www.michael-buhlmann.de > Ländergeschichten
Rumänien: Antike, Mittelalter, frühe Neuzeit, Moderne
Antike, Mittelalter, frühe Neuzeit
Auf dem Gebiet des heutigen Rumänien siedelten in der griechisch-römischen Antike die Völker der Daker und Geten. Nach der Unterwerfung des dakischen Königreichs durch den römischen Kaiser Trajan (98-117) war Dakien eine römische Provinz (106-271), die im Zuge von Reichskrise und "Völkerwanderung" von Kaiser Aurelian (270-275) aufgegeben wurde. Dakien wurde in den folgenden Jahrhunderten zur Durchgangszone von Völkern und Stämmen; ein kurzzeitig bestehendes Gepidenreich (6. Jahrhundert) wurde von den Langobarden zerstört (567). Im frühen Mittelalter gehörte das Land nördlich der Donau u.a. zum Reich der Awaren (7./8. Jahrhundert) bzw. stand unter bulgarischer Herrschaft (9. Jahrhundert). Seit dem 6. Jahrhundert drangen slawische Stämme ein, die Anfänge regionaler Herrschaften wie Siebenbürgen (9. Jahrhundert, Ende; Fürstentum 1526), (Fürstentum) Moldau (14. Jahrhundert), (Fürstentum) Walachei (14. Jahrhundert) liegen im Mittelalter, wobei Abhängigkeiten vom Königreich Ungarn bestanden bzw. in Spätmittelalter und früher Neuzeit vom osmanischen Reich (landfremde Fanariotenherrschaft über die Donaufürstentümer Moldau und Walachei 1711-1821).
Römisches Dakien
Dakien war in der Antike das nördlich der Donau gelegene Land um den Gebirgsbogen der Süd- und Ostkarpaten, eine fruchtbare Beckenlandschaft nördlich bzw. westlich dieses Hochgebirges, auch bekannt als "siebenbürgisches Becken" (Siebenbürgen, Transsilvanien), eingerahmt im Westen vom Banat, im Süden von der (Kleinen, Großen) Walachei, im Osten von der Region Moldau. Fruchtbarkeit, ein Pflanzen- und Tierwelt begünstigendes Klima, eine Vielzahl von Bodenschätzen sowie eine geografische Abgeschlossenheit durch Gebirge und Wälder machten in der Antike aus Dakien die Dacia felix, das "glückliche Dakien". "Daker" werden erstmals im De bello Gallico des Gaius Julius Caesar (†44 v.Chr.) erwähnt; (weitere) antike Schriftquellen (Herodot, Pseudo-Skymnos, Diodorus Siculus, Plinius der Ältere, Arrian, Justin) verbinden die Daker mit den Geten und verorten diese meist zwischen Donau und Karpatenbogen. Aus der Spätantike überliefert Jordanes (†n.552) in seiner "Gotengeschichte", in der er Goten und Geten gleichsetzt, eine fiktive Liste von vier Königen, die der Historiograf mit der römischen (Kaiser-) Geschichte verschränkt. Das Geschichtswerk des Pompeius Trogus, vermittelt über Justin, erwähnt die Dakerkönige Rubobustes und Oroles (2. Jahrhundert, 1. Viertel) und legen damit ein dakisches Königtum und eine Ausweitung des dakischen Machtbereichs nahe. Mit den Dakern verbündete Skordisker kämpften um 109/06 v.Chr. gegen die Römer in der römischen Provinz Makedonien. Auseinandersetzungen mit den Römern südlcih der Donau betrafen auch die Daker (74/73 v.Chr.). Auf die Zeit nach der Mitte des 1. Jahrhunderts v.Chr. ist der beim antiken Geografen Strabon überlieferte Dakerkönig Byrebistas als Getenherrscher zu datieren; Byrebistas, der in Verbindung zum Römer Pompeius (†48 v.Chr.) stand, weitete offenkundig durch "Zivilisierung und Disziplinierung seiner Untertanen" den dakisch-getischen Machtbereich aus und bedrohte griechische Städte etwa entlang des Schwarzen Meeres; Caesars politisch-militärische Pläne hinsichtlich Dakiens bleiben unklar und wurden nicht verwirklicht. Im Krieg zwischen Oktavian (†14 n.Chr.) und Marcus Antonius (†30 v.Chr.) spielten die Daker als potentielle Verbündete des Letzteren keine Rolle; Oktavian ließ jedoch einen Feldzug gegen Daker und Bastarner durchführen (römische Eroberung Moesiens 29 v.Chr.; Nennung der Dakerkönige Roles, Dapyx, Zyraxes; Roles als römischer Klientelkönig), und auch später kam es zu für die Römer erfolgreichen Auseinandersetzungen u.a. mit dem Dakerkönig Cotiso (14/13 v.Chr.) und im Zusammenhang mit der Umsiedlung von angeblich 50000 Dakern in Gebiete südlich der Doanu führten (3 v.Chr.). Römische Angriffe auf Gebiete nördlich der Donau und deren Könige führten in 60er-Jahren n.Chr. unter dem römischen Statthalter der Provinz Moesien, Tiberius Plautius Silvanus Aelianus, zur Umsiedlung von 100000 Menschen. Die Donaugrenze blieb auch im Vierkaiserjahr (68/69) sicher vor dakischen Übergriffen (dux Scorylo), die Römer beschränkten ihre Herrschaft auf die Gebiete südlich des Flusses. Unter Kaiser Domitian (81-96) kam es zu mehreren Dakerfeldzügen (römische Niederlagen 85/86; Einrichtung der Verwaltungseinheiten Ober-/Untermoesien 87; bellum Dacicum [römisch-dakisches Zusammentreffenbei Tapae] 88; Dakerkönige Diurpaneus/Duras, Decebal; dakischer Klientelkönig D[i]egis). Die Ermordung Domitians führte zu zeitweisen Unruhen entlang der unteren Donau. Kaiser Trajan (98-117) begann alsbald mit den logistischen Vorbereitungen für seinen Dakerfeldzug (Truppenverlegung, Baumaßnahmen [Straßenbau, Bauinschrift Trajans am Südufer der Donau]), den er in den Jahren 101-102 unternahm, ohne Dakien gegen den Widerstand König Decebals allerdings erobern zu können (Verhandlungen, Kompromissfrieden, Decebal als römischer Klientelkönig; Trajan Dacicus). Spannungen zwischen Rom und Decebal führten aber erneut zum Krieg: Der bellum Dacicum der Jahre 105-106 entschied nach einem Brückenbau über die Donau, der Gefangennahme und Hinrichtung (Selbsttötung?) Decebals sowie die Einvernahme des dakischen Königsschatzes als Kriegsbeute zu Gunsten der römischen Militärmacht. Dakien wurde römisch (Dacia capta) und als Provinz (provincia Dacia) dem römischen eingegliedert. Verherrlicht wurde der Dakerfeldzug Trajans durch die berühmte Trajanssäule in Rom. Die Einrichtung Dakiens als Provinz begann schon bald nach dem Dakerkrieg, zum Teil noch gegen Widerstände der Jazygen, mit steuerlichen ("Schätzung" der unterworfenen Bevölkerung) und infrastrukturellen Maßnahmen (Straßenbau, Städtegründungen), wobei der neuen Provinzhauptstadt, der Colonia Ulpia Traiana Dacica Sarmizegetusa, eine beondere Rolle zukam (Ausbau des Hauptstadtforums 112, Münzen mit dem Aufdruck DACIA AUGUST[I] PROVINCIA 112). Trajans Nachfolger, Kaiser Hadrian (117-138), gab zwar die Provinz Dakien nicht auf, riss aber die Donaubrücke zur Sicherung des südlich gelegenen römischen Territoriums ab, ließ erfolgreich die aufständischen Jazygen bekämpfen (117/18) und teilte Dakien in die Provinzen Ober- und Unterdakien (Dacia superior, inferior, v.119, später als Dacia Apulensis, Malvensis bezeichnet), wobei etwas später aus Oberdakien noch eine dritte Provinz, die Dacia Porolissum, ausgegliedert wurde. In der Folgezeit blieb das römische Dakien weitgehend ruhig, die Verwaltungsreformen griffen und die Maßnahmen Hadrians zur Grenzverteidigung (dakischer Limes [Limes Trans-Alutanus]) ebenso. Wirtschaftlich war für die Römer der Gold- uns Silberbergbau entscheidend, die Landwirtschaft sicherte die Selbstversorgung der Bevölkerung. In den Markomannenkriegen (167/70?-175, 178-180) unter den Kaisern Marc Aurel (161-180) und Commudus (180-192) waren die drei dakischen Provinzen u.a. von den (vandalischen) Asdingen, Burern, Jazygen, Kostoboken und Sarmaten bedroht (Massenumsiedlungen und Einrichtung von Pufferzonen als römische Gegenmaßnahmen), auch litt Dakien unter der Antoninischen Pest. Ohne äußere Bedrohung urbanisierten sich die dakischen Provinzen insbesondere in der Regierungszeit des Kaisers Septimius Severus (193-211) (Lagerstädte). Insbesondere Regierungswechsel im römischen Reich führten im 3. Jahrhundert des Öfteren auch zu einer Destabilisierung der römischen Herrschaft im dakischen Gebiet nördlich der Donau (Kämpfe des Kaisers Maximinus Thrax [235-238] gegen Daker außerhalb des Reiches 236; Sechskaiserjahr 238; Eindringen von Karpen in das südliche Dakien 248, erste gotische Angriffe unter Kniva [3. Jahrhundert, Mitte], Kaiser Decius [249-251] als Wiederhersteller Dakiens [Münzen mit der Prägung DACIA FELIX 250]). Für Dakien und die römische Balkanhalbinsel wurden die Goten zu einer immer größeren Bedrohung. Zwar konnte Kaiser Claudius II. Gothicus (268-270) durch seinen Gotensieg bei Naissus die Lage entlang der Donau nochmals stabilisieren, doch gab sein Nachfolger Aurelian (270-275) die drei dakischen Provinzen schließlich auf (271); dies geschah unter Umsiedlung (von Teilen?) der (gesamten?) römischen Bevölkerung in Bereiche südlich der Donau, die fortan Dacia Ripensis und Dacia Aureliana hießen. Fortan - für den Rest der Antike - war das ehemals römische Dakien nördlich der Donau ein Siedlungs- und Durchgangsgebiet für "völkerwandernde" Ethnien, allen voran der Goten (3./4. Jahrhundert). Ein gewisser politischer und kultureller Einfluss Roms (Christentum) auf diesen Raum blieb aber auch in der Spätantike bestehen.
Dracula
Vlad Dracul(e)a (III., *ca.1431-†1477) war der Sohn des Fürsten Vlad II. (1431-1447) von der Walachei, der wohl als Ritter des Drachenordens Kaiser Sigismunds (1411-1437) den Beinamen "Dracul" erhielt. Als Herrscher
der Walachei musste Vlad II. politisch zwischen den christlichen Reichen Ungarn, Polen und Moldau und dem Reich der türkischen Osmanen lavieren (Schlacht bei Varna 1444, Eroberung Konstantinopels 1453), Vlad Dracula war zeitweise
eine Geisel des Sultans Murad II. (1431-1451), bevor er von diesem als Herrscher über die Walachei eingesetzt wurde (1448). Vlads Herrschaft festigte sich jedoch erst und mit christlicher Unterstützung ab 1456, als es dem Woiwoden auch im zeitweisen
politisch-wirtschaftlichen Gegensatz zu Ungarn und den Siebenbürger Städten die Straffung der fürstlichen Zentralgewalt in der Walachei gelang. Dem Abfall vom osmanischen Reich Sultan Mehmeds II. (1451-1481) im Jahr 1460 folgten Siege über die Türken
in Bulgarien und an der Donau (1461/62). Auf Grund einer politischen Intrige wurde Vlad jedoch Ende 1462 vom ungarischen König Matthias Corvinus (1458-1490) gefangen genommen, seit 1476 war er Feldherr des Königs und konnte im selben Jahr die Walachei
von den Osmanen zurückgewinnen, unterlag aber 1477 seinem Widersacher Basarab Laiota.
In den auf Vlad Draculas Tod folgenden Jahrzehnten wurde aus dem Woiwoden zum einen der siegreiche Feldherr gegen die Osmanen, zum anderen der Schlächter und Pfähler (Flugschriften, bildliche Darstellungen). Erst der englische Schriftsteller Bram Stoker
(*1847-†1912) verknüpfte im Zuge eines gestiegenen Interesses der europäischen Öffentlichkeit am Vampirglauben während des 18. und 19. Jahrhunderts den historischen (Vlad) Dracul(e)a mit dem Vampirmythos: Dracula wurde zum Vampir, und das so erfolgreich, dass
die historische Gestalt des Woiwoden im 20. und 21. Jahrhundert völlig in den Hintergrund trat (Dracula in Literatur, Film und Theater).
Moderne
Der Zerfall osmanischer Herrschaft auf dem Balkan seit dem 18. Jahrhundert ermöglichte im politischen Spannungsfeld zwischen den Großmächten Österreich-Ungarn und Russland eine Verselbstständigung der Donaufürstentümer unter russischem Protektorat (bis 1856 [Krimkrieg], 1848/49er-Revolution), letztlich die Verbindung zwischen Moldau und Walachei zu einem Königreich Rumänien (1859/61), das auf dem Berliner Kongress (1878) unabhängig wurde (1881). Gebietsgewinne im 2. Balkankrieg (1913) und nach dem Ersten Weltkrieg (1914-1918) formten das Königreich Großrumänien einschließlich Siebenbürgens, des östlichen Banats und der Bukowina, so dass nun die Landesteile Sathmar, Crisina, Banat, Kleine und Große Walachei, Transsilvanien/Siebenbürgen, Maramures, Nord-/Südbukowina, Moldau, Bessarabien, Dobrudscha zu Rumänien gehörten (Frieden von Neuilly 1919, Vertrag von Trianon 1920). In der Zeit zwischen den Weltkriegen (1919-1939) orientierte sich das Königreich politisch und wirtschaftlich zunehmend an Deutschland. Im Zweiten Weltkrieg (1939-1945) stand Rumänien auf der Seite des nationalsozialistischen Deutschland, musste aber auf Druck des "Dritten Reiches" Gebiete an die Sowjetunion (Bessarabien, Bukowina), an Ungarn (Nordsiebenbürgen) und Bulgarien (Süddobrudscha) abtreten (1940). Einer von König Carol II. (1930-1940) forcierten Verfassungskrise folgte die Diktatur des rumänischen Generals Ion Antonescu (1940), der das Noch-Königreich an der Seite Deutschlands in den Krieg gegen die Sowjetunion (1941/44) führte (Vernichtung des rumänischen Judentums). Die sich 1944 anbahnende Niederlage des deutschen Verbündeten mündete ein in die sowjetische Eroberung und Besetzung des Landes (sowjetische Großoffensive am 20. August 1944, Sturz Antonescus, Kapitulation Rumäniens am 23. August); die rumänischen Truppen kämpften nun auf sowjetischer Seite u.a. gegen Ungarn (Eroberung Siebenbürgens). Im Rahmen von Ost-West-Konflikt und "eisernem Vorhang" entwickelte sich Rumänien (ohne die an die Sowjetunion und Bulgarien abgetretenen Gebiete) zu einem kommunistisch-stalinistischen Satellitenstaat im Warschauer Pakt Osteuropas. Die Herrschaft in der Volksrepublik Rumänien lag bei der Kommunistischen Partei (bis 1965: Rumänische Arbeiterpartei), in der nach Parteichef Gheorge Gheorghiu-Dej (1945-1965) Nicolae Ceauşescu zum Generalsekretär (1965) und Staatsoberhaupt (1967) aufstieg. Dessen sich entwickelnde Diktatur - letztlich eine Despotie mit stalinistischen Mitteln - beruhte auf einer gewissen politischen Distanz der rumänischen Kommunisten gegenüber der Sowjetunion, einem rumänischen Nationalismus und einer zunächst durch Wachstum geprägten Wirtschaftsentwicklung (1970er-Jahre), die indes in ein Jahrzehnt wirtschaftlichen Abstiegs bei Verarmung der Bevölkerung mündete. 1989 kam es im Zuge der politisch-gesellschaftlichen Umbrüche in Osteuropa zu Sturz und Hinrichtung des Diktators, es entstand in freier Wahl die Republik Rumänien (1990) unter Staatspräsident Ion Iliescu (1990-1996), einem Vertreter der reformkommunistischen "Nationalen Rettungsfront" (FSN), die sich aufteilte in die "Partei der Sozialen Demokratie Rumäniens" (PDSR) und in die "Demokratische Partei" (PD). Oppositionsparteien waren z.B. die "Nationalliberale Partei" (PNL), die "Christlich-Demokratische Bauernpartei" (PNT-CD) oder die "Demokratische Allianz der Ungarn in Rumänien" (UDMR). Gefährdet war die Demokratie in Rumänien indes immer wieder durch alte und neue Seilschaften sowie durch Korruption und teilweise fehlende Rechtsstaatlichkeit; daneben ging es in den erstern Jahren nach 1989 um die Geschwindigkeit des Wandels weg vom Kommunismus. 1996 kam die Opposition an die Macht; Staatspräsident war Emil Constantinescu (1996-2000), nach ihm wieder Ion Ionescu (2004-2008). Rumänien gelang, sich in das nach der Wende von 1989/90 sich ausbildende europäische Staatensystem zu integrieren; es wurde 2004 Teil der NATO, 2007 Mitglied in der Europäischen Union. Die Jahre ab 2012 waren dann mehrfach geprägt von Staatskrisen u.a. um den Staatspräsidenten Traian Basescu (2004-2014) oder von massiven Protesten gegen Korruption und Regierung (2015, 2017) auch unter der Präsidentschaft des Rumäniendeutschen Klaus Werner Johannis (2014-2025).
Literatur:
Brodersen, Kai, Dacia felix. Das antike Rumänien im Brennpunkt der Kulturen, Darmstadt 2020
Gerdes, Hilke (2008), Rumänien. Mehr als Dracula und Walachei (= bpb Schriftenreihe, Bd.707), Bonn 2008
Haumann, Heiko (2011), Dracula. Leben und Legende (= BSR 2715), München 2011
Bearbeiter: Michael Buhlmann, 03.2025, 05.2025