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Türkei: Nationengeschichte - Moderne

Osmanisches Reich

Mit dem Waffenstillstand von Mudros (30. Oktober 1918) endete für das osmanische Reich der Erste Weltkrieg (1914-1918). In der Folge reduzierte es sich auf die ("Nussschale") Türkei, aliierte Interventionen (England, Frankreich, Italien) bzw. griechische Besetzungen betrafen das kleinasiatische Kernland, Thrakien und Istanbul. Während die osmanische Regierung unter Sultan Mehmed VI. Vahdeddin (1918-1922) den Friedensvertrag von Sèvres schloss (10. August 1920), organisierte sich der türkische Widerstand unter Mustafa Kemal Atatürk (*1881-†1938) in der Großen Nationalversammlung von Ankara (23. April 1920) und dem Krieg gegen die griechischen Invasoren (Unabhängigkeitskrieg, Schlacht von Dumlupinar 1922). Der griechisch-türkische Waffenstillstand von Mudanya vom 11. Oktober 1922 brachte eine "ethnische Entflechtung" hinsichtlich der Griechen und Türken, mit dem Friedensvertrag von Lausanne vom 24. Juli 1923 und der damit einhergehenden Übereinkunft zwischen der Türkei und den allierten Mächten des Ersten Weltkriegs endete die Phase der türkischen "Republik vor der Republik"; zuvor (1922) war das osmanische Sultanat abgeschafft worden, am 3. März 1924 endete das osmanische Kalifat. Die türkische Republik unter ihrem ersten Präsidenten Atatürk und der "Republikanischen Volkspartei" (CHF, CHP) mit Hauptstadt Ankara hatte sich der sog. Scheich Said-Rebellion zu erwehren (1925), im Osten der Türkei blieben die ethnischen Spannungen zwischen Türken, Kurden und Armeniern virulent. Vor diesem Hintergrund vollzogen sich in den folgenden Jahren politisch-gesellschaftliche Reformen auf den Gebieten des Rechts (europäische Gesetzbücher), der Bildung (Schulen, Universitäten, lateinische Schrift) oder der Stellung der Frau (Laizismus). Die Reformen mündeten ein in den eher doktrinären "Kemalismus" der 1930er-Jahre ("Sechs Pfeile" des Parteiprogramms der CHP). Mit dem Vertrag von Montreux vom 20. Juli 1936 erhielt die Türkei die Souveränität über die Meerengen von Bosporus und Dardanellen zurück; 1938 fiel der "Sandschak von Alexandrette" an die Türkei. 1937/38 erschütterte der Dersim-Aufstand die Republik. Nach dem Tod Atatürks (11. November 1938) wurde Ismet Inönü Staatspräsident (1938-1950). Die Türkei betrieb während des Zweiten Weltkriegs (1939-1945) eine erfolgreiche Neutralitätspolitik, nach dem Krieg orientierte sich die Türkei stärker nach dem Westen (Marshall-Plan 1948, Koreabrigade 1950/53, NATO-Mitgliedschaft 1952, Assoziierungsabkommen mit der EWG 1963/64). Die 1950er-Jahre standen unter der Ägide Adnan Menderes' (1950-1960) und seiner "Demokratischen Datei" (DP), mit dem Militärputsch vom 27. Mai 1960 begann die "Zweite Republik", ein Regime (Nationaler Sicherheitsrat) mit einer neuen Verfassung (1961) und u.a. einer von der "Gerechtigkeitspartei" (AP) geführten Regierung unter Süleyman Demirel (1965-1974, 1979-1980). Die CHP-geführte Regierung unter Bülent Ecevit (1974, 1977, 1978-1979) ließ 1974 Nordzypern militärisch besetzen (Zypernfrage, Republik Nordzypern), die schlechte wirtschaftliche Lage und innere Unruhen (Terroraktionen der "Grauen Wölfe", "Nationale Aktionspartei" [MHP]) riefen im Putsch vom 12. September 1980 nochmals die türkischen Streitkräfte unter General Kenan Evren auf den Plan. Propagiert wurde in der Folge ein "dritter Weg" des "Atatürkismus", 13 Zivilregierungen z.B. unter Turgut Özal (1983-1989) und seiner "Vaterlandspartei" (ANAP) regierten das Land, das im Osten von Terrorakten der "Kurdischen Arbeiterpartei" (PKK) erschüttert wurde (1984-2000, ab 2003). Religiös orientierte Parteien wie die "Wohlfahrtspartei" (RP) (Necmettin Erbakan, 1996-1997) und die "Tugendpartei" (FP) wurden verboten (1997/98), das Marmara-Erdbeben vom August 1999 verursachte große Zerstörungen und forderte 17000 Menschenleben. Seit dem ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends besitzen die "Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung" (AKP) und Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan (ab 2002) die politische Führerschaft in der Republik. Ein starkes Wirtschaftswachstum (Industrie, Bodenschätze, Tourismus) hielt bis zum Jahr 2011 an, Verfassungsreformen (Referendum 2010) drängten die innenpolitische Machtstellung der Streitkräfte zu Gunsten einer "autoritären Demokratie" zurück. Nicht zuletzt stieg zwischen 1920 und 2010 die Bevölkerungszahl der Türkei von 17 auf 73 Millionen Einwohner an.

Literatur:

Kreiser, Klaus (2012), Geschichte der Türkei. Von Atatürk bis zur Gegenwart (= BSR 2758), München 2012

Kreiser, Klaus, Neumann, Christoph K. (2003), Kleine Geschichte der Türkei, Stuttgart 22009

Bearbeiter: Michael Buhlmann, 12.2023