 1944 konnte Belgien von den Alliierten befreit und in den Grenzen von 1920 wiederhergestellt werden. Der in die Kritik geratene Leopold III. dankte zu Gunsten seines Sohnes Baudouin (1951-1993) ab (Volksabstimmung für die Monarchie 1950, Generalstreik und Abdankung 1950, Regentschaft von Leopolds Bruder Karl 1950/51); das Land fasste nach dem Krieg wirtschaftlich schnell Tritt, Wirtschafts- und Sozialreformen schufen eine wichtige Voraussetzung für die auflebende parlamentarische Monarchie, zumal nach dem allgemeinen Wahlrecht für Männer (1919) jetzt auch das Frauenwahlrecht eingeführt wurde (1948). Sozialistisch und konservativ geführte Regierungen wechselten in der Folge, seit 1958 gab es (bis auf 1973/74) nur konservative Premierminister bis 2019. Belgien war Gründungsmitglied der UNO (1945) und der NATO (1949), ab 1952 in der Montanunion, ab 1958 in der Euratom und der Europäischen Gemeinschaft (Brüssel als europäische Hauptstadt). Streitigkeiten zwischen Politik und katholischer Kirche konnten im Schulpakt beigelegt werden (1958). 1960 wurde Belgisch-Kongo unabhängig, 1962 Ruanda und Burundi. Die Sprachgrenze(n) zwischen Flamen und Wallonen (und Deutschen) wurden 1963 und 1970 festgelegt (Abkommen von Hertoginnendal 1963), durch Verfassungsänderung (1988/93) erhielten Flandern und Wallonien weitreichende Autonomie, Belgien wurde damit ein föderal organisiertes Königreich, in dem auf Baudoin dessen Bruder Albert II. (1993-2013) als König nachfolgte. Alberts Sohn Philippe herrscht seit 2013 über Belgien, das sich im Zuge der Beendigung des Ost-West-Konflikts, der Ausweitung der Europäischen Union und der wirtschaflichen Globalisierung politisch weitgehend erfolgreich behaupten konnte und kann.

Literatur:

Schilling, Jörg, Täubrich, Rainer (1989), Belgien (= Aktuelle Länderkunden = BSR 829), München 1989

Bearbeiter: Michael Buhlmann, 07.2024