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Reichenau

Regesten & Quellen

Regesten und Quellen

Abt Ulrich II. von Dapfen (1088-1123)

[nach 1094?, um 1104?]

Abt Ulrich II. von Dapfen schreibt die Rechte und Pflichten des Reichenauer Vogtes Arnold von Goldbach fest.

(Echte?, gefälschte?, verfälschte?) lateinische Urkunde. Die voranstehende Urkunde ist nicht unproblematisch. Sie enthält Passagen, die so auch in Urkundenteilen aus Fälschungen von Diplomen auf die Karolingerherrscher Karl den Großen und Arnulf vorkommen. Der sog. "zweite" Reichenauer Fälscher hatte es sich im 1. Viertel des 12. Jahrhunderts zur Aufgabe gemacht, die damals für die Reichenau bedrückenden Vogteiverhältnisse durch solch "fromme Fälschungen" (pia fraus) "richtig" zu rücken. - POKORNY, Augiensia, Nr.32. - Regest

Ulrich, durch die Gnade Gottes Abt der Reichenauer Kirche, zusammen mit seinen Brüdern allen Getreuen dieser Kirche.

Nachdem wir in der Zeit der andauernden Kriege der königlichen und kaiserlichen Regierung entbehrten, ist allen offenbar, was wir unter der ungleichen Bedrückung an Ungerechtigkeiten erduldet haben besonders von jenen, die sich uns als Vögte und Verteidiger zeigen sollten, während sie darauf aus waren, sich in keiner Weise wie Untergebene und Getreue zu verhalten, sondern bedient zu werden wie Könige. Endlich haben wir deshalb nach dem Tod des Vogts Hermann es auf uns genommen, für die vom Vogt losgelösten und die in unsere Gewalt zurückgekehrten Rechte zu sorgen, um vielleicht einigermaßen solche Nachteile [der Vogtei] für die Kirche ausgleichen zu können. Deshalb habe ich, Abt Ulrich, mit Rat meiner Brüder und nicht zuletzt der Geistlichen, auch [mit Rat] sowohl der Freien als auch der uns treu ergebenen Hörigen dem Arnold von Goldbach diese Vogtei anvertraut, die von diesem zuvor in Treue und Tat empfangen worden war unter der Bedingung, dass er selbst nichts jenseits des ihm auferlegten oder geschuldeten Rechts schuldhaft sich anzueignen wagt. Dieses Recht oder diese Bedingung lautet so: Wir haben auch teils aus den aufgeschriebenen Privilegien der Kirche, teils aus langandauerndem eingeübten Nutzen heraus bestimmt und versichert, dass weder er [Arnold] selbst noch irgendein Vogt nach diesem in unserem Ort, d.h. auf der Insel Reichenau, das Recht hat, einen Gerichtstermin abzuhalten oder irgendeine gerichtliche Handlung durchzuführen, weil ja kein Laie dort den rechtmäßigsten Bann haben darf, es sei denn, er kommt vom Abt gerufen herbei und erfüllt dessen Willen oder Bitte. Wir haben auch drei andere Orte außerhalb der Insel bestimmt, die aus alter Gewohnheit heraus damit in Verbindung stehen und in denen - wie wir zugestanden haben - er [der Vogt] rechtmäßig jährlich einen Gerichtstermin hat, nämlich in Tettingen, Ermatingen und Wollmatingen bzw. Oberndorf, [oder] mehr [Gerichtstermine], wenn es beiden, nämlich dem Abt und dem Vogt, gefällt, solcherart, dass sie sich diesbezüglich abwechseln. Der Aufwand aber oder die Abgabe muss vom Abt an diesen Orten dem Vogt gegeben werden für jeden einzelnen der drei Orte, egal ob der Vogt einmal oder öfter einen Gerichtstermin hat: fünf Malter zum Brot und der übrige Aufwand werden einmal im Jahr gegeben, was errechnet fünfzehn Malter für das ganze Jahr ergibt. Der Vogt hält keinen Gerichtstermin ab außer nach dem Wunsch des Abtes. Von dem, was er bei Gericht [an Gefällen] einnimmt, gehören zwei Drittel dem Abt, das dritte dem Vogt. Er darf keinen dem Haus Gottes [der Reichenau] Dienenden ohne den Abt oder dessen Zustimmung zum Gericht zwingen. Er darf keinen von der Hofgenossenschaft ohne die gerechte Einbeziehung seiner Standesgenossen verurteilen und bestrafen. Er darf keinen Untervogt oder Vollstrecker ohne Erlaubnis des Abtes einsetzen. Keine eigenen Abgaben oder Dienste darf er von irgendeinem Ort oder Hof oder von den Kellern aus ihm geschuldetem und aus von ihm festgesetztem Recht heraus einfordern; aber er empfängt das, was ihm freiwillig gegeben wird. Er hüte sich davor, Herberge und Übernachtung in Anspruch zu nehmen. Wenn er in Allensbach Gericht halten will, bekommt er mit dem Dienstmann, den er gemeinsam mit dem Abt dort hat, das ihm dort zustehende Drittel [an Gerichtseinkünften], was er an Aufwand haben soll; wenn er nicht wegen irgendeines Gerichtsfalls vom Abt dorthin gerufen wird, wird ihm von diesem das, was sich gehört, entsprechend gewährt. Wenn irgendein Vogt dieses Beschlossene in entschlossener Frechheit überschreitet und nicht zu Verstand kommt, wird ebenso auch die Vogtei selbst mit den übrigen Rechten durch eine gerechte Untersuchung der Pflichtverletzung [ihm] wirklich entzogen werden.

Die Namen aber der Zeugen, die diese Vereinbarung oder den Beschluss hörten und gleichermaßen sahen, sind hier niedergeschrieben: Brüder: Dekan Werner, Ulrich, Rupert, Adelbert, Eberhard, Egino, Bertold; Freie: Graf Manegold [von Altshausen], Walther, Egilwart, Kuno, Eberhard; Dienstleute: Markwart, Berthold, Luitold, Adelbert, Hug, Markwart, Gottfried, Ruprecht, noch ein Hug, Ravenolt, noch ein Adelbert, Hildebold, Eberhard, Wolemar, Wolger.

Bearbeiter, Übersetzer: Michael Buhlmann