Quellen zur Geschichte Gerresheims

1311 August 15, Grozeau:

Kunigunde von Berg als Gerresheimer Äbtissin

Zwei Frauen stehen in der Gerresheimer Stiftsgeschichte des ersten Drittels des 14. Jahrhunderts im Vordergrund: Kunigunde von Berg, die Schwester Graf Adolfs VI. (1308-1348), die im Alter von nur 26 Jahren Äbtissin wurde, und Martha von Öttgenbach, die Kunigunde in der Leitung des Stifts nachfolgte. Beide blieben als Äbtissinnen nicht unumstritten - Kunigunde wegen ihrer nicht kanonischen Wahl und dem jugendlichen Alter, Martha wegen ihres Streits mit der vom Stift als Äbtissin vorgesehenen Dechantin Beatrix von Virneburg. Der erste von drei Papstbriefen behandelt Wahl und Amtseinführung der Kunigunde von Berg. Offensichtlich war Kunigunde, bis dahin Pröpstin des Stifts Rellinghausen, von einem mit der Wahl beauftragten Gremium, bestehend aus "den Priestern und Kanonikern jener Kirche", bestimmt worden. Dies hatte Papst Clemens V. (1305-1314) zwar akzeptiert; er zweifelte aber an der Eignung der Kandidatin und beauftragte so "die Äbte der Klöster Altenberg und Siegburg", ihre Geeignetheit festzustellen, um sie dann "in das Äbtissinnenamt der genannten Kirche des heiligen Hippolyt" einzuführen. Die im Brief Papst Clemens' genannten Orte Grozeau, Malaucene und Vaison liegen nordöstlich von Avignon; zur Erinnerung: Clemens V. war der Papst, der nach Avignon übersiedelte (sog. babylonische Gefangenschaft der Kirche 1309-1378).

[Clemens V.] an die Äbte der Klöster Altenberg und Siegburg in der Diözese Köln. Zur Ausführung des pastoralen Amtes ... Vor kurzem ist die weltliche Kirche des heiligen Hippolyt in Gerresheim (Diözese Köln), in der sowohl weltliche Kanoniker als auch die Gemeinschaft der weltlichen Stiftsdamen von alters her leben, nach dem Tod der Äbtissin Christine vakant geworden; die geliebten Söhne Kanoniker und die geliebten Töchter in Gott, die Dechantin und das Kapitel jener Kirche, die von alters her und durch eine rechte und bisher friedlich beachtete Gewohnheit die Wahl der Äbtissin durchgeführt haben, haben auf dem Weg der Übereinkunft ... den Priestern und Kanonikern jener Kirche - Winrich, genannt der Pfarrer, Heinrich von Eller, Lehrer Friedrich und Hermann, genannt Stedinch - die Vollmacht gegeben, statt der Stiftsdamen und den anderen jener Kirche eine Äbtissin zu bestimmen, wie es ihnen gefällt ... Und so richteten diese Beauftragten ... ihre Augen einmütig und einträchtig auf Kunigunde, genannt von Berg, Pröpstin der weltlichen Kirche des heiligen Märtyrers Lambertus in [Essen-] Rellinghausen in genannter Diözese, sechsundzwanzig Jahre genau oder ungefähr alt; sie wurde in legitimer Ehe gezeugt, in geistlichen und weltlichen Dingen ausgebildet, und durch ihren Fleiß konnte die vorgenannte Kirche in diesen geistlichen und weltlichen Dingen glücklich mit Autorität dem Herrn erhalten werden und die anwachsenden Gaben durch Rat und Tat empfangen; und derselbe Winrich, genannt der Pfarrer, schlug ... in Übereinstimmung mit seinen Genossen ... die vorgenannte Kunigunde für das Äbtissinnenamt jener Kirche des heiligen Hippolyt vor und machte diesen Wunsch feierlich den besagten Kanonikern und dem Kapitel bekannt. Nachdem deshalb der Beschluss dieses Vorschlags uns zugeleitet worden war ... und von uns demütig erbeten wurde, dass wir diesem Vorschlag zustimmen, ... haben wir diesen Vorschlag durch den ehrwürdigen Bruder Leonard, Bischof von Alba [nördlich Avignon], ... den Priester Johann von St. Marcellinus und Petrus und Petrus von Columna der heiligen römischen Kirche [in Rom] sorgfältig untersuchen lassen, die uns darüber getreu berichtet haben. Und wenn wir auch dem vorgenannten Vorschlag bzgl. der genannten Stiftsdame Kunigunde löblich finden, so vermögen wir oben genanntem Vorschlag nicht zustimmen, weil dennoch das volle Vertrauen in die Geeignetheit jener Person uns jetzt noch fehlt; ... wir anvertrauen [daher] eurem Urteil, dass ihr oder ein anderer von euch sorgfältiger die Wahrheit über die Verdienste der genannten Person Kunigunde untersucht; wenn ihr jene als fähig und geeignet zur Leitung der Kirche des heiligen Hippolyt findet, ... so sorgt dafür, dass der vorgenannte Vorschlag bzgl. jener [Person] mit unserer Zustimmung durchgeführt und jene Kunigunde in das Äbtissinnenamt der genannten Kirche des heiligen Hippolyt eingeführt wird; ... ihr empfangt danach von dieser in unserem und der römischen Kirche Namen den üblichen Treueid gemäß dem Wortlaut, den wir euch verschlossen mit unserer Bulle schicken. Den Wortlaut des Eides aber, dass jene [dem Stift] vorsteht, sollt ihr Wort für Wort in einem offenen Brief, der durch ihr Siegel gekennzeichnet ist, durch einen ei-genen Boten uns rasch übermitteln. Gegeben im Priorat Grozeau bei Malaucene in der Diözese Vaison, an den 18. Kalenden des September im sechsten Jahr [des Pontifikats]. [Buhlmann]

Urkundenregister Papst Clemens' V.; in Latein. - Sauerland, Urkunden und Regesten, Bd.1, S.161f, Nr.341.