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Niederlande: Mittelalter, frühe Neuzeit, Moderne

Mittelalter

Gegen Ausgang des Mittelalters war das Gebiet der heutigen Niederlande bzw. des heutigen Belgien war weitgehend eingebunden in den Herrschaftsbereich der burgundischen Herzöge Philipp des Guten (1419-1467) und Karl des Kühnen (1467-1477). Der flandrische Raum war gegenüber Holland der wirtschaftlich stärkere (Textilien, Handel; Großstädte Antwerpen, Brügge, Brüssel, Gent), doch bildete sich auch im Holland des 15. Jahrhunderts zunehmend eine Städtelandschaft aus (Tuche, Bier, Fischfang, Frachtschifffahrt [Ostsee]). Städtisches Autonomiestreben und fürstlicher Herrschaftsanspruch kollidierten aber des Öfteren (Brügger Aufstand [1436/38], Genter Aufstand [1453]), während höfische und städtische Kultur am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit eine Symbiose eingingen (flämische Malerei [Rogier van der Weyden, Robert Campin, Jan van Eyck], Teppichweberei, Musik im "flämischen Stil"). Nach dem Untergang Karls des Kühnen (Schlacht bei Nancy 1477) gelangte das burgundische Herrschaftsgebiet weitgehend an die Habsburger; Herrschaftsschwerpunkt Philipps des Schönen (1482/94-1506) und Karls (V., 1515/19-1556) war dabei der holländisch-flandrische Raum (Genter Kapitulation 1498, 17 niederländische Provinzen [Tournai 1521, Friesland 1524, Utrecht 1528, Groningen 1536, Geldern/Zutphen 1543]).

Frühe Neuzeit

Im Zeitalter von Humanismus und Reformation (devotio moderna, Erasmus von Rotterdam [*1469-†1536], Ketzerverfolgung, Calvinismus und Confessio Belgica [1561]) expandierten die Niederlande ökonomisch (Aufstieg Antwerpens 1495/1525, Schiffbau, Intensivierung von Landwirtschaft, Spezialisierung des Handwerks). Der Aufstand der Niederlande gegen die habsburgisch-spanische Herrschaft unter König Philipp II. (1555-1598) führten zu "Genter Pazifikation" (1576) und "Ewigem Edikt" (1577), zur Niederlage von Gembloux (1578) und zur Spaltung der 17 Provinzen in einen wallonischen (Union von Arras 1579) und einen nördlichen Teil (Unionsvertrag von Utrecht 1579). Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts hatte sich das Territorium der Niederländischen Republik - entstanden aus politischen, sozialen und religiösen Gründen (Freiheit der Stände, Aufstieg der städtischen Mittelklasse, Calvinismus) - ausgebildet. Territorium und Republik der Vereinigten Niederlande wurden dann im Westfälischen Frieden (1648) ausdrücklich anerkannt. Das "Goldene Zeitalter" der Niederlande im 17. Jahrhundert fußte auf einer föderalen Verfassung, in der die aristokratisch-bürgerlich geprägten Generalstände als Gesamtstaatsorgan eine wichtige Rolle spielten, ebenso die Ämter des Statthalters und des Ratspensionärs in Krieg und Frieden (Konflikte um das Statthalteramt der Oranier). Die Niederlande behaupteten sich politisch als Großmacht im Ersten Englisch-Niederländischen Krieg (1652-1654; Navigation Act 1651) sowie im Zweiten Englisch-Niederländischen Krieg (1665-1667; Frieden von Breda 1667), dem der Dritte Englisch-Niederländische Krieg (1672-1674) folgte und eine Eheverbindung zwischen dem niederländischen Statthalter Wilhelm III. von Oranien (1672-1702) und Maria Stuart (†1694), einer Nichte des englischen Königs Karl II. (1660-1685); die Ehe eröffnete den Oraniern den Weg zum englischen Königsthron (Glorious Revolution 1688). Die Niederlande wurden ebenfalls zu einer Drehscheibe des Welthandels (Landwirtschaft, Fischerei, Textilherstellung, Schiffsbau, Schifffahrt, Dienstleistung [Banken, Finanzen, Edelmetallhandel], Westindien-, Afrikahandel [Verenigde Ooost-Indische Compagnie 1602, West-Indische Compagnie 1621]). Die niederländische Gesellschaft des 17. Jahrhunderts prägten einer hoher Grad der Urbanisierung, soziale Einrichtungen, Kunst und Kultur (niederländische Malerei [Esaias van de Velde, Jan Porcellis, Pieter de Molijn, Johannes Vermeer], Literatur, Gelehrsamkeit und Philosophie [Hugo Grotius, Christian Huygens]). Im Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714) verloren die Niederlande ihre Rolle als Großmacht, Folge war eine strikte Neutralitätspolitik u.a. im Österreichischen Erbfolgekrieg (1740-1748; französische Besetzung der Niederlande 1747, Erbstatthalterschaft Wilhelms IV. von Oranien [1748-1751]) und im Siebenjährigen Krieg (1756-1763). Der Vierte Englisch-Niederländische Krieg (1780-1784) endete mit einer Niederlage; dem entsprach eine wirtschaftliche Stagnation im 18. Jahrhundert.

Moderne

Im Zeitalter der Französischen Revolution (1789) entstand (nach dem Ende der österreichischen Niederlande 1794) die Batavische Republik (1795), dann ein französisches Königreich (1810). Mit dem Untergang Napoleons (1813/15) übernahm Wilhelm I. von Oranien (1815-1840) als König die Macht über die nördlichen und südlichen (ehemals habsburgischen) Niederlande, bis sich der Süden im Revolutionsjahr 1830 als Belgien vom Norden abspaltete. Das niederländische Königreich stellte sich ab dem Revolutionsjahr 1848 als parlamentarische Monarchie dar (Zweikammersystem, Grundrechte, Bildung, politische Organisationen [Arbeiterschaft], entstehendes Parteiensystem und gesellschaftliche "Versäulung"). Wirtschaftlich entwickelten sich die Niederlande im 19. Jahrhundert von einer Handels- zu einer Industrienation, wobei die Industrialisierung (Kanäle, Eisenbahn, Infrastruktur) erst spät verspätet einsetzte; hingegen gelang nach der Verstaatlichung der Verenigden Ooost-Indischen Compagnie (1798) der Aufbau einer zeitweise (1850/60er-Jahre) wirtschaftlich einträglichen Kolonialherrschaft in Niederländisch-Indien (Sumatra, Bali, Borneo, Celebes; Cultuurstelsel, privates Unternehmertum, Herrschaftsintensivierung). Im Ersten Weltkrieg (1914-1918) waren die Niederlande neutral, die Einführung von Verhältnis- (1917) und Frauenwahlrecht (1919) schuf eine parlamentarische Parteiendemokratie. Negative ökonomische Auswirkungen hatte die Weltwirtschaftskrise (ab 1929). Im Zweiten Weltkrieg (1939-1945) wurden die Niederlande von deutschen Truppen besetzt (1940), während Niederländisch-Indien von den Japanern erobert wurde (1942). Die alliierte Befreiung der Niederlande (1944/45) und das Ende des Krieges (1945) führten zur Aufgabe der niederländischen Neutralität bei europäischer Integration (Benelux-Zollunion 1948, Beitritt zum Nordatlantikpakt NATO 1949, Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft EWG 1957). Parallel dazu verlor die Niederlande im Rahmen eines zum Teil schmerzhaften Dekolonisationsprozesses ihre Kolonien (Unabhängigkeit Indonesiens 1949, Unabhängigkeit Surinams 1975). Im Auf und Ab der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung ab der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts (Vereinbarung von Wassenaar 1982, Vertrag von Maastricht 1992, Globalisierung und Weltwirtschaft) wirkt(e) das oranische Königshaus für die Niederlande stabilisierend (Königinnen Juliana [1948-1980], Beatrix [1980-2013]).

Literatur:

Lademacher, Horst (1983), Geschichte der Niederlande. Politik, Verfassung, Wirtschaft, Darmstadt 1983

North, Michael (1997), Geschichte der Niederlande (= BSR 2078), München 42013

Parker, Geoffrey (1979), Der Aufstand der Niederlande. Von der Herrschaft der Spanier zur Gründung der Niederländischen Republik 1549-1609, München 1979

Bearbeiter: Michael Buhlmann, 12.2014