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Dänemark: Mittelalter, frühe Neuzeit, Moderne
Mittelalter
Die Anfänge Dänemarks reichen in die Wikingerzeit des 8. Jahrhunderts n.Chr. zurück. Königtum und Gefolgschaften bei wechselnden (durch die Geschichtsquellen kaum zu klärenden) Machtverhältnissen machten die Wikingerzeit aus, der um 800 einsetzenden "Reichssammlung" unter einem großräumig herrschenden, auf Zentralisierung dringenden Königtum zum Trotz. Die (dänischen) Wikingerzüge des 9. Jahrhunderts waren Handels- (Handelszentrum Haithabu), Raub- und Siedlungsunternehmen (auch unter königlicher Führung) hauptsächlich gegen die westeuropäischen Küstenregionen Sachsens, Frieslands, Englands (Danelag) und des Frankenreichs. Umgekehrt sicherten dänische Könige ihren Machtbereich durch Anlage und Verstärkung des Danewerks (ab ca.700) gegen die slawischen Stämme Ostholsteins oder das Frankenreich. Die politische Einigung Dänemarks erfolgte erstmals unter dem zum Christentum übergetretenen König Harald Blauzahn (ca.960-987), der im Kampf gegen sein Sohn Svend Gabelbart (987-1014) unterlag. Auch Norwegen (Seeschlacht bei Svolder [1000] gegen den norwegischen Herrscher Olaf Tryggvason) und England (angelsächische Tributpflicht [Dänengeld]) gehörten zum weiteren Machtbereich Svends, der seine Herrschaft nach innen durch den Bau von Lagerburgen (Aggersborg, Fyrkat, Nonnebakken, Trelleborg) sicherte. Svends Sohn Knut der Große (1018-1035) herrschte über Dänemark, Norwegen und England, festigte die Beziehungen des Königtums zur sich in Dänemark etablierenden christlichen Kirche (Kirchenbauten, Schenkungen und Privilegien, Bistümer Arhus, Lund, Odense, Ribe, Roskilde, Schleswig, Vendsyssel zunächst als Suffragane des Erzbistums Bremen-Hamburg). Das Reich Knuts zerfiel nach dessen Tod, die dänische Expansion nach Westeuropa hörte ausgangs des 11. Jahrhunderts auf, die dänischen Könige des 12. Jahrhunderts suchten durch die Stärkung ihrer wirtschaftlichen (Großgrundbesitz, Abgaben) und politischen Macht (Ledingspflicht [Heeresfolge] der Freien, Rittertum und Magnaten, Kirche und Gesetzgebung [Gottesgnadentum, Landschaftsthinge von Jütland, Seeland und Schonen], Wahlkönigtum und Thronkämpfe). Hervorzuheben ist diesbezüglich die Rolle König Waldemars I. (1157-1182), dem eine Festigung der Königsherrschaft nach einer Phase der Schwäche und des Bürgerkriegs (12. Jahrhundert, Mitte) durch Christianisierung und Machausweitung gelang (Errichtung der Kopenhagener Burg, Militäraktionen gegen Wenden und Eroberung Rügens [Zerstörung des heidnischen Kultzentrums Arkona]). Die dänische Expansionspolitik im Ostseeraum wurde von Waldemars Söhnen Knut VI. (1182-1202) und Waldemar II. (1202-1241) weitergeführt (Unterwerfung Holsteins, Abhängigkeit Mecklenbursg und Pommerns, Sieg bei Lyndanisse gegen die Esten [1219]). Eine mehrjährige Gefangenschaft Waldemars II. (ab 1223) sowie das starke Aufkommen der (deutschen Kaufleute-, Städte-) Hanse im Fahrwasser einer pax Danica in der Ostsee beendete mit der Niederlage Waldemars gegen Holsteiner und Stadt Lübeck in der Schlacht bei Bornhöved (1227) die dänische Expansion. Dänemark musste sich in den folgenden Jahrhundert immer wieder mit der Hanse auseinandersetzen; für den hansischen Handel waren die Heringsmärkte in Schonen (Handelsmonopol) ebenso bedeutsam wie die freie Durchfahrt der Kaufleute durch den Öresund und die Belte (bei Ausschaltung hansischer Konkurrenz). Nach dem Tod Waldemars (1241) kam es zu dynastischen Auseinandersetzungen; die Kirche und ein erstarkender Adel bestimmten wesentlich die Politik in Dänemark mit (Handfesten der gewählten Könige, Zoll- und Steuerpolitik des Königtums, wirtschaftliche Schlechterstellung der Bauern und Bauernrevolten [1313]). Der politische und wirtschaftliche Niedergang Dänemarks gipfelte in der faktischen Regentschaft des Grafen und Pfandherrn Gerhard von Holstein (†1340) während einer Thronvakanz (1332-1340), in der Ermordung Gerhards (1340) und der Konsoliderung dänischer Macht gegen Holsteiner und Schweden (Besetzung Schonens) unter König Waldemar IV. Atterdag (1340-1375). Dem Verkauf Estlands an den Deutschen Orden (1346) folgte nach einem dänischen Übergriff auf Gotland (1361) der Krieg gegen die Hanse, der mit der dänischen Niederlage und dem Frieden von Stralsund (1370) endete. Das Gegeneinander von Königtum und Magnaten bestimmte die dänische Politik auch nach dem Tod Waldemars (1375). Immerhin konnte Waldemars Tochter Margaretha (1375/87-1412) in Übereinstimmung mit dem Reichsrat als Magnatengremium die Regentschaft über Dänemark behaupten, sich auf Grund ihrer 1363 erfolgten Heirat mit dem norwegischen König Hakon VI. (1343-1380) auch die Regentschaft über Norwegen erlangen (1380) und schließlich die über Schweden (1389, gegen Albrecht von Mecklenburg). Margarethas Großneffe Erich (VII.) von Pommern (1388/96/1412-1439) sollte die drei Länder der Kalmarer Union (Vertragsentwurf von 1397) erben. Erich versuchte gegenüber der Hanse unabhängiger zu werden (Stützpunkte für nichthansische Kaufleute, Handelsprivilegien für Malmö, Residenzstadt Kopenhagen, Zollerhebung am Sund [1429, Sundzoll]). Erik scheiterte jedoch mit seiner Politik am Widerstand in den nordischen Königreichen und wurde abgesetzt (1439). Eriks Nachfolger Christoph (III. von Bayern, 1440-1448) konnte immerhin die Macht der Hanse durch Bevorzugung des stark aufgekommenen holländischen Seehandels einschränken. Nach Christophs frühem Tod (1448) regierte mit Christian I. (1448-1481) der erste Oldenburger in Personalunion Dänemark, Norwegen und Schweden. Christian wurde 1460 zudem Herzog von Schleswig und Graf von Holstein, womit die südlich Dänemark liegenden Landschaften seiner Herrschaft angegliedert wurden. Er war auch erfolgreich bei wirtschaftspolitischen Maßnahmen (einheimischer Handel, Bevorzugung holländischer Kaufleute, jedoch auch Verpfändung der Orkney- und Shetlandinseln an den schottischen König [ohne spätere Wiedereinlösung]) und bei der Beschneidung der Macht von Magnaten und Reichsrat, wobei sich die Adelsfamilien ständisch immer mehr von den Nichtadligen abschlossen, während sich die wirtschaftliche und rechtliche Lage weiterhin verschlechterte.
Frühe Neuzeit
Die Dynastie der Oldenburger Herrscher behauptete sich auch unter den Königen Hans (1481-1513) und Christian II. (1513-1523), wobei auch die Oldenburger Nebenlinie in (Schleswig-) Gottorf eine Rolle spielte. Christian II. praktizierte eine Politik zu Gunsten des städtischen Bürgertums, konnte sich doch gegen einen Aufstand der Schweden unter Gustav Wasa (Stockholmer Blutbad 1520) nicht behaupten. Der dänische Reichsrat wählte schließlich Christians Neffen Friedrich von Gottorf (1523-1533) zum König, Christian verlor die Herrschaft über Dänemark und Schweden (1523), indem er außer Landes ging, um schließlich nach einer misslungenen Rückkehr 28 Jahre in Gefangenschaft zu verbringen (1531-1559). Unter Friedrich I. begann in Dänemark die lutherische Reformation (1526, Priester Hans Tausen), die sich nach der sog. Grafenfehde (1534/36, Hansestadt Lübeck, Grafen von Oldenburg und Hoya gegen Dänemark, Schweden und Holland) unter König Christian III. (1534-1559) vollends durchsetzte. Letzterer war es auch, der die dänische Staatsverwaltung erfolgreich modernisierte, Grundlage u.a. einer wirtschaftliche Blüte innerhalb von (adliger) Landwirtschaft (Exporte, Gutswirtschaft) und (bürgerlichem) Handel (Kaufmannsstädte, Isländische Kompanie [1602], Asienkompanie [1616], Afrikakompanie [1656], Westindische Kompanie [1671], wirtschaftliche Schwerpunktverlagerung in die Städte). Außenpolitisch kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen im Ostseeraum zwischen Dänemark und Schweden, wo sich die Dynastie Gustav Wasas (1523-1560) als Könige gegen dänische Ansprüche vollends durchsetzen konnte (dänisch-schwedischer Krieg 1563/70 [Versenkung einer dänischen Flotte vor Bornholm 1563, Sundsperre 1565/66, Frieden von Stettin 1570]; dänisches Eingreifen in den Dreißigjährigen Krieg [Niederlage am Barenberge 1626, Frieden von Lübeck 1629], dänisch-schwedischer Krieg 1643/45 [Frieden von Brömsebro 1645, Verlust der Inseln Gotland und Ösel sowie norwegischer Provinzen], Verlust von Halland 1645/58). Aus der Krise des dänischen Wahlkönigtums nach dem Tod König Christians IV. (1588-1648) (Handfeste von 1648, Existenzkrise Dänemarks 1658/60 [Inkompetenz des Reichsrates, Promogeniturrecht des dänischen Königs in den Herzogtümern Schleswig und Holstein 1650, dänischer Revanchekrieg gegen Schweden 1657/60, Frieden von Roskilde 1658, Verlust Schonens 1658, zeitweiliger Verlust Bornholms und Trondheims, Belagerung Kopenhagens 1659/60, Frieden von Kopenhagen 1660]) gelang König Friedrich III. (1648-1670) unter Beteiligung von Geistlichkeit und Bürgertum als dänische Stände (Kopenhagener Ständeversammlung 1660) die Durchsetzung von Steuerreformen, Erblichkeit des Königtums und Alleinherrschaft (Absolutismus) bei Ausschaltung von Reichsrat und Magnaten (Königsgesetz Lex regia von 1665; "vertragsförmiger Staatsstreich"). Es folgte ein Phase der Staatsmodernisierung u.a. in Verwaltung, Regierung, Rechtsprechung (Oberstes Gericht, Danske Lov von 1683) und Militär (Bauernmiliz, Kriegskommissare, Kriegsflotte), nicht jedoch in Hinblick auf die Stellung der vom Adel abhängigen dänischen Bauern. Nach unentschiedenem dänisch-schwedischen (Schonischen) Krieg von 1675/78 (dänische Siege in den Seeschlachten vor Öland [1676], in der Kogebucht [1677]) und einem misslungenen Angriff auf Schweden (1710) im Rahmen des Großen Nordischen Krieges (1700-1721, schwedische Niederlage bei Poltawa 1709, Frieden von Nystad 1721) kam es im weiteren Verlauf des 18. Jahrhunderts zu einer politischen Annäherung zwischen Dänemark und Schweden bei Formierung einer dänischen Neutralitätspolitik.
Moderne
Das Jahrhundert der Aufklärung erlebte weitere Reformen im dänischen Königreich (1770er-Jahre: Johann Friedrich Struensee und dessen Sturz [1772], Abschaffung der Zensur [1770], Dänisch als Amtssprache, Indeginatsgesetz [1776], Geheimer Staatsrat; Bauernfrage und Flurbereinigung [1781], Übergang zu neuen Anbautechniken, Aufhebung der Schollenbindung [1788], Bauernbefreiung und Landreform; Handelsbürgertum und blühender dänischer Seehandel).
Französische Revolution (1789) und napoleonisches Europa sahen Dänemark zwischen Großbritannien und Frankreich (dänische Niederlage auf der Kopenhagener Reede 1801, Kontinentalsperre 1806, Bombardement Kopenhagens 1807). Im Frieden von Kiel (1814) verlor Dänemark Norwegen und Helgoland, auf dem Wiener Kongress (1815) gewann es das Herzogtum Lauenburg.
Das 19. Jahrhundert war geprägt von weiteren Reformen (Landreform und Abschaffung der letzten Feudalrechte auf dem Land [bis 1853], Agrarkonjunktur) sowie - unter dem Eindruck der Revolutionen von 1830 und 1848 - von einer politischen Beteiligung des dänischen Volkes (beratende Ständeversammlungen 1831, Verfassungsänderung von 1848, politische Parteien). Die Ausformung eines dänischen Einheitsstaats unter Einschluss der Herzogtümer Schleswig und Holstein (gegen einen schleswig-holsteinischen Verfassungsentwurf) führte zum Bürgerkrieg (1848/51) und zum Londoner Vertrag (1852), zur versuchten Eingliederung Schleswigs nach Dänemark (Sprachenstreit) und schließlich zum Krieg zwischen Dänemark und Deutschem Bund (1864), der mit einer dänischen Niederlage und dem Verzicht auf Schleswig, Holstein und Lauenburg endete (, die schleißlich an das Königreich Preußen kamen).
Industrialisierung und politischer Wandel (Venstre, Konservative, Sozialdemokraten, parlamentarische Monarchie 1901 [Folketing, Wahlrecht]) bestimmten die letzten Jahrzehnte des 19. und das beginnende 20. Jahrhundert. Im Ersten Weltkrieg (1914-1918) nahm Dänemark gegenüber Deutschland eine wohlwollende Neutralität ein, was auch von Großbritannien akzeptiert wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg fiel das nördliche Schleswig zurück an Dänemark (Osterkrise von 1920). Die Zwischenkriegszeit war geprägt u.a. von der Weltwirtschaftskrise (1929) bei einem dennoch stabil bleibenden demokratischen System (unter der Sozialdemokratie [ab 1929]). Ab 1933 war eine vorsichtige Politik gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland geboten ("Ostersturm" 1933, Nichtangriffspakt 1939, deutscher Überfall auf Dänemark [9. April 1940]).
Das von deutschen Truppen besetzte Dänemark verblieb im Zweiten Weltkrieg (1939-1945) ab 1940 unter einheimischer Regierung bei zunächst zurückhaltender Besatzungsmacht (keine deutsche Zivil- und Militärverwaltung, dänische "Zusammenarbeitspolitik" unter dem Sozialdemokraten Thorvald Stauning). Erst das Aufkommen einer dänischen Widerstandsbewegung (1942) verschärfte deutsch-dänische Gegensätze. Nach den vom NS-Regime unbeeinflussten Parlamentswahlen vom März 1943 kam es im August 1943 zum politischen Bruch mit dem Rücktritt der dänischen Regierung. Die "Staatskollaboration" ging indes weiter ("Regierung" der Staatssekretäre), Dänemark blieb formal selbstständig und souverän, den jüdischen Bewohnern Dänemarks gelang mit Unterstützung der Bevölkerung die Flucht nach Schweden (Oktober 1943); es herrschte zudem kein Kriegszustand, erst mit dem 5. Mai 1945 wurde Dänemark Kriegspartei auf Seiten der alliierten Mächte gegen Deutschland.
In der Nachkriegszeit sollte sich Dänemark - vielfach unter sozialdemokratischer Führung - zu einem Wohlfahrtsstaat entwickeln (Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen 1945, Mitgliedschaft in der NATO 1949, Nordischer Rat 1952, Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft/Union 1973; wirtschaftliches Wachstum und Sozialstaat, Urbanisierung und Wohlstandsgesellschaft, Wirtschaftkrisen [1970er-Jahre u.a.] und politische Zersplitterung, Modifizierungen am Wohlfahrtsstaat, Außenpolitik im 21. Jahrhundert).
Literatur:
Bohn, Robert (2001), Dänische Geschichte (= BSR 2162), München 22010
Bearbeiter: Michael Buhlmann, 04.2017