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25. April 724: 1300 Jahre Kloster Reichenau

 

1300 Jahre Kloster Reichenau

Das um 724 gegründete Kloster Reichenau wurde unter den karolingischen Kaisern und Königen Reichsabtei. Überhaupt war das 9. Jahrhundert eine erste Blütezeit des Klosters, der in der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts unter dem Reformmönch Bern (1008-1048) eine zweite folgte. Im Einzelnen geht die Klostergründung auf den in irofränkischer Tradition stehenden Abtbischof Pirmin (†v.755) zurück, der wahrscheinlich mit Unterstützung des karolingischen Hausmeiers Karl Martell (714-741) und der alemannischen Herzogsfamilie auf der Bodenseeinsel Sindlezzeisauua eine Mönchsgermeinschaft stiftete. Auf Grund von bald einsetzenden politischen Spannungen musste Pirmin die Reichenau - lateinisch ist der Name im frühen Mittelalter als Augia, Augia maior und Augia dives überliefert - im Jahr 727 verlassen, trotzdem hielt sich das Kloster mit Unterstützung alemannischer Adelsfamilien. Die Einbeziehung Alemanniens in das fränkisch-karolingische Reich (746) machte aus der Reichenau in der Folgezeit ein karolingisches Reichskloster, das - mit freier Abtswahl, Immunität und Königsschutz begabt - über umfangreichen Grundbesitz verfügte und in dem sich im 9. Jahrhundert die "Kultur der Abtei Reichenau" entfaltete (Bibliothek und Skriptorium, Klosterschule, Gebetsverbrüderungen, Kirchen- und Klosterbauten). Die damaligen Äbte waren in Politik und Reichsverwaltung engagiert, der Konvent umfasste wahrscheinlich über 100 Mönche, die mönchische vita communis folgte nach der Zeit einer wohl irofränkischen Mischregel nun der Benediktinerregel. Abt Hatto III. (888-913) errichtete 898 eine dem heiligen Georg geweihte Kirche und Niederlassung in (Reichenau-) Oberzell, die neben das Kloster in Mittelzell und das vor 799 gegründete Niederzell trat. Hatto war zudem Mainzer Erzbischof (891-913) und leitete die geistlichen Gemeinschaften in Ellwangen, Lorsch und Weißenburg.
Für die 2. Hälfte des 10. und die 1. Hälfte des 11. Jahrhunderts ist eine weitere Vergrößerung des Klosterbesitzes feststellbar. Die Abtei war eingebunden in die ottonisch-salische Reichskirche, wie u.a. ein Verzeichnis von Panzerreitern (981) aus der Zeit Kaiser Ottos II. (973-983) oder die durch Kaiser Otto III. (984-1002) privilegierte versuchte Gründung eines Marktes in Allensbach zeigen. Auch öffnete sich das Adelskloster Reichenau den damaligen von Gorze und Cluny ausgehenden benediktinischen Reformbewegungen. Die Wende des Investiturstreits (1075-1122) machte aus der einstmals so dominierenden Reichsabtei allerdings eine nachrangige Mönchsgemeinschaft, der durch die Ministerialität des Klosters und auf Grund einer schlechten Verwaltung zunehmend und vielfältig Besitz und Rechte entzogen wurden. Konkurrenz bekam die Reichenau auch in Form der neuen benediktinischen Reformklöster der hochmittelalterlichen Kirchenreform. Trotz allem behauptete sich das Bodenseekloster insofern, dass die seit jeher bestehenden Verbindungen zur benachbarten Abtei St. Gallen wieder intensiviert wurden (Gebetsverbrüderung 1145) oder dass der Reichenauer Abt Diethelm von Krenkingen (1169-1206) auch als Bischof von Konstanz (1189-1206) eine wichtige Rolle in der Reichspolitik, z.B. während des deutschen Thronstreits (1198-1208), spielte.
Im späteren Mittelalter trat der wirtschaftliche und geistig-religiöse Niedergang der adligen Mönchsgemeinschaft vollends zutage, ein Klosterbrand von 1235 verstärkte diese Entwicklung, die auch zur Aufgabe der vita communis, des "gemeinsamen Lebens" der Mönche, führte. Letztere rekrutierten sich fast ausschließlich aus Hochadelsfamilien, doch deren gesellschaftliche Stellung zwischen Fürsten und Landesherren einerseits und Niederadel (Ministerialität) andererseits wurde zunehmend prekärer, so dass von Seiten des südwestdeutschen Hochadels die Unterstützung für das Kloster weitgehend fehlte. So ging der Ausverkauf Reichenauer Güter und Rechte weiter, obwohl es z.B. unter Abt Diethelm von Kastel (1306-1343) durchaus gegenläufige Entwicklungen gab (versuchte Wiederherstellung der vita communis, Marktrecht für Steckborn 1313, Inkorporation der Ulmer Pfarrkirche 1325/27). Ein Tiefpunkt - auch in geistlich-religiöser Hinsicht - war zweifelsohne erreicht, als es im Jahr 1402 nur zwei nichtpriesterliche Konventualen auf der Reichenau gab und der Neffe Graf Hans von Fürstenberg den Onkel Graf Friedrich von Zollern zum Abt wählte (1402-1427). Die Absetzung Friedrichs von Zollern im Jahr 1427 machte zumindest für eine gewisse Zeit den Weg für Reformen im Kloster frei. Unter Abt Friedrich von Wartenberg-Wildenstein (1427-1453) wurde die Reichenau auch für niederadlige Mönche zugänglich, das bisher aufrecht erhaltene Privileg des Hochadels auf die Besetzung der klösterlichen Pfründen erlosch damit. Infolgedessen stieg die Zahl der Konventualen wieder etwas an, das Kloster gesundete wirtschaftlich, was auch an verschiedenen Baumaßnahmen und der Erneuerung der Bibliothek ablesbar ist. Seit den 1460er-Jahren hielt indes wieder Misswirtschaft Einzug in das Kloster, während die habsburgischen Herzöge und Könige als Schutzherren spätestens nach dem Schwabenkrieg (1499) die Reichenau stärker ihrer Herrschaft eingliedern konnten. Hinzu kamen seit 1508 Streitigkeiten mit dem Konstanzer Bischof, der ebenfalls seinen Einfluss auf die Abtei zu steigern wusste. Nach einem Intermezzo mit bürgerlichen Mönchen aus Augsburg und Zwiefalten (ab 1509 und ab 1516) endete die Selbstständigkeit der Reichenau mit vielen Streitigkeiten unter Abt Markus von Knöringen (1508-1512, 1521-1540). Die Abtei wurde im Jahr 1540 als Priorat dem Konstanzer Bistum inkorporiert. 1803 erfolgte die Säkularisation.

Michael Buhlmann, Reichenau und St. Georgen. Reichsabtei und Reformkloster im Mittelalter, Essen 2010 [296 kB]
Michael Buhlmann, Der St. Georgener Klostergründer Hezelo und sein Sohn Hermann als Vögte des Klosters Reichenau. Der St. Georgener Abt Werner von Zimmern als Zeuge im Diplom Kaiser Heinrichs V. betreffend die freie Vogtwahl des Klosters St. Blasien, Essen 2011 [220 kB]
Michael Buhlmann, Die Klöster Reichenau und St. Georgen, die Baar und Schwenningen vom frühen zum hohen Mittelalter, Essen 2013 [501 kB]
Michael Buhlmann, Die Klöster St. Gallen und Reichenau, das Königtum, die Baar und Neudingen im frühen Mittelalter, Essen 2013 [566 kB]
Michael Buhlmann, Die Klöster St. Gallen und Reichenau, das Königtum, die Baar und Trossingen im frühen Mittelalter, Essen 2014 [543 kB]
Michael Buhlmann, Das Kloster Reichenau, das Königtum, die Baar und Donaueschingen im frühen Mittelalter, Essen 2014 [484 kB]

 

Reichenauer "Gründungsurkunde" (724 April 25) (Latein, Fälschung des 12. Jahrhunderts):

1524/25: Deutscher Bauernkrieg

 

1524/25: Deutscher Bauernkrieg im deutschen Südwesten

Die Unzufriedenheit großer Teile nicht nur bäuerlicher Untertanen (des "gemeinen Mannes") mit ihren Lebensverhältnissen führte in Südwestdeutschland zu einer Reihe von Aufständen. Der sog. Hegauer Bundschuh (1460) war eine Aufstandsbewegung gegen die Grafen von Lupfen in der an diese verpfändeten Herrschaft Hewen. Es folgten Bundschuhaufstände im Bistum Speyer (1502), im Breisgau (1513) und am gesamten Oberrhein (1517), die, geprägt vom bischöflich-speyerischen Leibeigenen Jos Fritz (*ca.1470?-†ca.1524), eine zunehmende Radikalisierung und Breitenwirkung erkennen lassen. Der Aufstand des "Armen Konrad" (1514) resultierte aus der Steuerpolitik der württembergischen Regierung, war auf die Ämter Schondorf, Leonberg und Urach beschränkt und wurde zum Teil militärisch niedergeschlagen. Im 1524 in der Landgrafschaft Stühlingen ausgebrochenen Bauernkrieg verband sich die sich rasch ausdehnende Aufstandsbewegung mit programmatischen Forderungen der Bauern (Zwölf Artikel: persönliche Freiheit, Rechtssicherheit, Gemeindeautonomie usw.). Der Zerstörung bzw. Plünderung von Klöstern und Schlössern, der Eroberung bzw. Kapitulation von Städten (Bruchsal, Freiburg, Waldshut) folgte vielfach die militärische Niederlage der Bauern durch den Schwäbischen Bund (Schlachten bei Leipheim, Böblingen und Königshofen 4. April, 12. Mai, 2. Juni 1525).

 

... und Vergangenes