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Langobardische Geschichte: Antike, Mittelalter
Die römisch-griechische Antike kannte die Langobarden (vermeintlich) als germanisches Volk auf Wanderung von (angeblich) Skandinavien an die Donau. Indes lässt sich eine westgermanische Herkunft der Langobarden aus deren Sprache erschließen, ebenso ein langobardisches Siedlungsgebiet an der unteren Elbe im 1. und 2. Jahrhundert n.Chr. Das "Volk" der Langobarden, das im 5. und 6. Jahrhundert entlang der Donau im Grenzgebiet ("Rugiland" [Sieg König Odoakers über die Rugier 488], Panonnien) des zerfallenden römischen Reiches siedelte, war zwischen dem 3. und 5. Jahrhundert sicher (gemischt-) ethnischen und kulturellen Transformationen unterworfen gewesen, die gleichwohl um einen Traditionskern (Langobardenname, Ursprungssage als "Kontinuitätsbehauptungen"; Kriegertum, Königtum als gesellschaftlich-soziale Voraussetzungen; langobardische Identität) kreisten (Langobarden als soziale Gruppe und Verband von Kriegern, die sich in ihrer historischen und gelebten Identität wahrnahmen, als "Volk" wandelnder Ethnizität je nach aktueller politischer und gesellschaftlicher Herausforderung [Langobarden und römische Verwaltungsstrukturen; arianisches Christentum und Heidentum; genetic history der Langobarden in Panonnien und Italien -> langobardische Einwanderung und Vermischung]).
Langobardische Krieger waren römische foederati und beteiligten sich auf römischer Seite am Krieg Kaiser Justinians I. (527-565) gegen die Ostgoten (552). Aus den Erfahrungen des Gotenkrieges erwuchs bei den in Panonnien siedelnden Langobarden und deren König Alboin (†572) die erfolgreiche langobardische Eroberung Italiens, des ehemaligen Kernlandes des römischen Reiches (568/69). Städte in Venetien und Oberitalien (Forum Iulii, Vicenza, Verona, Mailand, Pavia) konnten eingenommen werden, es folgten die Eroberung der Po-Ebene und der Toskana sowie Eroberungen in Mittel- und Süditalien (571 und später). Organisiert wurde die langobardische Herrschaft in Italien auf der Grundlage von dem Königtum unterstellten administrativen Bezirke einer Stadt oder Befestigung unter der Leitung eines Militärkommandeurs (dux); dies galt für das oberitalienische Siedlungsgebiet der Langobarden, während sich mit den Herzogtümern Spoleto und Benevent langobardische Herrschaften weitgehend unabhängig vom Königtum ausbildeten.
König Alboin wurde 572 ermordet, ebenso sein Sohn und Nachfolger Cleph (573-574), so dass auf Letzteren ein Interregnum ohne Königsherrschaft folgte (574-584). Mit der Wahl von Clephs Sohn Authari (584-590) wurde die Tradition des Königtums wieder aufgenommen.
Langobardische Herrschaft in Italien hatte weiterhin die "stadtbasierte Militäradministration" der Herzöge als Grundlage; darauf bezogen sich die farae als Siedlungsverbände aus der Zeit der Eroberung Italiens und die arimanni, exercitales als über Land als Erbgut verfügende "Heerleute" unter dem miltärischen Befehl eines Herzogs (Heeresversammlungen, Gerichtsversammlungen), so dass die "stadtbasierten Herzogtümer" für die Langobardenherrschaft zunächst zur wichtigsten Verankerung der Langobardenherrschaft in Italien wurden. Dieser Kleinteiligkeit langobardischer Herrschaft entsprach die durch die Eroberungen von 568/69 sich ausbildende politische Zersplitterung ("Fragmentierung") Italiens in langobardische und römische Herrschaftsgebiete (Exarchat von Ravenna, oströmische Dukate u.a. um Rom, als Pentapolis, in Istrien, Venetien, Ligurien und Neapel). Innerhalb der langobardischen Herrschaftsgebiete war die römische (Zivil-) Bevölkerung einem aus der römischen Verwaltung überkommenen Abgaben- und (verwaltungstechnisch wohl reduziertem) Steuersystem unterworden. Das sich konsolidierende langobardische Königtum hatte ab der Herrschaft Autharis Anteil an den Einnahmen, während das weitreichende Königsgut durch Gastalden militärisch-gerichtlich verwaltet wurde; Pavia entwickelte zur Hauptstadt des langobardischen Königtums, die Könige übten in Fortsetzung der römischen Kaiser ihre Herrschaft aus (Herrschertitel Flavius (rex)).
Die Langobarden wurden zu einer "landbesitzenden Militärelite". Diese hatte schon bald Kämpfe etwa gegen die Ostrom zuneigenden Franken in Oberitalien zu bestehen (langobardische Tributabhängigkeit); transalpine diplomatische Beziehungen des langobardischen Königtums zu den bayerischen Herzögen wie die Heirat Autharis mit Theodelindes (589) bildeten hierzu ein politisches Gegengewicht. Authari kam durch einen Giftanschlag ums Leben (590); sein Nachfolger Agilulf (590-615) gelangte durch die Hochzeit mit Theodelinde an die Macht (Bedeutung der weiblichen Linie in der Königsnachfolge). Theodelinde (†ca.626) bemühte sich - ihrem Glauben entsprechend - mit diplomatischen Mitteln um eine Stärkung der katholischen (Papst-) Kirche in Rom gegenüber dem arianischen Langobardenreich (Beziehungen zu Papst Gregor I. [590-604], langobardische Bedrohung Roms und Ravennas, innerlangobardische Auseinandersetzungen mit den Herzögen von Spoleto und Benevent [591/95]) trotz der durch die langobardische Eroberung eingetretenen kirchlichen Fragmentierung Italiens (Vakanz von Bischofssitzen, Verlagerung des Mailänder Erzbischofssitzes nach Genau und des Patriarchats von Aquileja nach Grado, Spannungen zwischen den Bischofssitzen in Rom und Ravenna); der oströmische Dreikapitelstreit führte damals zu einer kirchlichen Spaltung des Patriarchats von Aquileja, während Theodelinde und Agilulf den irischen Mönch und Missionar Columban (†615) darin unterstützten, das Kloster Bobbio als "theologisches Zentrum" im Langobardenreich zu gründen (613; päpstliches Privileg 628).
Nach Agilulfs Tod (615) führte Theodelinde die Regierungsgeschäfte für ihren unmündigen Sohn Adaloald (615-626) (Freundschaftsvertrag mit dem Frankenkönig Chlothar II. [613-629] 616/17); auf Adaloald folgten Ariwald (626-636) und Rothari (636-652) als Könige. Insbesondere die Konsolidierungsmaßnahmen im Langobardenreich unter König Rothari (langobardisches Recht und Edictum Rothari [643]: König als Garant des Rechts, Kriegerelite) machen langobardische Gesellschaftsstrukturen im 7. Jahrhundert erkennbar (langobardische Kriegergesellschaft als Rechtsgemeinschaft: männliche Wert-/Ehrvorstellungen, Fehde [faida] und Geldbußen nach Stand [auch bei Körperverletzung, Mord und Totschlag; Konfliktausgleich und Erhaltung der langobardischen Verteidigungsfähigkeit], um den langobardischen Krieger kreisende ethnische Rechtsidentität [munt u.a. als Vormundschaft über Frauen, Familienrecht und Vergrößerung der Anzahl langobardischer Krieger]); innerhalb der langobardischen Rechtssphäre befanden sich noch die abhängigen Bauern (Aldionen) auf langobardischem Landbesitz, das langobardische Recht umfasste nicht die unterworfene römische Bevölkerung und/oder andere Nichtlangobarden, die nach ihren eigenen Rechten lebten. Im Langobardenreich herrschte Bilinguilität vor mit westgermanisch-langobardischer Sprache (Rechtsbegriffe, Ortsnamen, Personennamen, langobardisch-romanische Hybridnamen; sprachliche Nähe des Langobardischen zum Bayerischen und Alemannischen) und mit Vulgärlatein bzw. sich ausbildendem Romanisch. Schließlich waren Königsgericht und Königsurkunde (im Anschluss an das Urkundenwesen der römischen Kaiser) Ausfluss der königlichen Macht, an die sich auch Römer und Leute der (katholischen) Kirche wandten.
Außerhalb des engeren Machtbereichs des Königs entwickelten sich die langobardischen Herzogtümer in Mittel- und Süditalien, d.h.: das Herzogtum Spoleto (571), das sich politisch trotz mancher anfänglicher innerer Streitigkeiten gegen Rom und Ravenna orientierte und unter den Herzögen Theudelapius (601-653) und Thransamund (662-703) große politische Stabilität gewann; das Herzogtum Benevent (571 oder später) in Frontstellung gegen die oströmischen Besitzungen in Kampanien, Kalabrien und Apulien; das Herzogtum Lucca (Toskana) (n.588; und die "Geburt der Toskana"). Nach Rothari waren Rodoald (652-653), Aripert I. (653-661), Godepert und Perctarit (661-662) langobardische Könige. König Grimoald (662-671) gelang die Vereinigung der langobardischen Territorien unter seiner Dynastie (Grimoald als Herzog von Benevent und sein erfolgreicher Staatsstreich gegen die Brüder Godepert und Perctarit [662], Verheiratung einer Tochter Grimoalds mit Herzog Thransamund von Spoleto). Gegen den so entstandenen langobardischen Machtblock suchte der oströmische Kaiser Konstans II. (641-668), der sich seit 662 in Süditalien aufhielt, anzugehen; allerdings blieben die militärischen Unternehmungen des Herrschers erfolglos (Niederlage bei Salerno 663, Aufenthalt des Kaisers in Rom 663). Eine Folge der engen politischen Verbindung zwischen dem Herzogtum Benevent und dem langobardischen Königreich war die Übertragung des Kultes um den Erzengel Michael von Benevent nach Pavia (Goldmünzen des Königs Cunincperht [679-700] mit Verweis auf Michael).
Während König Rothari noch dem arianischen Christentum zugeneigt war, verlief im letzten Drittel des 7. Jahrhunderts die Entwicklung im Langobardenreich hin auf eine religiöse Einheit im christlichen Glauben hin. König Perctarit (671-688), der nach dem Staatsstreich Grimoalds (662) ins Frankenreich und nach England geflohen war, konnte nach einer kurzen Regierungszeit von Grimoalds Sohn Garibald (671) die Königsherrschaft wieder erlangen. Unter Perctarit und seiner Ehefrau Rodelinde wurde Pavia endgültig zur "Hauptresidenz" des Langobardenreichs ([weiterer] Ausbau als Residenzstadt [Osttor, Königspalast, Klostergründung Sant'Agata al Monte, Muttergottesbasilika], Ort des königlichen Schatzes und der Zentralverwaltung, Münzstätte, Kirchen im Ort als Grabstätten von Königen). Das Langobardenreich wurde von Kaiser Konstantin IV. (668-685) in einem Friedensvertrag anerkannt (ca.678), im Fahrwasser dieser Anerkennung profilierte sich Bischof Damian von Pavia im Umfeld des 6. ökomenischen Konzils von Konstantinopel (680/81). Freilich führte die politische Annäherung des Königs an Ostrom und Rom auch zu Widerstand im Langobardenreich (Aufstände des Herzigs Alahis von Trient [ca.679, 689], Sieg Cunincperhts bei Coronate über Alahis [689], Gründung eines Georgsklosters durch Cunincperht). Unter den katholischen Königen Perctarit und Cunincperht erstand das Mailänder Erzbistum neu (679), und auch die Streitigkeiten um das Patriarchat von Aquileja konnten mit der Beendigung des Dreikapitelschismas abgeschlossen werden (Synode von Pavia 698). Nach dem Tod Cunincperhts (700) kam es immer wieder zu Thronstreitigkeiten; auf die Könige Liutpert (700-701) und Raginbert (701) folgte Aripert II. (701-712), der sich in der Schlacht bei Pavia (703) gegen den unmündigen Liutpert durchsetzte und diesen ermordete.
Liutperts Regent Ansprand (712) und sein Sohn Liutprand (712-744) konnten wiederum Aripert II. vom Thron vertreiben. Liutprand nahm alsbald gegen das oströmische Reich und das Exarchat Ravenna eine feindselige Haltung ein, befördert auch durch den Bilderstreit (Ikonoklasmus) im oströmischen Machtbereich (Angriffe auf Ravenna, Zerstörung des Hafens Classe 727, Einnahme von Bologna, Eroberung von Osimo, Narni und Sutri durch den Herzog von Spoleto, "Schenkung von Sutri" an den Papst durch Liutprand [728; -> "Kirchenstaat"]). Liutprands auch auf dem Konfessionswechsel zum katholischen Christentum beruhende Gesetzgebung (713/35) stärkte die Position des Herrschers ebenso wie eine königliche Wirtschaftspolitik, die den Handel auf dem Fluss Po, das Münzwesen und das Königsgut stärkten. Außenpolitisch standen auch die sich verändernden Beziehungen zu Bayern und Franken an (Eingreifen Liutprands in Bayern 717/18, karolingischer Hausmeier Karl Martell [714/18-741], fränkisch-langobardische Annäherung [Bündnis von 737], fränkisch-langobardischer Feldzug gegen die Sarazenen in der Provence [738]). Liutprand setzte sich auch gegen die rebellierenden Herzöge von Spoleto und Benevent durch; Papst Gregor III. (731-741) fühlte sich von Liutprand bedroht, fand indes keine Unterstützung beim Hausmeier Karl Martell (Verhandlungen zwischen Papst Zacharias [741-752] und Liutprand [741/42], Rückgabe langobardischer Eroberungen an den Papst).
Nach Liutprands Tod (744) wurde dessen Neffe und Mitkönig Hildebrand (744) von Herzog Ratchis von Friaul (744-749) verdrängt, diesem folgte dessen Bruder Aistulf (749-757) im Königtum nach. Auf der Grundlage eines Heeresgesetzes (750) nahm Aistulf die Angriffe auf das Exarchat Ravenna wieder auf und brachte sie mit der Eroberung Ravennas (751) erfolgreich zum Abschluss. Auch Rom wurde bedroht (752), und Papst Stephan II. (752-757) unterstellte sich der Schutzherrschaft des fränkisch-karolingischen Königs Pippin d.J. (741/51-768), der dank der "Pippinschen Schenkung" die Entstehung eines vom römischen Papst abhängigen "Kirchenstaates" (unter Einschluss des römischen Dukats und des Exarchats Ravenna) beförderte (Versammlungen von Ponthion und Quierzy 754, Pippin als patricius Romanorum Schutzherr von Rom). Als Folge der fränkisch-päpstlichen Vereinbarungen über den Langobardenkönig hinweg griffen die Franken Aistulf an und belagerten den König in Pavia, der sich nur einen Friedensvertrag mit den Franken retten konnte (754); an die Stelle des Exarachen war nun der Papst als weltlicher Sachwalter der (ehemals) oströmischen Herrschaftsbereiche in Mittelitalien getreten. Auch ein weiterer Angriff Aistulfs auf Rom (755/56) sollte letztendlich scheitern an der zweiten militärischen Intervention der Franken in Italien (756). Nach dem Unfalltod Aistulfs (757) gelangte der toskanische Herzog Desiderius (757-774) an die Macht. Desiderius genoss die Unterstützung der Franken und des Papstes, erweiterte seine politischen Spielräume durch erfolgreiche Interventionen in den Herzogtümern Spoleto und Benevent (759) und versuchte sich zum Teil aus der fränkischen Umklammerung zu lösen (Verhandlungen mit Ostrom, Verbindungen nach Bayern, Scheitern eines fränkisch-langobardischen Ehebündnisses, Eingreifen des Desiderius zu Gunsten der Söhne König Karlmanns [768-771]).
Es kam zur fränkischen Eroberung des Langobardenreiches durch König Karl den Großen (768-814) (773/74); Desiderius wurde in Pavia belagert und musste kapitulieren (774); Karl wurde zum "König der Langobarden" gekrönt (774), das langobardische Königreich militärisch und administrativ umgestaltet (Hrodgaud-Aufstand [775/76]; Einwanderung von fränkischen, burgundischen, alemannischen und bayerischen Kriegern und Adligen; Aufenthalt König Karls in Pavia [780]). Desiderius' Sohn und Mitkönig Adelgis (759/74-788) starb erst 788; Herzog Arichis II. (758-787) von Benevent, Desiderius' Schwiegersohn, konnte sich unter der Oberhoheit des Frankenkönigs politisch und kulturell behaupten (Fürstenhöfe in Benevent und Salerno).
Literatur:
Esders, Stefan (2023), Die Langobarden. Geschichte und Kultur (= BSR 2946), München 2023
Bearbeiter: Michael Buhlmann, 02.2025