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Mittelalterliche
Geschichtsschreibung

St. Georgener Annalen

Die Annalen des Benediktinerklosters St. Georgen im Schwarzwald sind entstanden aus und neben einer vom Jahr 1 bis zum Jahr 1152 reichenden Ostertafel (d.i. ein Verzeichnis aufeinanderfolgender Jahre mit kalendarischen Daten zur Berechnung des jährlichen Osterfestes) und verzeichnen demgemäß für einzelne Jahre (lat. annus) die für den (jeweiligen) Verfasser wichtigen Ereignisse. Sie bieten für die staufische Zeit und gerade für die Regierungszeit Kaiser Friedrichs I. Barbarossa (1152-1190) manch interessante Information und stellen in relativer Ausführlichkeit die Ereignisse der 70er- und 80er-Jahre des 12. Jahrhunderts dar - sicher ein Indiz dafür, dass in dieser Zeit das Schwarzwaldkloster am (reichs-) politischen Geschehen wie dem Papstschisma (1159-1177) oder den Italienzügen Kaiser Friedrichs I. Anteil hatte. Die Annalen sind bis zum Jahr 1627 fortgeführt worden und bieten mithin St. Georgener Abts-, schwäbische und Reichsgeschichte.

Edition: Annales sancti Georgii in Nigra Silva, in: Monumenta Germaniae Historica. Scriptores (in Folio), Bd.17: [Annales aevi Suevici], hg. v. G.H. PERTZ, 1861, Ndr Stuttgart-New York 1963, S.295-298; HOFMEISTER, A., Die Annalen von St. Georgen auf dem Schwarzwald, in: ZGO 72 (1918), S.31-57. - Die hoch- und spätmittelalterliche Handschrift ist verloren gegangen beim Brand des Klosters St. Blasien 1768, ließ sich aber rekonstruieren u.a. aus: GERBERTUS, M., Historia Nigrae Silvae ordinis Sancti Benedicti Coloniae, Bd.I, St. Blasien 1783; Bd.II, St. Blasien 1788; USSERMANN, AE., Germaniae sacrae prodromus seu collectio monumentorum res Alemannicas illustrantium, Bd.II, St. Blasien 1792. - Übersetzung: BUHLMANN.

1. Im 42. Jahr des Kaisertums des Octavian Augustus Caesar [kam] Jesus Christus, der Sohn Gottes, [auf die Welt].
[...]
613, 614, 615. Kaiser Heraclius. Augustinus, Erzbischof der Angelsachsen, kehrt zum Herrn zurück. Der heilige Columban wird von Luxeuil vertrieben und bleibt drei Jahre in Bregenz.
[Zusatz des 14. Jahrhunderts:] 682. In diesem Jahr wurde angefangen, die Zelle des heiligen Georg zu erbauen.
700. Heinrich, erster Abt von St. Georgen.
727. Dessen Tod.
737. Wahl des Abtes Wilhelm von St. Georgen.
760. Dessen Tod.
772. Abt Theoger wird gewählt, der auch ein Heiliger ist.
801. Der heilige Theoger, Bischof von Metz und Abt von St. Georgen, stirbt. [Ende des Zusatzes]
940. König Otto [I. der Große] beim Chevrèmont.
941. [Der westfränkische König] Ludwig [IV.] drang ins Elsass ein. Der König [Otto] kehrte schnell zurück [und] belagerte Breisach, und Ludwig zog sich zurück.
943 [939]. Inzwischen wurde Herzog Eberhard [von Franken] getötet, und [Herzog] Giselbert [von Lothringen] wurde im Rhein ertränkt.
945. Der König war aber in Lothringen, und alle unterwarfen sich seiner Gewalt wegen des Metzer Bischofs. Nicht zuletzt sein Bruder Heinrich unterwarf sich ihm, nachdem er die Waffen niedergelegt hatte.
948. König Otto war in Bayern, und sein [als bayerischer Herzog eingesetzter] Bruder Heinrich wurde von [Herzog] Eberhard [von Bayern] vertrieben.
950. Nachdem dieser befreit war, drang er [der König] wiederum in Bayern ein, und alle unterwarfen sich ihm. Den Aufrührer Eberhard, den Sohn des [bayerischen Herzogs] Arnulf, schickte er in die Verbannung.
960. Liudolf drang in Italien ein. Durch den seligen [Bischof] Ulrich [von Augsburg] wurde eine Übereinkunft zwischen dem Kaiser Otto und seinem Sohn Liudolf wegen seines Bruders Heinrich, dem Herzog der "Noriker", gefunden.
1013. In diesem Jahr fing der Eremit Reginbert an, die Zelle des heiligen Blasius zu erbauen.
1084. In diesem Jahr fing man erstmals an, die Zelle des heiligen Georg zu erbauen.
1088. Es starb Hezelo, der Gründer der Zelle des heiligen Georg.
1094. Größte Sterblichkeit. Und die simonistische Häresie eines gewissen Manegold wurde scharf bekämpft.
1102, 1103. Rupert, Prior von St. Georgen, wird als Abt nach Ottobeuren geschickt, um das Mönchtum in Ottobeuren wiederherzustellen, und er bewirkt viel.
1113 [oder 1114]. Es starb Hesso, der Gründer der Zelle des heiligen Georg.
1119. Abt Werner [I.] wurde gewählt. Theoger Bischof von Metz und Abt von St. Georgen.
1125. Es starb [Kaiser] Heinrich V. bei Utrecht, und er wurde begraben in der Stadt Speyer. Ihm folgte der sächsische Herzog Lothar im Königreich nach.
1128. Das aufrührerische Speyer öffnete seine Tore dem König Lothar [III. von Supplinburg].
1134. Es starb Abt Werner von St. Georgen, und Friedrich wurde im Streit eingesetzt.
1136 [1137]. Kaiser Lothar stirbt nach der Unterwerfung Apuliens; ihm folgte Konrad.
1138. Friedrich wurde von der Abtswürde in St. Georgen entfernt, und Johannes [von Falkenstein] wurde gemäß apostolischen Beschluss eingesetzt.
1145. Friedrich wurde mit Erlaubnis des Papstes mit großer Ehre als Abt von St. Georgen zurückgerufen.
1146 [1145]. Der selige Abt Rupert von Ottobeuren starb, und er wurde berühmt durch Wunder.
[Fortsetzung der Annalen:] 1154. Es starb der Abt Friedrich von St. Georgen, dem Guntram im Abbatiat nachfolgte.
1160. Erzbischof Arnold von Mainz wurde von seinen Lehnsleuten getötet.
1162. Mailand ist durch Kaiser Friedrich [I. Barbarossa] völlig zerstört worden.
1165. Es starb der Abt Gottfried [I.] von Admont.
1168. Es starb der Abt Guntram von St. Georgen; ihm folgte der Prior Werner.
1169. Es starb der Abt Werner [II.], dem Manegold im Abbatiat folgte.
1173. Die Äbte von Alpirsbach, St. Blasien, Gengenbach und Stein [am Rhein] starben.
1174. Der Bischof von Konstanz [Otto II.] tritt vom Bistum zurück, und es folgte Berthold. Im selben Jahr starb Otto. Der Kaiser Friedrich unternimmt einen Feldzug gegen die Lombarden und belagert Palea, das auch Alessandria heißt. Die Äbtissin Wilica von Niedermünster stirbt.
1175. Der Kaiser, der großen Verlust an Sachen und Rittern hatte, bricht die Belagerung von Palea ab und zieht sich zurück. Die Lombarden unterwerfen sich und unternehmen die Anstrengung, sich erneut zu erheben. Ein neuer Kriegszug wird von den Fürsten beschworen. Der Herzog Berthold [IV. von Zähringen] verliert bei der Burg Chillon viele seiner Ritter, die hinabstürzten. Krieg zwischen dem Herzog Berthold und den Zollern [Hohenzollern]. Der Herzog besetzt den Fürstenberg.
1176. Der Kaiser, in die Lombardei gelangt, ruft viele Bischöfe zusammen, um den Krieg und das Schisma zu beenden, das schon lange war in der Kirche zwischen den Päpsten.
1177. Im Elsass wurde eine große Schlacht geschlagen. Ruom[ald?] wurde getötet. Das Kloster Neuweiler wurde völlig verbrannt.
1178. Das Kirchenschisma wird beendet, nachdem Calixt [III.] abgesetzt wurde und Alexander [III.] den apostolischen Stuhl erhielt. Der Kaiser kehrte von der Lombardei zurück und feierte einen Hoftag in Ulm. Ebenso eröffnete der Kaiser nach Weihnachten einen Hoftag in Worms, wo Heinrich [der Löwe], der Herzog von Sachsen, der Verschwörung gegen den Kaiser angeklagt wurde.
1179. Papst Alexander feierte, nachdem er die Bischöfe und Äbte vieler [Kirchen-] Provinzen zusammengebracht hatte, ein festliches Konzil in Rom, wo er die Anhänger des Calixt, sowohl die Bischöfe als auch die Äbte, ihrer Würden und Ämter beraubte.
1180. Der Pfalzgraf Otto [von Wittelsbach] wurde als Herzog von Bayern, der [askanische] Markgraf Bernhard als Herzog von Sachsen eingesetzt.
1181. Der Kaiser drang mit einem Heer zum zweiten Mal nach Sachsen sein und zwang Herzog Heinrich [den Löwen] dazu, ohne irgendeinen Widerstand seinen Fürstentitel abzulegen und ins Exil zu gehen. Papst Alexander starb; ihm folgte Lucius [III.].
1182. Es starb Pfalzgraf Hugo [II.] von Tübingen. Es starb der Konstanzer Bischof Berthold, dem Hermann [II.] nachfolgte.
1184. Der Kaiser hatte einen glänzenden Hoftag in Mainz, wo alle namhaften Fürsten von der Rhone bis zur Elbe hinkamen und die Söhne des Kaisers mit dem Schwert umgürtet wurden. Der an Jahren ältere Heinrich [VI.] aber wurde mit Zustimmung dieser Fürsten, sowohl der weltlichen als auch geistlichen, gekrönt.
1185. Es starb Lucius [III.]; ihm folgte Urban [III.].
1186. Es starb Berthold [IV.], der Herzog von Zähringen.
1187. Es starb [Papst] Gregor [VIII.]; ihm folgte Clemens [III.]. Manegold gab die Abtswürde auf; ihm folgte Albert.
1191 [1189/90]. [Kreuz-] Zug nach Jerusalem unter Kaiser Friedrich.
1193 [1194]. Liutpold [V.], der Herzog von Österreich, starb.
1194. Kaiser Heinrich drang mit einem Heer nach Apulien ein.
1195. König Tankred von Sizilien starb, und der Kaiser erwarb durch Kampf die Burgen und Befestigungen Apuliens und Kalabriens.
1198. Papst Coelestin [III.] stirbt. Innozenz III. folgte ihm nach. Papst Innozenz unterstützte [den welfischen König] Otto [IV.] gegen [den staufischen König] Philipp [von Schwaben]. Nach dem Ende Philipps [1208] weihte er Otto zum Kaiser und krönte ihn [1209]. Später bannte er ihn und forderte die Fürsten Deutschlands [principes Alamanniae] auf, ihm nicht weiter zu gehorchen. Ihnen schickte er Friedrich [II.], den König von Sizilien, und jener wurde von den Fürsten Deutschlands [zum König] gewählt.
1212. Kaiser Otto wurde von Papst Innozenz abgesetzt und von Breisach vertrieben.
1213. Friedrich [II.], der König von Sizilien, erschien in Deutschland und wurde von den Fürsten als König gewählt; und er wurde gekrönt in Mainz, machte Frieden und ließ viele enthaupten.
1218. An den 12. Kalenden des März [18. Februar] starb Herzog Berthold [V.] von Zähringen. Im selben Jahr starb [Kaiser] Otto [IV.] in Sachsen.
1220. An den 8. Kalenden des Oktober [24. September] starb Abt Burchard von St. Georgen; ihm folgte Heinrich [II.].
1224. Gott ließ es zu, dass unser Kloster [St. Georgen] am Tag der 11000 Jungfrauen und Märtyrer [21. Oktober] vollständig abbrannte.
1231 [1233]. Bischof Konrad [II.] von Konstanz starb; ihm folgte Heinrich [I.].
1234. Kaiser Friedrich kehrte von Apulien nach Deutschland [in Alamanniam] zurück, nahm seinen Sohn [König] Heinrich [(VII.)] gefangen und führte ihn gefangen nach Apulien zurück. Im selben Jahr machte er einen Feldzug gegen die Lombarden. Später [1237] kehrte er zurück und kam nach Österreich, und er führte den Krieg gegen den Herzog [Friedrich II.] von Österreich zu Ende und eroberte dessen Städte und Orte. Im folgenden Jahr wiederum ein Feldzug gegen die Lombarden.
1240. Papst Gregor [IX.] stirbt; ihm folgte nach sechs Monaten Coelestin [IV.]. Der wurde nach nur fünfzehn Tagen von den Römern mit Gift umgebracht. Ihm folgte Papst Innozenz IV. Sowohl die Jungen wie auch die Alten nahmen das Kreuz gegen die Tartaren.
1246. Die Erwachsenen nahmen das Kreuz gegen Kaiser Friedrich.
1248. In diesem Jahr starb Bischof Heinrich von Konstanz; ihm folgte Eberhard [II.].
1249. In diesem Jahr starb [Erzbischof] Siegfried [III.] von Mainz, der in seinem Leben vielfach die Abtrünnigen der Kirche bekämpft hatte.
1250. In diesem Jahr an den 4. Nonen des März [4. März] sind die Menschen von Blitzen getroffen worden. In diesem Jahr wurde der Herr von Geroldseck mit seinem Sohn in seiner Burg La[hr] [Lücke] vom Grafen Konrad von Freiburg und anderen gefangen genommen.
1254. Papst Innozenz IV. stirbt. Alexander IV. folgte.
Im Jahr der Fleischwerdung des Herrn 1255. An den Iden des Juni [13. Juni] ist unser Kloster nochmals vom ehrwürdigen Bischof Eberhard von Konstanz geweiht worden, und der Bischof selbst fing später auf den Rat der Klugen hin an, die Weihe dieses [Klosters] am Fest des heiligen Hieronymus [30. September] zu feiern. [Lücke] Es war üblich, [das Fest] vor dem Ausgang der 8. Kalenden des April [25. März] zu feiern.
1259. Es starb Abt Heinrich von St. Georgen; ihm folgte Dietmar.
1262. Es gab eine große Schlacht zwischen den Straßburgern und dem Herrn von Geroldseck, in dem der Herr Hermann, Sohn des Herrn von Geroldseck, und der Herr Heinrich von Tiersberg und viele andere Adlige getötet wurden, und viel mehr wurden von den Straßburgen gefangen genommen.
1267. Abt Dietmar von St. Georgen ist gefangen genommen worden von einem Ritter von Werenwag, der deswegen Lepra bekam. Im selben Jahr gab es einen Kampf zwischen dem Grafen Friedrich [V.] von Zollern und dem Grafen Albert [I.] von Hohenlohe, und der Graf Albert triumphierte, indem er viele gefangen nehmen konnte.
1268. In diesem Jahr wurde am Vorabend des heiligen Bartholomeus [23. August] [Lücke] in der Stadt Neapel von König Karl [von Anjou] der Herzog Konrad[in] von Schwaben enthauptet und mit ihm der Herzog von Österreich mit anderen 14 Adligen, [Lücke] und viele andere mehr sind getötet worden und viel mehr wurden gefangen genommen.
1269. In diesem Jahr geschahen große Überschwemmungen; und Abt Dietmar, tödlich verwundet, entsagte seinem Mönchsein am Tag der Apostel Philippus und Jakobus [1. Mai], der damals der Vorabend von [Christi] Himmelfahrt war.
1271. Papst Gregor [X.] wurde eingesetzt. Es starben die Grafen Konrad von Freiburg und Gottfried [I.] von Habsburg und viele andere im Krieg, den der König von Böhmen und der König von Ungarn [miteinander] hatten.
1272. In diesem Jahr starb Abt Berthold von St. Gallen.
1273. Graf Rudolf [IV.] von Habsburg ist damals zum König gekrönt worden.
1274. In diesem Jahr starb Bischof Eberhard [II.] von Konstanz; ihm folgte Rudolf [I.]. Papst Gregor versammelte sehr viele Bischöfe und Äbte verschiedener [Kirchen-] Provinzen und beging ein feierliches Konzil in Lyon.
1277. In diesem Jahr eroberte König Rudolf Österreich.
1278. In diesem Jahr gab es eine große Schlacht zwischen König Rudolf und dem König von Böhmen; in dieser Schlacht wurde der König von Böhmen mit 12 anderen Rittern getötet.
1279. Es starb Bischof Laurentius von Metz.
1280. Es starb Abt Dietmar; ihm folgte B[erthold].
1291. In diesem Jahr wurde das gesamte Heilige Land von den Sarazenen erobert, auch die hervorragende Hauptstadt Ptolemais [Akkon], und sowohl der Patriarch als auch die Kreuzritter aller dortigen Orden wurden mit dem ganzen Volk, bis zu einhunderttausend und mehr, getötet; und dieses Schlachten geschah am 14. Tag des Monats Mai. In diesem Jahr starb der römische König Rudolf.
1292. In diesem Jahr wurde Graf Adolf von Nassau zum römischen König gewählt.
1308. In diesem Jahr an den Kalenden des Mai [1. Mai] wurde der römische König Albrecht [I.] bei Brügge von seinem Neffen Johann [Parricida] getötet, dem er Herrschaft und Erbe gewaltsam entzogen und einbehalten hatte. [Der König] wurde zuerst von diesem zur Wiederherstellung seiner Besitzungen mit vielen Bitten und durch nachfragende Einwände anderer [gedrängt].
[...]
1627. B[ruder] Georg Gaisser von Ingolstadt ist [zum Abt] gewählt worden im Jahr 1627.

Bearbeiter: Michael Buhlmann

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