Theophanu
Äbtissin von Essen und Gerresheim (1039-1058)
Zu den bedeutenden Äbtissinnen der Essener und der Gerresheimer Frauengemeinschaft (Frauenstift) aus dem Mittelalter gehört Theophanu, die Enkelin Kaiser Ottos II. (973-983). Aus dem 11. Jahrhundert ist dabei aus der Essener Frauengemeinschaft ein eindrucksvolles mittelalterliches Schriftstück im Original überliefert. Es handelt sich um das sog. Testament der Äbtissin Theophanu. Diese einzigartige Geschichtsquelle sieht Theophanu an der Spitze zweier Frauengemeinschaften, eingebunden in ein Geflecht von Kirchen und geistlichen Institutionen, in Gottesdienst und Gebetsgedenken. Leben und Testament der Theophanu geben von daher nicht zuletzt Einblick in die Geschichte der Äbtissin u.a. als Bauherrin und Stifterin und in die Geschichte der mit ihr verbundenen Frauengemeinschaften im 11. Jahrhundert.
[um 997 oder nach 991 oder kurz nach 1000] #1
Theophanu wird als Tochter, als wohl eines der älteren Kinder von Pfalzgraf Ezzo (996-1034) und dessen Ehefrau Mathilde (†1025), der Tochter Kaiser Ottos II. (973-983), geboren.
Als Geburtsjahr der Theophanu wird auch angenommen ein Jahr kurz nach 1000. BUHLMANN, Testament, S.10. FREMER, Theophanu, S.48. - Zur Einordnung Theophanus in die ezzonische Pfalzgrafenfamilie s.: ABEL, Familie.
[vor 1039], [Essen?] #2
Theophanu erhält eine geistlich-religiöse Ausbildung als adlige Sanktimoniale.
FREMER, Theophanu, S.55.
1039, Essen #3
Theophanu wird - in der Nachfolge ihrer Tante Sophia (1011-1039) - zur Äbtissin der Frauengemeinschaft Essen gewählt.
Annales Hildeheimenses zu 1039 (= MGH SSrG 8, S.44); Brunwilarensis monasterii fundatorum actus, c.9 (= MGH SS 14, S.130); SEEMANN, Äbtissinnen von Essen, S.4. BUHLMANN, Testament, S.10; FREMER, Theophanu, S.55.
[1039? bzw. vor 1050er-Jahre bzw. vor 1056/58], Gerresheim #4
Theophanu wird - in der Nachfolge ihrer Tante Sophia (?) - Äbtissin der Frauengemeinschaft (Düsseldorf-) Gerresheim.
RhUB II 184. BUHLMANN, Testament, S.19; FREMER, Theophanu, S.56f.
1041 Juni 13, Essen #5
König Heinrich III. (1039-1056) verleiht auf Intervention des Kölner Erzbischofs Hermann II. (1036-1056) der Essener Äbtissin Theophanu das Recht, um das Fest der Heiligen Cosmas und Damian (25. September) einen Jahrmarkt abzuhalten. Der Markt soll zum Nutzen des Stifts geschehen, die Kaufleute u.a. sollen ohne Störung ihren Geschäften nachgehen.
Lateinische Originalurkunde; MGH DHIII 82; RhUB II 174. BETTECKEN, Essen, S.70-90; BUHLMANN, Testament, S.10f; FREMER, Theophanu, S.59. Quelle
[um 1050], Essen #6
Äbtissin Theophanu vollendet ein von ihrer Vorgängerin, Äbtissin Mathilde von Essen (971-1011), begonnenes Vortragekreuz (jüngeres Mathildenkreuz).
Essener Schatzkammer. FREMER, Theophanu, S.102.
[1050er-Jahre bzw. 1039-1058], [Essen] #7
Äbtissin Theophanu bestimmt anlässlich ihres Todes Stiftungen an die geistlichen Gemeinschaften und Kirchen Essen (Frauenstift), (Essen-) Werden a.d. Ruhr (Benediktinerkloster), (Essen-) Rellinghausen und Gerresheim (Frauenstift) zum Zweck von Messfeiern, Gebetsgedenken und Jahrgedächtnis.
Lateinische Originalurkunde als sog. Testament der Äbtissin Theophanu; RhUB II 176. BUHLMANN, Testament, S.13ff; FREMER, Theophanu, S.111-130. Quelle
[vor 1051 Juli 17] #8
Nach einem Gerichtsverfahren unter dem Kölner Domvogt Christian, der das Kloster Brauweiler und dessen Vogtei dem Erzbischof Hermann II. von Köln, Königin Richeza von Polen und Äbtissin Theophanu von Essen zuspricht, übergeben Letztere das ezzonische Hauskloster an das Kölner Erzbistum.
MGH DHIII 272; RhUB II 90. FREMER, Theophanu, S.59f.
1051 Juli 17, Kaufungen #9
Kaiser Heinrich III. bestätigt dem Kölner Erzbistum das Kloster Brauweiler und dessen Vogtei, die der erzbischöflichen Kirche von Erzbischof Hermann II. von Köln, Königin Richeza von Polen und Äbtissin Theophanu von Essen übergeben worden waren.
Urkunde des 12. Jahrhunderts in Diplomform; MGH DHIII 272; RhUB II 90. FREMER, Theophanu, S.59f.
[vor 1051 September 9], Essen #10
Äbtissin Theophanu gestaltet die Krypta der Essener Stiftskirche zur Außenkrypta um.
FREMER, Theophanu, S.88-91.
1051 September 9, Essen #11
Erzbischof Hermann II. von Köln weiht die unter Äbtissin Theophanu erbaute Außenkrypta der Essener Stiftskirche. Dabei schenkt Hermann Theophanu und dem Frauenstift Essen Reliquien des Heiligen Gorgonius (?).
Weihinschrift der Theophanukrypta. Ob die Aufschrift auf einem Reliquiardeckel betreffend den Heiligen Gorgonius im Zusammenhang mit der Weihe der Krypta steht, ist unklar. BUHLMANN, Testament, S.13; FREMER, Theophanu, S.73, 85, 88-91. Quelle
[vor 1054], Essen #12
Unter Äbtissin Theophanu wird der Chorbereich der Essener Stiftskirche umgebaut.
FREMER, Theophanu, S.92ff.
1054 November 17, Mainz #13
Kaiser Heinrich III. schenkt für das Seelenheil seiner Eltern (Konrad II. [1024-1039], Gisela) und seines Sohnes (Heinrich IV. [1056-1106]) dem Frauenstift Essen unter der Äbtissin Theophanu zehn Mansen in Westfalen.
Abschriftlich überliefertes Diplom; verfälscht; MGH DHIII 329; RhUB II 175. BUHLMANN, Testament, S.11ff; FREMER, Theophanu, S.59. - Vielleicht bestehen Zusammenhänge zwischen der Schenkung und der Weihe des Hochaltars in der Essener Stiftskirche. Quelle
1054, Essen #14
Erzbischof Hermann II. von Köln weiht den Hochaltar der Essener Stiftskirche.
Aufschrift auf einem Reliquiardeckel. FREMER, Theophanu, S.84.
[nach 1056 März 3], Gerresheim #15
Äbtissin Theophanu stiftet für die Sanktimonialen in Gerresheim Bekleidung und eine zusätzliche Versorgung mit Fisch.
Verfügungen Theophanus, eingetragen in einem Gerresheimer Evangeliar des 11. Jahrhunderts; RhUB II 184. BUHLMANN, Testament, S.18f; FREMER, Theophanu, S.56f. - Die Datierung ergibt sich aus der Nennung des Kölner Erzbischofs Anno II. (1056-1075). Quelle
[vor 1058], Essen #16
Äbtissin Theophanu vollendet den von ihrer Vorgängerin, Äbtissin Mathilde von Essen, begonnenen Schrein für Reliquien des heiligen Marsus.
Der Reliquienschrein wurde 1794 zerstört. FREMER, Theophanu, S.107ff.
[vor 1058], Essen #17
Äbtissin Theophanu lässt das Theophanu-Evangeliar mit aufwändig gestaltetem Buchdeckel (Kreuzigung Christi, Heilige Petrus und Paulus, Cosmas und Damian, Pinnosa und Walburga, Dedikation des Evangeliars durch Theophanu an die Gottesmutter Maria) anfertigen.
Essener Schatzkammer. Das Evangeliar ist nicht mehr erhalten, wohl aber der Buchdeckel. FREMER, Theophanu, S.96-100.
[vor 1058], Essen #18
Äbtissin Theophanu lässt das Theophanukreuz (ovaler Bergkristall, Kreuzreliquien) als Vortragekreuz und Kreuzreliquiar anfertigen.
Essener Schatzkammer. Das Kreuz nennt in einer Inschrift Theophanu als Stifterin. FREMER, Theophanu, S.102ff.
Unsicher: [vor 1058], Essen #19
Äbtissin Theophanu lässt das Kreuz mit den großen Senkschmelzen anfertigen (?).
Essener Schatzkammer; das Kreuz datiert in die (früh-) salische Zeit. FREMER, Theophanu, S.102.
Unsicher: [vor 1058], Essen #20
Äbtissin Theophanu lässt ein Kreuzreliquiar (Kreuznagel zwischen zwei Bergkristallplatten) anfertigen (?).
Essener Schatzkammer; das Reliquiar wurde im 14. Jahrhundert verändert. FREMER, Theophanu, S.104f.
Angeblich?: [vor 1058], Rellinghausen #21
Äbtissin Theophanu gründet eine Frauengemeinschaft in Rellinghausen (?).
Theophanu als Pröpstin von Rellinghausen wird erwähnt in einer Nachricht aus dem 18. Jahrhundert. DERKS, Gerswid und Altfrid, S.130f; FREMER, Theophanu, S.57f, 105.
Unsicher: [vor 1058], Essen - Rellinghausen #22
Äbtissin Theophanu stiftet ein Kreuz an die Kirche (Frauengemeinschaft?) in Rellinghausen.
Das Kreuz ist nicht mehr erhalten, hingegen abschriftlich die Inschrift des Kreuzes mit Verweis auf Theophanu als Stifterin. DERKS, Gerswid und Altfrid, S.129; FREMER, Theophanu, S.57f, 105.
Unsicher: [vor 1058], Essen - Rellinghausen #23
Äbtissin Theophanu schenkt der Kirche (Frauengemeinschaft?) in Rellinghausen ein (ezzonisches) Prunkschwert und einen (ezzonischen) Prachtschild.
Schwert und Schild sind nicht mehr erhalten. FREMER, Theophanu, S.57f, 105.
[1058] März 5 #24
Äbtissin Theophanu stirbt.
DRESEN, Memorien Gerresheim, S.165f; RIBBECK, Essener Necrologium, S.71; Kalksteinplatte mit Aufschrift im Sarkophag der Äbtissin im Essener Münster. Der Todestag wird in den mittelalterlichen Geschichtsquellen übereinstimmend als 5. März angegeben, das Todesjahr ist aus dem im Essener Liber ordinarius (14. Jahrhundert, 2. Hälfte) angegebenen Wochentag (Donnerstag) erschlossen. BUHLMANN, Testament, S.16; FREMER, Theophanu, S.91f, 95f. Quelle Quelle Quelle
Quellen, Literatur, Abkürzungen: ABEL, P., Die Familie der Äbtissin Theophanu von Essen, in: MaH 23 (1970), S.143-160; BETTECKEN, W., Stift und Stadt Essen. "Coenobium Astnide" und Siedlungsentwicklung bis 1244 (= QuS 2), Münster 1988; BGG = Beiträge zur Geschichte Gerresheims. Vortragspaper; BUHLMANN, M., Die Gerresheimer Äbtissin Theophanu (= BGG 2), Essen 2008; DERKS, P., Gerswid und Altfrid. Zur Überlieferung des Stiftes Essen (= EB 107), Essen 1995; DJb = Düsseldorfer Jahrbuch; DRESEN, A, Memorien des Stiftes Gerresheim, in: DJb 34 (1928), S.155-179; EB = Essener Beiträge; FREMER, T., Äbtissin Theophanu und das Stift Essen. Geschichte und Individualität in ottonisch-salischer Zeit, Bottrop-Essen 2002; MaH = Das Münster am Hellweg; MGH = Monumenta Germaniae Historica: DHIII = Die Urkunden Heinrichs III., hg. v. H. BRESSLAU u. P. KEHR (= MGH, Diplomata. Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser, Bd.5), 1936-1931, Ndr München 1980; SS = Scriptores in Folio; SSrG = Scriptores rerum Germanicarum; PubllGRhGkde = Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde; QuS = Quellen und Studien. Veröffentlichungen des Instituts für kirchengeschichtliche Forschung des Bistums Essen; RIBBECK, K., Ein Essener Necrologium aus dem 13. und 14. Jahrhundert, in: EB 20 (1900), S.29-135; RhUB II = Rheinisches Urkundenbuch. Ältere Urkunden bis 1100, Bd.2: Elten - Köln, St. Ursula, bearb. v. E. WISPLINGHOFF (= PubllGRhGkde LVII), Düsseldorf 1994.
Bearbeiter: Michael Buhlmann