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Deutsche Geschichte: Deutsches Reich, Deutsche Demokratische Republik, Bundesrepublik Deutschland - Mittelalter, frühe Neuzeit, Moderne

Frankenreich

Kaiser Otto I. (†973)

Otto, der Sohn König Heinrichs I. (919-936) und der Mathilde, wurde am 22. November 912 geboren. Seine Designation zum alleinigen Nachfolger des Vaters erhielt er 929 in Quedlinburg; hier wurde er wahrscheinlich auch mit der angelsächsischen Prinzessin Edgith verheiratet. Nach dem Tod Heinrichs ging das Königtum nahtlos auf Otto I. über, denn die offizielle Thronerhebung fand schon am 7. August 936 in Aachen statt. Ottos Zentralisierungsbestrebungen und eine damit einhergehende stärkere Betonung der königlichen Autorität ließen ihn jedoch schon sehr bald in Konflikt mit Verwandten und hohen Adligen geraten. Eine Rebellion Eberhards (937-938), des Sohnes und Nachfolgers Herzog Arnulfs von Bayern, wurde ebenso niedergeworfen (937) wie die sächsische Erhebung des Halbbruders Thankmar, der dabei den Tod fand (938). Der Aufstand des jüngeren Bruders Heinrich hatte Lothringen als Zentrum, und auch der westfränkische Karolinger Ludwig IV. (936-954) war nicht unbeteiligt; hier brachten aber die Siege der königlichen Heere bei Birten (März 939) und Andernach (2. Oktober 939) die Wende. Lothringen blieb dem Ostreich erhalten, Heinrich (I.) wurde 948 Herzog von Bayern (948-955), Zeichen einer 939 einsetzenden Familienpolitik, durch die die Herzogtümer mit Familienmitgliedern oder angeheirateten Herzögen besetzt wurden. Brun, der jüngste Bruder Ottos, wurde so 953 Erzbischof von Köln und kurz darauf auch noch Herzog von Lothringen (archidux, 953-958/65). Dass diese Familienpolitik nicht frei von Konflikten war, zeigen die Rivalitäten zwischen Heinrich von Bayern und Liudolf, also zwischen dem Bruder und dem 930 geborenen Sohn Ottos. Das politische Übergewicht Heinrichs war sicher auch der Auslöser des Liudolf-Aufstandes (953/54), der erst nach einem Ungarneinfall - dieser leitete einen Stimmungsumschwung zu Gunsten des Königs ein - und der Unterwerfung Liudolfs und des lothringischen Herzogs Konrad des Roten (944-953) beendet werden konnte (954). Die Ungarn versuchten im folgenden Jahr wieder in das Reich einzudringen, wurden aber hierbei in der Schlacht auf dem Lechfeld vernichtend geschlagen (10. August 955). Mit dem Tod des karolingischen Königs Ludwig IV. von Westfranken ([936-954] 954) und des robertinisch-kapetingischen Gegenspielers Hugo von Franzien (956) war im entstehenden Frankreich ein Machtvakuum entstanden, das die schon bei der Ingelheimer Synode von 948 offenkundige hegemoniale Stellung Ottos des Großen noch verstärkte. In dem zwischen Karolingern und Robertinern zerrissenen Westfranken bemühten sich nun die Witwen der Verstorbenen, Gerberga und Hadwiga, beides Schwestern Ottos, erfolgreich um einen politischen Ausgleich (Westpolitik Ottos und Bruns). In Italien, das seit 888 ein eigenständiges regnum unter nichtkarolingischen Königen fränkischer Herkunft war, hatte Otto I. schon 951 eingegriffen und damit in Fortsetzung der schwäbischen und bayerischen Interessen die spätkarolingisch-ostfränkische Südpolitik wiederaufgenommen. In Pavia ließ er sich damals zum König krönen und nahm die Königin Adelheid zur Frau. Das spätestens in der Schlacht auf dem Lechfeld (955) gewonnene imperiale Königtum Ottos des Großen fand auf dem 2. Italienzug (961-965) in der römischen Kaiserkrönung des Liudolfingers durch Papst Johannes XII. (955-963) am 2. Februar 962 seine bezeichnende Fortentwicklung; Otto ließ in diesem Zusammenhang im Pactum Ottonianum die Rechte von Kaiser und Papst bestätigen. Konflikte mit der norditalienischen Opposition, die Absetzung des alten und die Ernennung eines neuen Papstes banden aber Otto noch einige Jahre südlich der Alpen. Beim 3. Italienzug (966-972) standen wieder die römischen Verhältnisse an. Otto gelang es auf der Synode zu Ravenna (967), die Gründung des Erzbistums Magdeburg (968) durchzusetzen. Ein Feldzug nach Süditalien (968) führte zum Kompromiss mit dem byzantinischen Reich (Zweikaiserproblem) und zur Heirat des designierten und zum Mitkaiser gekrönten Nachfolgers Ottos II. mit der byzantinischen Prinzessin Theophanu (14. April 972). Danach kehrte Otto der Große aus Italien zurück. Er starb am 7. Mai 973 in Memleben und wurde im Magdeburger Dom bestattet. Hauptsächlich der nördliche und mittlere Teil Italiens blieb seit Otto dem Großen als durchaus selbstständiges Königreich mit dem deutschen Reich verbunden. Die Italienzüge waren - gerade in Hinblick auf die Kaiserkrönung - ein unverzichtbarer Bestandteil der Politik der deutschen Könige und förderten darüber hinaus die Integration im deutschen Reich. Auch benötigte gerade die ottonische Missionspolitik gegenüber den Slawen Rückhalt beim Papsttum, auf das wiederum über das Kaisertum eingewirkt werden konnte. Der Beiname "der Große" bedarf noch einer Erklärung. Zu Lebzeiten Ottos I. wurde zwischen Vater und Sohn unterschieden (Otto magnus [Otto "der Ältere"] - Otto II.); der stauferzeitliche Historiograf und Bischof Otto von Freising (†1158) benutzte den Beinamen beim für ihn historisch bedeutsamen Vergleich zwischen Otto und Kaiser Karl dem Großen (768-814). Die historische "Größe" Ottos misst sich heute an der Durchsetzung seiner Herrschaft im Ostfrankenreich (Bewältigung der Aufstände, Ungarnsieg) und in Italien (Kaiserkrönung, Papsttum, Herrschaft über Norditalien), am Zusammenhalten und -wachsen der gentes (Sachsen, Franken, Thüringer, Alemannen, Bayern, Lotharingien) im Ostfrankenreich (Königtum und Adel; Bedeutung der Italienzüge), an der Politik gegenüber dem Westfrankenreich (archidux Brun) und gegenüber den Slawen (Mission, Erzbistum Magdeburg).

Kaiser Friedrich I. (†1190)

Der Neffe König Konrads III. (1138-1152), zugehörig zur Dynastie der staufischen Herrscher, wurde am 20./23. Dezember 1122 geboren; der Vater war Herzog Friedrich II. von Schwaben, die Mutter die Welfin Judith. Aus den frühen Jahren Friedrichs sind lediglich bekannt: seine Teilnahme an einem Buhurt vor der Burg Wolfratshausen, die Fehde gegen Herzog Konrad von Zähringen (1122-1152) und der Überfall auf Zürich (1146), die Teilnahme am Zweiten Kreuzzug (1147-1149). Friedrich (III.) folgte 1147 seinem Vater im Herzogtum nach (1147-1152). Um diese Zeit heiratete er auch seine erste Frau Adela von Vohburg, von der er sich allerdings schon im März 1153 wieder trennte. Die zweite Ehe ging Friedrich im Juni 1156 mit Beatrix von Burgund ein. Aus dieser Ehe stammten auch die späteren Könige Heinrich VI. (1190-1197) und Philipp von Schwaben (1198-1208). Am 4. März 1152 - nach dem Tod Konrads - wurde Friedrich anscheinend ohne großen welfischen Widerstand in Frankfurt zum König gewählt und am 9. März in Aachen gekrönt. Friedrichs erste politische Maßnahmen bestanden darin, einen Ausgleich mit den Welfen, d.h. mit Heinrich dem Löwen und Welf VI., zu finden. Friedrich ließ Heinrich freie Hand in Sachsen und den angrenzenden Gebieten und schuf damit eine zwei Jahrzehnte dauernde Zusammenarbeit zwischen dem König und dem mächtigen Herzog. Letzterer konnte zudem das bayerische Herzogtum mit Einverständnis Friedrichs in Besitz nehmen (1155); der Babenberger Heinrich Jasomirgott verzichtete auf Bayern und erhielt die durch das Privilegium minus vom 17. September 1156 zum bevorrechteten Herzogtum aufgewertete Ostmark (Österreich). Der 1. Italienzug Barbarossas begann im Oktober 1154. Mailand, gegen das Lodi und Como Klage geführt hatten, verfiel der Reichsacht, das mit Mailand verbündete Tortona wurde zerstört (April 1155). Unruhen in Rom konnten von Friedrich I. beseitigt werden; der König wurde am 18. Juni 1155 von Papst Hadrian IV. (1154-1159) zum Kaiser gekrönt. Nach einem burgundischen Zwischenspiel (Heirat mit Beatrix 1156; Hoftag zu Besançon 1157) brach Friedrich im Juni 1158 zum 2. Italienzug (1158-1162) auf. Der Hoftag auf den Roncalischen Feldern (1158) formulierte die gegenüber den oberitalienischen Städten nutzbaren Regalien, deren Realisierung einen enormen fiskalischen Gewinn für den König gebracht und die Städte in ihrer Autonomie eingeschränkt hätte. Bei der Durchsetzung seiner Ansprüche stieß Barbarossa daher auf Widerstand: Crema wurde zerstört (1160), Mailand kapitulierte im März 1162, die anderen gegnerischen Städte unterwarfen sich. Parallel dazu war nach dem Tod Hadrians IV. ein Papstschisma zwischen Alexander III. (1159-1181) und Viktor (IV.) (1159-1164) entstanden; Friedrich schlug sich dabei auf die Seite Viktors, dem nach dessen Tod noch drei andere Gegenpäpste und die Würzburger Eide von 1165 folgten, so dass das Schisma erst 1177 beendet wurde. Der 4. Italienzug Friedrichs (1166-1168) hatte dann die Beseitigung ebendieses Schismas - im Sinne des Kaisers - zum Ziel. Alexander III. floh nach seiner Niederlage bei Tusculum (1167) aus Rom, der Gegenpapst Paschalis III. (1164-1168) wurde inthronisiert. Eine Seuche im Heer (Tod des Erzkanzlers Rainald von Dassel) zwang den Kaiser aber zum Rückzug aus Rom und Italien; die Lombardei, vereinigt im Lombardischen Städtebund (1167), rebellierte gegen Barbarossa. Der Kampf gegen Alexander III. war fürs Erste verloren, die Herrschaft in Italien aufs Höchste gefährdet. Die Zäsur der Jahre 1167/68 bedeutete, dass sich Friedrich zunächst wieder den deutschen Verhältnissen zuwandte. Hier konnte der Kaiser geschickt die staufische Machtposition festigen und erweitern; beim Territorialausbau und bei der Städtepolitik stützte sich Friedrich hauptsächlich auf die Ministerialen. Durch Reaktivierung lehnsrechtlicher Strukturen erzielte er auch eine gewisse Einbindung der geistlichen und weltlichen Fürsten in das staufische Herrschaftssystem. Ab 1174 war Friedrich auf seinem 5. Italienzug (1174-1178) wieder in der Lombardei. Der Vorfrieden von Montebello (17. April 1175) beendete allerdings die Kämpfe nicht, die im Oktober 1175 erneut aufflammten und Friedrich - u.a. bedingt durch die Weigerung Heinrichs des Löwen in Chiavenna, den Staufer mit Truppen zu unterstützen - in eine prekäre Situation brachten; am 29. Mai 1176 erlitt das deutsche Heer bei Legnano eine Niederlage. Im daraufhin geschlossenen Vorvertrag von Anagni (November 1176) erkannte Friedrich Alexander III. als Papst an. Am 24. Juli 1177 folgten der Frieden von Venedig und das Ende des Papstschismas sowie ein Waffenstillstand mit den lombardischen Städten, schließlich am 25. Juni 1183 der Frieden von Konstanz. Nach Deutschland über Burgund (burgundische Königskrönung, 26. Juli 1178) zurückgekehrt, entzog Friedrich - eingedenk des Zerwürfnisses von Chiavenna - Heinrich dem Löwen seine Unterstützung. Die rücksichtlose Machtpolitik des Welfen führte darüber hinaus zur Ächtung Heinrichs (Juni 1179) und zur Aberkennung der welfischen Herzogtümer Bayern und Sachsen (Januar 1180). Im November 1181 unterwarf sich Heinrich, erhielt vom Staufer seinen Allodialbesitz um Braunschweig und Lüneburg und musste sich ins Exil nach England begeben. Das bayerische Herzogtum ging an Otto I. von Wittelsbach (1180-1183), Sachsen an den Askanier Bernhard III. (1180-1212), Westfalen - zum Herzogtum erhoben - an den Kölner Erzbischof Philipp von Heinsberg (1167-1191) (Gelnhäuser Urkunde, 13. April 1180). Für das letzte Regierungsjahrzehnt Friedrichs seien noch das Mainzer Hoffest von 1184, die Heirat Heinrichs VI. mit Konstanze von Sizilien (1186), die Unterdrückung der von Erzbischof Philipp von Heinsberg angeführten Opposition gegen den Kaiser (März 1188) und Friedrichs Teilnahme an dem 3. Kreuzzug (1189-1192) angeführt. Dabei wurde der Kreuzzug wegen der Eroberung Jerusalems durch Saladin (1187) notwendig. Aber der Kaiser erreichte nicht mehr das Heilige Land; auf dem Zug durch Kleinasien ertrank er am 10. Juni 1190 im Fluss Saleph. Seine fleischlichen Überreste wurden in Antiochia, das Herz und die Eingeweide in Tarsus, die Gebeine in Tyros begraben.
Im Rahmen einer Reiseherrschaft (ambulante Herrschaftsausübung) besuchten König, Hof und Gefolge Pfalzen, Höfe und Städte im römisch-deutschen Reich (Unterbringung auch in Zelten, Bereitstellung von Verpflegung). Dabei wechselte die personelle Zusammensetzung des Hofes, der sich als das Königtum repräsentierendes "Machttheater", als Zentrum politischer Entscheidungen, als "Maklersitz" für Rang, Geld und Moden, als "Verbrauchs- und Vergnügungszentrum" darstellte. Der Zugang zum König war eingeschränkt, Bitten wurden durch Fürsprecher vermittelt, die Kommunikation und Interaktion am Hof berücksichtigte die Treue (fides) des Bittenden und die Ehre des Reiches (honor imperii), wie sie in den Urkunden des Herrschers entgegentreten. Der Hof als Austauschzentrum von Bildung, Wissen und Ideen vermittelte nicht nur dem König geistliche lateinische Gelehrsamkeit und volkssprachliche höfische Literatur. Friedrich Barbarossa selbst war wohl ein guter Redner in Deutsch; später sprach er auch gut in Latein. Der Herrscher formulierte gegenüber den Untergebenen scherzhaft bis pointiert, kehrte eine sprachliche Überlegenheit heraus. Dem Sprechen entsprachen auf einer anderen Ebene der Kommunikation die gezeigten oder verborgenen Emotionen des Königs, Trauer und Zorn oder Gelassenheit und Heiterkeit. Durch Hof und Herrschaft repräsentierte Friedrich nicht zuletzt den honor imperii ("Ehre des Reiches") mit Würde, Rang, Glanz und Machtentfaltung von Kaiser und Reich.

Kaiser Friedrich II. (†1250)

Der Sohn des staufischen Kaisers Heinrich VI. (1190-1197) und der Konstanze von Sizilien war am 26. Dezember 1194 auf dem Marktplatz im mittelitalienischen Jesi geboren worden. Nach dem Tod des Vaters (1197) wurde er - unter Verzicht auf das deutsche Königtum - am 17. Mai 1198 in Palermo zum König von Sizilien gekrönt. Noch im selben Jahr starb Friedrichs Mutter Konstanze, und Sizilien versank wahrend der Kämpfe zwischen päpstlichen und deutschen Truppen in Anarchie. Papst Innozenz III. (1198-1216) übte dabei über den noch unmündigen puer Apuliae ("Junge aus Apulien") Friedrich eine Vormundschaft aus, die mit der Volljährigkeit Friedrichs im Jahre 1208 endete. Die Herrschaft im sizilischen Königreich konnte der junge König schon bald stabilisieren, zumal der Vorstoß des 1210 nach Süditalien eingedrungenen Kaisers Otto IV. (1198-1215/18) durch die auf päpstliche Veranlassung durchgeführte Wahl Friedrichs zum deutschen König im Herbst 1211 abgewehrt werden konnte. Otto musste sich nach Deutschland begeben, Friedrich erreichte Konstanz ein paar Stunden vor dem Welfen. Schon bald strömten dem Staufer die Anhänger zu; am 5. Dezember 1212 ist Friedrich in Frankfurt nochmals zum deutschen König gewählt, am 9. Dezember in Mainz gekrönt worden. Die Niederlage bei Bouvines (27. Juli 1214) bedeutete dann das Ende der Machtansprüche Ottos. Friedrich ließ sich am regulären Krönungsort Aachen krönen (25. Juli 1215) und wurde nun allgemein als König anerkannt. Im April 1220 ließ er - entgegen früheren Versprechen gegenüber dem Papst - seinen Sohn Heinrich (VII.) zum deutschen König wählen; der Zustimmung der geistlichen Fürsten ging dabei die Confoederatio cum principibus ecclesiasticis ("Übereinkunft mit den geistlichen Fürsten") voraus. Heinrich wurde in Deutschland zurückgelassen, während sein Vater nach Italien aufbrach. In Rom wurde Friedrich am 22. November 1220 von Papst Honorius III. (1216-1227) zum Kaiser gekrönt. Das gute Einvernehmen zwischen Papst und Kaiser zeigte sich dabei in Friedrichs Bekräftigung der staatsrechtlichen Trennung Siziliens vom Reich und der kaiserlichen Gesetzgebung gegen die Ketzer. Friedrich zog nach Sizilien weiter, wo er - beginnend mit einem in Capua verkündeten Landfrieden (Dezember 1220) - die Konsolidierung und Zentralisierung des sizilischen Königreichs vorantrieb. Das Jahr 1226 sah den Kaiser dann in Oberitalien; die Geltendmachung von Regalien führte aber zur Erneuerung des Lombardischen Bundes gegen den Herrscher. Auch das Verhältnis zwischen Honorius III. und dem Staufer hatte sich verschlechtert, zumal der Kaiser den versprochenen Kreuzzug immer wieder verschob. Als schließlich im September 1227 das Kreuzfahrerheer von Unteritalien aus aufbrach, musste der Kaiser auf Grund einer Seuche im Heer umkehren und damit den Kreuzzug abbrechen. Friedrich wurde deshalb vom neuen Papst Gregor IX. (1227-1241) gebannt, verfolgte aber auch als Gebannter das Ziel, Jerusalem für die Christenheit (und für sich) zu erwerben. So brach der Kaiser im Frühjahr 1228 über Zypern ins Heilige Land auf. Dort erreichte er vom Aijubiden-Sultan al-Kamil (1218-1238) die Abtretung Jerusalems und krönte sich am 18. März 1229 in der Grabeskirche selbst zum König. Nach seiner Rückkehr nach Süditalien vertrieb Friedrich die dort eingedrungenen päpstlichen Truppen und einigte sich im Frieden von San Germano (1230) mit Gregor IX. u.a. auf die Lösung vom Bann. Die Wiederherstellung der staufischen Herrschaft in Sizilien fand dabei in den Konstitutionen von Melfi (1231) ihren Ausdruck. Der politische Gegensatz zwischen seinem 1228 regierungsfähig gewordenen Sohn Heinrich (VII.) und den deutschen Fürsten in Deutschland machte nun das Eingreifen des Kaisers erforderlich. Im vergangenen Jahrzehnt hatte Friedrich II. nur punktuell auf sein Reich nördlich der Alpen einwirken können (Goldene Bulle von Rimini für den Deutschen Orden in Preußen, März 1226; Reichsfreiheit für Lübeck, Juni 1226). Mit dem Statutum in favorem principum ("Statut zu Gunsten der Fürsten", 1. Mai 1231, 1232) bestätigten er und sein Sohn wesentliche landeshoheitliche Rechte der Fürsten. Heinrich wollte sich mit dieser Vereinbarung nicht abfinden und rebellierte Ende 1234 offen gegen den Vater. Dieser begab sich - zum ersten Mal nach fast fünfzehn Jahren - nach Deutschland und konnte Heinrich unterwerfen und absetzen. Der Mainzer Reichslandfrieden (15. August 1235) diente der Friedenssicherung, ebenso das von Friedrich eingerichtete Hofgericht. Schließlich setzte der Kaiser die Wahl seines jüngeren Sohnes Konrad (IV.) zum König durch (Februar 1237). In Oberitalien flammten die Kämpfe gegen den Lombardischen Städtebund wieder auf. Friedrichs Sieg bei Cortenuova (27./28. November 1237) und die anschließende Ablehnung des Mailänder Friedensangebots führten aber zu einer Verhärtung der Fronten. Gregor IX. bannte Friedrich zum zweiten Mal (20. März 1239), der Endkampf zwischen Kaisertum und Papsttum hatte begonnen. Die von Gregor betriebene Absetzung des Staufers konnte erst sein Nachfolger Innozenz IV. (1243-1254) auf dem Konzil zu Lyon - wenn auch nicht unumstritten - durchsetzen (17. Juli 1245). Die Ereignisse überschlugen sich, als mit den Gegenkönigen Heinrich Raspe (1246-1247) und Wilhelm von Holland (1247-1256) auch Teile Deutschlands der staufischen Herrschaft entglitten und Friedrich in Oberitalien in die Defensive geriet. Immerhin standen nach dem Aussterben der Babenberger (1246) Österreich und Kärnten unter kaiserlicher Kontrolle, und auch in Oberitalien begann sich spätestens 1250 das Blatt zu Gunsten Friedrichs zu wenden. Doch starb der Kaiser am 13. Dezember 1250 in Castel Fiorentino bei Lucera und wurde im Dom zu Palermo begraben. Mit Friedrich verbunden sind die nicht überzubewertende kulturelle Ausstrahlung seines Hofes und das Interesse des Kaisers an der Wissenschaft; Friedrich selbst verfasste mit dem sog. Falkenbuch ein Lehrbuch der Falkenjagd und Vogelkunde.

Mittelalter

Entstanden ist das deutsche Reich des Mittelalters im Verlauf des 9. bis 11. Jahrhunderts aus dem Frankenreich bzw. Ostfrankenreich der karolingischen Könige und Kaiser. Das römisch-deutsche Reich war auch geprägt von den Königsdynastien der Ottonen (919-1024), Salier (1024-1125) und Staufer (1138-1254). Das hohe Mittelalter (ca.1050-1250) schließt die Umbruchszeit des 11./12. Jahrhunderts mit ein; es ist die Zeit des Investiturstreits und der Entstehung der mittelalterlichen Stadt. Das Ende des staufischen Königtums und das daran anschließende Interregnum (1256-1273) stehen am Beginn des späten Mittelalters (ca.1250-1500), der Zeit der Territorien, Städte und der wirtschaftlichen Intensivierung. Nach dem Tod des letzten ostfränkisch-karolingischen Königs Ludwig dem Kind (900-911) war der Konradiner Konrad I. (911-918) nur ein König des Übergangs, dessen Herrschaft von außenpolitischen Misserfolgen (Ungarneinfälle) und innenpolitischen Widerständen (Konflikte mit den Liudolfingern Otto und Heinrich von Sachsen sowie dem Liutpoldinger Arnulf von Bayern) geprägt war. Auf Seiten des Königs standen hingegen die Bischöfe, wie die Synode von Hohenaltheim (20. September 916) bewies. Mit Konrads Tod (918) ging die Herrschaft im Ostfrankenreich, das immerhin nicht weiter zerfiel, an den sächsischen Herzog Heinrich (I., 919-936) über. Mit ihm begann die Herrscherdynastie der Ottonen, der auch die Könige Otto I. der Große (936-973), Otto II. (973-983), Otto III. (983-1002) und Heinrich II. (1002-1024) angehörten. Unter Heinrich I. schloss sich Lothringen an das Ostfrankenreich an (925); der König beherrschte (in konsensualer Herrschaft mit den Großen seines Reiches) die ("Stammes"-) Herzogtümer Sachsen, Lothringen, Franken, Schwaben und Bayern. Ihm gelang die Einbindung der regna ins Königtum, was Heinrichs Nachfolger fortsetzen sollten (Besetzung der Herzogtümer mit ottonischen Familienangehörigen). Beim Tod Heinrichs I. war die (alleinige) Nachfolge des Sohns Otto I. (Designation 929, Aachener Königskrönung 936) in einem auf Zentralisierung ausgerichteten Königtum nicht unumstritten, wie Verwandten- und Adelsaufstände gegen den Herrscher zeigen (937/38, 938/39, 953/54). Zur behaupteten Einheit und zur Stabilisierung des Reiches der sächsischen Könige trugen zweifelsohne auch außenpolitische Erfolge bei: die Bekämpfung der Ungarneinfälle (Schlacht bei Riade 933, Schlacht auf dem Lechfeld 955, das zeitweise Machtvakuum im Westfrankenreich (archidux Brun) bzw. die Abwehr westfränkischer Übergriffe auf Lothringen (Angriff auf Aachen 978), die Politik gegenüber den Slawen (<-> Liutizenaufstand 983), das Eingreifen in Italien (Erwerb des italienischen Königtums 951, Italienpolitik der deutschen Herrscher). Das spätestens in der Schlacht auf dem Lechfeld gewonnene imperiale Königtum Ottos des Großen fand auf dessen 2. Italienzug (961-965) in der römischen Kaiserkrönung des Liudolfingers durch Papst Johannes XII. (955-963) am 2. Februar 962 seine bezeichnende Fortentwicklung; Otto ließ in diesem Zusammenhang im Pactum Ottonianum die Rechte von Kaiser und Papst bestätigen. Konflikte mit der norditalienischen Opposition, die Absetzung des alten und die Ernennung eines neuen Papstes banden aber Otto noch einige Jahre südlich der Alpen. Beim 3. Italienzug (966-972) standen wieder die römischen Verhältnisse an. Otto gelang es auf der Synode zu Ravenna (967), die Gründung des Erzbistums Magdeburg (968) durchzusetzen. Ein Feldzug nach Süditalien (968) führte zum Kompromiss mit dem byzantinischen Reich (Zweikaiserproblem) und zur Heirat des designierten und zum Mitkaiser gekrönten Nachfolgers Ottos II. mit der byzantinischen Prinzessin Theophanu (14. April 972), wie wohl die Rolle der Herrscherinnen (Adelheid, Theophanu, Kunigunde, Gisela, Agnes von Poitou) als consortes regni nicht zu unterschätzen ist. Otto II. sollte hingegen in seiner Regierungszeit in Süditalien unglücklich agieren (Niederlage bei Cotrone im Kampf gegen die Sarazenen 982). Der Übergang zum Königtum Ottos III. (983/84) war von Auseinandersetzungen mit dem ottonisch-bayerischen Herzog Heinrich dem Zänker (955-976, 985-995) begleitet. Otto III., zunächst unmündig, setzte als Kaiser seine Herrschaftsschwerpunkte auch in Italien und in Rom (Renovatio imperii Romanorum, Politik gegenüber Polen und Böhmen). Nach Ottos frühen Tod (1002) setzte sich Heinrich II., der Sohn Heinrichs des Zänkers, im Königtum durch. Er gründete das Bistum Bamberg (1007) und stellte sich damit in die Nachfolge Ottos I., der das Erzbistum Magdeburg gestiftet hatte (968). Die Bistumsgründungen gehören damit in den Rahmen der sich ausbildenden ottonischen-salischen Reichskirche in der Verfügbarkeit der sächsischen Herrscher (Besetzungspolitik bei Bistümern und Reichsabteien). Langwierige Auseinandersetzungen gab es zwischen dem polnischen Herzog Boleslaw (992-1025) und König Heinrich II.; vor und nach seiner Kaiserkrönung (1014) hatte sich Heinrich erst noch in Italien gegen Arduin von Ivrea durchzusetzen (1004, 1014/15). Heinrich starb, ohne Kinder zu hinterlassen
Die Königswahl von Kamba (1024) brachte den Salier Konrad II. (1024-1039) an die Macht. Er und seine Nachfolger Heinrich III. (1039-1056), Heinrich IV. (1056-1106) und Heinrich V. (1106-1125) sollten als Könige und Kaiser die Politik im (römisch-) deutschen Reich für das kommende Jahrhundert bestimmen. Konrad II. gelang der Erwerb des Königreichs Burgund (1033), so dass fortan der deutsche König über die Dreiheit der regna Deutschland, (Reichs-) Italien und Burgund (in Personalunion) als Herrschaftsgebiet verfügte. Außenpolitisch standen um 1030 Kämpfe gegen Polen und Konflikte mit Ungarn im Vordergrund; der Thronfolger Heinrich (III.) brachte Böhmen und Mähren in stärkere Abhängigkeit vom deutschen Reich (1035). Der Erwerb des Kaisertums (1027) und der Valvassorenaufstand (1035) standen im Zusammenhang mit dem Aufenthalt Konrads in Italien. Unter Heinrich III. erreichte das deutsche Königtum seinen sog. machtpolitischen Höhepunkt in weltlicher und kirchlicher Einflussnahme (königliche Kirchenhoheit und ottonisch-salische Reichskirche). Im Inneren blieben die engen Bindungen der süddeutschen Herzogtümer an den König bestehen; auch fand Heinrich in der Reichskirche eine verlässliche Stütze seiner Politik. Nach außen hin konnte der König seine politisch-militärische Vormachtstellung in Ostmitteleuropa ausbauen, was letztlich zur (endgültigen) Integration Böhmens in das deutsche Reich führten sollte. Außerdem unterstützte Heinrich die kirchliche Reformbewegung, indem er auf der Synode zu Sutri (Dezember 1046) durch Absetzung zweier der Simonie beschuldigter Päpste und durch Einsetzung des Sachsen Clemens II. (1046-1047) als kirchliches Oberhaupt die römische Kirche neu ordnete und dabei u.a. ein königliches Mitspracherecht bei der Papstwahl durchsetzte (Kaiserkrönung 1046). Die Kirchenreform machte weitere Fortschritte unter dem von Heinrich ebenfalls eingesetzten Papst Leo IX. (1049-1054); Papst und Kaiser sprachen sich gegen Simonie und Priesterehe und für ein von weltlichen Mächten unabhängiges Mönchtum aus; das Papsttum legte zu dieser Zeit auch die Grundlagen für eine Zentralisierung der römischen Kirche. Den politischen Misserfolgen am Ende der Regierungszeit Heinrichs III. entsprach die lange Phase der Unmündigkeit des Heinrichssohns Heinrich IV., der trotz der zeitweisen Regentschaft der Mutter Agnes von Poitou zum Spielball machtpolitischer Interessen der (Kirchen-) Fürsten in Deutschland wurde (Kaiserswerther Staatsstreich 1062). Weiter rief die selbstständige Regierung des Herrschers (ab 1065) Widerstände hervor (Sturz des bayerischen Herzogs Otto von Northeim 1070, königliche Territorialpolitik im Harz, Sachsenaufstand 1073/75). Auch das Verhältnis zum aufstrebenden Reformpapsttum verschlechterte sich.
Mit der zwischen König und Papst strittigen Investitur im Mailänder Erzbistum (1070-1075) begann der sog. Investiturstreit (1075-1122, investiturae controversia [12. Jahrhundert]). Vordergründig ging es dabei zunächst um die Einsetzung von Bischöfen im deutschen Reich einschließlich Burgund und Italien durch den König (Laieninvestitur). Doch offenbarte sich damit ein Konflikt, der die Rolle des Königs und des Papstes neu und im Bruch zur frühmittelalterlichen Weltanschauung definieren sollte und mit Stichworten wie Unterordnung des Königs unter den Papst, "Entsakralisierung" des Königtums (Herrscher als christus domini) und Herrschaftswandel nur unzureichend umschrieben werden kann. Stationen der ersten Phase des Investiturstreits waren: das Schreiben Papst Gregors VII. (1073-1085) zur Mailänder Investitur (1075/76), die Absageerklärung Heinrichs IV. und der deutschen Bischöfe an den Papst auf der Wormser Synode (24. Januar 1076), die damals unerhörte Absetzung und Bannung Heinrichs durch den Papst (15. Februar 1076), die Formierung einer sächsisch-süddeutschen Adelsopposition gegen den Salier (Fürstentag zu Tribur, Oktober 1076), die öffentlich geleistete Kirchenbuße Heinrichs in Canossa ("Gang nach Canossa") und seine Lösung vom Bann (25./27. Januar 1077). Die Fürstenopposition gegen Heinrich IV. betrieb trotz der Ereignisse von Canossa die (Forchheimer) Wahl (15. März 1077) des (Gegen-) Königs Rudolf von Rheinfelden (1077-1080). Der Gegenschlag Heinrichs blieb mit der Absetzung der süddeutschen Herzöge nicht aus (1077); das Herzogtum Schwaben wurde 1079 mit dem Staufer Friedrich I. (1079-1105) besetzt. Der Entscheidungskampf zwischen den beiden Königen endete mit dem Tod des in der Schlacht an der Weißen Elster verwundeten Rudolf (15. Oktober 1080). An dessen Stelle trat der neue Gegenkönig Hermann von Salm (1081-1088). Inzwischen war Heinrich IV. wiederum vom Papst gebannt worden (1080), was aber kaum noch Eindruck machte. Vielmehr ging Heinrich nun in Italien gegen Gregor VII. vor. Mit der Erhebung des Gegenpapstes Clemens III. (1080), der Verdrängung Gregors aus Rom, der dort stattfindenden Verurteilung und Absetzung Gregors sowie der Kaiserkrönung (31. März 1084) war Heinrich IV. durchaus erfolgreich. Als er Mitte 1084 wieder nach Deutschland zurückkehrte, hatte aber das salische Königtum dort viel von seiner einstigen Machtstellung eingebüßt. Ein weiterer Italienzug Heinrichs (1090-1096) endete indes in einer Katastrophe: Heinrich selbst blieb zwischen 1093 und 1096 im östlichen Oberitalien eingeschlossen; in Deutschland setzte der Abfall von ihm massiv ein. Immerhin ermöglichte das Auseinanderbrechen der tuszisch-welfischen Koalition (1096) die Rückkehr des Kaisers nach Deutschland, wo es spätestens nach seiner Aussöhnung mit dem als Herzog bestätigten Welf IV. von Bayern (1096-1101) mit der Fürstenopposition zu einem Ausgleich kam. Erfolgreich war Heinrich IV. auch bei seiner Neuordnung der Thronfolge; der abtrünnige Konrad wurde für abgesetzt erklärt (1098), der jüngere Sohn Heinrich (V.) zum König gekrönt (1099). Im Jahre 1103 verkündete Heinrich IV. zudem den Mainzer Reichsfrieden. Ende 1104 rebellierte der Sohn Heinrich (V.) gegen den Vater, Anfang 1106 trat er seine selbstständige Regierung an und wurde nach dem Tod des Vaters allgemein als König anerkannt. Verhandlungen mit Papst Paschalis II. (1099-1118) - auf der Grundlage der Unterscheidung zwischen spiritualia und temporalia ("geistliche Befugnisse" und "weltliche Rechte") - führten zunächst zu einem radikalen Lösungsversuch in der Investiturfrage (1111), aber auch zur Kaiserkrönung des Saliers (13. April 1111). Schließlich einigten sich Kaiser und Papst Calixt II. (1119-1124) im Wormser Konkordat (23. September 1122) auf einen Kompromiss bei der königlichen Bischofsinvestitur in Deutschland, Burgund und Italien; das Wormser Konkordat stellt damit das Ende des Investiturstreits (als Vergleich betreffend die Einsetzung von Reichsbischöfen und -äbten) dar. Dem Investiturstreit auf der einen entsprach die Gregorianische Kirchenreform auf der anderen Seite, wobei mindestens vier Ziele/Leitvorstellungen der Kirchenreform des 11. und 12. Jahrhunderts festzustellen sind.
Kaiser Heinrich V. hatte mit und gegen die Fürsten seines Reiches regiert. Nach dem söhnelosen Tod Heinrichs (1125) wurde durch Wahl der sächsische Herzog Lothar von Supllinburg (1125-1137) König. Lothar wusste sein Königtum gegen die aufständischen Stauferbrüder Herzog Friedrich II. von Schwaben (1105-1147) und (König) Konrad (III.) zu behaupten (1127/35). Das Papstschisma von 1130 sah Lothar III. auf der Seite Innozenz II. (1130-1143) (Kaiserkrönung 1133), der 2. Italienzug Lothars (1136/37) führte den Kaiser über Oberitalien (Reichstag von Roncalia 1136) nach Süditalien, wo das deutsche Heer Apulien und Kalabrien erobern konnte. Nach Lothars Tod (1137) gelangte mit König Konrad III. (1138-1152) erstmals ein Staufer auf Thron des deutschen Reiches. Auseinandersetzungen zwischen Staufern und Welfen prägten die Regierungszeit des Herrschers, Konrad nahm am weitgehend erfolglosen 2. Kreuzzug teil (1147/49). Konrads Neffe war König Friedrich I. Barbarossa (1152-1190), der alsbald mit den Welfen zu einer politischen Überinkunft kam (Heinrich der Löwe als Herzog von Sachsen und Bayern, Privilegium minus 1157) und als Kaiser (Kaisertum 1155), in zweiter Ehe verheiratet mit Beatrix von Burgund, dem burgundischen Königreich größere politische Aufmerksamkeit schenkte (Reichstag von Besancon 1157). Der Hoftag auf den Roncalischen Feldern (1158) formulierte die gegenüber den oberitalienischen Städten nutzbaren Regalien, deren Realisierung einen enormen fiskalischen Gewinn für den König gebracht und die Städte in ihrer Autonomie eingeschränkt hätte. Bei der Durchsetzung seiner Ansprüche stieß Barbarossa daher auf Widerstand (Eroberung und Zerstörung Mailands 1162), und auch Auseinandersetzungen mit dem Papsttum sollten folgen. Im alexandrinischen Papstschisma (1159-1177) standen sich somit die beiden Universalgewalten Kaisertum und Papsttum gegenüber; Papst Alexander III. (1159-1181) konnte sich letztlich gegen die Gegenpäpste und Kaiser Friedrich I. behaupten (Lombardischer Städtebund, 2. Romzug und Schlacht bei Tuskulum 1167/68, Niederlage des Kaisers bei Legnano 1176, Frieden von Venedig 1177, Frieden von Konstanz 1183). Parallel dazu führte der Sturz Herzog Heinrichs des Löwen (1180) zur Zuweisung des bayerischen Herzogtums an die Wittelsbacher und Sachsens an die Askanier und Erzbischof Philipp von Köln (Gelnhäuser Urkunde, 13. April 1180). Friedrich starb auf dem 3. Kreuzzug (1189/92) in Kleinasien. Unumstritten folgte ihm sein Sohn Heinrich VI. (1190-1197) nach. Zentral für diesen war die Behauptung der sizilischen Erbschaft (seiner Frau Konstanze) und die erfolgreiche Eroberung des Normannenreichs in Süditalien (1191/94; Gefangennahme des englischen Königs Richard Löwenherz 1193/94). Staufische Machtpolitik wandte sich danach dem östlichen Mittelmeerraum zu (Byzanz, Zypern); Heinrich starb, bevor er zum Kreuzug ins Heilige Land aufbrechen konnte. Heinrichs Sohn Friedrich (II.) folgte ihm im sizilischen Königreich nach (1198), während im regnum teutonicum im deutschen Thronstreit (1198-1208) der Welfe Otto IV. (1198-1218) und der Staufer Philipp von Schwaben (1198-1208) als Könige gegeneinanderstanden. Nach der Ermordung Philipps wurde Otto allgemein als Herrscher anerkannt (Kaiserkrönung 1211), unterlag aber alsbald dem Staufer Friedrich II. (1212-1250) (Schlacht bei Bouvines 1214), der nun das deutsche Reich, Reichsitalien, Burgund und Sizilien in einer Hand vereinigte. Zugeständnisse Friedrichs II. gegenüber den (weltlichen und geistlichen) Reichsfürsten (Confoederatio cum principibus ecclesiasticis 1220, Goldene Bulle zu Rimini 1226 und Einbindung des Deutschen Ritterordens, Reichsfreiheit für Lübeck 1226, Statutum in favorem principum 1231/32) halfen Friedrich seine Herrschaft in Deutschland zu sichern; er ließ seinen Sohn Heinrichs (VII., 1220-1235) zum Mitkönig für Deutschland machen, während er selbst, gestützt auf sein sizilisches Königtum, Machtpolitik in Italien und im Mittelmeerraum betrieb (Auseinandersetzungen mit dem Papsttum, Exkommunikation, Kreuzzug Friedrichs II. und Rückgewinnung Jerusalems mit diplomatischen Mitteln 1228/29, Frieden von San Germano 1230, Konstitutionen zu Melfi 1231). Die Territorialpolitik Heinrichs (VII.) im deutschen Südwesten und die Auflehnung gegen seinen Vater führten zu Sturz und Inhaftierung des Sohnes (1235); Mitkönig Friedrichs in Deutschland wurde dessen Sohn Konrad IV. (1237-1254). In Italien stand der Sieg des Kaisers in der Schlacht bei Cortenuova (1237) am Anfang des Endkampfs zwischen Friedrich II. und dem Papsttum (Konzil von Lyon und Bannung Friedrichs 1245, Gegenkönigtum Heinrich Raspes 1246/47 und Wilhelms von Holland 1247/56), doch beendete der Tod des Kaisers (1250) die Auseinandersetzungen um Friedrich II., während Konrad IV. und der illegitime Friedrichsohn Manfred (1254-1266) sich im sizilischen Königreich behaupten konnten. Mit der Hinrichtung des Konradsohns Konradin auf dem Marktplatz von Neapel (1268) endete die staufische Königsdynastie.
Die massiven politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umwälzungen des Hochmittelalters lassen sich an den Entwicklungen in den Bereichen Grundherrschaft (Rentengrundherrschaft), Städtewesen (Gründungsstädte) und Landesherrschaft (Territorien) ablesen. Die Territorialisierung im deutschen Reich erlebte im Interregnum (1256-1273) nochmals einen Schub, da die gegeneinanderstehenden auswärtigen Könige Richard von Cornwall (1256-1273) und Alfons von Kastilien (1257-1272) kaum Einwrkungsmöglichkeiten im Reich entwickelten. Die Wahl des habsburgischen Grafen Rudolf I. (1273-1291) zum König durch das Gremium der Kurfürsten (Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier, rheinischer Pfalzgraf, böhmischer König, Herzog von Sachsen, Markgraf von Brandenburg) machte endgültig aus dem römisch-deutschen Königtum ein Wahlkönigtum. Als "kleiner König" konnte sich Rudolf dennoch behaupten, u.a. was die Revindikation von verloren gegangenem Reichs- und staufischem Hausgut anbetraf, während sich vielfach staufische Königsstädte zu spätmittelalterlichen Reichsstädten entwickeln sollten (Reichssteuerverzeichnis 1241). Im Kampf gegen den böhmischen König und mächtigen Territorialfürsten Ottokar II. (1253-1278) setzte sich Rudolf in der Schlacht auf dem Marchfeld durch (1278) und begründete damit die im Südosten des Reiches entstehende habsburgische Hausmacht. Indes folgte auf Rudolf nicht dessen Sohn Albrecht, sondern der Graf Adolf von Nassau (1292-1298) im Königtum nach, doch unterlag dieser - abgesetzt durch die Kurfürsten - ebendiesem Albrecht I. (1298-1308) in der Schlacht bei Göllheim (1298). Nach dem Tod Albrechts I. (1298) wurde der luxemburgische Graf Heinrich VII. (1308-1313) König; bekannt ist sein Italienzug (1310/13), bei dem er zum König von Italien (Mailand 1311) und zum Kaiser (Rom 1312) gekrönt wurde, die Streitigkeiten zwischen Ghibellinen und Guelfen aber nicht schlichten konnte, die Feindschaft des Anjoukönigs von Neapel auf sich zog und schließlich in Siena starb. Immerhin erlangte nach Jahrzehnten wieder ein römisch-deutscher König die Kaiserkrone. Dies gelang auch in Auseinandersetzung mit dem habsburgischen König Friedrich (III.) den Schönen (1314-1330) (Doppelwahl 1314, Schlacht bei Mühldorf 1322, Vertrag von München 1325) und mit dem Papsttum in Avignon König Ludwig IV. dem Bayern (1314-1347) (Mailänder Königskrönung 1327, Kaiserkrönung in Rom 1328), der darin auch Unterstützung durch die Kurfürsten fand (Rhenser Kurverein 1338), bis die Wahl des Luxemburger Markgrafen Karl von Böhmen zum Gegenkönig erfolgte (1346).
Im Vordergrund der Politik des Luxemburgers Karl IV. (1346-1378) stand dessen erfolgreiche Hausmachtpolitik. Auch über mehrere Heiraten (mit Blanca Margareta von Valois, Anna von der Pfalz, Anna von Schweidnitz, Elisabeth von Pommern) gelang es Karl, besonders seinem Stammland Böhmen wichtige Territorien wie die Oberpfalz (1353-1358), die Niederlausitz (1367) oder Schlesien (1368) anzugliedern. Der Erwerb der 1323 an die Wittelsbacher gekommenen Mark Brandenburg gestaltete sich schwieriger und war erst nach zwei Feldzügen im Jahr 1373 abgeschlossen. Nach Osten hin versuchte Karl, durch eine geschickte Ehepolitik Polen und Ungarn für seine Dynastie zu gewinnen. In die italienischen Verhältnisse griff Karl IV. zweimal ein. Der 1. Italienzug (1354/55) brachte als Ergebnis die Königserhebung in Mailand und die Kaiserkrönung in Rom (1355); auch der 2. Italienzug (1368/69) führte zur allgemeinen Anerkennung des Kaisers. Dagegen standen aber Verluste an der Westgrenze des deutschen Reiches, besonders im burgundischen Raum und trotz der burgundischen Krönung Karls (1365). In die Regierungszeit des Kaisers fiel auch der "Schwarze Tod" als verheerende Pestepidemie (1347/49) und die damit verbundenen ebenso verheerenden Judenpogrome. Mit Karl IV. ist auch die sog. Goldene Bulle in Verbindung zu bringen, die - aufbauend auf den Beschlüssen des Rhenser Kurvereins - die Königswahl zum römisch-deutschen König regelte und auf zwei Hoftagen zu Nürnberg am 10. Januar und 25. Dezember 1356 erlassen wurde. Karl setzte seinen Sohn Wenzel (1378-1400) als Nachfolger im römisch-deutschen Reich, doch entfaltete dieser außerhalb der Länder der böhmischen Krone kaum politische Wirkung. Wenzels Bruder Sigismund (1411-1437), auch König von Ungarn (1387-1437), beendete mit dem Konzil von Konstanz (1414/18) das Große Papstschisma (1378-1417) und hatte sich nach Aburteilung und Verbrennung des Häretikers Jan Hus (†1415) mit den Hussiten in Böhmen auseinanderzuseten (Hussitenkriege 1419/36). 1436 gelang es Sigismund schließlich, als König von Böhmen anerkannt zu werden. Als Kaiser, deutscher, ungarischer und böhmischer König vereinigte er damit vier Kronen in seiner Hand. Die Jahre nach 1430 standen unter dem Zeichen der sog. Reichsreform, waren also verbunden mit dem Bemühen Sigismunds und seiner Räte um eine politische Reform im römisch-deutschen Reich (Friedenssicherung, Reform der Gerichtsbarkeit, Münz- und Geleitwesen, Sicherung der westlichen Grenze gegenüber dem "Zwischenreich" der burgundischen Herzöge). Diesbezügliche Verhandlungen zwischen König, Fürsten und Städten gestalteten sich aber mühsam und führten auch beim Reichstag zu Eger (Juli 1437) zu keinem Abschluss. Immerhin überdauerte die Idee einer Reichsreform Sigismund, wie nicht zuletzt die nach dem Tod des Kaisers verfasste Reformatio Sigismundi zeigt. Sigismunds einzige Tochter Elisabeth war mit seinem Nachfolger Albrecht II. von Habsburg (1438-1439) verheiratet, auf Albrecht (II.) folgte Friedrich III. von Habsburg (1440-1493), der hinsichtlich Böhmen und Ungarn unglücklich agierte (Besetzung von Teilev der habsburgischen Stammlande durch Matthias Corvinus 1477/90), hingegen erfolgreich gegen den burgundischen Herzog Karl den Kühnen (1467-1477) vorging (Belagerung und Entsetzung von Neuss 1474). Friedrich konnte zudem das deutsche Königtum für seinen Sohn und Nachfolger Maximilian I. (1486/93-1519) sichern.
Die politischen Geschehnisse im deutschen Reich unterhalb der Ebene der Reichspolitik wurden ab dem hohen Mittelalter zunehmend bestimmt von Territorien und Landesherrschaften, von (geistlichen, weltlichen) Fürsten, Landesherren und (Reichs-, freien) Städten mit deren Obrigkeiten. Am Niederrhein beispielsweise zerbrach der Lehnshof der Kölner Erzbischöfe spätestens mit der Niederlage in der Schlacht von Worringen (1288). Zu Bistümern, Hochstiften und Reichsabteien hielten Bischöfe, Äbte und Könige meist nur noch Beziehungen über die Regalienvergabe und das Recht der "Ersten Bitte" aufrecht, während der landesherrschafliche Einfluss auf Klöster und Stifte durchaus stieg (Schirmherrschaft, Landstandschaft, Konkordate auch hinsichtlich der Besetzung der Bistümer). Der niederländisch-lothringische Raum war im 14. und 15. Jahrhundert Teil des burgundischen "Zwischenreichs" der Herzöge von Burgund (Haus Valois, Tod Herzog Karls des Kühnen 1477). In Norddeutschland bildete sich aus der Kaufmannshanse die Hanse der Städte unter Führung des "Hauptes der Hanse" Lübeck als Reichsstadt; die Städtehanse betrieb auch Außenpolitik, etwa in den Auseinandersetzungen mit den dänischen Königen. Und im deutschen Südwesten mit seiner Landschaft an Reichsstädten und Reichslandvogteien waren die Einwirkungsmöglichkeiten des Königtums (Politik der Verpfändung) entsprechend größer als andernorts, sieht man von den zur Hausmacht des jeweiligen Königs gehörenden Territorien einmal ab. Eine besondere, schließlich unabhängige Stellung im deutschen Reich besaß die sich seit dem endenden 13. Jahrhundert u.a. gegen Habsburg ausbildende Schweizer Eidgenossenschaft (Reichsunmittelbarkeit von Uri und Schwyz [1231/40], Bund von 1291, Anschluss der Städte Luzern, Zürich, Glarus, Zug, Bern usw., Eroberung von Aargau und Thurgau [1415/60], Schweizerkrieg und Frieden von Basel 1499). Nach Osten hin hatte sich durch die Ostsiedlung die Grenze des deutschen Reiches erweitert (Mecklenburg, Pommern, Brandenburg, Ostsachsen, Schlesien). Daran schloss sich an der "Staat" des Deutschen Ordens in Preußen, Kurland, Livland, allerdings außerhalb des deutschen Reiches. Geringen politischen Gestaltungsspielraum gab es im späten Mittelalter für die deutschen Könige im Königreich Burgund (Arelat) und in Reichsitalien, wenngleich Norditalien an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit neben dem burgundischen "Zwischenreich" (Burgundischer Erbfolgekrieg 1477/93) zu einem Brennpunkt der Kriege zwischen Habsburg und Frankreich wurde.

Kaiser Karl IV. (†1378)

König bzw. Kaiser Karl IV. (1346-1378) regierte das römisch-deutsche Reich im 14. Jahrhundert, einer Zeit, die von den klimatischen Umbrüchen hin zur "Kleinen Eiszeit" und anderen Naturkatastrophen (Heuschreckeninvasion 1338, "Magdalenenhochwasser" 1342, Erdbeben 1348, 1356, Trockenheit 1361, "Marcellusflut" 1362) sowie der Zäsur des Schwarzen Todes (Pest 1347/51, 1362) bestimmt war. Das heilige römische Reich war ein Wahlkönigtum, bestehend aus Deutschland, (Reichs-) Italien und Burgund, im 14. Jahrhundert konkurrierten vornehmlich Habsburger, Luxemburger und Wittelsbacher als Reichsfürsten um die Herrschaft im Reich als deutscher König und römischer Kaiser. Geboren wurde (Wenzel-) Karl am 14. Mai 1316; seine Eltern waren König Johann von Böhmen (1311-1346), der Sohn Kaiser Heinrichs VII. (1308-1313), und die Premyslidin Elisabeth. Erzogen wurde Karl hauptsächlich am französischen Königshof (1323-1330); 1333 kehrte er wieder nach Böhmen zurück. Für seinen vater unternahm Karl Kriegszüge in Italien (1331/33) und Tirol (1336). Seit 1334 fungierte Karl als Markgraf von Mähren; doch hat er sich auch in Böhmen, z.B. bei der Errichtung des Prager Erzbistums (1344), eingeschaltet. Dem Papstaufruf des Jahres 1342, einen neuen römisch-deutschen König zu wählen, haben die Kurfürsten erst mit der Wahl Karls am 11. Juli 1346 entsprochen; der neue König wurde am 26. November in Bonn gekrönt; eine Nachwahl und eine Nachkrönung erfolgten zudem am 17. Juni 1349 in Frankfurt und am 25. Juli in Aachen. Nach der Wahl von 1346 war Karl mit seinem Vater Johann zur Unterstützung Frankreichs im Hundertjährigen Krieg (1339-1453) gegen England aufgebrochen. In der Schlacht bei Crécy (26. August 1346) siegten jedoch die Engländer; König Johann fiel, Karl wurde verwundet und - nach Böhmen zurückgekehrt - am 2. September 1347 in Prag zum böhmischen König gekrönt. Nach dem Tod Ludwigs des Bayern (1347) und dem Vertrag von Eltville (26. Mai 1349) mit dem Gegenkönig Günther von Schwarzburg (1349) war Karl IV. als König allgemein anerkannt. 1350 wurde Karl auf einem Turnier durch einen Lanzenstoß ins Gesicht sehr schwer verletzt, der Unterkiefer war gebrochen, die Halswirbel in Mitleidenschaft gezogen, Lähmungen und Atemblockaden traten auf; der König fiel für über ein Jahr der Rekonvaleszens aus, überlebte aber wunderbarerweise. Im Vordergrund der Politik des Luxemburgers stand dessen erfolgreiche Hausmachtpolitik. Auch über mehrere Heiraten (mit Blanca Margareta von Valois 1329, Anna von der Pfalz 1349, Anna von Schweidnitz 1353, Elisabeth von Pommern 1365) gelang es Karl, besonders seinem Stammland Böhmen wichtige Territorien wie die Oberpfalz (1353-1358), die Niederlausitz (1367) oder Schlesien (1368) anzugliedern. Der Erwerb der 1323 an die Wittelsbacher gekommenen Mark Brandenburg gestaltete sich schwieriger und war erst nach zwei Feldzügen im Jahr 1373 abgeschlossen (Residenzstadt Tangermünde). Nach Osten hin versuchte Karl, durch eine geschickte Ehepolitik Polen und Ungarn für seine Dynastie zu gewinnen. In die italienischen Verhältnisse griff Karl IV. zweimal ein. Der 1. Italienzug (1354/55) brachte als Ergebnis die Königserhebung in Mailand am 6. Januar 1355 und die Kaiserkrönung in Rom am 5. April; auch der 2. Italienzug (1368/69) führte zur allgemeinen Anerkennung des Kaisers. Dagegen standen aber Verluste an der Westgrenze des deutschen Reiches, besonders im burgundischen Raum und trotz der burgundischen Krönung Karls am 4. Juni 1365. Mit Karl IV. wird auch die sog. Goldene Bulle in Verbindung gebracht, die - aufbauend auf den Beschlüssen des Rhenser Kurvereins (16. Juli 1338) - die Königswahl zum römisch-deutschen König regelte und auf zwei Hoftagen zu Nürnberg am 10. Januar und 25. Dezember 1356 erlassen wurde. Dank seiner Hausmacht konnte der Kaiser auch die Wahl seines Sohnes Wenzel zum deutschen König erfolgreich betreiben (10. Juni 1376). Alles dies ist Ausfluss einer Verdichtung der Zentralgewalt im spätmittelalterlichen deutschen Reich, die so nur unter Karl IV. bestanden hat. Mit dem Kaisertum Karls ist zudem die Kultur des Vorhumanismus verknüpft; Prag wurde kultureller Mittelpunkt, Karl - selbst Verfasser einer Autobiografie (vita Caroli als confessio) - war Förderer von Kunst und Kultur ("Kaiserlicher Stil" als Vorläufer des "Schönen Stils"). Derselbe Karl hat aber auch den anlässlich der Großen Pest auftretenden Judenpogromen von 1349 nicht Einhalt geboten, vielmehr von diesen profitiert. Karl starb 29. November 1378 in Prag, wo er im Veitsdom begraben liegt. Die Herrschaft Karls IV. über das römisch-deutsche Reich und über die Länder der corona Bohemiae ("Krone Böhmens") war geprägt von der Persönlichkeit des Kaisers, der sich als von Gott auserwählt empfand und sich auf diese Weise auch in Kunst und Geschichte darstellen ließ bzw. lassen wollte (Karl als Autobiograf und Bauherr [Karlstein, Prag]), der erfolgreichen Stärkung der luxemburgischen Hausmacht mit dem Königreich Böhmen als Zentrum (Karl als "Kronensammler", Gesetzgeber ["Goldene Bulle"], Dynast [Heiratspolitik] und Hegemon [böhmische Nebenländer, Erwerb Brandenburgs] bei einem Ausverkauf der Reichsrechte durch eine extensive Verpfändungspolitik ["Austausch der Machtgrundlagen"]), der "konservativen Erneuerung des Kaisertums". Trotz zweier Erbfolgeregelungen und der Nachfolge des ältesten Karlssohnes Wenzel auch im römisch-deutschen Reich ging die vom Kaiser aufgebaute Vormachtstellung des Hauses Luxemburg im Bruderzwist der Söhne unter, die Luxemburger starben mit Kaiser Sigismund (1411-1437) in männlicher Linie aus, die Hohenzollern konnten sich die Mark Brandenburg sichern, die Habsburger schließlich Böhmen und die von Böhmen abhängigen Territorien. Die Rezeption Kaiser Karls IV. in den nachfolgenden Jahrhunderten bis in die Moderne ist geprägt von "gespaltenen Erinnerungen", die Person des Herrschers (als Tscheche, Deutscher und Europäer) bleibt umstritten.

Martin Luther (†1546)

Geboren wurde Martin Luther (Luder) am 10. November 1483 in Eisleben (in der Grafschaft Mansfeld) als Sohn des Bergunternehmers Hans Luder und dessen Ehefrau Margarete; Martin bekam den Namen des Tagesheiligen vom 11. November, des heiligen Bischofs Martin von Tours. Die Strenge der elterlichen Erziehung, Verantwortung und Selbstständigkeit als Ältester unter seinen Geschwisters prägten Martin schon früh. Seine schulische Laufbahn begann in der Mansfelder Trivialschule und führte über die Magdeburger und Eisenacher Lateinschule zum studium generale nach Erfurt. Durch die Frömmigkeit der devotio moderna, aber auch durch den Humanismus beeinflusst, der universitäten Scholastik reserviert gegenüberstehend, auf alle Fälle in einer existenziellen Grundhaltung verortet, beendete Luther sein Jurastudium, kaum dass es begonnen hatte (Sommersemester 1505). Die Studien- und Lebenskrise Luthers, die Unzufriedenheit mit seinem Leben beeinflussten aufs Stärkste die Bekehrung des sich in Todesgefahr wähnenden jungen Mannes auf einem Feld vor dem Dorf Stotternheim (Anfang Juli 1505). Luther trat daraufhin in das Kloster der Augustineremiten in Erfurt ein (Schwarzes Kloster der strengen Observanz, Augustinerregel). Hier machte Luther Ordenskarriere (Subdikakonat-, Diakonatsweihe 1506/07, Priesterweihe 1507), gefördert u.a. durch den Generalvikar und Beichtvater Johannes von Staupitz. Zur Ordenskarriere gehörte auch Luthers Studium der Theologie, mit dem er 1508 in Wittenberg begann und durch das er alsbald in den Kreis der Lehrenden der Philosophie und Theologie aufrückte (baccalaureus biblicus 1509) und - nach einem Studienaufenthalt in Erfurt - zum Doktor der Theologie promoviert wurde (Oktober 1512). Dabei reflektierte Luther sein Leben in Seelenqual und Leistungsfrömmigkeit immer wieder (Beichten, Verhältnis zu Gott, göttliche Gnade, Bibellektüre). Im Dienst des Ordens gelangte Luther auf seinen ihm aufgetragen Missionen bis nach Rom (1510/11) und wurde Subprior des Ordens, schließlich sächsisch-thüringischer Provinzialvikar (1515/18; Gründung des Augustinerklosters Eisleben 1515/16, Visitationsreise 1516). In der Residenz- und Universitätsstadt Wittenberg, "an den Grenzen der Zivilisation", übte Luther unter dem sächsischen Herzog und Kurfürsten Friedrich den Weisen (1486-1525) das Amt eines Theologieprofessors aus (Studienreform 1517/18, Professuren für Griechisch [Philipp Melanchthon] und Hebräisch), gestützt von einem Netz aus Freunden und Bekannten (Georg Spalatin, Philipp Melanchthon, Lucas Cranach u.a.). Dieses Netzwerk und Personengeflecht - auch abseits des "Elfenbeinturms" von Universität und Mönchtum - stand hinter ihm, als nach dem Anschlag der berühmten 95 Ablassthesen an der Wittenberger Schlosskirche (?, 31. Oktober 1517) Luther in den Mittelpunkt theologischer Diskussion und reformatorischer Publizistik rückte. Der Thesenanschlag war Resultat seiner theologischen Vorlesungen und eines Erkenntnisprozesses, der zum Bruch mit der herkömmlichen Theologie führte (Ablassthesen, reformatorische Theologie als neues Gottes- und Menschenbild [Betonung des Glaubens an Christus und der Seligwerdung dadurch, Betonung der göttlichen Gnade, Ablehnung der Leistungsfrömmigkeit und damit des Ablasses zu Gunsten einer Gnadenfrömmigkeit]; Wittenberger Palmsonntagspredigt, Brief Luthers an Staupitz 1518). Die Ablasskontroverse, die sich im Thesenanschlag niederschlug, war dabei nur eine erste Etappe (Petersablass des Dominikanerpaters Johannes Tetzel in Kurbrandenburg und im Erzbistum Magdeburg, Ablassdisputation), ebenso der Druck von Luthers Thesen, die rasch nicht nur im Gebiet des römisch-deutschen Reiches u.a. durch Humanisten und Intellektuelle Verbreitung fanden. Durch die Ablassthesen befreite sich Luther auch von seinen Ängsten und seiner Selbstbezogenheit; er wurde ein der Sache auf den Grund gehender Disputator, behauptete sich gegen seine nicht nur theologischen Widersacher und nutzte wirkungsvoll die (wissenschaftliche, lateinische, deutsche) Publizistik zur Verbreitung der durch ihn in Erkenntnisetappen entwickelten Theologie der Reformation in der allgemeinen Öffentlichkeit (Namensänderung von Luder zu Luther, Verwendung einer polemischen, robusten deutschen Sprache; Gnadenlehre und Sündhaftigkeit des Menschen, Freiheitstheologie, Gegenwart eingebunden in die christliche Heilsgeschichte). Auf Seiten der katholischen Amtskirche rief dies natürlich Widerstand hervor; ein Häresieprozess gegen Luther kam in Gang (September 1518), Luthers Leben war bedroht (psychosomatische Erkrankungen). Umgekehrt wurde Luther - je tiefer er in seine Theologie eindrang - zu einem "radikalen Gegner" von Papst und Kirche (causa Lutheri in der katholischen Amtskirche, Augsburger Religionsgespräch mit Kardinallegat Thomas Cajetan [Oktober 1518], Bruch mit dem Papsttum 1519); mehr und mehr wurde der Medici-Papst Leo X. (1512-1522) zum Gegenpart Luthers. Zunächst bestand Luther die Heidelberger Disputation vor dem Generalkapitel der Augustinereremiten, wo er auf Zustimmung stieß (April 1518); eine Niederlage erfuhr er hingegen bei der Leipziger Disputation gegen den Theologen Johannes Eck (Juni/Juli 1519). In den folgenden Jahren (1520/21) war Luther publizistisch und mit Erfolg aktiv: An den christlichen Adel deutscher Nation. Von des christlichen Standes Besserung, Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche, Von der Freiheit eines Christenmenschen (1520) entwickelten sich dank der damaligen Druckkunst zu viel gelesenen "Bestsellern". Nach der päpstlichen Bannandrohungsbulle Exsurge Domine (24. Juli 1520) und der Verurteilung Luthers als Ketzer durch die Bulle Decet Romanum Pontificem (18. Januar 1521) ging es aber Luther vornehmlich darum, sich selbst zu verteidigen. Die causa Lutheri war mittlerweile schon eine hochpolitische Angelegenheit auf der Ebene von Kaiser und Reich geworden, Kaiser Karl V. (1519-1556) musste im Rahmen der Reichsverfassung Rücksicht nehmen auf die mit Luther sympathisierenden Reichsstände (Beschwerdekatalog Gravamina Deutscher Nation), insbesondere auf den sächsischen Kurfürsten. So kamen Kaiser und Reformator auf dem Wormser Reichstag zusammen; Luther - der Gnade Gottes eingedenk und der prophetischen Richtigkeit seiner Lehre gewiss, auch seinem Gewissen folgend - widerrief in den öffentlichen Anhörungen nicht (17./18. April 1521), Nachverhandlungen erbrachten ebensowenig; als die Acht gegen Luther als kaiserliches Edikt verlesen (24. Mai) und vom Kaiser unterschrieben (26. Mai) worden war, befand sich der vermeintliche Häretiker schon sicher auf der Wartburg bei Eisenach (Mai 1521-Februar 1522; "Junker Jörg"). Der Wormser Reichstag wurde indes zu der wichtigen Weichenstellung auf dem Weg zur Reformation (nicht nur) im Reich, diese definierte mit ihrer kirchlich-theologischen Erneuerung eine neue christliche Konfession. Den Aufenthalt auf der Wartburg nutzte Luther unterdessen zu verstärkter Publizistik, wie die Streitschrift Wider den Abgott von Halle, die Traktate De abroganda missa privata, Vom Mißbrauch der Messe, Themata de votis, De votis monasticis iudicium Martini Lutheri sententia oder die Wartburgpostille als Sammlung von Predigttexten zeigen. Der Verwendung der Volkssprache Deutsch als Sprache der Reformation im Reich entsprach die auf der Wartburg von Luther angefertigte Bibelübersetzung des Neuen Testaments als für alle Christen zugängliches Sprachkunstwerk (Dezember 1521-März 1522, Veröffentlichung im September 1522), gefolgt von der des Alten Testaments (Sommer 1522-Oktober 1523/September 1534; Philipp Melanchthon, Matthäus Aurogallus, Bibelkommission und Revisionen der Übersetzungen; Wittenberger Gesamtbibel von 1534). Publizistik und Bibelübersetzung, auch die Person Luthers führten dazu, dass die reformatorische Bewegung weiter um sich griff, nicht immer so, wie Luther sich das vorstellte (Reformation durch Überzeugung <-> Reformation und Aufruhr [Karlstadt, Zwickauer Propheten, Thomas Müntzer, Bauernkrieg 1524/25]), aber immer mit Unterstützung und Rückendeckung durch den sächsischen Kurfürsten und mit zunehmender Anlehnung an die Obrigkeiten, im (gerade innerreformatorischen) "Kampf um die Deutungshoheit" der Reformationsbewegung, der einen beschädigten und zum Teil auch nachdenklichen Luther hinterließ. In dieser Zeit heiratete Luther die aus dem Nimbschener Kloster Marienthron entflohene, mittellose Katharina von Bora (15. Juni 1525), die mit ihrer Eigenständigkeit und Tüchtigkeit Luther zuneigend und liebend unterstützen sollte (eheliches Sexualleben <-> priesterliches Zölibat; "mein Herr Käthe", wirtschaftliche Aktivitäten der Ehefrau, geringes Einkommen Luthers [Grundbesoldung als Professor, Verzicht auf Hörergeld, Verzicht auf Buchhonorare, Naturalienlieferungen], Luthers "ganzes [privates, öffentliches] Haus" im ehemaligen Wittenberger Schwarzen Kloster als Großhaushalt, als Professoren- und Theologenhaushalt [Luthers Tischgespräche], Wohlstand der Familie Luther [Türkensteuerjahr 1542]). Aus der Ehe Luthers mit Katharina gingen ab 1526 sechs Kinder, vier Jungen und zwei Mädchen (Magdalene als Lieblingskind Luthers), hervor, von denen einige im Kindesalter starben (Kindererziehung als Glaubenssache; Vom ehelichen Leben). Die (Ehe-) Jahre ab 1525, nach der Zäsur des Bauernkriegs, nutzte Luther zur "evangelischen Erneuerung von Kirche und Gesellschaft". Längst war die Reformation religiös und politisch in Deutschland etabliert, Luthers "Wiederentdeckung des reinen Evangeliums" konnte zwar die (katholische) Gesamtkirche nicht verändern, doch die Reformation im Kleinen, in den Territorien und (Reichs-) Städten trug Früchte (Bürgertugenden und Reformation, Seelsorge und Predigt [Luther als Prediger über Wittenberg hinaus, Predigt als Pflicht, Reisen Luthers, Wittenberg als "protestantische Kathedralstadt Luthers"]). Indessen kamen Kontroversen um die reformatorische Theologie auf (Diskussion mit Erasmus von Rotterdam um die Willensfreiheit eines Christen); der Streit um Abendmahl und Taufe (Marburger Religionsgespräch 1529 [Landgraf Philipp von Hessen, Martin Bucer, Ulrich Zwingli]) führte gar zu einer nur mühsam überdeckten theologischen Spaltung im Protestantismus. Trotzdem war es auf Dauer Luther und dessen rigorosem Zupacken zu verdanken, dass das reformatorische Kirchenwesen - abgetrennt von der katholischen Amtskirche - zu einem soliden Fundament einer konfessionell-partikularen Kirche wurde (evangelische Ordnungsarbeit/-entwürfe [und mittelalterliche Reform], Gemeindekirchen, lutherische Kirche und Obrigkeiten [Landesherren, Stadträte] <-> christliche Universalreformation). Luthers Kleiner Katechismus (1529) diente dabei als Leitfaden für die Gläubigen (zehn Gebote, Glaubensbekenntnis, Vaterunser, Sakramente [Taufe, Buße, Abendmahl]). Die auf der Grundlage des reformatorischen Denkens und der Theologie Luthers entstandenen Konfessionskirchen und damit einhergehend eine Konfessionskultur waren indes bedroht auf der politischen Ebene des römisch-deutschen Reiches. Der Speyrer Reichstag (1529) hatte wieder die Acht über Luther verhängt, was den Protest der Luther anhängenden Reichsstände hervorrief (-> Protestanten). Der Augsburger Bekenntnisreichstag (1530) führte zur Confessio Augustana als (wittenbergischer) Glaubensgrundlage und Bekenntnisschrift der Protestanten (maßgeblich formuliert durch Philipp Melanchthon), offenbarte aber auch die Unüberbrückbarkeit der reformatorischen und katholischen Standpunkte (Reichstag als ein Beginn des konfessionellen Zeitalters -> Augsburger Reichstag von 1555). Politisches drängte demgemäß bei Luther in den Vordergrund (Von welltlicher Uberkeytt, wie weyt man yhr gehorsam schuldig sey 1523, Ob Kriegsleute auch in seligem Stande sein können 1526, Türkenkriegsschriften 1529/30), besonders nach dem für die Protestanten so ungünstigen, vom Kaiser befürworteten Augsburger Reichstagsabschied. Die Formulierung eines von Luther nur teilweise getragenen protestantischen Widerstandsrechts bildete die Grundlage zur politischen Formierung des Schmalkaldischen Bundes als Militärbündnis der protestantischen Reichsstände (1530/31). Höchst politisch waren auch Vorgänge im dem Kurfürstentum benachbarten sächsischen Herzogtum, das katholisch bleiben sollte (1534). Im Fehdefall des Michael Kohlhase riet Luther zur Mäßigung (1534). Luther unterstützte auch die militärischen Aktionen gegen das Täuferreich in Münster (1534/35; Dass weltliche Oberkeit den Wiedertäufern mit leiblicher Strafe zu wehren schuldig sei. Ettliche Bedenken zu Wittenberg 1535). U.a. das konfessionspolitische Verhalten der Protestanten gegenüber dem 1536 von Papst Paul III. (1534-1549) nach Mantua einberufenen Konzil erforderte ein Bekenntnis des Reformators Luther; das Testament der Religion halben ("Schmalkaldische Artikel") war Grundlage des Schmalkaldischen Bundestags (Februar 1537); Luther selbst war damals nach einem Herzinfarkt ernsthaft erkrankt (Blasen- und Nierenleiden). Schwierigkeiten bereitete auch die von den Reformatoren letztlich gebilligte Doppelehe des Landgrafen Philipp von Hessen (1539/40). Am Ende seines Lebens meldete sich Luther nur noch wenig zu Wort; seine eschatologisch zu deutenden Predigten und Schriften gegen die Türken (1541/42) sind hier zu nennen, ebenso sein antijüdisches Verhalten (Daß Jesus Christus ein geborener Jude sei 1523, Josel von Rosheim 1536) und Luthers letzte Predigten gegen Türken, Juden (als Andersgläubige) und den Teufel. Dem entsprach, dass jenseits von Religion, Theologie oder Weltpolitik der private Martin Luther konservativ und unreflektiert blieb, was seine Einstellung gegenüber Minderheiten, der Wirtschaft oder der gesellschaftlichen Ordnung anbetraf. Ein wirtschaftliches (und familiäres) Anliegen war es jedenfalls, als der gesundheitlich stark angegriffene Luther im Winter 1545/46 sich in Eisleben um den Mansfelder Bergbau kümmern sollte, eine wortgewaltige Predigt in Halle mit eingeschlossen. Eine Einigung war erzielt, als Luther einen Schwächeanfall erlitt (17. Februar) und schließlich am 18. Februar 1546 im Kreise der jüngeren Söhne, einiger Diener sowie des Grafen und der Gräfin von Mansfeld verstarb. Der Tod löste Trauer und Bestürzung in der Grafschaft Mansfeld und in Kursachsen aus, ein erstes Trauerzeremoniell fand in der Eislebener Andreaskirche statt, seine Grablege fand der Leichnam Luthers in der Wittenberger Schlosskirche. Auf protestantischer Seite sollte das Sterben Luthers im Umfeld von aufkommender Luthermemoria und protestantischem Selbstverständnis (Selbstvergewisserung) idealisiert werden. Und Kaiser Karl V., der Sieger im Schmalkaldischen Krieg (1546/47), besuchte nach der Einnahme Wittenbergs das Grab Luthers (Mai 1547). Doch die Glaubenstreue der protestantischen Fürsten, die Verankerung des Luthertums in den Territorien und Bürgerstädten siegte auch über das Augsburger Interim des Kaisers (1548), der letztendlich nach einem Fürstenaufstand (1552) die Konfessionalisierung des Reiches (und Europas) anerkennen musste. Mit Luther (und Karl V.) begann die gegenüber dem Mittelalter veränderte Neuzeit (Ende des mittelalterlichen Universalismus von Kirche und Kaisertum; politische und kulturelle Neuordnung Europas als Erfolg Luthers, geschuldet gerade auch seinem Auftreten auf dem Wormser Reichstag [Konfessionskultur(en), Pluralismus und Intoleranz, Religion und Politik]).

Kaiser Karl V. (†1558)

Geboren wurde Karl, der Enkel Kaiser Maximilians I. und Sohn des burgundischen Herzogs Philipp des Schönen (†1506) und der spanischen Prinzessin Johanna von Aragon und Kastilien (†1555), am 24. Februar 1500 im flandrischen Gent. Schon früh zeichnete sich ab, dass Karl Nachfolger seines habsburgischen Großvaters im römisch-deutschen Reich und Nachfolger seiner spanisch-kastilisch-aragonesischen Vorfahren werden würde. Dementsprechend wurde Karl auf seine zukünftigen Aufgaben vorbereitet (politisch-religiöse Erziehung) und übernahm schon im Jahr 1515 in den von den Habsburgern ererbten burgundischen Territorien die Herrschaft. Er fand darin Unterstützung bei seiner Tante, der Erzherzogin Margaretha von Österreich-Savoyen (†1564) und zeitweisen Regentin des burgundischen Herzogtums. Beim Tod seines spanischen Großvaters Ferdinand II. (von Aragon, 1479-1516) folgte Karl (I., 1516-1556) im iberischen Königtum mit seinen umfangreichen überseeischen Kolonialbesitzungen nach, während Absprachen mit seinem jüngeren Bruder Ferdinand (†1564) die Erbfolge Karls sichern halfen (Brüsseler Verträge 1521). Das Königreich Spanien war am Ende des Mittelalters aus den Königreichen Kastilien und Aragon bzw. den Ländern (Teilreichen) der kastilischen und aragonesischen Krone entstanden. Die "Entdeckung" der "Neuen Welt" und die gerade unter König Karl I. stattfindende Eroberung und Kolonisierung Mittel- und Südamerikas (Unterwerfung des Aztekenreiches 1519/22, Eroberung des Inkareichs 1532/39) bildeten die Grundlagen des spanischen Weltreiches und Spaniens als Hegemonialmacht im Europa des 16. Jahrhunderts. Aus der 1522 geschlossenen Ehe mit Isabella von Portugal (†1539) gingen der spanische Thronfolger Philipp (II., 1556-1580) und die älteste Tochter Maria (*1528) hervor. Nach dem Tod Isabellas heiratete Karl nicht noch einmal. Er hatte indes zwei uneheliche Kinder: Margarethe von Parma (†1586), spätere Statthalterin der spanischen Niederlande, und Juan de Austria (†1578), Befehlshaber der kaiserlichen Flotte in der Schlacht bei Lepanto gegen die osmanischen Türken (1571). Karls Persönlichkeit wird beschrieben als verschlossen und unnahbar, maßvoll, gerecht und fromm, Eigenschaften, die sich mit zunehmendem Alter teilweise noch verstärken sollten. Höfische Repräsentation, Selbstdarstellung und der Erwerb von Ruhm spielten (dennoch) im Leben Karls eine wichtige Rolle. Nach dem Tod seines Großvaters Maximilian I. (1519) wurde Karl zum römisch-deutschen König und Kaiser (Karl V., 1519-1556) gegen seinen Mitbewerber, den französischen König Franz I., gewählt. Der habsburgisch-französische Gegensatz zwischen den beiden mächtigen europäischen Königsdynastien war geboren und sollte bald zu Konflikten in Oberitalien führen, wobei hier der kaiserliche Sieg bei Pavia (1525) zu Gunsten Karls entschied. Der Madrider Frieden (1526) und der "Damenfrieden von Cambrai" (1529) beendeten nur zwischenzeitlich die europaweiten politischen und militärischen Auseinandersetzungen, zumal mit der Schlacht von Mohacs (1526) und der 1. Belagerung Wiens (1529) die osmanischen Türken unter Sultan Süleyman (1520-1566) große Teile des habsburgisch-ungarischen Königreichs erobern konnten. Bei Türkenkrieg und Türkenabwehr spielte Karls Bruder Ferdinand, seit 1526 König von Böhmen und Ungarn, eine zunehmend wichtiger werdende Rolle, was wiederum zu innerhabsburgischen Konflikten führte. Dem Friedensvertrag von Großwardein zwischen Habsburg und osmanischem Reich (1538) gingen dabei die Eroberung von Tunis durch kaiserliche Truppen (1535) und die Wiederherstellung der kaiserlichen Seeherrschaft im (westlichen) Mittelmeer (Johanniterorden auf Malta) voraus. Zwei von den Habsburgern erfolgreich geführte Kriege gegen Franz I. (1536/38, 1542/44) führten dann noch zum endgültigen Friedensschluss von Crépy (1544) mit dem französischen König. Europaweite Wirkung entfaltete auch das anfangs schwierige Verhältnis zwischen Karl V. und den Päpsten; die Kaiserkrönung Karls durch Papst Clemens VII. (1523-1534) in Bologna (1530) oder die in Rom vor Papst Paul III. (1534-1549) gehaltene Grundsatzrede Karls zu allgemeinem Konzil und Türkenkrieg (1536) gehören hierher. Karls V. politische Wirksamkeit in Deutschland war insbesondere abhängig von seinem Verhältnis zu den Reichsfürsten und Reichsständen (Kaiser und Reich) und von seiner Handhabung der durch Martin Luther (†1546) aufgeworfenen reformatorischen Religionsfrage. Reformation bedeutete - bezogen auf Deutschland - die Ablösung der altkirchlichen (katholischen) Ordnung durch ein lutherisch-protestantisches Kirchensystem besonders in den spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Landesherrschaften im römisch-deutschen Reich. Sie ist der Zeitabschnitt vom Wittenberger Thesenanschlag Luthers im Jahr 1517 bis zum Augsburger Religionsfrieden von 1555. In diesem Zeitraum verschränkten sich die monarchische Stellung Karls als Reichsoberhaupt, die Mitbestimmung der Stände im Reich und die Reformation auf vielfältige, politische, religiöse und militärische Konflikte hervorrufende Art und Weise. Als Ausgangspunkt aller dieser Entwicklungen kann der Wormser Reichstag von 1521 gelten, der bei aller dort erfolgten verfassungspolitischer "Verdichtung" des Reiches (Reichsreform: Reichskreise, Reichskammergericht, Reichsmatrikel, Reichsregiment bei Abwesenheit des Kaisers, [Strafgesetzbuch Carolina 1532]) mit dem Wormser Edikt Martin Luther als Ketzer verurteilte und letztlich die langwierige Auseinandersetzung zwischen den protestantischen Reichsständen und dem Kaiser in Gang setzte. Während der Abwesenheit Karls V. von Deutschland (1522/30) formierte sich nämlich der Widerstand von Landesfürsten und Reichsstädten gegen das Edikt, ein Widerstand der in der "Protestation" der evangelischen Stände auf dem Speyrer Reichstag von 1529 einen ersten Höhepunkt sah. Das eingespielte Verhältnis zwischen Kaiser, Reichstag und Reichsständen wurde dadurch in Frage gestellt, ging es doch um den Einfluss von Kaiser und Reichstag in Glaubensfragen bzw. um die Glaubensfreiheit der Reichsstände. Die protestantischen Stände hatten die Macht des Kaisers herausgefordert und bangten nun um ihre Sicherheit. Auf dem Augsburger Reichstag von 1530 legten sie - bei zwischenzeitlicher Außerkraftsetzung des Wormser Edikts - Karl V. die Confessio Augustana als protestantisches Glaubensbekenntnis vor, das aber auf Ablehnung stieß und die von Karl gewünschte Schiedsrichter- und Vermittlerrolle des Kaisers in Fragen der Religion und Reformation beschädigte. Danach galt das Wormser Edikt wieder, und die protestantischen Stände schlossen sich im Schmalkaldischen Bund zusammen, während Ferdinand (I.), der Bruder Karls, zum römisch-deutschen König gewählt und gekrönt wurde (1531). Doch gingen Kaiser und Protestanten trotz-dem noch aufeinander zu, benötigte Karl auch von den protestantischen Ständen (finanzielle) Hilfe für den Türkenkrieg. Der "Nürnberger Anstand" (1532) vereinbarte demgemäß ein Stillhalten in der Religionsfrage bei Einbeziehung der Protestanten in die Friedensgemeinschaft des Reiches. Die Verwirklichung der kaiserlichen Konzilspläne - ein allgemeines Konzil sollte die durch die Reformation zerrissene Christenheit wieder zusammenführen - führte schließlich einerseits zur Einberufung des Konzils von Trient (1545-1563), andererseits auf dem Wormser Reichstag von 1545 zur Ablehnung des Konzils durch die protestantischen Stände, deren Positionen sich in den konziliaren Zielsetzungen nicht wiederfanden (theologische Grundsatzfragen: Kirchenbegriff, Papsttum, Papst und Konzil, kirchliche Reformen). Die Friedenschlüsse mit Frankreich und dem osmanischen Reich eröffneten dem Kaiser nun aber die Möglichkeit eines Religionskriegs gegen die Protestanten und den Schmalkaldischen Bund. Der Schmalkaldische Krieg (1546/47), eingeleitet mit Achterklärungen an das Kurfürstentum Sachsen und die Landgrafschaft Hessen, endete denn auch mit einem Sieg Karls (Schlacht bei Mühlberg 1547), offenbarte aber auch den sich verschärfenden Gegensatz zwischen ständischer libertät und kaiserlicher monarchia als "Universalmonarchie". Der "geharnischte" Augsburger Reichstag von 1547/48 ließ indes die religiösen Verhältnisse in Deutschland in der Schwebe und mündete im sog. Augsburger Interim (1548), das ohne und gegen die Protestanten zustande kam und das als eine zwangsverordnete Übergangslösung bis zu einem Beschluss auf dem allgemeinen Konzil gelten sollte. Kaiser Karl V. befand sich damals auf dem Höhepunkt seiner Machtstellung. Bald formierte sich indes der Widerstand gegen die kaiserlichen Verfügungen in Form einer protestantischen Fürstenopposition im Reich, die sich wirkungsvoll mit dem französischen König Heinrich II. (1547-1559) verband (1552). Folge dieses Bündnisses waren der Krieg gegen Frankreich um Lothringen und in Norditalien (1552/54) und schließlich die in den Passauer Vertrag (1552) einmündenden Verhandlungen mit dem römisch-deutschen König Ferdinand I. Der Passauer Vertrag ebnete den Weg zum berühmten Augsburger Reichstag von 1555 unter der Leitung Ferdinands und zum dort erzielten Kompromiss besonders in den Fragen von Religion und Konfession bei Anerkennung von Reformation und Protestantismus der Reichsstände (Augsburger Religionsfrieden). Zum Zeitpunkt des den Religionsfrieden vollziehenden Reichsabschieds (25. September 1555) hatte Kaiser Karl V. schon resigniert; die Abdankung des Herrschers vollzog sich in Etappen, beginnend mit der Überga-be der Niederlande an seinen Sohn Philipp (Oktober 1555), der bald die Übergabe des spanischen Königreiches folgte (Januar 1556). Karl V. selbst zog sich nach Spanien zurück, zu seinem Landsitz beim Hieronymitenkloster Yuste, wo er zurückgezogen die Zeit bis zu seinem krankheitsbedingten Tod am 21. September 1558 verbrachte. Unterdessen vollzog sich auch im römisch-deutschen Reich nach langwierigen Verhandlungen der Übergang des Kaisertums an Karls Bruder Ferdinand I. (Februar 1558). Die weltumfassende Herrschaft Karls V. war zu Ende.

Frühe Neuzeit

Aus dem spätmittelalterlichen Reich der römisch-deutschen Könige und Kaiser mit seinen Landesherrschaften und Territorien (weltliche Fürstentümer, geistliche Fürstentümer [Hochstifte, Reichsabteien u.a.], Reichsstädte und -dörfer, Reichsritterschaft) war durch institutionelle "Verdichtung"/"Verfestigung" an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert (Reichsreform; Wormser Reichstag 1495 [Ewiger Landfrieden, Reichskammergericht, Reichshofrat, Reichstage, Gemeiner Pfennig], Reichskreise 1500/12, Wormser Reichsmatrikel 1521, Constitutio Criminalis Carolina 1532) das Alte Reich der frühen Neuzeit, das Heilige Römische Reich deutscher Nation entstanden. Institutionell geprägt von Kaiser (fast durchgehend aus dem Hause Habsburg) und den konsensual entscheidenden Reichsständen, war das Reich "ein Körper aus Haupt und Gliedern", innerhalb dessen den Kurfürsten (Kurfürstenkollegium) als "Säulen des Reiches" die Wahl des deutschen Königs zustand (Goldene Bulle 1356, Wahlkönigtum). Dabei unterlagen die Institutionen des Reiches in der frühen Neuzeit (verfassungsrechtlichen) Wandlungen, wie sie etwa die Reformation oder der Dreißigjährige Krieg (Westfälischer Frieden 1648) bedingten, resultierend aus den krisenhaften Entwicklungen gerade zwischen der Mitte des 16. und der des 17. Jahrhunderts (Abkehr vom Augsburger Religionsfrieden [Rekatholisierung, Säkularisierung von Kirchengut], Türkenkrieg und Türkenhilfe, Fehlen des Reichstags 1613/40, Dreißigjähriger Krieg als Religionskrieg). Auf der Ebene von Reichsständen und Reichsgliedern war das Alte Reich ein Rechtsverband und eine Friedensgemeinschaft, u.a. basierend auf den Reichskreisen. Letztere waren sehr unterschiedlich gestaltet. Der schwäbische, oberrheinische und fränkische Reichskreis bestanden aus einer Vielzahl kleiner Territorien und Landesherrschaften, im Südwesten Deutschlands gab es Dutzende von Reichsstädten. An größeren Territorien sind für den südlichen Teil von Deutschland die wittelsbachischen Kurfürstentümer Bayern und Pfalz (mit den 1614 an die Pfalz gelangten Herzogtümern Jülich und Berg), das Herzogtum Württemberg, die Markgrafschaften Baden, Ansbach und Bayreuth zu nennen, für den nördlichen Teil das Kurfürstentum Brandenburg (-Preußen) (mit den 1614 erworbenen Territorien Kleve und Mark), Kursachsen, die Herzogtümer Holstein, Mecklenburg und der Welfen (Braunschweig, Hannover u.a.). Daneben gab es eine Vielzahl von geistlichen Territorien, allen voran die Erzbistümer von Köln, Mainz, Trier und Salzburg, die Bistümer Bamberg, Münster, Paderborn, Würzburg, aber auch kleine geistliche Herrschaften wie das Frauenstift Essen oder die Männerabtei (Essen-) Werden. Sie stehen für die territoriale Vielfalt von Herrschaft im Reich. Gemäß den Bestimmungen des Westfälischen Friedens gehörten (faktisch oder rechtlich) dem Reich nicht mehr an die Vereinigten Niederlande und die Schweizer Eidgenossenschaft; Vorpommern und die ehemaligen Hochstifte Bremen und Verden waren Teil des Reiches, waren aber an Schweden gefallen; (Ost-) Preußen war Besitz der brandenburgischen Hohenzollern, gehörte aber nicht zum Reich. In den Territorien übten (Erz-) Bischöfe, Äbte, geistliche Kapitel, Fürsten, Landstände, Stadträte oder Ritter Herrschaft aus, wobei sich die Herrschaftsrechte vielfach überschnitten, der Westfälische Frieden immerhin Voraussetzungen für die territoriale Weiterentwicklung größerer fürstlicher Landesherrschaften in Richtung moderner Staatlichkeit bot. Die nach dem Dreißigjährigen Krieg angelegte Entwicklung des Alten Reiches hin zu einem (losen) Bund fürstlicher Staaten konnte ein gestärktes habsburgisches Kaisertum (u.a. als Garant für die Existenz kleinerer Landesherrschaften) aufhalten, wiewohl größere Territorien wie Brandenburg-Preußen oder Hannover zunehmend in die europäische Politik hinaufrückten. Das Reich als Friedensgemeinschaft und Rechtswahrungsverband war indes auch von außen gefährdet, wenn wir an den Dreißigjährigen Krieg oder die Eroberungen des französischen Königs Ludwig XIV. (1643-1715) denken. Demgegenüber haben zur Verstetigung des kaiserlichen Einflusses im Reich nach 1648 Reformen und die weitere Ausgestaltung der Reichsverfassung beigetragen (Neuordnung des Reichshofrats 1654, "immerwährender" Reichstag in Regensburg ab 1663, "Reichskriegsverfassung" 1681/82). Nicht zuletzt vereinte das Reich die im Westfälischen Frieden anerkannten Konfessionen der Katholiken, Lutheraner und Reformierten in sich, was etwa bei sich durchdringenden Herrschaftsrechten, die zu Herrschaftsträgern unterschiedlicher Konfession gehörten, beim Konfessionswechsel von Fürsten oder in mehrkonfessionellen Reichsstädten regelmäßig zu Schwierigkeiten führte. Trotz dieser Probleme war nach dem Dreißigjährigen Krieg die Zeit konfessionell bedingter Auseinandersetzungen im Wesentlichen vorbei.
Die Phase der "institutionellen Verfestigung" des römisch-deutschen Reiches (1495-1521) insbesondere unter Kaiser Maximilian I. (1493-1519) ging einher mit der weitgehenden Durchsetzung der habsburgischen Machtansprüche über die burgundischen Territorien Herzog Karls des Kühnen (†1477) (französisch-habsburgischer Gegensatz; Vertrag von Senlis 1493) sowie mit den Anfängen der Reformation (Martin Luther [*1483-†1546], Wittenberger Thesenanschlag [?] 1517). Kaiser Karl V. (1519-1556), der gleichzeitig (als Karl I.) auch König von Spanien (einschließlich des Königreichs Neapel und Sardiniens) und Herrscher über das entstehende spanische Kolonialreich war, hatte sich dann in Deutschland vollends mit der Reformation auseinanderzusetzen (Wormser Reichstag und Wormser Edikt 1521, Statthalterschaft Ferdinands [I.] und Reichsregiment 1521/30, Bauernkrieg 1524/25, Speyrer Reichstag und Speyrer "Protestation" 1526, Augsburger Reichstag und Confessio Augustana 1530, Schmalkaldischer Bund 1531, Nürnberger Anstand 1532, Frankfurter Anstand 1539). Die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Habsburgern auf der einen und den Franzosen und Osmanen auf der anderen Seite (Schlacht bei Pavia 1525, Sacco di Roma 1527, osmanische Belagerung Wiens 1529, Kaiserkrönung Karls V. 1530, Tunisfeldzug Karls V. 1534, Frieden von Crépy 1544) hinderten indes den Kaiser lange Zeit massiv gegen die reformatorischen Strömungen im Reich vorzugehen. Erst Karls Sieg über die Protestanten im Schmalkaldischen Krieg (1546-1547) eröffnete dem Herrscher mit Augsburger Interim (1548) und geplanten verfassungspolitischen Neuerungen auf Reichsebene vermeintlich Spielräume, die mit dem Fürstenaufstand von 1552 allerdings ihr Ende fanden. Der von Karls Bruder Ferdinand ausgehandelte Passauer Vertrag (1552) leitete dann zum Augsburger Religionsfrieden (1555) als Reichsgrundgesetz über, das die Anerkennung der Augsburger Konfession beinhaltete (ius reformandi der weltlichen Fürsten bei "geistlichem Vorbehalt").
Die durch den Augsburger Religionsfrieden eingeleitete Phase der konfessionellen Koexistenz und der Konsolidierung im Reich hielt unter den habsburgischen Kaisern Ferdinand I. (1556/58-1564) und Maximilian II. (1564-1576) an, erkennbar u.a. am Zustammenstehen der Reichsstände in der Frage der Türkenabwehr auf der Basis der Reichskreise und der "Reichskriegsverfassung". Unter diesen Voraussetzungen vollzogen die Territorien im Reich ihre je eigene Konfessionalisierung; neben das protestantische Luthertum (Confessio Augustana, Konkordienformel 1577) trat als weitere Konfession das calvinistisch-reformierte Glaubensbekenntnis (Heidelberger Katechismus 1563), während das Konzil von Trient (1545-1563; Professio fidei Tridentina 1563) die katholische Gegenreformation einleiten sollte. Seit den 1560er-Jahren ist zudem eine Rekatholisierungspolitik erkennbar, während norddeutsche katholische Bistümer von Protestanten säkularisiert wurden. Die Reichsinstitutionen vermochten indes den konfessionellen Ausgleich im Reich noch zu wahren. Erst unter Kaiser Rudolf II. (1576-1612) zerbrach dieses Gleichgewicht, wie der Streit um den Gregorianischen Kalender (1582), der Truchsessische (Kölner) Krieg (1583-1589) um das Erzbistum Köln oder protestantische Verweigerungen der Türkenhilfe (1597/98, 1608) erkennen lassen. Beim Regensburger Reichstag von 1608 standen sich die Konfessionen unversöhnlich gegenüber, der Reichstag von 1613 war für längere Zeit der letzte; stattdessen organisierten sich die Konfessionen politisch-militärisch in der protestantischen Union und der katholischen Liga. Hingegen konnte ein Krieg um die Erbfolge des niederrheinischen Territorialkomplexes Jülich-Berg-Kleve-Mark (1609) mit dem Vertrag von Xanten (1614) verhindert werden. Das endende 16. und beginnende 17. Jahrhundert war zudem klimatisch (Klimaverschlechterung als Teil der "Kleinen Eiszeit"), sozial (Herrschaftsintensivierung, Bürgeraufstände, Judenverfolgungen) und religiös (zunehmende konfessionelle Feindseligkeit) eine Krisenzeit. IV. Die Krisen mündeten ein in den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) als eine Abfolge von (konfessionellen) Kriegen (Böhmisch-Pfälzischer Krieg 1618-1623, Dänisch-Niedersächsischer Krieg 1623-1629, Schwedischer Krieg 1630-1635, Schwedisch-Französischer Krieg 1635-1648), in denen Mitteleuropa zum Hauptkriegsschauplatz wurde, es aber auch um das Verhältnis von Kaiser und Ständen im Reich ging (Monarchie <-> "ständische Libertät"). Der Aufstand protestantischer Landstände im habsburgischen Königreich Böhmen und die kurze böhmische Herrschaft des "Winterkönigs" Friedrich (V.) von der Pfalz (1610-1623; Schlacht am Weißen Berg 1620; pfälzische Kurwürde und Oberpfalz an den bayerischen Herzog 1621) leiteten den Beginn der Kriegshandlungen unter Kaiser Ferdinand II. (1619-1637) ein. Truppen der katholischen Liga drangen in der Folge weit auf protestantische Gebiete vor, was König Christian IV. von Dänemark (1588-1648) als Reichsstand und Verteidiger der Protestanten auf den Plan rief. Unterstützt wurde Christian, der auch Kreisoberst des niedersächsischen Reichskreises war, durch die Niederlande und England (Haager Allianz 1625), doch endete sein Vordringen nach Süden in einen Misserfolg (Schlacht bei Lutter 1626), während Truppen unter dem kaiserlichen Feldherrn Albrecht von Wallenstein das dänische Jütland besetzten (1627). Der (Separat-) Frieden von Lübeck (1629) beendete das militärische Eingreifen des Dänenkönigs. Das Jahr 1629 sah Kaiser Ferdinand II. auf dem Höhepunkt seiner Macht; der Herrscher verfügte im Restitutionsedikt (1629) die Wiederherstellung der nicht reichsunmittelbaren Kirchengüter gemäß dem Stand des ("Normal"-) Jahres 1552 bei Aushebelung des Augsburger Religionsfriedens, musste aber unter dem Druck u.a. der Kurfürsten bald einlenken (1630). Zudem waren es die ausländischen Mächte Schweden und Frankreich, die nun auf Seiten der protestantischen Partei im Reich und der "deutschen Libertät" gegen den Kaiser eingriffen. Den großräumigen schwedischen Eroberungen unter König Gustav Adolf (1611-1632; Zerstörung Magdeburgs durch kaiserliche Truppen 1631, Vertrag von Bärwalde 1631, schwedischer Sieg bei Breitenfeld 1631, Schlachten von Rain am Lech 1632, an der Alten Veste 1632, bei Lützen 1632 [Tod Gustav Adolfs]) folgten die Eindämmung der schwedischen Macht (Schlacht bei Nördlingen 1634) und der Prager Frieden zwischen Kaiser und sächsischen Kurfürsten (1635). Letzter schuf zwar einen Ausgleich zwischen dem Kaiser und Ständen bei Rücknahme des Restitutionsedikts ("Normaljahr" 1627), doch verblieben die ausländischen Truppen weiterhin im Reich, der Dreißigjährige Krieg sollte sich durch den Eintritt Frankreichs in den Krieg gegen (Spanien [Französisch-Spanischer Krieg 1635-1659] und) den Kaiser (und das Reich) (1635/36) zu einem europäischen Konflikt im Reich ausweiten. Gegen die verbündeten Mächte Schweden und Frankreich (Bündniserneuerung 1641), die das Reich verheerten, war dabei schwer anzukommen, zumal auch Dänemark und Siebenbürgen sich wieder am Krieg beteiligten. Das Zustandekommen des Regensburger Reichstags (1640) und Verhandlungen zur Reichsverfassung wurden endlich (ab 1643) durch Friedensverhandlungen ergänzt, während einzelne Reichsstände aus dem Krieg ausschieden (Separatfrieden mit Brandenburg 1641, Braunschweig 1642, Kursachsen 1645, Bayern 1647) und die Habsburgermonarchie unter Kaiser Ferdinand III. (1637-1657) und das mit den Habsburgern verbündete Kurbayern politisch-militärisch ins Hintertreffen gerieten (Schlachten von Breitenfeld 1642, Tuttlingen 1643, Herbsthausen 1645, Nördlingen 1645, Zusmarshausen 1648). Die Friedensverhandlungen im katholischen Münser und protestantischen Osnabrück endeten schließlich mit dem Westfälischen Frieden (1648; Instrumentum Pacis Monasteriense, Instrumentum Pacis Osnabrugense), der völkerrechtlich (und über das Reich hinaus, d.h. in europäischem Rahmen ["Westfälisches System"]) das Verhältnis zwischen Kaiser und Reichsständen definierte auf der Grundlage von Landeshoheit (ius territoriale), Bündnisfreiheit der Territorialherren und Fortschreibung des Ausgburger Religionsfriedens bei Anerkennung der drei (katholischen, lutherischen, reformierten) Konfessionen und eingeschränkten konfessionellen Freiheit der Untertanen in den Territorien ("Normaljahr" 1624, "geistlicher Vorbehalt", bikonfessionelle Reichsstädte und Territorien); aus dem Reichsverband schieden damals (rechtlich, faktisch) aus die Vereinigten Niederlande (Achtzigjähriger Spanisch-Niederländischer Krieg 1568-1648) und die Schweizer Eidgenossenschaft.
Der Westfälische Frieden verschob den Dualismus zwischen Kaiser und Reichsständen zu Gunsten der Letzteren; die Habsburger blieben aber weiterhin im Besitz der Kaiserwürde, wenn auch die Wahl von Ferdinands III. Sohn, Leopold I. (1658-1705), erst nach Überwindung einiger politischer Widerstände gelang (1657/58). Innerhalb der "Westfälischen Ordnung" gelang dennoch dem römisch-deutschen Kaisertum unter den Kaisern Leopold I. (1657-1705), Joseph I. (1705-1711) und Karl VI. (1711-1740) der politische Wiederaufstieg, besonders vor dem Hintergrund einer aggressiven französischen Außenpolitk (unter König Ludwig XIV.) an der Westgrenze des Reiches und der (habsburgischen) Kriege gegen die Türken. Im Westen hatten sich Kaiser und Reich mit Frankreich auseinanderzusetzen im Holländischen Krieg (1672-1679; Friede von Nimwegen 1689), anlässlich der französischen Besetzungen von Reichsgebiet und der "Reunionen" (Okkupation Lothringens 1661/70, Besetzung der elsässischen Reichsstädte [Dekapolis] 1673, Besetzung Mömpelgards 1676, Besetzung Straßburgs 1681; Regensburger Stillstand 1684) und im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688-1697; Frieden von Rijswijk 1697, "Rijswijker Klausel"). Im Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1713/14; Frieden von Utrecht 1713, Frieden von Rastatt und Baden 1714) waren West- und Süddeutschland in den Jahren 1702/04 und dann wieder ab 1709 von kriegerischen Auseinandersetzungen betroffen. Für den Südosten des Reiches bzw. die habsburgischen Territorien begann der Große Türkenkrieg (1683-1699; Frieden von Karlowitz 1699) mit der Belagerung Wiens durch die (im Übrigen mit Frankreich verbündeten) osmanischen Türken (1683) und endete mit dem Frieden von Karlowitz (1699), der große Gebietsabtretungen des osmanischen Sultans in Ungarn vorsah. Es entstand damit auf der Grundlage der habsburgischen Erbfolge mit den österreichischen Herzogtümern, dem Königreich Böhmen und dem Königreich Ungarn das Herrschaftskonglomerat der Habsburgerreiches. Bis 1739 wurden die Türken von der "Heiligen Allianz" (Habsburg-Reich, Russland, Polen, Venedig, Papst) zurückgedrängt. Im Innern des Reichs bauten die Kaiser ihre Position u.a. durch die Reichspolitik des Schutzes kleinerer Territorien oder die Verleihung von Würden (Kurwürde für Braunschweig-Lüneburg/Hannover 1692, Königswürde für Brandenburg-Preußen 1701, Standeserhöhungen) aus; der Wiener Reichshofrat spielte als oberster Lehnshof und als Reichsgericht ebenfalls eine bedeutende Rolle in der kaiserlichen Politik, die im Immerwährenden Regensburger Reichstag (1663) ihr politisches Gegenwicht fand (Reichskriegsverfassung 1681/82).
Ab ungefähr der Mitte des 18. Jahrhunderts sah das Reich zunehmend aufbrechende politische Gegensätze zwischen den mächtigen und mittleren und kleineren Territorien, aber auch den Gegensatz etwa zwischen Brandenburg-Preußen und Habsburg (neben England-Hannover, Kurbayern, Kursachsen). Die mächtigen Reichsglieder wuchsen daher aus dem Reich heraus und entwickelten moderne Formen von Staatlichkeit auch in europäischem Rahmen (Rationalismus und Aufklärung, staatliche Organisation und Verwaltung). Das habsburgische Kaisertum kam in eine Krise, als Kaiser Karl VI. söhnelos starb (1740); die Pragmatische Sanktion (1713) regelte im Haus Habsburg zwar die weibliche Nachfolge Maria Theresias (1740-1780), doch war diese umstritten (Österreichischer Erbfolgekrieg 1740-1748; Frieden von Aachen 1748; Wahl des wittelsbachischen Kaisers Karl VII. [1742-1745]). Mit der Wahl des (bis dahin) lothringischen Herzogs Franz I. (1745-1765), des Ehemanns Maria Theresias, zum Kaiser (1745) gelangte die Kaiserwürde indes bald wieder an die Habsburger. Doch war das Kaisertum nunmehr politisch geschwächt, wie die Krise bei den Thronbelehnungen mächtiger Reichsfürsten und der auch konfessionell bestimmte Dualismus Preußen-Habsburg zeigten (protestantisches Norddeutschalnd <-> katholisches Süddeutschland; Ausfall des Reichstags als vermittelnde Instanz). Die zunehmende "konfessionelle Polarisierung" mündete ein in den Siebenjährigen Krieg (1756-1763) zwischen Österreich, Frankreich und Russland (sowie Schweden [1757]) auf der einen und Preußen - unter König Friedrich II. (1740-1786) - und Großbritannien-Hannover auf der anderen Seite (preußische Besetzung Sachsens 1756, preußischer Angriff auf Böhmen 1757, österreichische Besetzung Schlesiens 1757, Schlacht bei Groß-Jägersdorf 1757, Preußen in der Defensive 1759/60, Schlacht bei Torgau 1760, Friedensvertrag zwischen Preußen und Russland 1762, Schlachten bei Burkersdorf und Freiberg 1762; Frieden von Hubertusburg 1763). Preußen ging aus dem Krieg als fünfte europäische Großmacht hervor. Kaiser Joseph II. (1765-1790) unterzog als aufgeklärter Herrscher seine Territorien notwendigen Reformen, wendete sich aber gleichzeitig vom Reich ab, das er als Kaiser eigentlich zu vertreten hatte. Das Aussterben der bayerischen Wittelsbacher führte zum Bayerischen Erbfolgekrieg (1778-1779; Frieden von Teschen 1779) und zum Plan eines habsburgisch-bayerischen Ländertausches (habsburgische Niederlande gegen Bayern), der allerdings - auch durch den Widerstand Preußens - nicht zustande kam (1785). Am Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich der Dualismus Preußen-Österreich noch gesteigert, das Reich hatte für die diesem entwachsenen Staaten nur noch wenig Bedeutung. Im Zuge der Französischen Revolution (1789) und der Expansion der französischen Republik (1. Koalitionskrieg 1792-1797) schlossen sich Habsburg - unter den Kaisern Leopold II. (1790-1792) und Franz II. (1792-1806) - und Preußen indes zusammen (1790), ohne auf Dauer wirkliche militärische Erfolge verbuchen zu können (Niederlage von Valmy 1792; französische Besetzung der linksrheinischen Reichsgebiete; Frieden von Basel 1795; Frieden von Campio Formio 1797). Die französische Bedrohung (Napoleon) blieb für das Reich erhalten (2. Koalitionskrieg 1799-1801; Frieden von Lunéville 1801), der "Reichsdeputationshauptschluss" (1803) brachte das Ende der kleineren Territorien im Reich ("territoriale Revolution"; Säkularisation geistlicher Landesherrschaften, Mediatisierung der Reichsstädte, Eingliederung von Territorien in wenige mittlere und große Fürstentümer), das Kaisertum wurde zum habsburgischen Erbkaisertum (1804), zumal nach dem mit dem Ende des Alten Reiches verbundenen Rücktritt Franz' II. vom römisch-deutschen Kaisertum (1806; 3. Koalitionskrieg 1805; Schlacht bei Austerlitz 1805; Frieden von Preßburg 1805) und der Errichtung des Rheinbunds frankreich- und napoleontreuer (ehemaliger) Reichsfürsten (1806). Das Alte Reich als Reichs- und Personenverband, als eine auf Konsens beruhende Friedensgemeinschaft mit heterogenen (mächtigen, weniger mächtigen) Reichsgliedern (Ständen), Konfessionen sowie politischen Ordnungen und Interessen, mit einem Kaiser an der Spitze bei einem geringen Machtgefälle zwischen dem Reichsoberhaupt und seinen mächtigen Reichsfürsten war damit untergegangen, letztlich auf Grund seiner fehlenden Integrationskraft und seiner Reformunfähigkeit im Zeitalter der Aufklärung.

Moderne (1789-1914)

Die Amerikanische (1776) und Französische Revolution (1789) stehen am Anfang eines massiven gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Umbruchs, der statt monarchisch-ständischer Ordnung des Alten Europa bürgerlich-nationale Ordnungsprinzipien in allen Lebensbereichen der Menschen Europas sah. Dabei spielte das 18. Jahrhundert der Aufklärung vorbereitend eine ebenso große Rolle wie die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Dynamik des letzten Viertels des 18. Jahrhunderts, in dem u.a. ständische Strukturen versagten oder zunehmend in Frage gestellt wurden, etwa durch Bevölkerungswachstum, soziale Mobilität, wirtschaftlichen Wandel oder eine neue Form der Wissensgesellschaft und der Wissenschaften. Das Tempo des Umbruchs, der das revolutionäre Zeitalter Europas (1789-1849) einleitete, wurde zunächst von den politischen Ereignissen bestimmt, die besonders Mitteleuropa und das römisch-deutsche Reich betrafen. Unter den Revolutionskriegen zwischen der französischen Republik und den "alten Mächten" Europas (Habsburgermonarchie, Preußen, Russland, Großbritannien) litt insbesondere Deutschland (1. Koalitionskrieg 1792-1797, Frieden von Basel 1795, Frieden von Campio Formio 1797, 2. Koalitionskrieg 1799-1802, Frieden von Luneville 1801, 3. Koalitionskrieg 1803-1805, Frieden von Preßburg 1805, 4. Koalitionskrieg 1806-1807, Frieden von Tilsit 1807). Die französische Besetzung der linksrheinischen Gebiete (Mainzer Republik) und der Zerfall des Alten Reiches in der Folge einer "territorialen Revolution", die nicht zuletzt auf Grund des Reichsdeputationshauptschlusses (25. Februar 1803) viele Reichsterritorien verschwinden ließ, die Gründung des Rheinbunds (12. Juli 1806) und das formelle Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation durch Verzicht des österreichischen Kaisers Franz II. auf die Reichskrone (6. August 1806) beleuchten nur die wichtigsten Aspekte des politischen Wandels. Innerterritorial gesehen, kam es als Folge der Niederlagen gegen Frankreich und Napoleon zu Reformen in Preußen (Heinrich Freiherr vom Stein, Karl August von Hardenberg, Wilhelm von Humboldt -> hierarchisches Regierungs- und Verwaltungssystem, Herresreform, Bildungsreform, Verfassungsversprechen) und in den süd- und mitteldeutschen Rheinbundstaaten (deren territorielle Ausweitung, Verwaltungsreformen, Übernahme des Code Napoléon, Agrar- und Gewerbeverfassung, finanzielle Belastungen durch die napoleonischen Kriege; Großherzogtum Berg und Königreich Westfalen als Modellstaaten); alles in allem entstand in den Territorien eine neue, moderne Staatlichkeit, in Preußen gepaart mit einer frühen Form von Nationalismus (Reichs- und Landespatriotismus -> antifranzösische, eher diffuse deutsche Nationalbewegung). Die Katastrophe des napoleonischen Russlandfeldzuges (1812) mündete schließlich ein in die Befreiungskriege (1813/14), der "Völkerschlacht" bei Leipzig (16.-18. Oktober 1813) und der Auflösung des Rheinbunds (1813; Bayern, Sachsen).
Der Wiener Kongress (1814/15) sollte die Neuordnung Europas im Sinne monarchischer Restauration beschließen. Die Versammlung hochrangiger Diplomaten tagte nach Napoleons Niederlage und Verbannung nach Elba, nach dem 1. Pariser Frieden vom 30. Mai 1814 von Oktober 1814 bis Juni 1815 in Wien, der Hauptstadt der Habsburgermonarchie und damals drittgrößten Stadt Europas. Regenten und Gesandte, allen voran Zar Alexander I., Kaiser Franz I. von Österreich, König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, Fürst Metternich, Fürst Talleyrand, Graf Hardenberg u.a., beschlossen in mehrmonatigem politischen Ringen in Gremien und Konferenzen, auf Festen und beim Tanz die Neuordnung Europas in Bezug auf: Gleichgewicht der europäischen Mächte Russland, Preußen, Österreich-Ungarn, Frankreich und England, Handelsfreiheiten (Schifffahrt auf dem Rhein u.a.), Polen, Deutscher Bund (als Staatenbund, Bundesakte vom 8. Juni 1815), während für Italien keine Neuordnung erfolgte. Unter dem Eindruck der "100 Tage" Napoleons (Schlacht bei Waterloo am 18. Juni 1815) kam der Kongress zu einem schnellen Abschluss; die Wiener Kongressakte datiert vom 9. Juni 1815. Der Kongress ging auseinander, ohne alle Fragen in Hinblick auf die Zukunft Europas gelöst zu haben. Dennoch bescherte der Wiener Kongress Europa eine längere Friedenszeit, Mitteleuropa den Deutschen Bund.
Der Deutsche Bund setzte nach der Französischen Revolution (1789), dem Ende des Heiligen Römischen Reiches (1806) und den napoleonischen Kriegen (bis 1814/15), festgelegt durch die vier alliierten Großmächte Großbritannien, Russland, Österreich und Preußen auf der Konferenz von Chaumont (1814), beschlossen auf dem Wiener Kongress (1815), die föderative politische Ordnung Mitteleuropas fort, indem er neben Preußen und Österreich die kleineren deutschen (u.a. ehemaligen Rheinbund-, Mittel-) Staaten ("Drittes Deutschland") umfasste. Der Deutsche Bund war damit ein wesentliches Element der europäischen Friedensordnung, ein Staatenbund von 41 Bundesstaaten (Fürstenstaaten) unter der Führung Österreichs mit Bundesversammlung (Bundestag) und engerem Rat sowie einem aus 10 Armeekorps bestehenden Bundesheer (Bundesmatrikel) (Karlsbader Beschlüsse 1819, Wiener Schlussakte 1820). Gesellschaftlich schritt in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts die Auflösung der ständischen Ordnung des Alten Reiches voran, es bildete sich eine bürgerliche Gesellschaft heraus, der gesellschaftliche Wandel war Resultat der industriellen (Frühindustrialisierung), Verkehrs- (Chausseen-, Eisenbahnbau) und Handelsrevolution (Deutscher Zollverein 1834, Produktionsformen, Finanzwirtschaft). So entstand eine Schicht von Wirtschafts- und Bildungsbürgern, die - trotz des restaurativen Charakters der Mitgliedsstaaten im Deutschen Bund - auch um politische Mitwirkung rang. Der Liberalismus (als Freiheit von Individuum und wirtschaftlichem Handeln) war dabei die entscheidende politische Bewegung, der sich als Opposition gegen die herrschenden Fürsten und deren Repressionspolitik verstand und immer wider Impulse von außen- und innenpolitischen Entwicklungen bekam (französische Julirevolution 1830, Hambacher Fest 1832, letzte vordindustrielle Versorgungskrise in Deutschland 1845/47, französische Märzrevolution 1848, erste deutsche Revolution 1848/49). Dabei verband sich der Liberalismus zunehmend mit der Idee einer deutschen Nation (nationale Idee), die innerhalb des Deutschen Bundes u.a. an der Eigenständigkeit der deutschen Staaten und am Dualismus zwischen Preußen und Österreich scheitern musste (kleindeutsche Lösung und Reichsverfassung auf der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49). Ab den 1840er-Jahren trat Deutschland in sein industrielles Zeitalter ein. Industrie (hauptsächlich: Eisenbahn, Schwerindustrie, Bergbau, Maschinenbau) und sich ausbildende Marktwirtschaft beschleunigten den Umbau hin zu einer Klassengesellschaft bzw. wurden durch diese bedingt (Bevölkerungswachstum, Großstädte, Stadt und Land -> wirtschaftlich-bürgerliche Führungsschicht, Gewerbetreibende, [Fabrik-] Arbeiterschaft [Pauperismus]). Außenpolitisch war die Abtretung des Westteils des zum Deutschen Bund gehörenden Großherzogtums Luxemburg an Belgien bedeutsam (1838/39), ebenso die durch das Königreich Frankreich verursachte "Rheinkrise" (1840; Rheinromantik) oder die Isolation Österreichs im Krimkrieg (Pariser Frieden 1856). Im Rahmen der italienischen Nationaleinigung (1859) verlor Österreich Teile seines italienischen Besitzes, der deutsch-dänische Krieg (1863/64) endete mit der Besetzung der mit dem Königreich Dänemark durch Personalunion verbundenen Herzogtümer Holstein und Schleswig, wobei Schleswig Teil des Deutschen Bundes wurde, Holstein durch Österreich, Schleswig durch Preußen verwaltet wurde (Gasteiner Konvention 1865). Nicht zuletzt die Spannungen um diese beiden Elbherzogtümer entluden sich dann im Deutschen Krieg (1866), der mit der Niederlage Österreichs und seiner Verbündeten endete (preußische Annexion des Königreichs Hannover und Kurhessens 1866, Frieden von Nikolsburg und Prag 1866, Selbstauflösung des Deutschen Bundes 1866) und Österreich endgültig politisch aus Mitteleuropa verdrängte. Norddeutscher Bund (1867) und Deutsches Kaiserreich (1870/71) sollten die großpreußische Zukunft der deutschen Nation bestimmen.
Das deutsche Kaiserreich passt sich ein in die Entstehung anderer europäischer Nationen im 19. Jahrhundert, resultierend aus der europäischen Ideologie des Nationalismus und der Nation, die als "erdachte" Gemeinschaft an die Stelle der alten mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Ordnungen treten sollte. Politisch beförderte die Entstehung der deutschen Nation die "Befreiungskriege" gegen das Frankreich Napoleons, die bürgerlich-liberale Revolution von 1848/49, der Krieg des Deutschen Bundes (1815-1866) gegen Dänemark (1864), die Niederlage Österreich-Ungarns gegen Preußen und das Ende des Deutschen Bundes (1866), die Bildung des Norddeutschen Bundes unter preußischer Ägide (1866) und das Zusammengehen der liberalen Nationalbewegung mit dem Königreich Preußen, das Defensivbündnis der süddeutschen Staaten mit Preußen (1867), schließlich der deutsch-französische Krieg (1870/71; Verzicht der Hohenzollern auf den spanischen Thron, Emscher Depesche Bismarcks 1870; Gründung des deutschen Kaiserreichs im Spiegelsaal von Versailles 1871; deutsch-französischer Waffenstillstand und Frieden [Abtretung Elsass-Lothringens, Kriegsentschädigungen]). Das deutsche Reich war von Anfang an integriert im System der europäischen Mächte (Dreikaiserabkommen 1873, Berliner Kongress 1878, Zweibund 1879), die deutsche Nationalstaatsbildung wurde u.a. von Großbritannien und Russland im Wesentlichen begrüßt, während sich zu Frankreich eine "Erbfeindschaft" ausbildete. Es war eine Monarchie mit dem Reichstag als Parlament und dem deutschen Kaiser als preußischen König, dem Hohenzoller Wilhelm I. (1861/71-1888). Die 1870er-Jahre waren die liberale Ära des Kaiserreichs. Bismarck als Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident und sein konservatives Umfeld regierten mit einem Reichstag, der nur über eine gewisse Budgethoheit verfügte und in dem liberale Strömungen die Mehrheit hatten. Eine liberale Wirtschaftspolitik (Freihandel, Globalisierung der Wirtschaft, Gründerboom) war die Folge und beförderte auch den inneren Ausbau des Kaiserreichs vom Staatenbund zum Bundesstaat (Bundesrat, Vereinheitlichung der Gesetzgebung, Währungsunion, Wirtschaftsunion). Konservativ-liberale Akzente in der Politik setzte Bismarck mit dem "Kulturkampf" gegen die katholische Kirche (1871/74; Säkularisierung und Anti-"Ultramontanismus", "Kanzelparagraph" 1871, katholische Zentrumspartei) und dem Sozialistengesetz (gegen die Sozialdemokratische Partei Deutschlands [SPD] 1878/90).
Das deutsche Kaiserreich war geprägt von einem starken gesellschaftlichen Wandel, der mit der sich weiter ausbreitenden Industrialisierung und einer Revolution im Transportwesen zusammenhing. Der Agrarsektor (zusammen mit der Heimarbeit) verlor in der Folge von Globalisierung, Migration und Technisierung seinen bestimmenden Einfluss auf die Wirtschaft, während Metallverarbeitung, Maschinenbau, Chemie und Elektrotechnik zunehmend Arbeitskräfte aus der stark anwachsenden Bevölkerung brauchten. Der Gegensatz zwischen Industrie und Agrarwirtschaft, zwischen (Groß-) Stadt und Land sollte sich verschärfen und das, obwohl die Transportrevolution (Eisenbahn, Dampfschifffahrt) die Regionen in Deutschland näherrücken ließ. Sozial und kulturell war das Kaiserreich zudem geteilt in Klassen (Adel, Bürger, Bauern, Arbeiter) und Religionen (ein Drittel Katholiken, zwei Drittel Protestanten, Juden; Einführung der Zivilehe 1875; Kaiserreich als "konfessionelles Zeitalter"). Der Nationalismus konkurrierte mit partikulär-regionalen Strömungen z.B. in Süddeutschland (Bayern, Württemberg), aber auch in Preußen (Konservative), das ungefähr zwei Drittel des Territoriums des deutschen Reiches ausmachte. Es waren also vielfältige Entwicklungen, die während der knapp fünfzig Jahre der Existenz des Reiches die deutsche Nation gesellschaftlich, wirtschaftlich und kulturell veränderten. Der liberalen Phase folgte unter der Kanzlerschaft Bismarcks eine konservative Ära der Politik im Kaiserreich (1879-1890). Zusammen mit den Konservativen und wechselnden Mehrheiten im immer wichtiger werdenden und an Ansehen gewinnenden Reichstag wurden die Grundlagen der deutschen Sozialversicherung (gesetzliche Krankenversicherung 1883, gesetzliche Unfallversicherung 1884, gesetzliche Alters- und Invalidenversicherung 1889), bei der (denen) es vornehmlich um den Machterhalt der Konservativen ging. Von Bismarck instrumentalisiert wurde auch der Erwerb von Kolonien in Afrika und im Pazifik durch das deutsche Reich (1884; Berliner Kongokonferenz 1884). Die Konservativen blieben weiterhin an den Schalthebeln der Macht, außenpolitisch auch gestärkt durch die Erneuerung des Dreikaiserbundes zwischen deutschem Reich, Österreich-Ungarn und Russland (1881) und einem Dreibund zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien (1882), während für außenpolitische Unruhe die Agrarzölle des deutschen Reiches sorgten (deutsch-russischer Rückversicherungsvertrag 1887). Nach dem Tod Kaiser Wilhelms I. (1888), der kurzen Regierungszeit von dessen Sohn Friedrich (1888) betrieb Friedrichs Sohn, Kaiser Wilhelm II. (1888-1918), mit der Politik des "Neuen Kurses" (1890/94) eine Politik der Integration statt Konfrontation. Bismarck wurde als Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident entlassen (1890), sein Nachfolger wurde der Liberale Leo von Caprivi, der weiter auf Sozialreformen setzte (Arbeiterschutz), letztlich aber ohne Erfolg, was den Zulauf der (Industrie-) Arbeiterschaft zur SPD anbetraf. Caprivi scheiterte schließlich mit seiner von Wilhelm II. nur halbherzig unterstützten Politik (1894), nicht zuletzt auf Grund der vom Reichskanzler zeitweise betriebenen Rekonfessionalisierung preußischer Schulen, der Schwierigkeiten bei den Agrarzöllen, die den steigenden Exporten Deutschlands bei den Industrieprodukten entgegenstanden, und der Frage der Einbeziehung oder Nichteinbeziehung der SPD in die Reichspolitik. Das persönliche Regiment Kaiser Wilhelms II. (1894/1912) stützte wieder die konservative Vorherrschaft im deutschen Kaiserreich und in Preußen sowieso (Dreiklassenwahlrecht), während in den süddeutschen Ländern im Reich liberale Regierungen existierten und das Landtagswahlrecht weiter demokratisiert wurde. Im Reichstag scheiterten die vom neuen Reichskanzler Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst eingebrachte "Umsturzvorlage" (1894), das "kleine Sozialistengesetz" (1897), und die "Zuchthausvorlage" (1899), so dass der Monarch das Interesse an innenpolitischen Themen verlor. Wilhelm II. verlegte sich aufs Militär und die Außenpolitik als Weltpolitik (ab 1890). Der Aufbau einer deutschen Flotte, vergleichbar mit der britischen, lag dem Kaiser besonders am Herzen (Reichsmarineamt unter Alfred von Tirpitz, kolonialer "Platz an der Sonne" für das deutsche Reich). Verhandlungen mit Großbritannien scheiterten nach kurzen Phasen der (kolonialen) Zusammenarbeit im Jahr 1901, der Besuch des Kaisers in Marokko (1905) oder der verschärfte Wettlauf auf dem Gebiet der Flottenrüstung (ab 1906; Flottengesetze) verschärften noch die außenpolitische Isolation des Kaiserreichs. Dies konnte auch der ab 1900 regierende Reichskanzler Bernhard von Bühlow nicht verhindern, zumal in Fragen des Zusammenhangs zwischen Flottenbau und Zollpolitik ("Zolltarifwahlen" zum Reichstag 1903). Bülow konnte jedoch immer noch auf den "Bülow-Block", einer Parteienkoalition im Reichstag, setzen, bis die Koalition in Fragen der Reichsfinanzen zerbrach und Bülow zurücktrat (1909). Den "schwarz-blauen Block" aus Konservativen und Zentrum wollte der neue Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg danach zu einer Sammlungsbewegung erweitern, während Reformen des preußischen Dreiklassenwahlrechts scheiterten (1910) und die Integration des Reichslands Elsass-Lothringen (Verfassungsreform 1911) wieder in Frage gestellt wurde (1913); weiter stärkten die Reichstagswahlen von 1912 die SPD soweit, dass eine "schwarz-blaue" Mehrheit im Reichstag verloren ging.
Ab 1912 befand sich das deutsche Kaiserreich in einer innen- und außenpolitischen Krise; die "stabile Krise" von 1912/14 als Stillstand zwischen den Verfassungsorganen im Kaiserreich bei zunehmender Beteiligung der Sozialdemokraten an der Reichspolitik sollte sich indes zur Krise des Ersten Weltkriegs (1914-1918) ausweiten, angefangen bei der Julikrise von 1914 nach der Ermordung des österreich-ungarischen Thronfolgers Ferdinand in Sarajevo. Der deutsche "Blankoscheck" für Österreich-Ungarn und ein "Automatismus der Allianzen" führten in den Krieg, den Deutschland nach der Besetzung Luxemburgs und Belgiens gegen Frankreich, Russland und Großbritannien zu führen hatte mit Österreich-Ungarn und dem Osmanischen Reich als Verbündete. Der Reichstag stimmte dabei den notwendigen Kriegskrediten zu, ein "Burgfrieden" bestand zwischen den politischen Parteien. Im von einer britischen Seeblockade eingeschlossenen deutschen Kaiserreich litt die Bevölkerung in den Wintermonaten zunehmend Hunger (Steckrübenwinter 1916/17); die Westfront gegen Frankreich und Großbritannien konnte noch gehalten werden, und russische Revolution (1917) und Frieden von Brest-Litowsk (1918) beendeten den Krieg im Osten. Der uneingeschränkte deutsche U-Bootkrieg führte aber dazu, dass sich die USA gegen Deutschland stellten, ab August 1918 befand sich das deutsche Reich an der Westfront in der Defensive, Befehlsverweigerungen und Streiks häuften sich, die Parteien unter der Führung der SPD forderten das Ende des Krieges und eine Parlamentarisierung und Demokratisierung des deutschen Reiches. Im Herbst 1918 hatten jedenfalls das deutsche Kaisertum und die es tragenden (agrar-) konservativen Eliten jegliche Legitimität in der Bevölkerung verloren, die deutsche Revolution von 1918/19 mit ihren Arbeiter- und Soldatenräten führte indes nicht nur zum vom letzten Reichskanzler Max von Baden initiierten Thronverzicht Wilhelms II., sondern zur Ausrufung der Republik. Über das Fiasko des Ersten Weltkriegs hinweg blieb aber das deutsche Reich als Nationalstaat erhalten, mochten es in den Anfangsjahren der Weimarer Republik (1919/33) auch manche Abspaltungstendenzen gegeben haben. Die Nation wurde nicht in Frage gestellt. Zu verbindend war für die Deutschen die Entwicklung zu einer "säkularisierten demokratisierten industriellen Klassengesellschaft" (politische Mündigkeit) im Kaiserreich gewesen. Aber auch der deutsche Nationalismus besonders des Ersten Weltkriegs (Alldeutscher Verband u.a.) - gepaart mit Rassismus (Hereroaufstand in Deutsch-Südwestafrika 1904 u.a.) und Antisemitismus - rettete sich in die Weimarer Republik und wurde vor dem Hintergrund des den Ersten Weltkrieg beendenden Versailler Vertrags (1919) Grundlage für den Aufstieg von Nationalsozialismus und "Drittem Reich" (1933/45).

Moderne (1914-1945)

Die deutsche Revolution von 1918/19 am Ende des Ersten Weltkriegs (1914-1918) beseitigte das deutsche Kaiserreich. Arbeiter- und Soldatenräte bestimmten zeitweise die deutsche Innenpolitik, bevor die maßgebliche Einwirkung von Mehrheits-SPD [MSPD] und derem Vorsitzenden Friedrich Ebert (Reichskanzler der Übergangsregierung ["Rat der Volksbeauftragten"], 9. November 1918) die Revolution in ruhigere Bahnen lenken sollte; der Waffenstillstand Deutschlands mit den alliierten Mächten der Entente beendete den Ersten Weltkrieg (11. November). Die Demobilisierung des Reichsheeres, ein Zusammengehen von Gewerkschaften und Arbeitgebern, die Einbeziehung des deutschen Militärs in das neue politische System bildeten die Voraussetzungen zur erfolgreich durchgeführten Wahl zur Nationalversammlung (19. Januar 1919), in der MSPD und Unabhängige SPD [USPD] rund 45 Prozent der Abgeordneten stellten, während sich linksradikale Kräfte (u.a. der USPD) zum Spartacusbund bzw. zur kommunistischen Bewegung in Deutschland entwickelten (1918/19; Kommunistische Partei Deutschlands [KPD] mit Teilen der USPD [Oktober 1920]; Vereinigung von Rest-USPD mit der MSPD [1922]). Neben der Wahl Eberts zum Reichspräsidenten (1919-1925) und der Philipp Scheidemanns (SPD) zum Regierungschef (1919) verabschiedete die in Weimar tagende Nationalversammlung die Verfassung der sog. Weimarer Republik, in der das gewählte Parlament (Reichstag) und der ebenfalls zu wählende Reichspräsident zentrale Rollen spielten (Männer- und Frauenwahlrecht, Nationalfarben "Schwarz-Rot-Gold") bei (aus dem deutschen Kaiserreich beibehaltenen) föderalen Strukturen der Reichsländer (Preußen, Oldenburg, Bremen, Hamburg, Lübeck, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Lippe, Schaumburg-Lippe, Braunschweig, Anhalt, [Waldeck], Hessen, Thüringen, Sachsen, Pfalz, Baden, Württemberg, Bayern; Reichsrat als Länderkammer). Die junge Republik war jedoch von Anfang gefährdet, wie der "Spartakus-Aufstand" der radikalen Linken (Januar 1919 [Niederschlagung der Bewegung u.a. durch "Freikorps"; Ermordung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs]; März 1919 [Niederschlagung der Streiks durch Reichswehrtruppen]) oder die bayerische "Räterepublik" (April 1919 [Niederschlagung durch Reichswehrtruppen]). Der von alliierten Mächten beschlossene Versailler Friedensvertrag (Friedensbedingungen vom 7. Mai 1919, Inkrafttreten am 1. Januar 1920) machte das politische Umfeld für die Weimarer Republik nicht einfacher (Gebietsabtretungen des deutschen Reiches, entmilitarisierte Zonen, Beschränkungen bei der Reichswehr, Reparationszahlungen), zumal besonders die recht-national-nationalistischen politischen Kräfte in Deutschland gegen den "Diktatfrieden" Sturm liefen (Bestreiten der alleinigen Kriegsschuld Deutschlands, "Dolchstoßlegende"). Der Kapp-Putsch der alten Rechten gegen die Republik brach indes in sich zusammen, während die auf den Putsch geschlossen reagierende Arbeiterschaft (Streiks, "Rote Ruhrarmee"), die sich im Ruhrgebiet weigerte, ihren Widerstand aufzugeben, dort durch Reichswehr und Freikorps brutal in die Schranken gewiesen wurden (März 1920; Märzkämpfe). In Bayern setzte sich mit Unterstützung der Reichswehr eine rechtskonservative Regierung durch, in Preußen ging die Sozialdemokratie eine Regierung u.a. mit dem Zentrum unter Ministerpräsident Otto Braun (1920-1932) ein. Die Reichstagswahlen vom Juni 1920 erbrachten fast folgerichtig eine eine Radikalisierung des Reichstags (Stimmengewinne für rechtsradikale und linksradikale Parteien, Stimmenverluste bei den Parteien der Mitte der "Weimarer Koalition"). Innen- und außenpolitisch lag in den Jahren ab 1920 der Fokus auf der "Erfüllungspolitik" der Reparationszahlungen (Reichskanzler Joseph Wirth [1921-1922], Außenminister Walther Rathenau [ermordet am 24. Juni 1922]), die wirtschaftlich mit einer fortgesetzten Inflationspolitik (Entschuldung des Staates, Entwertung der Sparvermögen) bei guter Beschäftigungslage und industriellen Konzentrationsprozessen erkauft wurde (Inflationsfaktoren: 1913: 1; Februar 1920: 8: Januar 1922: 20; Januar 1923: 1120; Juli 1923: 376512; Dezember 1923: ca.1.200.000.000). Der Hyperinflation des Jahres 1923 mit ihren Inflationsmentalitäten von Verlierern und Gewinnern auf dem Wirtschafssektor entsprach eine "politische Fundamentalkrise" der Weimarer Republik, die dennoch - trotz französisch-belgischer Besetzung des Ruhrgebiets (Januar 1923-April 1924; passiver Widerstand und "Ruhrkampf") und Hitler-Ludendorf-Putsch in München (November 1923) - nach Überwindung der Krise u.a. durch Einführung der Rentenmark (November 1923) und eine versachlichte Einigung im Bereich der Reparationszahlungen (Dawes-Plan 1924, Young-Plan 1930) die Republik sogar stärkte (Reichskanzler Gustav Stresemann [1923], Wilhelm Marx [1923-1925], Hans Luther [1925-1926]). Die Verständigungspolitik des langjährigen Außenministers Gustav Stresemann (1921-1929) mit Frankreich war der Hebel für die außenpolitischen Erfolge Deutschlands (Locarnovertrag 1925, Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund 1926, deutsch-französische Handelsvereinbarung 1927, Ende der alliierten Militärkontrolle 1927, Briand-Kellog-Pakt 1928, alliierte Räumung des Rheinlands [amerikanische, englische, französische, belgische Besatzungszonen] 1929/30); die Revisionspolitik gegenüber Polen verfolgte hingegen als langfristiges Ziel die Zurückgewinnung der im Versailler Vertrag abgetretenen Gebiete (Oberschlesien, Verbindung nach Ostpreußen). Innenpolitisch schlug sich die instabile Lage im Parteiensystem, bei der die Republik tragenden Parteien (Sozialdemokraten: SPD; bürgerliche Parteien: Zentrum, DDP, DVP, rechte Parteien: DNVP, DVP) aber immer noch eine Reichstagsmehrheit hatten, noch wenig auf die relative Stabilität der Republik und auf die Wirtschaft "zwischen den Krisen" nieder (Erholung der Wirtschaft und Exporte [Rüstungsindustrie], Dauerkrise der Landwirtschaft, Großkonzerne [AEG, IG Farben, Siemens, Kartelle]; Gesellschaftsstruktur [Klassen, Mann und Frau, Junge und Alte] und Sozialpolitik [Sozialleistungen, Mitbestimmung, Arbeitslosenversicherung 1927]; Tarifauseinandersetzungen 1927/28). Die Kultur der "Goldenen Zwanziger" war die Kultur der Großstadt (Berlin als drittgrößte Stadt der Erde; "Amerikanisierung" und Modernisierung [Kultur der Moderne und Kritik daran]; Radio, Kino als Massenkultur; Sport [Fußball u.a.] als Massenphänomen; Zeitungen, Literatur und Kunst). Eine Umkehr in der politischen Entwicklung der Weimarer Republik deutete sich mit der Wahl des Weltkriegsgenerals Paul von Hindenburg an (1925). Die Reichstagswahlen von 1928 standen am Beginn der Krise des Parlamentarismus, eine Regierungsbildung war schwierig, schließlich ergab eine SPD geführte Regierung unter dem Reichskanzler Hermann Müller (1928-1930), die aber auf Ressentinemts auf Seiten der Großindustrie und des Reichspräsidenten stieß. Mit der Weltwirtschaftskrise von 1928/32 (massiver Rückgang der Industrieproduktion und des Volkseinkommens) änderten sich die politischen Verhältnisse in Deutschland gravierend. Die Arbeitslosenzahlen stiegen massiv (1929: 1,9 Millionen; 1930: 3,7 Milllionen; 1931: 5,1 Millionen; 1932: 5,3 Millionen, 1933: 6 Millionen), die zunehmend größer werdenden wirtschaftlichen Probleme stärkten besonders die radikale Linke und die nunmehr stark bolschewistisch-stalinistisch orientierte KPD; auf der radikalen Rechten profitierten das "nationale Lager" und insbesondere die Nationalsozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (NSDAP) mit ihrem Parteivorsitzenden Adolf Hitler politisch von der Weltwirtschaftskrise. Zunächst zerbrach aber die SPD-geführte Regierung unter Hermann Müller (März 1930); der Zentrumspolitiker Heinrich Brüning bildete daraufhin mit Rückendeckung des Reichspräsidenten Hindenburg und dessen nun einsetzender Politik der Notverordnungen eine Regierung ohne parlamentarische Mehrheit (1930-1932). Die Reichstagswahl von 1930 brachte der NSDAP deutliche Stimmengewinne, die Mehrheit im preußischen Landtag ging der "Preußen-Koalition" unter Otto Braun verloren (April 1932). Kurz zuvor war in der Wahl zum Reichspräsidenten Hindenburg gegen Hitler erfolgreich (März-April 1932) gewesen. Das Kabinett Brüning wurde gestürzt, als die Reparationsverhandlungen zwischen Deutschland und den Alliierten in Locarno zu einem für die Weimarer Republik günstigen Abschluss kamen (Juni 1932; faktische Aufhebung der Reparationen bis auf einen geringen Rest). Auch der neue Reichskanzler Franz von Papen (1932) regierte auf der Grundlage von Notverordnungen (Art. 48 der Weimarer Verfassung). Im Sinne des Umbaus der Weimarer Republik zu einem rechten autoritären Präsidialsystem (Diktatur; "Reichsreform") gelang es Papen, die demokratische Regierung im Freistaat Preußen staatsstreichartig zu stürzen (Juli 1932); Sozialleistungen wurden gekürzt, die NSDAP mit der Ausschreibung von Neuwahlen zum Reichstag (31. Juli 1932) zur Duldung der Papen-Regierung veranlasst. Die Wahlen erbrachten für die radikalen Linken (KPD) und Rechten (NSDAP) eine rechnerische Mehrheit, politisch fand sich keine mehrheitsfähige Koalition zusammen. Als nunmehr stärkste Partei duldete die NSDAP auch nicht mehr die von Reichskanzler Papen geführte Regierung; erneute Reichstagswahlen (6. November 1932) brachten dem konservativen Papen wieder keine Mehrheit gegen SPD und NSDAP. Es folgte das Kabinett des Reichskanzlers Kurt von Schleicher (1932/33), eine politische Spaltung der NSDAP misslang, es deutete sich eine Überwindung der Weltwirtschaftskrise an. Unter diesen Gegebenheiten meinten die republikfeindlichen Kräfte, das Risiko einer Kanzlerschaft Adolf Hitlers eingehen zu können. Mit der "Machtergreifung" Hitlers (30. Januar 1933) wurde aus der Weimarer Republik die nationalsozialistische Diktatur des "Dritten Reiches".
Adolf Hitler (*1889-†1945) stand als "Führer" seiner Partei an der Spitze einer "faschistischen Massenbewegung", deren paramilitärische Organisationen SA und SS die politischen Gegner bekämpfte und verfolgte (Reichstagswahlen von 1933). Das "Ermächtigungsgesetz", die (Selbst-) Auflösung der politischen Parteien, die Zerschlagung der Gewerkschaften, das Ende nichtnationalsozialistischer Regierungen in den deutschen Ländern und Kommunen, die "Gleichschaltung" der christlichen Kirchen (Kirchenkampf, Kulturpolitik), von gesellschaftlichen Verbänden und kulturellen Organisationen sowie der Presse (1933 und später) bei genereller Ausweitung politischen Drucks (politische Polizei, Konzentrationslager, Antisemitismus) führten zur nationalsozialistischen Diktatur unter dem "Führer" (Diktator) Adolf Hitler bei "Volksgemeinschaft" und "nationaler Einheit". Hitler bestimmte maßgeblich die Politik des "Dritten Reiches" ("Führerprinzip", "charismatische Herrschaft" [Hitlerkult] und Reichsverwaltung ["Polykratie"]). Hitlers Macht gründete auf den Männern und Frauen, die ihn gewählt hatten, auf den ihm gegenüber loyalen Führungskräften in Wirtschaft und Gesellschaft, auf die Unterstützung durch die Reichswehr, auf der "Bewegung" von NSDAP und SA. Die Ermordung Ernst Röhms, des Führers der SA (1934), beseitigte die Konkurrenz innerhalb der eigenen Partei, nach dem Tod des Reichspräsidenten Hindenburg (August 1934) vereinigte Hitler das Amt des Reichskanzlers mit dem des Reichspräsidenten ("Führer und Reichskanzler"). Politisch und ideologisch war somit das "Dritte Reich" entstanden, das nun u.a. seine menschenverachtende Ideologie umsetzte (Nürnberger Gesetze [1935], Enteignung von Juden, "Aussonderung von Gemeinschaftsfremden"), im Bereich der Wirtschaft auf eine massive militärische Aufrüstung (zur Kriegsvorbereitung) und einen damit verbundenen Kurswechsel setzte sowie im gesellschaftlichen Bereich zunehmend (propagandistisch) die Arbeiterschaft mit einbezog, Frauen auf ihre "natürliche Rolle" als Mutter verwies usw. (DAF [Deutsche Arbeitsfront], NS-Frauenschaft, HJ [Hitlerjugend], NSDAP und staatliche Verwaltung). Die von den Nationalsozialisten betriebene Politik der Aufrüstung fand nach einer Phase der "Beschwichtigungspolitik" Hitlers gegenüber West und Ost ihre Entsprechung in einer "expansiven" Außenpolitik des "Dritten Reiches", wozu die Nichtteilnahme an Genfer Abrüstungsverhandlungen, die Eingliederung des Saargebiets ins deutsche Reich, der Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund, die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, ein deutsch-britisches Flottenabkommen (1935) sowie der Einmarsch in das entmilitarisierte Rheinland (1936) gehörten. Die olympischen Spiele in Berlin und der militärische "Vierjahresplan" Hitlers zur Kriegsfähigkeit Deutschlands (1936) sahen den Diktator auf den bisherigen Höhepunkt seiner Macht. Es folgten außenpolitisch das nationalsozialistische Eingreifen im spanischen Bürgerkrieg (1936-1939), der Einmarsch in Österreich ("Anschluss Österreichs" 1938), die "Sudetenkrise" und das Münchner Abkommen (29. September 1938) und die Besetzung der "Resttschechei" ("Protektorat Böhmen und Mähren" 1939) bei von Deutschland abhängiger Slowakei. Innenpolitisch ging das Aufrüsten weiter, es folgten Novemberpogrome und "Reichskristallnacht" gegen die Juden im nationalsozialistischen Machtbereich (9. November 1938) sowie eine von Hitler befürwortete Politik der "Euthanasie" gegenüber Kranken, Behinderten und Kindern (1939). Im Jahr 1939 steuerte schließlich das Regime auf den von Hitler ideologisch untermauerten Krieg zur Gewinnung von "Lebensraum" und "nationaler Größe" zu. Seit Anfang 1938 hatte zudem Hitler das "Oberkommando der Wehrmacht" inne (Blomberg-Fritsch-Krise [Hitler und Wehrmacht, Neubesetzungen]). Der nationalsozialistische Krieg Deutschlands als Zweiter Weltkrieg (1939-1945) begann nach dem Abschluss des Hitler-Stalin-Pakts (24. August 1939) mit dem Angriff auf Polen (1. September 1939), das innerhalb von knapp vier Wochen besetzt wurde ("Blitzkrieg", "Generalgouvernement"; Besetzung Ostpolens und der baltischen Staaten durch die Sowjetunion; sowjetisch-finnischer "Winterkrieg" 1939/40). Die Besetzung Dänemarks und Norwegens (9. April 1940) schloss Großbritannien und Frankreich, die Deutschland nach dem Überfall auf Polen den Krieg erklärt hatten, von Nordeuropa aus. Der deutsche Angriffskrieg auf die Beneluxstaaten und Frankreich ab dem 10. Mai 1940 führte bis Mai bzw. Juni zur Besetzung dieser Länder und zum Waffenstillstand mit Frankreich (22. Juni 1940), das als Vichy-Regime Marschall Pétaines ein von Deutschland abhängiger Satellitenstaat wurde (1940/42). Das Eintreten des faschistischen Italien in den Krieg an der Seite Deutschlands und der Dreimächtepakt zwischen Deutschland, Italien und Japan (27. September 1940; Krieg in Ostasien und im Pazifik) ließ das Bündnis der Achsenmächte entstehen. Nach der verlorenen "Luftschlacht um England" (1940/41) erfolgte das Eingreifen Deutschlands im italienischen Parallelkrieg in Afrika (1940/41; italienisches Kolonialreich in Libyen und Nordostafrika) und die Eroberung Jugoslawiens und Griechenlands (April 1941). Der rassenideologisch stark motivierte Angriffskrieg gegen die kommunistische Sowjetunion ("Kommissarbefehl" Hitlers, "Vernichtung des Bolschewismus/Judentums") im Unternehmen "Barbarossa" und mit Unterstützung Bulgariens, Rumäniens und Ungarns ab dem 22. Juni 1941 brachte zunächst große Gebietsgewinne im Westen und Südwesten der Sowjetunion (Baltikum, "Bezirk Bialystok", Weißrussland, Ukraine, rückwärtiges Heeresgebiet, deutsches Besatzungspolitik, Kollaboration und Partisanentätigkeit). Parallel dazu liefen die von Hitler unterstützten Maßnahmen zur "Endlösung der Judenfrage" an (Wannseekonferenz 20. Januar 1942; "Ghettoisierung" der polnischen Juden, Vernichtungslager und Massenmord, Aushungerungspolitik im rückwärtigen Heeresgebiet). Der Kriegseintritt der USA (11. Dezember 1941) auf Seiten Großbritanniens und der alliierten Mächte sollte die militärische zu Ungunsten des "Dritten Reiches" ändern. Auch der nur als kurzer Feldzug geplante Krieg gegen die Sowjetunion weitete sich (zeitlich) aus; spätestens mit der Schlacht bei Stalingrad (1942/43) gerieten die deutschen Truppen in die Defensive. Der Krieg kehrte nach Deutschland zurück, zumal alliierte Bombenangriffe auf Deutschland (ab 1942) zunehmend Wirkung erzielten, die Wirtschaft vor dem Hintergrund eines "totalen Kriegs" schon längst eine Kriegswirtschaft geworden war (Versorgungslage und Rationierungen, soziale Lage u.a. der Arbeiter, Rolle der NSDAP und ihrer Funktionäre [Umstrukturierung der deutschen Justiz 1942, politischer Vorrang der Parteifunktionäre, u.a. der Gauleiter, gegenüber den Staatsorganen], Zwangsarbeit, Kriegsmüdigkeit und Entpolitisierung, gesellschaftliche Desintegration, Führermythos, Widerstand gegen den Nationalsozialismus). In Nordafrika mussten die zurückweichenden deutschen Truppen bei Tunis kapitulieren (Mai 1943), Italien wechselte zu den Alliierten über (Juli 1943; Besetzung Nord- und Mittelitaliens, Mussolinis Repubblica Sociale Italiana), dem Vorrücken der sowjetischen Roten Armee an der Ostfront (Besetzung Ungarns März 1944) sollten mit der alliierten Invasion in der Normandie (6. Juni 1944) militärische Niederlagen Deutschlands im Westen Europas folgen. Hitler, der in seinem ostpreußischen "Führerhauptquartier" Wolfsschanze das Attentat vom 20. Juli 1944 ohne wesentliche Beeinträchtigung überlebt hatte, kehrte Anfang 1945 nach Berlin zurück, um die Führung in der Verteidigung der Hauptstadt gegen die vorrückenden Sowjettruppen zu übernehmen ("Schlacht um Berlin" April 1945). Mit dem Scheitern der Ardennenoffensive (1944/45) befanden sich die deutschen Truppen auch im Westen endgültig auf dem Rückzug. Hitler trat am 20. März 1945 letztmalig öffentlich in Erscheinung, am 30. April beging er im "Führerbunker" der Alten Reichskanzlei Selbstmord. Am 8. Mai kapitulierte die deutsche Wehrmacht bedingungslos. Die Abwendung der Deutschen von der Weimarer Republik ermöglichte den Aufstieg Adolf Hitlers und seiner nationalsozialistischen Partei. "Faschistische" Massenbewegung und "Führerprinzip" ermöglichten die deutsche Diktatur des "Dritten Reiches"; "Volksgemeinschaft" und eine ethnisch-rassische Hierarchisierung der Gesellschaft - unterlegt mit nationalistischer Ideologie und Propaganda, aber auch mit sozialpolitischen Maßnahmen bei einer "vollständigen Umorientierung von Wirtschaft und Finanzen" - sollten als Gegenpol zur modernen Industriegesellschaft dienen. Außenpolitisch verfolgte das nationalsozialistische Regime eine Revisionspolitik, die - "als tiefer Einschnitt" - in den Zweiten Weltkrieg mündete. Dieser ermöglichte die Errichtung einer nationalsozialistischen Gewalt- und Schreckensherrschaft über große Teile Europas, verbunden mit dem Massenmord an Behinderten, Juden und osteuropäischer Zivilbevölkerung, verbunden mit dem letztlich eintretenden Zusammenbruch des "Dritten Reiches". Zurück blieben über 50 Millionen Tote, riesige Zerstörungen und Verwüstungen, eine "militärische, politische und moralische Niederlage" (nach: Herbert, Ulrich (2016), Das Dritte Reich (= BSR 2859), München 2016). Die nationalsozialistische Diktatur wirkte in vielfältiger Weise ein auf den Alltag der Deutschen, der besonders während des Zweiten Weltkriegs geprägt war von Krieg und Gewalt, aber schon davor durch den Abbau der Weimarer Bürgerrechte und den Zugriff von NSDPAP und Staat auf den Bürger. In der Kunst (Architektur, Plastik, Malerei) z.B. wurde im "Dritten Reich" eine rechtsextrem-nationalsozialistische "deutsche Kunst" propagiert und gemäß der NS-Ideologie und der faschistischen Weltanschauung (faschistische "Realpolitik") im Kulturbereich auch durchgesetzt (gegen eine "entartete Kunst" als kulturelles Feindbild).

Ende des "Dritten Reiches" (1945)

Der Selbstmord des deutschen Diktators Adolf Hitler (*1889-†1945) am 30. April 1945 leitete das Ende des schon in Agonie gefallenen "Dritten Reiches" ein, erkennbar an den verlustreichen Kämpfen und Rückzügen deutscher Truppen, dem Vordringen der alliierten Militärmächte im Kerngebiet des "Großdeutschen Reiches", der "rasanten Auflösungsprozess" der Ordnung in den noch vom Nationalsozialismus beherrschten Gebieten ("Nordraum": Schleswig-Holstein, Dänemark, Norwegen; "Südraum": Protektorat Böhmen und Mähren, Österreich, nördliches Norditalien; Enklaven: Loiremündung, Dünkirchen, Niederlande, Breslau, Kurland). Die "acht Tage im Mai" 1945 waren für Deutschalnd eine Zeit "des 'Nichtmehr' und 'Nochnicht'", eine "Schwebezustand" von "Zeitlosigkeit" und "Niemandszeit" zwischen alter, nationalsozialistischer und neuer, für die deutsche Bevölkerung ungewisser Ordnung. Das "Dritte Reich" existierte zuvorderst in der zunächst in Eutin und Plön, dann in Flensburg sich aufhaltenden deutschen Regierung unter Großadmiral Karl Dönitz (30. April-23. Mai 1945), die das nationalsozialistische Regime bei beschränkten politischen und militärischen Mitteln auch ideologisch fortsetzte, wie z.B. die Bekanntgabe des "Heldentodes" Hitlers über Rundfunk am 1. Mai verdeutlicht. Die Regierung Dönitz versuchte in den folgenden Tagen, Zivilisten und Soldaten die Flucht vor der sowjetischen Roten Armee an der Ostfront zu ermöglichen, während gegenüber den Westalliierten am 4./5. Mai immerhin der Abschluss einer Teilkapitulation der deutschen Truppen in Nordwesteuropa gelang. Zuvor, am 2. Mai, war der Kampf um die "Reichshauptstadt" Berlin durch Kapitulation beendet worden; Berlin wurde - soweit nicht schon erobert - durch die sowjetischen Truppen besetzt. Auch die deutsche Italienarmee hatte am 2. Mai bedingungslos kapituliert, was sich auch auf benachbarten Heeresgruppen auswirkte und deren Kapitulation erzwang. An der Westfront kämpften die deutschen Truppen nur noch hinhaltend, der US-amerikanische Vormarsch kam in Bayern somit zügig voran; München wurde schon am 30. April eingenommen (Hitlers Privatwohnung am Prinzregentenplatz: US-Reporterin Lee Miller in Hitlers Badewanne), am 4. Mai wurden Bad Reichenhall besetzt und der durch Bombenangriff vom 25. April weitgehend zerstörte und danach geplünderte Obersalzberg, der zeitweise Machtzentrum des "Dritten Reiches" gewesen war; dabei erwiesen sich Gerüchte um eine "Alpenfestung" Hitlers als gegenstandslos. Das deutsche Besatzungsregime über Böhmen und Mähren brach mit dem Prager Aufstand am 5. und 6. Mai zusammen; am 6. Mai kapitulierte endlich das schon längere Zeit durch sowjetische Truppen belagerte Breslau. Versuche der Dönitz-Regierung, eine Kapitulation nur gegenüber den Westalliierten zu erreichen, sollten aber scheitern, so dass nur noch eine bedingungslose Gesamtkapitulation möglich war. Die diesbezüglichen Verhandlungen wurden ab dem 6. Mai im Hauptquartier des US-Generals Dwight D. Eisenhower in Reims geführt; letztlich wurde mit Zustimmung von Dönitz Gesamtkapitulation und Waffenruhe zum 9. Mai 0.01 Uhr deutscher Sommerzeit vereinbart, so dass den deutschen Truppen an der Ostfront noch etwas Zeit blieb, sich zurückzuziehen. Die Kapitulationsurkunden wurden am 7. Mai in Reims und am 9. Mai in Berlin u.a. von Generaloberst Alfred Jodl, dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, unterzeichnet. Der Untergang des "Dritten Reiches" löste bei Auflösung der vom Nationalsozialismus propagandahaft herausgestellten "Volksgemeinschaft" massive Flüchtlingsströme von (aus dem geografisch nach Westen verschobenen Polen, dem Sudetenland u.a.) vertriebenen Deutschen und Zwangsarbeitern aus, deutsche Soldaten der Ostfront flohen vor der Roten Armee zu den Westalliierten, die Insassen geräumter Konzentrationslager (KZ) kamen auf "Todesmärschen" um, in den Lagern erwarteten die alliierten Soldaten grauenhafte Verhältnisse. In den von den Alliierten besetzten deutschen Gebieten verschwand der Nationalsozialismus spukhaft, Protagonisten des alten Regimes - an erster Stelle Martin Bormann, Hans Frank, Karl Hermann Frank, Joseph Göbbels, Hermann Göring, Heinrich Himmler, Arthur Seyß-Inquart, Josef Terboven - kamen in den letzten Kriegstagen ums Leben, endeten durch Selbstmord oder gerieten in alliierte Gefangenschaft wie auch die Dönitz-Regierung mit dem NS-Rüstungsminister Albert Speer. NS-Wissenschaftler und -Ingenieure wie der Raketentechniker Werner von Braun, der maßgeblich an der Entwicklung der "Vergeltungswaffe" V2 beteiligt war (Peenemünde, Dora-Mittelbau), wurden z.B. von den US-Amerikanern für die eigene Forschung "angeworben". Zudem stellten die Alliierten NS-Raubkunst sicher ("Monuments Men" u.a.). Umrisse eines Nachkriegsdeutschlands zeichneten sich mit der Beauftragung von vom Nationalsozialismus unbelasteten Deutschen auf der politischen Ebene ab: Die "Gruppe Ulbricht" (um Walter Ulbricht) in Berlin und der Kölner Bürgermeister Konrad Adenauer gehören hierher, der befreite KZ-Insasse Kurt Schumacher, der sich bei Kriegsende in Schweden aufhaltende Emigrant Willy Brandt oder der Wehrmachtsoffizier Helmut Schmidt sollten in den Nachkriegsjahren das Bild der deutschen Sozialdemokratie bestimmen. Die deutsche Zivilbevölkerung sah sich im Zuge der alliierten Eroberung in Kampfhandlungen verwickelt, sahen sich aber auch Übergriffen ausgesetzt (Vergewaltigungen in Berlin, Plünderungen); manche Deutsche beendeten auch aus Furcht vor den sowjetischen Soldaten ihr Leben durch Selbstmord (Massenselbstmord in Demmin). Viele Deutsche waren nach der alliierten Besetzung Deutschlands der subjektiven Ansicht, nichts mit dem Nationalsozialismus zu tun gehabt zu haben, vielmehr sahen sie sich als Opfer von Diktatur und Krieg, gerade auch vor dem Hintergrund von Entnazifizierung, sich entwickelndem West-Ost-Konflikt und kommunistischer Diktatur in Ostdeutschland.

Moderne (1945-1990: Deutsche Demokratische Republik)

Die bedingungslose Kapitulation des nationalsozialistischen Deutschland (1945) brachte ab der "Stunde Null" für Mitteleuropa die militärische Besetzung durch alliierte Truppen der deutschen Kriegsgegner (amerikanische, britische, französische, sowjetische Besatzungszone) und eine Vielzahl wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Probleme auch zeitlich jenseits des Zweiten Weltkriegs (1939-1945). Die Probleme betrafen u.a.: kriegsbedingte Zerstörungen von Gebäuden, Industrieanlagen und Städten; Hunger (Lebensmittelbewirtschaftung) und Elend (Wohnungsknappheit, Schwarzmarkt) derjenigen, die den Krieg überlebt hatten; Vertreibungen und Bevölkerungsverschiebungen (Deutsche, Zwangsarbeiter, Kollaborateure, ehemalige KZ-Insassen, jüdische Überlebende). Mit den Problemen verbunden war allerdings auch die Hoffnung auf eine Besserung der Lage, die einhergehen sollte mit einer entscheidenden Umgestaltung der deutschen Gesellschaft durch die Besatzungsmächte (Entnazifizierung [Verfolgung und Bestrafung von NS-Tätern, Kriegsverbrecherprozesse und Nürnberger Prozesse], Wirtschaftsreformen ["Dekartellisierung", Demontagepolitik], Demokratisierung und politischer Neuaufbau [Massenmedien, Parteiensystem, parlamentarische Demokratie, Sozialismus]). Politisch war die Nachkriegszeit geprägt von einem zunehmenden Gegensatz zwischen den Westalliierten England, Frankreich und USA auf der einen sowie der Sowjetunion auf der anderen Seite; die sich entwickelnde Teilung Europas in kapitalistischen Westen und kommunistischen Osten eröffnete bei deutscher Teilung die Gründung zweier deutscher Staaten, der Bundesrepublik Deutschland (BRD) und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Überwog bis zum Jahr 1946 noch die Zusammenarbeit zwischen allen Alliierten in den Besatzungszonen Deutschlands (Potsdamer Abkommen 1945, Pariser Reparationskonferenz 1946), so stand der politisch-wirtschaftliche Neuaufbau des besiegten Landes schon bald unter den divergierenden Interessen von West und Ost: repräsentativ-parlamentarische Demokratie mit einem Parteiensystem (Lizensierung von CDU/CSU, FDP, SPD u.a.) und individuellen Freiheitsrechten sowie kapitalistische Wirtschaftsordung in den Westzonen, kommunistische Gesellschaftsordnung (Zwangsvereinigung von KPD und SPD zur SED 1946) bei sich entwickelnder Planwirtschaft in der Ostzone. Die zunehmende (Ost-West-) Konfrontation zwischen den USA und der Sowjetunion bzw. den politischen Ordnungssystemen und Gesellschaftsordnungen, die sich auf dem Gebiet der Besatzungszonen in Deutschland formierten, führte über die Gründung der britisch-amerikanischen Bizone als Wirtschaftszone (1947) und der amerikanischen Politik des containment (Eindämmung der sowjetischen Expansion; Rede Präsident Trumans vor dem amerikanischen Kongress 1947, "Marshallplan" [ERP] und "Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit" [OEEC] 1947) zu einer politischen Partnerschaft zwischen den Westmächten und den Westdeutschen in den Besatzungszonen (Londoner Sechsmächtekonferenz 1948). Diese beförderte wie Währungsreform (Sommer 1948) und Berlin-Blockade (Sommer 1948-Frühjahr 1949) den sog. Kalten Krieg und zementierte die sich anbahnende deutsche Teilung in West- und Ostdeutschland. Die Währungsreform (Einführung der Deutschen Mark) begründete dabei zusammen mit einer Preisfreigabe in den westdeutschen Besatzungszonen einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung, schuf aber auch die entscheidende Voraussetzung für die Entstehung eines deutschen Weststaats. Weichen dafür waren durch die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung gestellt worden; der Parlamentarische Rat arbeitete das Grundgesetz als Verfassung für den Weststaat aus, der auf dem Prinzip des Föderalismus und der Grundlage der in den Besatzungszonen gegründeten deutschen (Bundes-) Länder (ab 1947) beruhte und eine repräsentative Demokratie mit (in seinen Befugnissen beschränktem) Präsidentenamt, Regierung, Parlament (ab 1949) und Verfassungsgericht (ab 1951) darstellte. Das am 8. Mai 1949 verabschiedete Grundgesetz hob die Bundesrepublik Deutschland als "Kind des Kalten Krieges" aus der Taufe. Parallel dazu - mit geringer zeitlicher Verzögerung - entstand die Deutsche Demokratische Republik auf der Grundlage einer von einem Deutschen Volksrat ausgearbeiteten Verfassung, eines in Berlin zusammengetretenen Deutschen Volkskongresses (Mai 1949) und des Deutschen Volksrats bzw. der Provisorischen Volkskammer vom 7. Oktober 1949. Die Sowjetunion förderte die Bildung eines deutschen Oststaats nur bedingt, da die sowjetische Führung immer noch politisch auf einen neutralen deutschen Einheitsstaat setzte (1948/49-1955; Stalin-Noten 1952). Doch blieben deutsche Teilung und die Existenz zweier deutscher Staaten für die folgenden Jahrzehnte erhalten.
Mit der Konstituierung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) im Verlauf des Jahres 1949 begann für Ostdeutschland ein "kommunistisches Projekt" und "sozialistisches Experiment" auf den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Grundlagen und Vorgaben letztlich des sowjetischen Kommunismus ("Sowjetisierung"). Eine kommunistische DDR sollte die sowjetische Hegemonie über Osteuropa (hinter dem "Eisernen Vorhang") im Ost-West-Konflikt der Nachkriegszeit ("Kalter Krieg") stützen; gleichzeitig sollte damit die Ideologie des Kommunismus (Klassenkampf, Sozialismus, Proletariat) eine weitere Bestätigung finden. Die Umstellung der DDR-Wirtschaft auf eine zentral gesteuerte Planwirtschaft hatte jedoch mit Anfangsschwierigkeiten zu kämpfen (sowjetische Demontagepolitik und Reparationzahlungen, Rohstoffmangel, Unterbrechung der Handelsbeziehungen mit Westdeutschland, fehlender Zugriff auf das ostdeutsche Hinterland), während auf der Habenseite die in Mitteldeutschland beheimatete chemische, feinmechanische und Rüstungsindustrie stand. Ein erster Gesamtwirtschaftsplan wurde im Jahr 1950 für fünf Jahre beschlossen, bei zufriedenstellender Grundversorgung der in der DDR lebenden Menschen (Rationierung von Lebensmitteln und staatliche Handelsorganisation [HO]) hinkte indes die Versorgung mit höherwertigen Gütern hinterher und erzeugte zunehmend Unzufriedenheit. Dieses Missverhältnis bei der Versorgung resultierte u.a. aus unzureichender Planung und Industrieproduktion (veraltete Maschinenausstattung, niedrige Arbeitsleistung, Arbeitsnormen) bei unzureichender Mitsprache der Erwerbstätigen (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund [FDGB]) und Ausbau des Machtapparats der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) ("Parteisäuberung" 1948, Parteifunktionäre, Kasernierte Volkspolizei, "Staatssicherheit" [Stasi]; Blockparteien), die unter ihrem Generalsekretär Walter Ulbricht (†1973; Parteivorstand, Politbüro) einen kommunistisch-sowjetischen Kurs für die DDR bestimmte. Dieser Kurs führte zur Verstaatlichung großer Teile der Industrie sowie (bei zunächst stockender) Kollektivierung der Landwirtschaft, zielte auf die Ausschaltung (vermeintlicher) Gegner des SED-Regimes und propagierte eine neue auf "Arbeiter und Bauern" bezogene Bildungs- und Kulturpolitik. Dabei hatten Ulbricht und die SED die sowjetische Ausßenpolitik zu beachten ("Stalin-Note" zur Wiedervereinigung Deutschlands 1952 und deren Ablehnung), aber ab Sommer 1952 wurden die Weichen für den "Aufbau des Sozialismus in der DDR" gestellt (Verwaltungsbezirke statt Länder, Einbeziehung von Handel und Gewerbe in den Sozialismus, Kollektivierung der Landwirtschaft, Streitkräfte und "Betriebskampfgruppen" u.a.). Der Tod des sowjetischen Diktators Stalin (1953) und die beginnenden Entstalinisierung in der UdSSR wirkte sich auch auf die DDR aus, wo der "Aufbau des Sozialismus" im Sinne eines "Neuen Kurses" allerdings nur wenig zurückgenommen wurde. Die allgemeine Unzufriedenheit und Normenerhöhungen in der Bauwirtschaft führten dann zu Streiks, Demonstrationen und dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953, der mit Hilfe der militärischen Präsenz sowjetischer Panzer schnell unterdrückt werden konnte. Die Spaltung zwischen SED und SED-Staat als "Minderheitendiktatur" auf der einen und der DDR-Bevölkerung als "Arbeiterklasse" auf der anderen Seite sowie das beiderseitige Misstrauen zwischen sozialistischer Staatspartei und Bevölkerung vertiefte sich dadurch noch mehr, wie z.B. eine massive Fluchtbewegung aus der DDR nach Westdeutschland - übrigens bei Schwächung der politischen Opposition in der DDR - zeigte (ab 1953). Der "Neue Kurs" führte in der Folge zu Verbesserungen im sozialen Bereich und zu Wirtschaftsreformen (Fünfjahresplan 1956/60, Modernisierung von Industrie und Handwerk, Zurückhaltung bei der Kollektivierung der Landwirtschaft, Anti-"Dogmatismus", Freilassung politischer Gefangener, Unabhängigkeit wissenschaftlicher Diskussion u.a.), doch bedeutete die Niederschlagung des Aufstandes in Ungarn durch die UdSSR (1956) im Grunde das Ende der Periode des "Tauwetters" in den von der Sowjetunion politisch und militärisch dominierten Ostblock- und RGW-Staaten. Die DDR und ihr kommunistisches Regime profitierten in den endenden 1950er- und in den 1960er-Jahren von einem Wirtschaftswachstum (Siebenjahresplan 1959, "Neues Ökonomisches System" [1960er-Jahre]), so dass der "Aufbau des Sozialismus" nun wieder stärker verfolgt wurde (Kollektivierung der Landwirtschaft, Maßnahmen in der Bildungspolitik und Ausbau des Bildungssystems, sozialistische Wissenschaft und Technik, neue Technologien), was wiederum die Fluchtbewegung von DDR-Einwohnern nach dem Westen - über West-Berlin - beschleunigte und stärkte (Vier-Mächte-Berlin-Status vor dem Hintergrund souveräner deutscher Staaten [1958], Berlin-Rede des US-amerikanischen Präsidenden John F. Kennedy [1963]). Der Bau der Berliner Mauer ab der Nacht vom 12. zum 13. August 1961 sollte die Fluchtbewegung unterbinden.
In den 1960er-Jahren hatte die DDR zwar ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum bei Lohnsteigerungen und verbessertem Lebensstandard für die Beschäftigten zu verzeichnen, doch blieben die Ergebnisse volkswirtschaftlichen Handelns hinter den Planungen und Erwartungen zurück, der Konsumgüterbereich weiterhin unterrepräsentiert. So vergrößerte sich der wirtschaftliche Abstand zur Bundesrepublik Deutschland (BRD) noch, während die DDR innerhalb des Systems der RGW-Staaten - etwa in der chemischen Industrie oder beim Maschinenbau - eine wirtschaftliche Spitzenposition einnahm. Dabei wirkte die DDR-"Gesellschaft im Sozialismus" auch auf Kunst, Literatur und (Geistes-) Wissenschaften ein, wobei zaghafte Reformansätze ab der Mitte des 1960er-Jahre bald wieder verschwanden. Außenpolitisch konnte die DDR im Gefolge der Sowjetunion ("Prager Frühling" 1968) ihre Position in der Welt ebenfalls ausbauen; trotz eines Alleinvertretungsanspruchs der BRD ("Hallstein-Doktrin") fand sie zunehmend Anerkennung als Staat z.B. in den Ländern der Dritten Welt, während die BRD-Ostpolitik des Bundeskanzlers Willy Brandt (1969-1974) neue Möglichkeiten in der Politik der beiden deutschen Staaten ermöglichte (Grundlagenvertrag 1972). Zunächst kam es auf Grund einer massiven wirtschaftlichen Schieflage (Mangel an Lebensmitteln und Konsumgütern, Engpässe bei Strom und Energie, Wohnungsmangel u.a.) zum Ende der Ära Ulbricht (1971), den Erich Honecker als SED-Generalsekretär (und ab 1976 als Staatsratsvorsitzender) ablöste. Eine wirtschaftliche Umorientierung im Gefolge der Sowjetunion fand ab 1971 in allen Ostblockländern mit einer Stärkung z.B. des Konsumgüterbereichs statt. Für die DDR bedeutete dieser "Konsumsozialismus" (Erhöhung der Löhne und Renten, Neugestaltung der Arbeitszeiten und des Urlaubs, Wohnungsbauprogramm) eine deutliche Erhöhung des Lebensstandards in den 1970er- und 1980er-Jahren, freilich um den Preis von Subventionierung und Staatsverschuldung bei trotzdem nicht wie gewünscht ansteigender Wirtschaftsproduktivität und der Verstaatlichung auch der letzten privaten Industrie- und Handwerksbetriebe. Der DDR-Außenhandel blieb dabei defizitär (Import von Lebensmitteln und Konsumgütern) und verursachte neue Staatsverschuldung; statt auf Erdöl setzte man bei der Energiegewinnung auf die in der DDR heimische Braunkohle (Braunkohle-Tagebau, Umweltverschmutzung, Umweltschäden), allerdings um den Preis hoher Investitionen. Spätestens Anfang der 1980er-Jahre war klar, dass Konsum und Lebensstandard in der DDR den wirklichen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht entsprachen; Investitionen in zukunftsträchtige Bereiche (z.B. Mikroelektronik) blieben unzureichend. Dem wirtschaftlichen Stillstand entsprach ein politischer, bei dem das SED-Diktatur auf große politische Entwürfe verzichtete und im Gegenzug die Angepasstheit der DDR-Bevölkerung im politischen System (Betrieb, Wohnung, Erziehung und Bildung, Gesundheitswesen, Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, Vollbeschäftigung) einforderte (DDR als Überwachungsstaat [Ministerium für Staatssicherheit], Beschränkung der Kontakte zum westlichen Ausland, Reisebeschränkungen und "Ausreiser"). Westdeutsche Lebensweise und westdeutscher Lebensstandard hatten dabei für die DDR-Bewohner schon immer eine Vorbildfunktion, die das SED-Regime zu kanalisieren versuchte (DDR-Mangelwirtschaft: Devisen und Kaufkraftüberhang und dessen Abschöpfung, "Inter-Shops" und "Kommerzielle Koordinierung" [KoKo], westdeutsche D-Mark als inoffizielles Zahlungsmittel in der DDR; DDR-Kultur: Transformation der westdeutschen 1968er-Bewegung, politische Festivals, Weltjugendfestspiele 1973 ["Freie Deutsche Jugend" FDJ], "Gegenkulturen", "Kirche im Sozialismus", politische Opposition[sgruppen] in der DDR [Künstler, Kirche, Umweltaktivitäten; 1980er-Jahre]). Vor dem Hintergrund einer drohenden Zahlungsunfähigkeit des SED-Staates war dieser ab 1983 mehr den je auf westdeutsche Hilfe angewiesen (DDR-Repression gegen die eigene Bevölkerung gegen westdeutsche Devisen bei humanitären Gegenleistungen, Westkredite, Senkung der Westverschuldung), während sich der politische Ost-West-Gegensatz wieder verstärkte (NATO-Doppelbeschluss). Die sich gegen Ende der 1980er-Jahre weiter verschlechternde DDR-Wirtschaftsleistung (fehlende Investitionen z.B. in die Infrastruktur, veraltete Industrie) hinterließ bei einer "organisierten Selbsttäuschung" innerhalb des planwirtschaftlichen Handelns der DDR eine durch und durch marode politische und wirtschaftliche Situation, bei der die SED-Führung die Zeichen der Zeit in der Folge der durch Michael Gorbatschow verursachten politischen Umwälzungen in der Sowjetunion nicht erkannte bzw. erkennen wollte (1986/89). So mündeten u.a. die Dissidentenbewegungen der 1980er-Jahre ein in die friedliche Revolution des Jahres 1989, an dessen Ende der Fall der Berliner Mauer und der Grenze zwischen BRD und DDR (9. November 1989) und die Wiedervereinigung beider deutscher Staaten (Beitritt der DDR zur BRD, 3. Oktober 1990) standen. Die DDR war damit Geschichte, nicht aber die politischen und wirtschaftlichen Altlasten, die die Politik in der BRD in den folgenden Jahren beschäftigen sollten.

Moderne (1949-heute: Bundesrepublik Deutschland)

Nach dem Zweiten Weltkrieg (1939-1945), in der Nachkriegszeit (1945-1949) war das Gebiet der späteren Bundesrepublik Deutschland in die drei Besatzungszonen der alliierten Siegermächte Vereinigte Staaten (Bayern, Hessen, nördliches Südwestdeutschland), Großbritannien (Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein) und Frankreich (südliches Südwestdeutschland, Rheinland-Pfalz, Saargebiet) (West-Berlin und der Vier-Mächte-Status Berlins). Denazifizierung, Verwaltung und Demokratisierung, Wirtschafts- und Flüchtlingspolitik (Zulassung von Parteien) waren in der "Zusammenbruchsgesellschaft" der Nachkriegsjahre je Besatzungszone unterschiedlich. Immerhin setzte sich bei den drei westlichen Siegermächten zunehmend die politische Erkenntnis durch, ein wirtschaftlich intaktes, demokratisches (West-) Deutschland als Gegengewicht zur sowjetischen Machtstellung in Mitteleuropa zu schaffen. Dem dienten eine territoriale Neuordnung auf der Grundlage neuer (Bundes-) Länder (1945/47), die Errichtung der amerikanisch-britischen Bizone (1. Januar 1947), eine Währungsreform (20. Juni 1948; Einführung der Deutschen Mark; ohne die Sowjetunion, Berlin-Blockade und Luftbrücke [1948/49]), der in Bonn zur Ausarbeitung eines (provisorischen) Grundgesetzes tagende Parlamentarische Rat (1. September 1948). Das durch den Rat erarbeitete Grundgesetz vom 8. Mai/23. Mai 1949 wurde die verfassungsmäßige Grundlage der Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit Hauptstadt Bonn und unter westalliierter Kontrolle (Alliierte Hohe Kommission, Hohe Kommissare). Die Demokratie der westlich-kapitalistischen BRD war/ist eine Parteiendemokratie, als Parteien setzten sich in den 1950er-Jahren die CDU/CSU (Christlich-Demokratische/Christlich-Soziale Union) und die SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands) als sich ausformende Volksparteien sowie die FDP (Freie Demokratische Partei) durch. Vermöge der Parteien wurden/werden in direkter, gleicher und freier Wahl (Verhältniswahlrecht) im Bund die Abgeordneten des Bundestages (1. Bundestagswahl 14. August 1949), in den zehn (zunächst ohne Saargebiet, ohne West-Berlin) Bundesländern (Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein) die Länderparlamente gewählt (Legislative), die Abgeordneten von Bundestag und Länderparlamenten wählten/wählen die jeweiligen (Bundes-, Länder-) Regierungen unter dem (mit politischer Richtlinienkompetenz ausgestatteten) Bundeskanzler (Exekutive). Der föderalen Struktur der Bundesrepublik (Bund, Länder, Gemeinden) geschuldet ist die (etwaige) Beteiligung der Länder an den politischen Entscheidungen des Bundes über den Bundesrat (Vermittlungsausschuss). Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (28. September 1951) steht für Jurisdiktion und Verfassung einer rechtstaatlichen Bundesrepublik, die (nicht nur repräsentativen) Ämter von Bundes- und Bundestagspräsident stehen an der Spitze von Staat bzw. Bundestag, der Bundespräsident wird von der Bundesversammlung gewählt; auf der Ebene des Bundes sind vierjährige Legislaturperioden die Regel, auf der Ebene der Länder vier- oder fünfjährige.
Die BRD stellt auch eine "Kanzlerdemokratie" dar, beginnend mit der "Ära Adenauer", der Kanzlerschaft Konrad Adenauers (1949-1963, CDU), dem in Übereinstimmung und politischem Ausgleich mit den Besatzungsmächten (als "Oberregierung auf dem Petersberg") wichtige gesellschaftliche und außenpolitische Weichenstellungen gelang. Das Konzept der "sozialen Marktwirtschaft" des Wirtschaftsministers Ludwig Erhard verband sich in den 1950er-Jahren mit dem (west-) deutschen "Wirtschaftswunder", das bei Integration der BRD in die Weltwirtschaft zu Vollbeschäftigung, Einkommenssteigerungen und Wohlstand führte, die Kriegsschäden massiv zu überwinden half und Grundlage des Sozialsstaats BRD bei Anknüpfung an das Sozialsystem des Deutschen Kaiserreiches und der Weimarer Republik wurde (Arbeitgeber und Gewerkschaften, Sozialversicherung, Lastenausgleichgesetz 1952 [Flüchtlingsimmigration], Sozialstaatlichkeit). Außenpolitisch stand die von Adenauer verfolgte Westintegration/-bindung der BRD im Vordergrund (Montanunion 1952, Versuch der Bildung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft [EVG] und "Stalin-Note" 1952, Deutschlandvertrag 1952/54, Nordatlantisches Verteidigungsbündnis [NATO] und Mitgliedschaft der BRD bei Aufhebung des Besatzungsstatuts 1955, Römische Verträge und Europäische Wirtschaftsgemeinschaft [EWG] 1957, deutsch-franzöischer [Elysée-] Vertrag 1963), immer unter Voraussetzung der besonderen Beziehungen der BRD zum zweiten deutschen Staat, der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Diese trübten sich mit der zunehmenden Westbindung der BRD aber ein (Flüchtlinge aus der DDR 1949/61, Berlin-Krise 1958, Mauerbau 1961).
Die 1960er-Jahre brachten politisch den Wechsel in der Kanzlerschaft von Konrad Adenauer zu Ludwig Erhard (1963-1966, CDU), die Kanzlerschaft Kurt Georg Kiesingers (1966-1969, CDU; große Koalition) und schließlich die Willy Brandts (1969-1974, SPD). Die Kanzlerschaften zeigen indirekt den gesellschaftlichen Wandel an, den die BRD damals unterworfen war ("Gastarbeiter" als dritte Migrationswelle, Bevölkerungswachstum, Urbanisierung, Umbrüche in der Landwirtschaft, Wandel in der Arbeitswelt, Konsum und Freizeit, Pluralisierung der Lebensformen, Rückgang religiös-konfessioneller Prägungen, Sexualität und Familie) und der u.a. in einer neuen Sicht auf die "Vergangenheitsbewältigung" des Nationalsozialismus und in der studentischen Protestbewegung der "Außerparlamentarischen Opposition" (APO, 1968) kulminierte. Die unter Kiesinger regierende große Koalition aus CDU/CSU und SPD überwand dabei die wirtschaftliche Rezession, setzte Reformen und gegen heftige Widerstände auch die Notstandsgesetze (1968) durch, während eine geplante Wahlrechtsreform nicht zustande kam. Erstmals wurde mit Gustav Heinemann (1969-1974) ein SPD-Politiker Bundespräsident, nach den CDU-Bundespräsidenten Theodor Heuss (1949-1959) und Heinrich Lübke (1959-1969). Mit der Bundestagswahl vom 28. September 1969 setzte der SPD-Kanzlerkandidat Willy Brandt auf eine Koalition mit der liberalen FDP. Das Jahrzehnt einer sozial-liberalen Bundesregierung unter den Kanzlern Brandt und Helmut Schmidt (1974-1982) begann und führte durch innenpolitische Reformen zu einer Ausweitung des Sozialstaats bei zunächst weiterem Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung (Mitbestimmung, Rentenreform 1972). Doch schränkte sich der finanzpolitische Spielraum der SPD-FDP-Rgeierung bald ein, so dass gesellschaftspolitische Maßnahmen bald ausblieben. Die neue Ost- und Deutschlandpolitik Brandts hingegen war erfolgreich (Moskauer Vertrag 1970, Warschauer Vertrag 1970, Kniefall Willy Brandts in Warschau 7. Dezember 1970) und führte zu einer Annäherung zwischen den beiden deutschen Staaten (Vier Mächte-Abkommen über Berlin 1971, deutsch-deutsche Vereinbarungen, Grundlagenvertrag 1972). Gerade die Ostpolitik war dann Anlass des von der Opposition initiierten konstruktiven Misstrauensvotums gegen Kanzler Brand, das aber scheiterte; in den anschließenden Bundestagswahlen wurde die sozial-liberale Koalition in der Regierung bestätigt (1972). Die "Guillaume-Affäre" brachte den Rücktritt Brandts (1974), unter dessen Nachfolger Schmidt hatte die BRD, schon lange eine Großmacht in der Weltwirtschaft, mit einer u.a. aus Ölkrise (1973) und Zusammenbruch der Weltwährungsordnung (1971/73) resultierenden Rezession zu kämpfen (deutsch-französische Kooperationen, Europäisches Währungssystem 1979). Innenpolitisch schuf der Terrorismus der "Roten Armee Fraktion" (RAF, ab 1972) ein Bedrohungsszenario ("Deutscher Herbst" 1977), außenpolitisch entfernten sich die um die USA und die Sowjetunion gepaarten Blöcke wieder voneinander (KSZE [Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa]-Schlussakte 1975, NATO-Doppelbeschluss 1979). Entscheidend war aber die wirtschaftliche Situation, in der sich die BRD befand, die geprägt war von geringem oder abnehmendem Wirtschaftswachstum, zunehmender Arbeitslosigkeit und Inflation, letztlich vom wirtschaftlichen Strukturwandel der 1970/80er-Jahre. Die Koalitions"wende", d.h. das nunmehrige Bündnis der FDP mit der CDU/CSU führte zum diesmal erfolgreichen konstruktiven Misstrauensvotum gegen Kanzler Schmidt und zur Kanzlerschaft Helmut Kohls (1982-1998, CDU). Sowohl positive weltwirtschaftliche Rahmenbedingungen (Sinken der Energiepreise usw.) als auch eine (in Grundzügen feststellbare) angebotsorientierte Wirtschaftspolitik begünstigten bei weitgehender Beibehaltung des Sozialstaats ein zunächst nur verhaltenes Wirtschaftswachstum in der BRD, wobei die hohe Arbeitslosigkeit weiterhin bestand. Außenpolitisch gab es zudem kaum Unterschiede zur Vorgängerregierung, erst die politischen Umbrüche im kommunistischen Osteuropa (Sowjetunion, Polen, Ungarn) und insbesondere in der DDR (Massenflucht und Ausreise, friedliche Demonstrationen, Zusammenbruch des wirtschaftlich bankrotten DDR-Regimes 1989) führten zum "Mauerfall" (9. November 1989) und schließlich auf friedliche Weise zur "Wiedervereinigung", d.h. zum Beitritt der DDR zur Bundesrepublik (Einführung der Deutschen Mark in der DDR 1. Juli 1990, Einigungsvertrag 31. August 1990, Zwei-Plus-Vier-Vertrag mit den Siegermächten 12. September 1990, Beitritt der DDR 3. Oktober 1990, 1. gesamtdeutsche Bundestagswahl 2. Dezember 1990). Die vergrößerte Bundesrepublik bestand/besteht aus nunmehr 16 Bundesländern (östliche Bundesländer: Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen), die Parteienlandschaft veränderte sich nicht nur durch den Aufstieg der Grünen in Westdeutschland in den 1980er-Jahren, sondern auch durch die Ausweitung der westdeutschen Parteien nach Ostdeutschland (DDR-Blockflöten-Parteien, "Allianz für Deutschland"; Bündnis 90/Die Grünen, später die Grünen) in der Folge des Einigungsprozesses bei weiterem Bestehen der PDS (Partei des demokratischen Sozialismus) bzw. der Linken in der Nachfolge der DDR-SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands). Die "neue" BRD blieb Mitglied der Europäischen Gemeinschaft und der NATO, Berlin löste Bonn als Hauptstadt ab (1991), wirtschaftliche Anpassungsprozesse zwischen "Euphorie und Ernüchterung" sollten das ehemalige DDR-Staatsgebiet an die westdeutschen Standards heranführen, was aber nur unzulänglich gelang ("Abwicklung" der DDR-Wirtschaft [Treuhand], Arbeitslosigkeit, weitere Globalisierung der Weltwirtschaft).
Mit der Bundestagswahl von 1998 kam die Regierung Kohl zu ihrem Ende, unter Kanzler Gerhard Schröder (1998-2005, SPD) regierte nun eine Koalition aus SPD und Grünen die BRD. "Grüne Themen" waren dabei die Energie- und Umweltpolitik (Einstieg in den Atomausstieg), aber auch das Staatsangehörigkeits-, Asyl- und Zuwanderungsrecht. Die Weigerung Schröders, sich am Irakkrieg der USA zu beteiligen, brachte dem Kanzler den Wahlsieg bei der Bundestagswahl von 2002. Die zweite Amtsperiode Schröders sah mit der "Agenda 2010" die (wohl notwendige?) teilweise Umgestaltung der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik ("Hartz-Reformen"), die Schröder trotz vieler Widerstände gerade bei SPD und Gewerkschaften durchzusetzen vermochte (2003). Die "Hartz-Gesetzgebung" blieb auch unter den folgenden Regierungen in Kraft und hat wohl den "Standort Deutschland" in der Weltwirtschaft gestärkt. Nach der Niederlage Schröders in der vorgezogenen Bundestagswahl von 2005 (Vertrauensfrage des Kanzlers) kam es unter der Kanzler(innen)schaft von Angela Merkel (2005-2021, CDU) zur Bildung einer großen Koalition aus CDU/CSU und SPD, die nach dem Zwischenspiel einer CDU/CSU-FDP-Regierung (2009-2013) ab 2013 fortgeführt wurde (nach: Recker, Bundesrepublik Deutschland). 2021 folgte auf die Merkel-Regierung die "Ampelkoalition" der Parteien SPD, Grüne und FDP unter der Kanzlerschaft von Olaf Scholz (2021-2025, SPD). Corona-Epidemie (2020/22) und Ukrainekrieg (ab 2022) prägten auch die Politik der BRD, die "Ampelkoalition" zerbrach an Finanzierungsfragen (2024), aus den vorgezogenen Neuwahlen (2025) ging die CDU/CSU als stärkste Partei hervor.

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Bearbeiter: Michael Buhlmann, 05.2025