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Mittelalterliche
Kalendarien, Martyrologien, Nekrologien

Überblick

Kalendarien, Kalender sind nach Tag, Monat und Jahr geordnete Verzeichnisse, die astronomische Gegebenheiten der Zeitrechnung abbilden. Daher können sie neben diesem Grundgerüst auch astronomische Kennzahlen wie Tagesbuchstaben oder Goldene Zahlen enthalten. Hinzu treten Fest- und Heiligentage im Rahmen einer "christlich-liturgischen Zeit" des Mittelalters. Kalender heißen nach den römischen Kalenden, dem ersten Tag eines Monats. Sie sind von anderen kalendarisch aufgebauten mittelalterlichen Geschichtsquellen wie Nekrologien (Memorienkalender, Totenbücher) und Martyrologien einerseits abgrenzbar, bilden aber offensichtlich deren Grundlage.
Nekrologien sind kalendarisch angeordnete Totenbücher. Die Totenbücher sind Ausdruck eines christlichen Toten- und Gebetsgedenkens (memoria) und damit Teil des liturgischen Alltags z.B. in einem mittelalterlichen Kloster. Insbesondere diente das kalendarisch verankerte Jahrgedächtnis in der christlichen Religion der Erinnerung dazu, Verstorbene um ihres Seelenheils willen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, mithin eine Gemeinschaft von Lebenden und Toten zu schaffen. Die Vorbereitung des Jahrgedächtnisses geschah dann u.a. durch Schenkungen, durch Stiftungen und testamentarische Verfügungen. So war gewährleistet, dass der Todestag des Tradenten jährlich im Sinne des Schenkenden begangen werden konnte. Vor dem Hintergrund des Gebetsgedenkens lässt sich ein Kalendar auch als Nekrolog verstehen, wenn es nur die christlichen Feiertage als allgemeine Gedenktage u.a. für die Heiligen enthält.
Die ebenfalls kalendarisch angeordneten Martyrologien erinnern an die christlichen Märtyrer, an die Heiligen, die in der christlichen Kirche des Mittelalters Verehrung erfuhren. Dabei werden die Heiligen nach ihren Todestagen angeordnet, die Todestage sind nach dem Kirchenjahr aufgeführt. Martyrologien beinhalten im Gegensatz zu den Kalendarien aber noch um die Nennung des Festtages hinausgehende Informationen zu dem/der Heiligen, etwa den Ort und die Umstände seines/ihres Todes betreffend (Plenar- und Kurzmartyrologien).
Allzu starr wird man dann die Begrifflichkeiten etwa von Kalendarium und Nekrolog nicht trennen können. Dies gilt insbesondere, wenn wir nun noch kurz die Kalendarien in ihrer zeitlichen Entwicklung betrachten. Vorläufer hatten die mittelalterlichen Kalendarien in den römischen Kalendern der Antike und Spätantike (Chronograph von 354). Das Kalendarium des angelsächsischen Missionars und Klostergründers Willibrord (†739) als liturgischer Text steht am Anfang der mitte-lalterlichen Kalender, im Verlauf des 8. Jahrhunderts treten kontinentale Kalender in Erscheinung, die karolingische "Kalenderreform" Kaiser Karls des Großen (768-814) wirkte mit ihren "Reformkalendern" (Lorscher Prototyp von 789) stilbildend für die Kalendarien der folgenden Jahrhunderte.
Dabei kam bei der Ausgestaltung des mittelalterlichen Kalenderwesens dem benediktinischen Mönchtum eine besondere Rolle zu. Schon die Benediktinerregel mit ihrer "gestundeten Zeit" definierte die Zeitordnung der Mönche, in deren Umkreis sich alsbald komputistische Werke wie die des Angelsachsen Beda Venerabilis (†735) oder eben kalendarisch-liturgische Texte fanden. Von der karolingischen "Kalenderreform" ausgehend, entfaltete sich die mittelalterliche Zeitrechnung, die in den Jahrhunderten des Spätmittelalters erstarren und erst mit der Gregorianischen Kalenderreform (1582) neue Impulse erhalten sollte.

Bearbeiter: Michael Buhlmann

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