Rezensionen (Geschichte)
D
D'Arcy Wood, Gillen (2014), Vulkanwinter 1816. Die Welt im Schatten des Tambora, Darmstadt 2015, 336 S., Schwarzweißabbildungen, € 24,95. I. Der Ausbruch des Vulkans Tambora auf der indonesischen Insel Sumbawa am 10. April 1815 war einer von einigen heftigen tropischen Vulkanausbrüchen in der Geschichte der Menschheit, die das Klima der Erde global und massiv beeinflussten. Der Ausbruch des Tambora gehört klimatisch in die zu Ende gehende "Kleine Eiszeit" (ca.1250-1850), die wahrscheinlich durch eine Reihe von Vulkaneruptionen - beginnend mit dem von 1258 - eingeleitet worden war. Die Vulkanausbrüche des Mount Kuwae (1452) und des Huaynapituna (1600) begleiteten die "Kleine Eiszeit", der Ausbruch des Krakatau (1883) steht am Ende dieser Klimaepoche. Dabei war der Ausbruch des Tambora die stärkste Eruption eines Vulkans im 2. Jahrtausend n.Chr. II. Von der Explosion des Vulkans Tambora (heutige Caldera) im April 1815 und von den Lavaströmen waren rund 560 qkm der Insel Sumbawa und das "Goldene Königreich Tambora" nebst seinen Einwohnern unmittelbar betroffen, der Ascheregen zog in westlicher Richtung bis nach Bali, Borneo und Java. Während aber die Vulkanasche alsbald abregnete, verblieb die bei der Explosion entstandene Wolke von stratosphärischen Aerosolen lange in der Atmosphäre, wo sie sich ausbreitete. Sie beeinflusste mithin in den folgenden Jahren bis 1818 das Wetter weltweit. In Europa war 1816 das "Jahr ohne Sommer", die Temperaturen, in den 1810er-Jahren sowieso schon niedrig, sanken im Durchschnitt noch weiter, Ernten konnten durch das kalte, regnerische und stürmische Wetter nicht eingebracht werden, die letzte Hungersnot (der europäischen Unterschichten) hatte Europa im Griff (Anfänge eines staatlichen Sozialwesens). Dies betraf insbesondere Irland, wo sich zudem - unter dem Verhängnis eines politischen laisser-faire - eine Fleckfieberepidemie ausbreitete. Nicht zuletzt fand die Klimakatastrophe auch ihren Niederschlag in Kunst (Gemälde Caspar David Friedrichs u.a.) und Literatur (Schriftstellerkreis um Mary und Percy Shelley, Mary Shelleys Roman Frankenstein), während Großbritannien auf Grund der durch das veränderte Klima zunehmend eisfrei werdenden Arktis wissenschaftliche Schiffsexpeditionen auf die Suche nach der Nordwestpassage schickte (John Barrow, Bernard O'Reilly, William Scoresby u.a.) und der Eis-Tsunami, der 1818 das schweizerische Val de Bagnes unter sich begrub, am Anfang von wissenschaftlichen Theorien über Gletscher und Klimawandel steht (Ignaz Venetz u.a.). In Indien und Bengalen war eine Folge der durch den Vulkanausbruch entstandenen kurzfristigen Klimaänderung das Ausbleiben des Monsuns bei drastischen Ernteausfällen, die in Bengalen zu verortende Cholera breitete sich - infolge des Klimawandels genetisch verändert - epidemisch aus und sollte innerhalb der nachfolgenden Jahrzehnte auch Europa (1830/31) und Nordamerika (1832) erreichen. In der chinesischen Provinz Yunnan lag ebenfalls die Reisproduktion darnieder, Gegenmaßnahmen des Kaiserreichs erfolgten hier ab dem Jahr 1817 (Dichtungen Li Yuyangs). Für Nordamerika kann eine Wetterverschlechterung für das Gebiet östlich der Appalachen an dem Jahr "Achtzehnhundertunderfroren" (1816) nachgewiesen werden, während westlich der Gebirgskette günstiges Klima vorherrschte mit den Konsequenzen einer Westwanderung (Ohio, Missouri, Illinois) und der damit einhergehenden Bodenspekulationen (Depression 1819/22). Die unterschiedlichen Klimate in Europa und Nordamerika spielten schließlich in den damaligen (Mensch- und) Klimatheorien eine Rolle (George Louis Leclerc de Buffon, Thomas Jefferson). Vgl. Shelley, Mary (1818), Frankenstein. The 1818 Text, Contexts, Criticism, hg. v. J. Paul Hunter (1996) (= A Norton Critical Edition), New York-London 22012, 524 S., Abbildungen, $ N.N.; Shelley, Mary (1818), Frankenstein (= Penguin Popular Classics), London 1994, 215 S., £ N.N. [Buhlmann, 07.2015, 10.2016, 04.2017]
DA = Deutsches Archiv zur Erforschung des Mittelalters
Dabhoiwala, Faramerz (2014), Lust und Freiheit. Die Geschichte der ersten sexuellen Revolution, Stuttgart 2014, 536 S., Schwarzweißabbildungen, € 29,95. An der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert kam es in Großbritannien - erkennbar bei Mittel und Oberschicht - zu einem vielfältigen Wandel in der Einstellung zur Sexualität, die bis dahin durch den mittelalterlichen Wertekanon stark bestimmt war. Eine offenere und vielfältigere Sexualität entstand vor dem Hintergrund der Epoche der Aufklärung, die Grenzen von Sexualität wurden ausgelotet, neue sexuelle Modelle erfahrbar. Dabei galt es Widerstände, Repressionen, Kontrollen und bis dahin gültige Moralvorstellungen bei öffentichen Strafmassnahmen zu überwinden. Es bildete sich eine sexuelle Freizügigkeit heraus, freilich eher für Männer, freilich eher für die Ober- und Mittelschicht, während die Rolle der Frau innerhalb der Sexualität auch neu bestimmt wurde (weibliche Sexualität, Bewertung der Prostitution, aktivere männliche Sexualität). Persönliche Freiheit im Sexuellen entsprach einer durch Aufklärung und städtische Lebensweise bedingten moralischen Vielfalt, die mittelalterliche Autoritätsformen ersetzte. Freilich galten die Grenzen zwischen "natürlichem" und "unnatürlichem" Verhalten, zwischen Pornografie und "Anstand", zwischen Öffentlichkeit und Privatem. Damit schuf die "neue Sexualität" des 17./18. Jahrhunderts die Voraussetzungen für die moderne Sexualität (viktorianisches Zeitalter, 20./21. Jahrhundert). [Buhlmann, 08.2014]
Daco, Pierre (1993), Psychologie für jedermann, Frankfurt a.M. 82002 > P Psychohistorie
Dänische Geschichte:
I. Die Anfänge Dänemarks reichen in die Wikingerzeit des 8. Jahrhunderts n.Chr. zurück. Königtum und Gefolgschaften bei wechselnden (durch die Geschichtsquellen kaum zu klärenden) Machtverhältnissen machten die Wikingerzeit aus, der um 800 einsetzenden "Reichssammlung" unter einem großräumig herrschenden, auf Zentralisierung dringenden Königtum zum Trotz. Die (dänischen) Wikingerzüge des 9. Jahrhunderts waren Handels- (Handelszentrum Haithabu), Raub- und Siedlungsunternehmen (auch unter königlicher Führung) hauptsächlich gegen die westeuropäischen Küstenregionen Sachsens, Frieslands, Englands (Danelag) und des Frankenreichs. Umgekehrt sicherten dänische Könige ihren Machtbereich durch Anlage und Verstärkung des Danewerks (ab ca.700) gegen die slawischen Stämme Ostholsteins oder das Frankenreich.
Die politische Einigung Dänemarks erfolgte erstmals unter dem zum Christentum übergetretenen König Harald Blauzahn (ca.960-987), der im Kampf gegen sein Sohn Svend Gabelbart (987-1014) unterlag. Auch Norwegen (Seeschlacht bei Svolder [1000] gegen den norwegischen Herrscher Olaf Tryggvason) und England (angelsächische Tributpflicht [Dänengeld]) gehörten zum weiteren Machtbereich Svends, der seine Herrschaft nach innen durch den Bau von Lagerburgen (Aggersborg, Fyrkat, Nonnebakken, Trelleborg) sicherte.
Svends Sohn Knut der Große (1018-1035) herrschte über Dänemark, Norwegen und England, festigte die Beziehungen des Königtums zur sich in Dänemark etablierenden christlichen Kirche (Kirchenbauten, Schenkungen und Privilegien, Bistümer Arhus, Lund, Odense, Ribe, Roskilde, Schleswig, Vendsyssel zunächst als Suffragane des Erzbistums Bremen-Hamburg). Das Reich Knuts zerfiel nach dessen Tod, die dänische Expansion nach Westeuropa hörte ausgangs des 11. Jahrhunderts auf, die dänischen Könige des 12. Jahrhunderts suchten durch die Stärkung ihrer wirtschaftlichen (Großgrundbesitz, Abgaben) und politischen Macht (Ledingspflicht [Heeresfolge] der Freien, Rittertum und Magnaten, Kirche und Gesetzgebung [Gottesgnadentum, Landschaftsthinge von Jütland, Seeland und Schonen], Wahlkönigtum und Thronkämpfe). Hervorzuheben ist diesbezüglich die Rolle König Waldemars I. (1157-1182), dem eine Festigung der Königsherrschaft nach einer Phase der Schwäche und des Bürgerkriegs (12. Jahrhundert, Mitte) durch Christianiserung und Machausweitung gelang (Errichtung der Kopenhagener Burg, Militäraktionen gegen Wenden und Eroberung Rügens [Zerstörung des heidnischen Kultzentrums Arkona]). Die dänische Expansionspolitik im Ostseeraum wurde von Waldemars Söhnen Knut VI. (1182-1202) und Waldemar II. (1202-1241) weitergeführt (Unterwerfung Holsteins, Abhängigkeit Mecklenbursg und Pommerns, Sieg bei Lyndanisse gegen die Esten [1219]).
Eine mehrjährige Gefangenschaft Waldemars II. (ab 1223) sowie das starke Aufkommen der (deutschen Kaufleute-, Städte-) Hanse im Fahrwasser einer pax Danica in der Ostsee beendete mit der Niederlage Waldemars gegen Holsteiner und Stadt Lübeck in der Schlacht bei Bornhöved (1227) die dänische Expansion. Dänemark musste sich in den folgenden Jahrhundert immer wieder mit der Hanse auseinandersetzen; für den hansischen Handel waren die Heringsmärkte in Schonen (Handelsmonopol) ebenso bedeutsam wie die freie Durchfahrt der Kaufleute durch den Öresund und die Belte (bei Ausschaltung hansischer Konkurrenz). Nach dem Tod Waldemars (1241) kam es zu dynastischen Auseinandersetzungen; die Kirche und ein erstarkender Adel bestimmten wesentlich die Politik in Dänemark mit (Handfesten der gewählten Könige, Zoll- und Steuerpolitik des Königtums, wirtschaftliche Schlechterstellung der Bauern und Bauernrevolten [1313]). Der politische und wirtschaftliche Niedergang Dänemarks gipfelte in der faktischen Regentschaft des Grafen und Pfandherrn Gerhard von Holstein (†1340) während einer Thronvakanz (1332-1340), in der Ermordung Gerhards (1340) und der Konsoliderung dänischer Macht gegen Holsteiner und Schweden (Besetzung Schonens) unter König Waldemar IV. Atterdag (1340-1375). Dem Verkauf Estlands an den Deutschen Orden (1346) folgte nach einem dänischen Übergriff auf Gotland (1361) der Krieg gegen die Hanse, der mit der dänischen Niederlage und dem Frieden von Stralsund (1370) endete.
Das Gegeneinander von Königtum und Magnaten bestimmte die dänische Politik auch nach dem Tod Waldemars (1375). Immerhin konnte Waldemars Tochter Margaretha (1375/87-1412) in Übereinstimmung mit dem Reichsrat als Magnatengremium die Regentschaft über Dänemark behaupten, sich auf Grund ihrer 1363 erfolgten Heirat mit dem norwegischen König Hakon VI. (1343-1380) auch die Regentschaft über Norwegen erlangen (1380) und schließlich die über Schweden (1389, gegen Albrecht von Mecklenburg). Margarethas Großneffe Erich (VII.) von Pommern (1388/96/1412-1439) sollte die drei Länder der Kalmarer Union (Vertragsentwurf von 1397) erben. Erich versuchte gegenüber der Hanse unabhängiger zu werden (Stützpunkte für nichthansische Kaufleute, Handelsprivilegien für Malmö, Residenzstadt Kopenhagen, Zollerhebung am Sund [1429, Sundzoll]). Erik scheiterte jedoch mit seiner Politik am Widerstand in den nordischen Königreichen und wurde abgesetzt (1439). Eriks Nachfolger Christoph (III. von Bayern, 1440-1448) konnte immerhin die Macht der Hanse durch Bevorzugung des stark aufgekommenen holländischen Seehandels einschränken. Nach Christophs frühem Tod (1448) regierte mit Christian I. (1448-1481) der erste Oldenburger in Personalunion Dänemark, Norwegen und Schweden. Christian wurde 1460 zudem Herzog von Schleswig und Graf von Holstein, womit die südlich Dänemark liegenden Landschaften seiner Herrschaft angegliedert wurden. Er war auch erfolgreich bei wirtschaftspolitischen Maßnahmen (einheimischer Handel, Bevorzugung holländischer Kaufleute, jedoch auch Verpfändung der Orkney- und Shetlandinseln an den schottischen König [ohne spätere Wiedereinlösung]) und bei der Beschneidung der Macht von Magnaten und Reichsrat,
wobei sich die Adelsfamilien ständisch immer mehr von den Nichtadligen abschlossen, während sich die wirtschaftliche und rechtliche Lage weiterhin verschlechterte.
II. Die Dynastie der Oldenburger Herrscher behauptete sich auch unter den Königen Hans (1481-1513) und Christian II. (1513-1523), wobei auch die Oldenburger Nebenlinie in (Schleswig-) Gottorf eine Rolle spielte. Christian II. praktizierte eine Politik zu Gunsten des städtischen Bürgertums, konnte sich doch gegen einen Aufstand der Schweden unter Gustav Wasa (Stockholmer Blutbad 1520) nicht behaupten. Der dänische Reichsrat wählte schließlich Christians Neffen Friedrich von Gottorf (1523-1533) zum König, Christian verlor die Herrschaft über Dänemark und Schweden (1523), indem er außer Landes ging, um schließlich nach einer misslungenen Rückkehr 28 Jahre in Gefangenschaft zu verbringen (1531-1559).
Unter Friedrich I. begann in Dänemark die lutherische Reformation (1526, Priester Hans Tausen), die sich nach der sog. Grafenfehde (1534/36, Hansestadt Lübeck, Grafen von Oldenburg und Hoya gegen Dänemark, Schweden und Holland) unter König Christian III. (1534-1559) vollends durchsetzte. Letzterer war es auch, der die dänische Staatsverwaltung erfolgreich modernisierte, Grundlage u.a. einer wirtschaftliche Blüte innerhalb von (adliger) Landwirtschaft (Exporte, Gutswirtschaft) und (bürgerlichem) Handel (Kaufmannsstädte, Isländische Kompanie [1602], Asienkompanie [1616], Afrikakompanie [1656], Westindische Kompanie [1671], wirtschaftliche Schwerpunktverlagerung in die Städte).
Außenpolitisch kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen im Ostseeraum zwischen Dänemark und Schweden, wo sich die Dynastie Gustav Wasas (1523-1560) als Könige gegen dänische Ansprüche vollends durchsetzen konnte (dänisch-schwedischer Krieg 1563/70 [Versenkung einer dänischen Flotte vor Bornholm 1563, Sundsperre 1565/66, Frieden von Stettin 1570]; dänisches Eingreifen in den Dreißigjährigen Krieg [Niederlage am Barenberge 1626, Frieden von Lübeck 1629], dänisch-schwedischer Krieg 1643/45 [Frieden von Brömsebro 1645, Verlust der Inseln Gotland und Ösel sowie norwegischer Provinzen], Verlust von Halland 1645/58).
Aus der Krise des dänischen Wahlkönigtums nach dem Tod König Christians IV. (1588-1648) (Handfeste von 1648, Existenzkrise Dänemarks 1658/60 [Inkompetenz des Reichsrates, Promogeniturrecht des dänischen Königs in den Herzogtümern Schleswig und Holstein 1650, dänischer Revanchekrieg gegen Schweden 1657/60, Frieden von Roskilde 1658, Verlust Schonens 1658, zeitweiliger Verlust Bornholms und Trondheims, Belagerung Kopenhagens 1659/60, Frieden von Kopenhagen 1660]) gelang König Friedrich III. (1648-1670) unter Beteiligung von Geistlichkeit und Bürgertum als dänische Stände (Kopenhagener Ständeversammlung 1660) die Durchsetzung von Steuerreformen, Erblichkeit des Königtums und Alleinherrschaft (Absolutismus) bei Ausschaltung von Reichsrat und Magnaten (Königsgesetz Lex regia von 1665; "vertragsförmiger Staatsstreich"). Es folgte ein Phase der Staatsmodernisierung u.a. in Verwaltung, Regierung, Rechtsprechung (Oberstes Gericht, Danske Lov von 1683) und Militär (Bauernmiliz, Kriegskommissare, Kriegsflotte), nicht jedoch in Hinblick auf die Stellung der vom Adel abhängigen dänischen Bauern.
Nach unentschiedenem dänisch-schwedischen (Schonischen) Krieg von 1675/78 (dänische Siege in den Seeschlachten vor Öland [1676], in der Kogebucht [1677]) und einem misslungenen Angriff auf Schweden (1710) im Rahmen des Großen Nordischen Krieges (1700-1721, schwedische Niederlage bei Poltawa 1709, Frieden von Nystad 1721) kam es im weiteren Verlauf des 18. Jahrhunderts zu einer politischen Annäherung zwischen Dänemark und Schweden bei Formierung einer dänischen Neutralitätspolitik.
III. Das Jahrhundert der Aufklärung erlebte weitere Reformen im dänischen Königreich (1770er-Jahre: Johann Friedrich Struensee und dessen Sturz [1772], Abschaffung der Zensur [1770], Dänisch als Amtssprache, Indeginatsgesetz [1776], Geheimer Staatsrat; Bauernfrage und Flurbereinigung [1781], Übergang zu neuen Anbautechniken, Aufhebung der Schollenbindung [1788], Bauernbefreiung und Landreform; Handelsbürgertum und blühender dänischer Seehandel).
Französische Revolution (1789) und napoleonisches Europa sahen Dänemark zwischen Großbritannien und Frankreich (dänische Niederlage auf der Kopenhagener Reede 1801, Kontinentalsperre 1806, Bombardement Kopenhagens 1807). Im Frieden von Kiel (1814) verlor Dänemark Norwegen und Helgoland, auf dem Wiener Kongress (1815) gewann es das Herzogtum Lauenburg.
Das 19. Jahrhundert war geprägt von weiteren Reformen (Landreform und Abschaffung der letzten Feudalrechte auf dem Land [bis 1853], Agrarkonjunktur) sowie - unter dem Eindruck der Revolutionen von 1830 und 1848 - von einer politischen Beteiligung des dänischen Volkes (beratende Ständeversammlungen 1831, Verfassungsänderung von 1848, politische Parteien). Die Ausformung eines dänischen Einheitsstaats unter Einschluss der Herzogtümer Schleswig und Holstein (gegen einen schleswig-holsteinischen Verfassungsentwurf) führte zum Bürgerkrieg (1848/51) und zum Londoner Vertrag (1852), zur versuchten Eingliederung Schleswigs nach Dänemark (Sprachenstreit) und schließlich zum Krieg zwischen Dänemark und Deutschem Bund (1864), der mit einer dänischen Niederlage und dem Verzicht auf Schleswig, Holstein und Lauenburg endete (, die schleißlich an das Königreich Preußen kamen).
IV. Industrialisierung und politischer Wandel (Venstre, Konservative, Sozialdemokraten, parlamentarische Monarchie 1901 [Folketing, Wahlrecht]) bestimmten die letzten Jahrzehnte des 19. und das beginnende 20. Jahrhundert. Im Ersten Weltkrieg (1914-1918) nahm Dänemark gegenüber Deutschland eine wohlwollende Neutralität ein, was auch von Großbritannien akzeptiert wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg fiel das nördliche Schleswig zurück an Dänemark (Osterkrise von 1920). Die Zwischenkriegszeit war geprägt u.a. von der Weltwirtschaftskrise (1929) bei einem dennoch stabil bleibenden demokratischen System (unter der Sozialdemokratie [ab 1929]). Ab 1933 war eine vorsichtige Politik gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland geboten ("Ostersturm" 1933, Nichtangriffspakt 1939, deutscher Überfall auf Dänemark [9. April 1940]).
Das von deutschen Truppen besetzte Dänemark verblieb im Zweiten Weltkrieg (1939-1945) ab 1940 unter einheimischer Regierung bei zunächst zurückhaltender Besatzungsmacht (keine deutsche Zivil- und Militärverwaltung, dänische "Zusammenarbeitspolitik" unter dem Sozialdemokraten Thorvald Stauning). Erst das Aufkommen einer dänischen Widerstandsbewegung (1942) verschärfte deutsch-dänische Gegensätze. Nach den vom NS-Regime unbeeinflussten Parlamentswahlen vom März 1943 kam es im August 1943 zum politischen Bruch mit dem Rücktritt der dänischen Regierung. Die "Staatskollaboration" ging indes weiter ("Regierung" der Staatssekretäre), Dänemark blieb formal selbstständig und souverän, den jüdischen Bewohnern Dänemarks gelang mit Unterstützung der Bevölkerung die Flucht nach Schweden (Oktober 1943); es herrschte zudem kein Kriegszustand, erst mit dem 5. Mai 1945 wurde Dänemark Kriegspartei auf Seiten der alliierten Mächte gegen Deutschland.
In der Nachkriegszeit sollte sich Dänemark - vielfach unter sozialdemokratischer Führung - zu einem Wohlfahrtsstaat entwickeln (Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen 1945, Mitgliedschaft in der NATO 1949, Nordischer Rat 1952, Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft/Union 1973; wirtschaftliches Wachstum und Sozialstaat, Urbanisierung und Wohlstandsgesellschaft, Wirtschaftkrisen [1970er-Jahre u.a.] und politische Zersplitterung, Modifizierungen am Wohlfahrtsstaat, Außenpolitik im 21. Jahrhundert) (nach: Bohn, Dänische Geschichte).
Zur Geschichte Dänemarks s.:
Bohn, Robert (2001), Dänische Geschichte (= BSR 2162), München 22010 > Bohn, Dänische Geschichte;
Brondsted, Johannes, Norlund, Poul (1941), Seks Tvaersnit af Danmarks Historie, Kopenhagen 31961, 179 S., Schwarzweißtafeln, Karte, DKr 9,50.
[Buhlmann, 04.2017, 07.2019]
Dahlheim, Werner (1987), Julius Caesar. Die Ehre des Kriegers und der Untergang der römischen Republik (= SP 5218), München 1987 > C Caesar
Dahlheim, Werner (2013), Die Welt zur Zeit Jesu, München 2013, 492 S., Schwarzweißabbildungen, Umschlagkarten, Karten, Zeittafel, € 26,95. Die historische Entwicklung in Mittelmeerraum und Vorderen Orient in den Jahrhunderten um Christi Geburt zentriert sich um das 1. vorchristliche und 1. nachchristliche Jahrhundert, als das römische Reich im östlichen Mittelmeerraum die Nachfolge der hellenistischen Staaten antrat. Vor dem Hintergrund der nach dem Tod König Herodes (37-4 v.Chr.) eingerichteten römischen Provinz Judäa spielte sich dann Leben und Tod des durch seine Wundertaten ausgzeichneten Wanderpropheten Jesus von Nazareth (6/4 v.Chr.-30 n.Chr.) ab; der Mythos von dessen Kreuzigung und Wiederauferstehung begründete die christliche Religion, die sich dank Aposteln und Missionaren (Petrus, Paulus) in Palästina, Syrien, Kleinasien, aber auch in den westlichen Gebieten des römischen Reiches (Rom und Mittelitalien, Nordafrika, Gallien) ausbreitete. Dabei kam der heidenchristlichen Missionierung (Paulus) eine besondere Rolle zu, während der judenchristliche Zweig der neuen Religion - angesiedelt zwischen Juden und Christen - im ausgehenden 4. Jahrhundert zu seinem Ende kam. Parallel dazu endeten jüdische Freiheitsbestrebungen in der Nachschlagung jüdischer Aufstände gegen die römische Herrschaft (66-70/73, 132-135 n.Chr.). Das Christentum entfaltete sich gegen und im römischen Reich gegen und mit heidnischer Bildung bis zum 4. Jahrhundert n.Chr. (Christenverfolgung und konstantinische Wende, Christentum und römische Gesellschaft [Kaisertum und Herrschaft, Stadt und Land, Öffentlichkeit und privates Leben, Religion und Magie]; Paulusbriefe, Evangelien, Apostelgeschichte; Häresien; christliche Religion und heidnische Literatur/Philosophie). [Buhlmann, 12.2013]
Dahms, Hellmuth Günther (1969/91), Deutsche Geschichte (im Bild), Frankfurt a.M.-Berlin 1991, 352 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, DM 39,95, betrachtet: "germanische" Ur- und Frühgeschichte, "Völkerwanderung"; Mittelalter: merowingisches und karolingisches Frankenreich, ostfränkisch-deutsches Reich der Ottonen, Salier und Staufer, spätes Mittelalter; frühe Neuzeit: Reformation, Gegenreformation, Dreißigjähriger Krieg, Preußen und Österreich, Aufklärung und Absolutismus; Moderne: Französische Revolution und napoleonisches Zeitalter, Restauration und Revolution, deutsches Kaiserreich, Erster Weltkrieg, Zwischenkriegszeit, Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg, geteiltes Deutschland und Wiedervereinigung. > D Deutsche Geschichte [Buhlmann, 10.2020]
Dambach, Oskar (1904), Schramberg. Ort und Herrschaft. Von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart, Schramberg 1904 > S Schramberg
Dambacher, Gerhard (2005), Baureihen E93/94. Das deutsche Krokodil (E93 [193], E94 [194, 254], ÖBB 1020), Augsburg 2005 > E Eisenbahn(en) in Mitteleuropa
Damm, Sigrid (1998), Christiane und Goethe. Eine Recherche, Frankfurt a.M.-Leipzig 151999 > G Goethe, Johann Wolfgang
Damm, Sigrid (2007), Goethes letzte Reise (= it 3300), Frankfurt a.M.-Leipzig 2009 > G Goethe, Johann Wolfgang
Damminger, Folke (2002), Die Merowingerzeit im südlichen Kraichgau und in den angrenzenden Landschaften. Untersuchungen zur Siedlungsgeschichte des 5.-8. Jahrhunderts im Gebiet zwischen Oberrhein, Stromberg und Nordschwarzwald (= MABW 61), Stuttgart 2002, 449 S., Schwarzweißabbildungen, Schwarzweißtafeln, Karten, € 18,-. Der südliche Kraichgau zwischen Oberrhein und Schwarzwald einschließlich der Auen- und Niederterrassenlandschaft des nördlichen Oberrheins und der Schwarzwaldrandplatten mit Nagold, Eyach, Enz, Pfinz und Saalbach als prägenden Flüssen (Untersuchungsgebiet) war auch im frühen Mittelalter - nicht zuletzt auf Grund des Vorhandenseins von Löß- und Lehmböden - eine siedlungsgünstige Landschaft, die nichtsdestotrotz auch eine Durchgangslandschaft gewesen war. Für die Merowingerzeit (ca.500-750; Ältere Merowingerzeit: AM I [ca.450-530], AM II [ca.530-570], AM III [ca.570-600], Jüngere Merowingerzeit: JM I [ca.600-630], JM II [ca.630-680], JM III [ca.680-750]) geben Auskunft über die Besiedlung von südlichem Kraichgau und angrenzender Gebiete über 600 Grabbefunde (Grabbauten/-formen: Grabkammern, Grababdeckungen, Holzkonstruktionen, Steineinbauten, Kreisringe, Überhügelungen; Grab-/Beigabensitten: West-Ost-ausgerichtete Körpergräber [Männer-, Frauen-, Kindegräber, auch als Doppelbelegungen, Skelett/reste], Beigaben [Kleidung, Waffen, Schmuck, Gebrauchs-, Toilett-, Keramik-, Glas-, Holz-, Bronzegegenstände, Speisebeigaben], Grabgruben zur Deponierung von Beigaben, Beigabensitte ausklingend gegen Ende der Merowingerzeit, Grabraub). Aus der Untersuchung der Gräberfelder Birkenfeld/Jöhlingen, Bruchsal "Eggerten", Bruchsal "Bei der Reserve", Heidelsheim "Sennighohl", Heidelsheim "Winterberg", Knittlingen "Bergfeld", Knittlingen "Ob Oberhofen", Liedolsheim, Münzesheim "Ortsetter", Neibsheim, Obergrombach, Pforzheim, Stammheim, Weingarten "Am Graben", Weingarten "Lepfuß", Weingarten "Ortsetter" u.a., die für Gräberfelder und Siedlungen im Enztal (bei Pforzheim; Arlingen?; Birkenfeld 1302, Gräberfeld, Ausbauort?; Brötzingen 11./12. Jahrhundert, Pfarrkirche St. Martin; Pforzheim als römischer vicus Portus am Enzübergang), Grombachtal (Grombach 791, Pfarrkirche St. Martin), Kämpfelbachtal (Ersingen 1197; Eisingen 9./10. Jahrhundert; Göbrichen 12. Jahrhundert, Anfang; Nidelingen 1258, Wüstung), Kraichbachtal (Flehingen 778/79, Pfarrkirche St. Martin; Gochsheim 868, Pfarrkirche St. Martin; Münzesheim 828, Pfarrkirche St. Martin; Ober-/Unteröwisheim 771; Sickingen 784; Ubstadt 769/70, Pfarrkirche St. Andreas, Herren von Ubstadt), Oberrheingraben (Daxlanden 1254/61; Dettenheim 788; Frecanstat 769, Wüstung; Hagsfeld 991; Knielingen 769/78; Nacheim 769, Wüstung; Linkenheim 769/78; Rußheim 784, Pfarrkirche St. Michael und Reihengräberfeld; Liedolsheim 882, Pfarrkirche, Flure "Herrenacker", Königsgut; Wanesheim 787/88, Wüstung), Pfinztal (Berghausen 771, Gräberfeld, Ausbauort?; Ellmendingen 9./10. Jahrhundert; Dietlingen 12. Jahrhundert, 1. Hälfte; Grötzingen 991, Pfarrkirche St. Martin?; Kleinsteinbach, Ausbauort, römischer vicus Senotensis; Nöttingen 9./10. Jahrhundert; Remchinga 1160, Wüstung; Singen 769; Söllingen ca.1085; Wilferdingen ca.890, Gräberfeld), Saalbachtal (Bretten 767; Bruchsal 976, Königsgut und -aufenthalte, Pfarrkirche St. Peter, alemannisch-fränkische Siedlungskontinuität; Diedelsheim 767; Elfinger Hof 785; Gondelsheim 1103; Heidelsheim 770, Pfarrkirche und Gräberfeld; Helmsheim 769; Neibsheim 770; Rinklingen 768), Walzbachtal (Jöhlingen 1024, Reihengräber; Weingarten, 9. Jahrhundert, Eigenkirche?, zwei Siedlungskerne), bei Stammheim und am Schwarzwaldrand (Kentheim; Stammheim) stehen, ergibt sich als frühmittelalterlich-merowingerzeitliche Besiedlungsgeschichte des südlichen Kraichgaus und der anschließenden Gebiete das Folgende: Für die vormittelalterlich-römische Besiedlung sind die rechtsrheinischen Straßenverbindungen (zwei entlang des Rheins, zwei West-Ost-Verbindungen) relevant; vici und villae rusticae orientierten sich an den Römerstraßen. Die villae rusticae zeigen dabei wenig und mehr ertragreiche Böden sowie die damalige jeweilige Siedlungsdichte an (1.-3. Jahrhundert). Mit dem "Ende des Limes" (259/60) teilten sich eine provinzialrömische Restbevölkerung (bis 4. Jahrhundert, Mitte und darüber hinaus?) und landnehmende Alemannen (ab 4. Jahrhundert bzw. 4. Jahrhundert, 2. Hälfte [Pforzheim]; frühalemannische Funde mit Bezug auf die Rheingrenze als Grenze des Imperium Romanum) das Siedlungsgebiet. Dabei kam es in Pforzheim, vielleicht auch in Alb und Pfinz zu einer römisch-alemannischen Siedlungskontinuität. Ab der Mitte des 5. Jahrhunderts und in der Merowingerzeit nach der fränkischen Eroberung des alemannischen Siedlungsraums (496/97/536) setzte dann eine Umgestaltung der Siedlungslandschaft weg von der römischen hin zur frühmittelalterlichen ein. Siedlungskontinuitäten verschwanden, die Siedlung Bruchsal z.B. war Resultat einer Siedlungsverlagerung vielleicht noch in vormerowingischer Zeit, die Siedlung in Graben-Neudorf verschwand. Eine fränkische Besiedlung (bei eventuell vorhandenem alemannischen Substrat) ist vom Rhein in Richtung Kraichgau wohl ab der Mitte des 6. Jahrhunderts festzustellen (Bruchsaler Gräberfeld); die Besiedlung folgte die Täler der in den Rhein fließenden Gewässer hinauf, die Lößflächen des Kraichgaus blieben von der fränkischen Siedlung ausgenommen. Fränkisches Königsgut auch als Nachweis fränkischer Herrschaft kann für die Merowingerzeit für Bretten, Bruchsal, Gochsheim, Grötzingen und Pforzheim vermutet werden (Bedeutung von Verkehrverbindungen, zentralörtlich-strategische Bedeutung der Siedlungen). Letztlich verweist jedes Reihengräberfeld auf die Existenz einer frühmittelalterlichen Siedlung, die zeitlich zwischen Landnahmezeit und dem Aufkommen christlicher Kirchen zu datieren ist, topografisch aber durchaus auch durch Verlagerung der Wohnstätten charakterisiert werden kann. Siedlungskonstanz ist jedenfalls seit der frühen Karolingerzeit anzunehmen, während schon die Merowingerzeit trotz ihrer "komplexen Siedlungsentwicklung" wichtige Grundlagen für die noch heute bestehenden Siedlungsstrukturen legte. [Buhlmann, 09.2022]
Daniel, Glyn Edmund (Hg.) (1986), Enzyklopädie der Archäologie. Ein Nachschlagewerk mit über 1800 Begriffen, Abbildungen, Karten und Plänen, Herrsching 1986 > A Archäologie
Daniels, Tobias (2017), Monastische Buchkultur in Burgund vom 9. zum 11. Jahrhundert. Die Bibliothekskataloge des Klosters Saint-Vivant de Vergy (Vat. lat. 296 und 1981), in: Francia 44 (2017), S.315-338. I. Das burgundische Vergy (südlich Dijon) war schon in merowingischer Zeit ein Herrschaftsmittelpunkt (Burg des 7. Jahrhunderts?); hier gründeten Herzog Manasses, seine Ehefrau Ermengarde und sein Bruder Bischof Gales von Autun im beginnenden 10. Jahrhundert das Benediktinerkloster Saint-Vivant de Vergy (Patrozinium des heiligen Viventius [4. Jahrhundert]). Zunächst Eigenkloster, wurde Saint-Vivant von Abt Wilhelm von Dijon reformiert (n.990) und schließlich cluniazenisches Priorat (ca.1087). Für das 11. Jahrhundert ist von 30 Mönchen im Kloster auszugehen. Aus dem 10./11. bzw. 11. Jahrhundert stammen zwei Bibliothekskataloge in den Sammelhandschriften Vat. lat. 296 und Vat. lat. 1981, die über den spätmittelalterlichen Benediktinermönch, Kurienkardinal und Humanisten Jean Jouffrey neben anderen Hanndschriften aus Saint-Vivent nach dessen Tod in die vatikanische Bibliothek gelangten. II. Die zwei Bibliothekskataloge geben Einblick in die Bestände des Benediktinerklosters (64 bzw. 93 Bände). Darunter befanden sich: Bibeln, Bibelkommentare und patristische Literatur, liturgische Bücher, Heiligenviten (u.a. zu Viventius) und Passionsgeschichten, Studienbücher zur Zoologie und Medizin sowie zum Trivium und zur Rhetorik. (Nach-) Antike Literatur war mit den römisch-lateinischen Dichtern Aulus Persius Flaccus, Sallust, Terenz, Venantius Fortunatus vetreten; daneben gab es Handschriften mit Werken von Boethius, Priscian, Marius Victorinus u.a. Die Bibliothek von Saint-Vivant de Vergy war also im 11. Jahrhundert durchaus umfangreich und vielgestaltig; sie war ein Abbild benediktinisch-cluniazensischer Spiritualität des damaligen Klosterlebens. Das Kloster selbst war - wie auch aus einigen Texten in den klösterlichen Handschriften zu entnehmen ist - eingebunden in die burgundische Adelskultur, die wiederum Impulse von der "karolingischen Renaissance" empfangen hatte. [Buhlmann, 06.2018]
Dannenbauer, Heinrich (1953), Das Verzeichnis der Tafelgüter des Römischen Königs. Ein Stück des Testamentes Kaiser Friedrichs I., in: ZWLG 12 (1953), S.1-72 > G Göldel, Servitium regis
Dante Alighieri, toskanischer Dichter:
Der toskanische Dichter Dante Alighieri (*1265-†1321) wurde in Florenz geboren und getauft (1266) und beschäftigte sich schon früh - auch nach dem Tod des Vaters (1281/86) - mit Literatur und Schriftstellerei (Teilübersetzung des Rosenromans, Gedichte). Verheiratet mit Gemma die Manetto Donati (1288?), entstammten der Ehe zwei Söhne und eine Tochter; die von Dante angebetete Beatrice (Bice di Folco Portinari?) starb 1290. Als Bürger von Florenz nahm Dante an der Schlacht bei Campaldino teil (1289), seine politische Karriere (ab 1295) brachte Dante - trotz beginnender wirtschaftlicher Schwiergkeiten in der Familie Alighieri - ins Florentiner Priorat (1300). Der Sturz der Bianchi (1301) brachte Dante die Verbannung aus Florenz (1302); Dante sollte dorthin nicht mehr zurückkehren können und wollen (1311; Todesurteil gegen Dante und Beschlagnahmung von dessen Besitz 1315) und hielt sich in der Folgezeit vormehmlich in Nord- und Mittelitalien auf (Bologna, Casentino?, Lucca, Pisa?, Ravenna). Als ravennatischer Gesandter stirbt Dante auf der Rückreise von Venedig am 13./14. September 1321.
Dante hat neben den Gedichten und seiner "Göttlichen Komödie" (1307/20) auch philosophische Werke auf Latein verfasst.
Vgl.
Dante Alighieri (1307/20), Die Göttliche Komödie, übers. v. Karl Vossler, Gütersloh o.J. > M Meier, Dantes Göttliche Komödie;
Dante Alighieri (1307/20), Die Göttliche Komödie, übers. v. Hermann Gmelin (= RUB 796), Nachdruck Stuttgart 1990 > M Meier, Dantes Göttliche Komödie;
Dante Alighieri (1307/20), Die Göttliche Komödie, übers. v. Philalethes (König Johann von Sachsen) (1849) (= Fischer Klassik Tb 90008), 2008, Frankfurt a.M. 42011 > M Meier, Dantes Göttliche Komödie;
Dante Alighieri, Philosophische Werke in einem Band, hg. v. Ruedi Imbach (2015) (= PhB 679), Hamburg 2015 > D Dante Alighieri, Philosophische Werke;
Flasch, Kurt (2011), Einladung, Dante zu lesen (= Fischer Klassik 90596), Frankfurt a.M. 22018, 496 S., € 14,-;
Meier, Franziska (2018), Dantes Göttliche Komödie. Eine Einführung (= BSR 2880), München 2018 > M Meier, Dantes Göttliche Komödie;
Ubl, Karl (2003), Republicanismo y platonismo en la Monarchia de Dante, in: P&M XXIV (2003), S.39-56 > U Ubl (2003), Republicanismo y platonismo.
[Buhlmann, 12.2021, 07.2022]
Dante Alighieri, Philosophische Werke in einem Band, hg. v. Ruedi Imbach (2015) (= PhB 679), Hamburg 2015, XXXVIII, 322 S., € 26,90. Der florentinisch-toskanische Dichter Dante Alighieri (*1265-†1321) hat neben seiner "Göttlichen Komödie" (1307/20) auch philosophische Werke auf Latein und Italienisch verfasst, worin eine auf den Menschen auch sprachlich zugeschnittene Beschränkug der Philosophie (ohne die Metaphysik) forderte und auch die Volkssprache als Mittel des Philosophierens einsetzte, um die Philosophie einem größeren Kreis von Menschen bekannt zu machen (Dantes Sprachphilosophie). Die nachfolgend aufgeführten Werke sind Werke des Exils, nachdem der Dichter aus Florenz verbannt wurde. In einem (lateinischen) Brief (Epistola XIII) an den Veroneser Generalvikar Cangrande della Scala (1312?/16/20) legt Dante die deutenden Grundlagen seiner "Göttlichen Komödie" (Widmung des Werkes, Bezeichnung des Werkes als Komödie, Rolle des dritten [Paradies-] Teils [Gott und die Ursachen]) dar. In der (lateinischen) "Abhandlung über das Wasser und die Erde" (Questio de aqua et terra, 1312?/16/20) philosophiert Dante über die Eigenschaften der Elemente Wasser und Erde (Lage von Wasser und Erde, Ebbe und Flut). Das (lateinische) Werk "Über die Beredsamkeit in der Volkssprache" (De vulgari eloquentia, 1304/06) analysiert die Rolle der (italienischen) Volkssprache im Zusammenhang mit menschlicher Sprache überhaupt (Buch Genesis und Sprache von Adam und Eva, Sprache als Eigenschaft des Menschen, babylonische Sprachverwirrung, Sintflut, Sprachregionen Europas, Fortentwicklung von Sprachen, italienische "Hochsprache" und "niedere" Volkssprachen); der Traktat ist unvollendet geblieben. Das "Gastmahl" (Convivio, 1304/06), gegliedert in vier Büchern, enthält eine ins Italienische übertragenen Schulphilosophie betreffend eine selbstbegrenzende Philosophie, die Infragestellung von Reichtum, das Konzept der Edelkeit und des Glücks von Menschen; das Werk ist unvollendet geblieben. > Lateinische Literatur > D Dante Alighieri [Buhlmann, 09.2015]
Dartmann, Christoph (2018), Die Benediktiner. Von den Anfängen bis zum Ende des Mittelalters (= Geschichte der christlichen Orden = Urban Tb), Stuttgart 2018 > B Benediktiner
Das, Rahul Peter (1982/83), Einige Bemerkungen zur neuesten Deutung der Kircheninschrift aus Haan/Rheinland, in: ZBGV 90 (1982/83), S.15-33. Die Existenz einer Kapelle, eines oratorium in Haan bezeugt eine Weihinschrift aus der 1. Hälfte des 10. Jahrhunderts. Die Haaner Kircheninschrift hat in ihrem ersten Teil die Weihe der damaligen, heute nicht mehr vorhandenen Kirche durch den Kölner Erzbischof Wichfried (924-953) zum Inhalt; die Kirche wurde den Märtyreren Chrysanthus und Daria geweiht. Der zweite Teil der Inschrift ist dagegen immer noch unklar: Ein Personenname Aleger ist weiter nicht belegt, ein Trennungszeichen auf der Inschrift kann nicht sinnvoll interpretiert werden. Es wurden Verbindungen zur Frauengemeinschaft in Gerresheim vermutet, zumal man auf dem Friedhof der ehemaligen Pfarrkirche Frauengräber des 10./11. Jahrhunderts fand und Gerresheimer Grundbesitz in der Haaner Gegend nachzuweisen ist. Der 80 cm x 47 cm große Kalkstein ist mit 4 cm hohen Kapitalis-Buchstaben mit zahlreichen Kürzungen versehen. Schutzpatrone der Haaner Kirche waren - der Inschrift zufolge - die Heiligen Chrysanthus und Daria; Chrysantus ist zudem an der mittelalterlichen Mönchsgemeinschaft in (Mönchen-) Gladbach bezeugt, so dass Beziehungen auch zwischen Gladbach und Haan vermutet werden können. Der heute nicht mehr erhaltene Kirchenbau war eine niedrige Saalkirche, wohl mit eingezogenem Chorgeviert, die gegen Ende des 11. und in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts durch Westturm und nördliches Seitenschiff erweitert wurde. In das 10. Jahrhundert können dann die Anfänge der Kirchen von Richrath, Hilden, Haan und Elberfeld gestellt werden, eher in das 11. die von Leichlingen. Später waren Hilden, Haan und Elberfeld Filialkirchen der Pfarrkirche in Richrath. [Buhlmann, 10.1986]
Dash, Mike (1999), Tulpenwahn. Die verrückteste Spekulation der Geschichte, München 21999, 320 S., Schwarzweiß-, Farbtafeln, DM 36,-. Die Tulpe entstammte als schlichte Wildform ursprünglich Zentralasien (Pamirgebirge, Tien-shan-Berge), nach Westen wandernde Turkvölker machten sie im islamischen Kulturbereich wahrscheinlich seit dem 10./11. Jahrhundert bekannt (Irak, Persien, Kleinasien [Seldschuken]). Zusammen mit den osmanischen Türken verbreiteten sich auch die Tulpen und womöglich ein gewisser Kult um diese Blütenpflanze (osmanische Eroberung Südosteuropas, osmanische Gartenkultur). Wohl unter dem osmanischen Sultan Süleyman I. (1520-1566) begann in den herrscherlichen Gärten in Istanbul die Züchtung von Tulpen. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts war die Tulpe auch im christlichen Europa bekannt (Tulpen im Garten des Augsburger Ratsmitglied Johann Heinrich Herwarth 1559; Tulpen in Wien 1572, in England 1582, in Frankfurt a.M. 1593, in Südfrankreich 1598 usw.). Der Botaniker und "Vater der Tulpe" Carolus Clusius (Charles de l'Écluse, †1609) machte u.a. als Professor an der Universität Leiden in den Vereinigten Niederlanden bekannt; die (protestantischen) Niederlande waren trotz ihrer Auseinandersetzung mit Spanien damals die wohl fortschrittlichste und reichste Nation in Europa. Neuzüchtungen von immer neuen Tulpenformen (Rosen, Violetten, Bizarden; "Tulpenbrechen" [Mosaikvirus]) über Zwiebeln und Samen und ein Mangel an sich nur langsam vermehrbaren Tulpenzwiebeln führten hier in den 1610/20er-Jahren zu einem Nachfrageüberschuss, den Rhizotomi ("Wurzelschneider"), Apotheker und (die damals neu aufkommenden) "Gärtner" nicht zu befriedigen vermochten. In der Folge stiegen die Tulpenpreise, und Floristen betrachteten zudem die Pflanze seit dem Anfang der 1630er-Jahre zunehmend als Anlage- und Spekulationsobjekt. Es enstand in den Niederlanden - dem wachsenden Wohlstand entsprechend - ein ausgedehnter Tulpenhandel, es wurde zunehmend in Tulpen investiert (statt in Luxuswaren oder Glücksspiel/Wetten). Der Tulpenboom der 1630er-Jahre führte zu einem massiven Ansteigen der Preise für Tulpenzwiebeln (Tulpenzwiebel der Sorte Semper Augustus: 5500 Gulden [1633], 10000 Gulden [Januar 1637]), so dass Häuser, Ackerland und Geldvermögen den Besitzer wechselten. Dem Tulpenboom entsprach dabei eine "fieberhafte" wirtschaftliche Entwicklung der Niederlande zur damaligen Zeit, so dass mehr Geld in Umlauf geriet. Der niederländische Tulpenhandel entwickelte sich zu einer organisierten Branche, die jederzeit auch Neueinsteigern unter den Floristen eine Beteiligung daran ermöglichte. Zudem wurde auch "abstrakt" mit den Tulpen gehandelt; im Erdboden vergrabene Zwiebeln konnten so auch im Herbst, Winter und Frühling ver- und gekauft werden, die Spekulation um die Tulpe griff um sich (Warentermingeschäfte und Blankohandel, Tulpenpreise bemessen nach As -> Tulpenspekulation, Tulpenmanie). Die Tulpenpreise stiegen vermöge dieser neu aufkommenden Handelspraktiken nochmals stark an, gerade bei den wertvollsten Blumen wie Admiraels, Generaels, Generalissimos und den damit verwandten Tulpen entwickelte sich der Handel zur Manie. Tulpenhandel und -manie blieben dennoch eine "Randexistenz im holländischen Wirtschaftsleben"; gehandelt wurde in Kneipen und Schankstuben, gerade auch in Haarlem (u.a. in "De Gulde Druyf") und Umgebung (Tulpenfarmen in der Nähe von Haarlem). Von November 1636 bis Januar 1637 wurde der Höhepunkt des Tulpenbooms erreicht. Es gab Gewinner und Verlierer im Tulpenhandel; Letztere waren gerade die neu eingestiegenen Floristen beim Tulpencrash, der in der ersten Februarwoche des Jahres 1637 stattfand und in Haarlem einsetzte; eine Auktion von Tulpenzwiebeln offenbarte dabei den Händlern das Ende des Booms, innerhalb von wenigen Tagen war der Tulpenboom in den gesamten Niederlanden Geschichte, viele Floristen blieben auf den teuer eingekauften Zwiebeln sitzen. Vorzeichen dieser Entwicklung, besonders in der letzten Januarwoche, wird es wohl gegeben, doch wurden diese wohl meist nicht beachtet. Die letztlich überteuerten Tulpenzwiebeln erzielten nach dem Zusammenbruch der "Tulpenblase" nur noch ein Bruchteil ihres Einkaufspreies, wenn sie überhaupt verkauft werden konnten. Die Tulpenmanie hatte sich im Winter 1636/37 selbst verzehrt, die Abhängigkeiten zwischen Händlern, Käufern und Verkäufern blieben aber bestehen und rissen diese, die häufig überschuldet waren, in den finanziellen Abgrund. Dies betraf natürlich hauptsächlich die Leute, die Tulpen als Spekualtionsobjekte angesehen hatte. Daneben gab es aber auch echte Blumenliebhaber, für die Tulpen immer noch einen Wert hatten (Kauf von Tulpenzwiebeln der Sorten Admiral Liefkens und Saeyblom: 11700 Gulden [17. März 1637]). Auf einer Versammlung in Amsterdam suchten und fanden die am Tulpenhandel beteiligten Züchter und Floristen eine Übereinkunft, wonach auf dem Höhepunkt der Tulpenmanie getätigte Käufe bei Einbehalt von 10 Prozent des Kaufpreises rückabgewickelt werden konnten, während Käufe vor dem 30. November 1636 weiterhin rechtlich bindend waren. Da die meisten Floristen aber wirtschaftlich am Ende waren, konnten sie solche Annullierungen nicht bezahlen, was letztlich die niederländischen Kommunen und Gerichte, auch die Ständeversammlung auf den Plan rufen musste. Das Resultat war, dass sich Züchter und Floristen außergerichtlich einigen sollten, was wohl spätestens bis Ende 1638 auch gelang; Ausnahmen in der Streitschlichtung, an denen Gerichte beteiligt waren, gab es in Amsterdam und Haarlem. Tulpenboom und -crash wurden nun von denjenigen kritisert, die mit der Tulpe seit jeher wenig anfangen konnten; auch distanzierten sich am Tulpenboom Beteiligte - wie der Amsterdamer Claes Pietersz., der sich in "Dr. Tulp" umbenannt hatte - zerknirscht von den Exzessen, während aber viele (verschuldete) Floristen die Schuld bei anderen suchten und sich als Opfer von Verschwörungen empfanden, wo sie letztlich doch nur ihrer Gier und Unerfahrenheit aufgesessen waren. Aus der Tulpe wurde eine den Tulpenwahn verursachende Pflanze, satirisch und spottend die "große Gartenhure", die "Schurkengöttin Flora" u.a., die die Tulpenzüchter und -händler zum Narren gehalten hatte. Die Tulpenmanie hinterließ in den Niederlanden ein negatives Bild der Pflanze; Desinteresse herrschte nun vor, die Hysterie um die Tulpe sollte möglichst schnell der Vergessenheit übereignet werden. Anders sah es aus im osmanischen Reich, das mit Mehmed IV. (1647-1647) einen Tulpenliebhaber als Herrscher hatte. Damit kehrte das Interesse für die Tulpe gleichsam nach Istanbul zurück. Als "Tulpenfanatiker" zeichnete sich der Osmanenherrscher Ahmed III. (1703-1730), ein Sohn Mehmeds, aus. Mit ihm klang auch im osmanischen Reich das Tulpenfieber aus. Und im Holland des 17. Jahrhunderts wurden die Tulpenzwiebeln (auch neuer Züchtungen) zu einer Handelsware wie jede andere auch, wobei viele Zwiebeln ins Ausland, u.a. ins osmanische Reich und nach Deutschland, exportiert wurden. Der zwischennationale Tulpenhandel blieb dabei in der Hand (weniger) holländischer Züchter. Im Übrigen gab es in den Niederlanden im 1. Drittel des 18. Jahrhunderts einen Hyazinthenboom. [Buhlmann, 10.2020]
Dasler, Clemens (2001), Forst und Wildbann im frühen deutschen Reich. Die königlichen Privilegien für die Reichskirche vom 9. bis zum 12. Jahrhundert (= Dissertationen zur mittelalterlichen Geschichte, Bd.10), Köln-Weimar-Wien 2001, 310 S., € 12,-. I. Der Begriff forestis, forestum u.ä. für "Forst" hängt wahrscheinlich mit germanisch First (als "Zaunwort") für "abgrenzen, umzäunen" zusammen (alternativ: mit lateinisch/romanisch foris, foras für "draußen, öffentlich"), bezeichnet mithin ein rechtlich herausgehobenes Gebiet von Wildland, meist Wald (nemus, silva), in der Nutzung insbesondere des Königs. Zu unterscheiden sind die älteren (fränkischen) Königsforste als Bannwaldforste, die dem Nutzungsvorbehalt des Herrschers unterlagen, vom jüngeren (ostfränkisch-deutschen) Wildbann als Nutzungsrecht für Jagd und Tierfang in einem Forst (als Wildbannbezirk), der auch besiedelt sein konnte. Königliche Forste als Bannwaldforste auf Reichsgut entstanden durch königliche Einrichtung und Abgrenzung, eben durch Einforstung von Waldgebieten oder unbesiedeltem Land. Jagd und Fischfang waren im Forst verboten, Rodung und Eichelmast unterlagen Beschränkungen; Aufseher (forestarii) überwachten den Forst. Rechtlich verschränkt mit dem Forst war der sog. Wildbann, der nur Jagdrecht und Tierfang beinhaltete. Die Neueinforstung infolge einer Wildbannverleihung setzte u.U. die Zustimmung von Grundbesitzern und Grundherrn voraus; Forst als Wildbannbezirk und fremder Grundbesitz schlossen sich also nicht aus, der Forst konnte somit auch über fremden Besitz ausgedehnt werden; Jagdrecht und Tierfang schränkten die Rechte anderer Grundherren nur wenig ein. Umgekehrt erweiterte der Wildbann die grundherrschaftlichen Rechte des Wildbanninhabers, ohne dass meist in konkreter Weise ein Einfluss des Wildbanns auf Rodung und Herrschaft nachzuweisen ist (Wildbann und Rodungsverbot, Wild-/Forstbann und Herrschaft). Schließlich sei noch auf die Bedeutung der Jagd als standesgemäße Beschäftigung des Adels verwiesen. II. Als einzelne Forste im früh- bis hochmittelalterlichen deutschen Reich sind dann feststellbar: bischöflicher Forst bei Augsburg (Wildbannverleihung 1059); Forst und Wildbann der Bamberger Bischöfe (Bistumsgründung 1007); Wildbann der Basler Bischöfe über den elsässischen Hardtwald (1004) und im Breisgau (1008); Lüsener Forst und Wildbann der Brixener Kirche (Wildbannverleihung 893), Brixener Wildbann im Pustertal (Grenzbeschreibung 1048), Krainer Forst der Brixener Bischöfe (Einforstungsprivileg 1040), Krainer Wildbann der Brixener Bischöfe (Wildbannverleihung 1073); Forst der Bischöfe von Cambrai (Forstverleihung 995, Wildbannbestätigung 1145, 1152); Forste der Churer Kirche im Bergell (Übertragung des Bergell 960, 988), Forst der Churer Kirche am Schollberg (Forsturkunde 1050), Forst der Churer Kirche am Rhein (Forsturkunde 1050); Forst der Eichstätter Bischofskirche (Verleihungs- und Bestätigungsurkunden 889, 908, 918, 1002), Wildbann der Eichstätter Bischöfe (Einforstungsurkunde 1053, Wildbannprivileg 1080); Virngrunder Forst des Klosters Ellwangen (Forsturkunde 1024); Forste des Frauenstifts Elten (Forsturkunde 996); Krainer Forst des Bistums Freising (973); Echzeller Wildbann des Klosters Fulda (Forsturkunde 951), Bramforst des Klosters Fulda (Forsturkunde 980), Zunderenharfforst des Klosters Fulda (Forsturkunde 1012), Lupnitzer Forst des Klosters Fulda (Forsturkunde, Abschrift vom 12. Jahrhundert, Mitte), Wildbann des Klosters Fulda (Wildbannurkunde 1059); Forste des Bistums Halberstadt (Bannurkunde 997); Wildbann der Hamburg-Bremer Kirche an der Weser (Forsturkunde 1049, 1063), Eiterbruchforst der Hamburg-Bremer Kirche (Forsturkunde 1063), Ammerländer Forst der Hamburg-Bremer Kirche (Forsturkunde 1063), Forst der Hamburg-Bremer Kirche im Wimodigau (Forsturkunde 1063), Forst der Hamburg-Bremer Kirche in zwei Grafschaften (Forsturkunde 1063), Weserberglandforst der Hamburg-Bremer Kirche (Forsturkunde 1065), Duisburger Forst der Hamburg-Bremer Kirche (Forsturkunde 1065); Forst Siburg des Klosters Helmarshausen (Forstverleihung 1013); Forst des silva Eherinenfirst des Klosters Hersfeld (Forstverleihung 1003), Wildbann super feras silvaticas des Klosters Hersfeld (Wildbannverleihung 1016); Forst und Bann der Hildesheimer Bischofskirche an der Leine (Verleihungsurkunde 1062), Wildbann der Hildesheimer Bischofskirche an Leine und Innerste (Verleihungsurkunde 1065); Wildbann des Kölner Erzbischofs (Wildbannurkunde 973), Nordeifeler Wildbann des Kölner Erzbischofs (Wildbannurkunde 1069); ius foresti der Konstanzer Kirche auf der Höri (Forst-/Wildbannurkunde 1051/69); Wildbann des Klosters Lorsch (und Ansprüche der Wormser Kirche) (Wildbannurkunde 1012); Forst der Lütticher Bischofskirche an der Maas (Verleihungsurkunde 1008), Wildbann der Lütticher Kirche im Waverwald (Verleihungsurkunde 1008); Sömmeringforst der Magdeburger Erzbischöfe (Forstverleihung 997), Schiederforst der Magdeburger Erzbischöfe (Forsturkunde 1005); Forst und Bann der Mainzer Erzbischöfe (Verleihungsurkunde 996); Forst der Merseburger Bischofskirche (Verleihungsurkunde 974?, Bestätigung 1004); Einforstungsurkunde für das Bistum Metz (1018); ehemalige Königsforste des Bistums Minden (Schenkungsurkunde 991), Wildbann des Bistums Minden (Einforstungsurkunde 1029), Wildbann des Bistums Minden (Einforstungsurkunde 1033); Forst beim Kloster Mondsee (Forstverleihung 829); Colmarer Forst des elsässischen Klosters Münster (Schenkungsurkunde 823); Forst des Bistums Naumburg (Forsteinrichtung 1030); Forst des Osnabrücker Bistums (Verleihungsurkunde 965); Osninger Forst der Paderborner Bischöfe (Bestätigungsurkunden 1001, 1002), Reinhardswalder Forst der Paderborner Bischöfe (Schenkungsurkunde 1019, Bestätigungsurkunde 1020); Forst und Bann der Passauer Bischöfe (Urkunde 1049); Forst der Pfalz Ranshofen (898); Forst des Regensburger Klosters St. Emmeram (Verleihungsurkunde 914); Bann der Salzburger Erzbischöfe im nemus Sausal (Schenkungsurkunde 970), Forst Heit der Salzburger Erzbischöfe (Verleihungsurkunde 1027), Forst Hesilinestuda der Salzburger Erzbischöfe (Verleihungsurkunde 1027), Forst der Salzburger Erzbischöfe an der Salzach (Verleihungsurkunde 1027), Wildbann der Salzburger Erzbischöfe am Inn (Bestätigungsurkunde 1030), Forst der Salzburger Erzbischöfe an der Traun (Forstverleihung 1048); Forst Lußhardt der Speyerer Bischofskirche (Forstverleihung 1056); Wildbann der Straßburger Bischofskirche (Verleihungsurkunde 1017); Wildbann der Touler Bischöfe (Wildbannprivileg 1011); Forst der Trierer Erzbischöfe und des Klosters St. Maximin (Fälschung 802, Privilegien 897, 949), Forst der Trierer Erzbischöfe und des Klosters Prüm (Verleihungsurkunde 973); forestes der Utrechter Bischöfe (Privileg 777), Drenter Forst der Utrechter Kirche (Forsturkunden 944); Wildbann des Bistums Verden im Sturmigau (Verleihungsurkunde 985), Mahtheidenforst der Verdener Kirche (Verleihungsurkunde 1060); Wildbann des Klosters Walkenried (Verleihungsurkunde 1132); Wimpfener Wildbann der Wormser Bischofskirche (Verleihungsurkunde 988), Forst Forehahi der Wormser Bischofskirche (Verleihungsurkunde 1002); Burgbernheimer Forst der Würzburger Bischöfe (Verleihungsurkunde 1000), Wildbann der Würzburger Bischofskirche nördlich von Würzburg (Verleihungsurkunde 1014), Wildbann der Würzburger Bischofskirche im Steigerwald (Verleihungsurkunde 1023), Murrhardter Wildbann der Würzburger Bischofskirche (Verleihungsurkunde 1027), Mellrichstädter Wildbann der Würzburger Bischofskirche (Verleihungsurkunde 1031), Wildbann der Würzburger Bischofskirche (Verleihungsurkunde 1060), Wildbann der Würzburger Bischofskirche in den Haßbergen (Verleihungsurkunde 1172); Forst Albis des Züricher Klosters St. Felix und Regula (Verleihungsurkunde 853). Vgl. noch: Haff, Karl (1952), Die Wildbannverleihungen unter Kaiser Heinrich III. und IV. an die Bischöfe von Augsburg und Brixen und die Paßhut, in: ZRG GA 69 (1952), S.301-309; Glöckner, Karl, Bedeutung und Entstehung des Forstbegriffes, in: VSWG 17 (1924), S.1-31; Thimme, Hermann (1909), Forestis. Königsgut und Königsrecht nach den Forsturkunden vom 6. bis 12. Jahrhundert, in: AUF 2 (1909), S.101-154. [Buhlmann, 07.2015, 09.2018]
Davies, Nigel (1973), Die Azteken. Meister der Staatskunst - Schöpfer hoher Kultur, Düsseldorf-Gütersloh o.J., (= rororo 6950), Reinbek 1976 > A Azteken
Davis, Kenneth C. (2005), Wo hat Promethus das Feuer versteckt. Alles, was Sie über die Mythen der Welt wissen sollten (= Bastei-Lübbe Tb 60603), Bergisch Gladbach 2008 > M Mythos und Geschichte
De Hamel, Christopher (2002), Das Buch. Eine Geschichte der Bibel, Berlin 2006 > B Bibel
Debenham, Frank (1960), 6000 Jahre mussten vergehen ... Entdeckung und Erforschung unserer Erde von den Anfängen bis heute, Stuttgart-Zürich-Salzburg 1960 > R Reisen
Decker-Hauff, Hansmartin (1957/58), Der Öhringer Stiftungsbrief, 2 Tle., in: WF 41 (1957), S.17-31, 42 (1958), S.3-32. Der "Öhringer Stiftungsbrief" ist eine (der Form nach) gefälschte Urkunde wohl aus dem ausgehenden 11. Jahrhundert, deren aufgeführte Sachverhalte durchaus auch auf Gegebenheiten des Jahres 1037 - so das Ausstellungsjahr des Schriftstücks - hinweisen, aber auch auf Späteres aus der Zeit des Investiturstreits (1075-1122). In der Urkunde des Bischofs Gebhard III. von Regensburg (1036-1050) wird eine villa Halle, der "Ort (Schwäbisch) Hall", erstmals erwähnt. Die Urkunde handelt von der Umwidmung der Öhringer Pfarrkirche in ein Stift. Diese erfolgte durch Adelheid, die Mutter Kaiser Konrads II. (1024-1039) bzw. - in zweiter Ehe - des Regensburger Bischofs Gebhard III., während das Stift von einem Grafen Burchard von Komburg (†1098) bevogtet werden sollte. Die Grafen von Komburg-Rothenburg waren eine im fränkisch-schwäbischen Gebiet beheimatete mächtige Adelsfamilie, die die Höhenburg Komburg und auch die villa Halle und das Haller Umland beherrschten. Zudem lassen die im "Stiftungsbrief" aufgeführten Adligen Beziehungen bis hin zu den Grafen von Calw erkennen. [Buhlmann, 06.2016, 10.2019]
Decker-Hauff, Hansmartin, Quarthal, Franz, Setzler, Wilfried (Hg.) (1981), Die Pfalzgrafen von Tübingen. Städtepolitik, Pfalzgrafenamt, Adelsherrschaft im Breisgau, Sigmaringen 1981 > T Tübingen: Pfalzgrafen von Tübingen
Decker-Hauff, Hansmartin (1997), Frauen im Hause Württemberg, hg. v. Wilfried Setzler, Volker Schäfer u. Sönke Lorenz, Leinfelden-Echterdingen 1997 > W Württemberg
Deger-Jalkotzy, Sigrid, Hertel, Dieter (2018), Das mykenische Griechenland. Geschichte, Kultur, Stätten (= BSR 2860), München 2018, 144 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, € 9,95. I. Das 2. Jahrtausend v.Chr. ist in Griechenland und der Ägäis geprägt durch die (frühe, mittlere und späte) Bronzezeit, die Zeit der minoischen Kultur auf Kreta (20.-17. Jahrhundert v.Chr.: mittelminoisch; 16.-12. Jahrhundert v.Chr.: spätminoisch; Palastzeiten, Vulkanausbruch auf Thera [ca.1500 v.Chr.]) und die der (späthelladisch-) mykenischen Kultur auf dem griechischen Festland (17.-15. Jahrhundert v.Chr.: Vorpalastzeit; 15.-13. Jahrhundert v.Chr.: Palastzeit; 12.-10. Jahrhundert v.Chr.: Nachpalastzeit): Griechisches Festland: mittelhelladisch (MH III A-B: 17. Jahrhundert v.Chr. [frühmykenische Zeit]), späthelladisch (SH I: 16. Jahrhundert v.Chr.; SH II A: 16. Jahrhundert-1450/30 v.Chr.; SH II B: 1450/30-ca.1400 v.Chr. [frühmykenische Zeit]; SH III A: 14. Jahrhundert v.Chr.; SH III B: 13. Jahrhundert v.Chr. [mykenische Palastzeit]; SH III C: 12. Jahrhundert v.Chr. [mykenische Nachpalastzeit]) - Kreta: mittelminoisch (MM III: 17. Jahrhundert v.Chr.), spätminoisch (SM I: 16. Jahrhundert-1450/30 v.Chr.; SM II: 1450/30-ca.1400 v.Chr. minoische Neupalastzeit]; SM III A-B: 14.-13. Jahrhundert v.Chr. [mykenische Zeit]; SM III C: 12. Jahrhundert v.Chr. [nachmykenische Zeit]). II. Die mykenische Zivilisation war Teil der Bronzezeit in Griechenland, der Ägäis und Westkleinasien, wobei zunächst ein kulturelles Gegen- und Miteinander mykenischer und minoischer Kultur festzustellen ist. Die frühbronzezeitlichen Kulturen Festlandgriechenlands (3. Jahrtausend v.Chr.) endeten in Zerstörung und Niedergang u.a. mit der Einwanderung neuer, auch indogermanischer Bevölkerungsgruppen, wobei die alten mediterranen Kulturen in Auseinandersetzung und Integration der Kultur der mykenischen Griechen wich (20.-17. Jahrhundert v.Chr.; ablesbar am frühen, mykenischen Griechisch). Parallel dazu löste auf Kreta die Jüngere Palastzeit (1700-1450 v.Chr.) die Ältere ab (Zerstörung der Paläste 1700 v.Chr.); die Jüngere Palastzeit (ca.1700-ca.1450 v.Chr.) sah Kreta, aber auch die Kykladen oder Westkleinasien als Mittelpunkt eines "Handelsreiches" ("minoische Thalassokratie"), das sich von Äypten und der Levante bis hin nach Griechenland spannte. Die überlegene minoische Zivilisation sollte auch das griechische Festland beeinflussen, wo es im Verlauf des 17. Jahrhunderts v.Chr., der formativen Phase der mykenischen Kultur, zu gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Veränderungen kam. Ablesbar sind diese Prozesse u.a. an den beginnenden Beziehungen der (neuen) Eliten auf dem Festland zur minoischen Kultur; hier zeichneten sich insbesondere drei Regionen auf der Peloponnes aus: Argolis, Messenien, Lakonien. In der Argolis, in Mykene steht der Gräberkreis B mit seinen Schachtgräbern (spätes 17. Jahrhundert v.Chr.) für diese Führungseliten, die im Rang untereinander konkurrierten; die Schachtgräber des Gräberkreises A (16./15. Jahrhundert v.Chr.; Goldmasken u.a. des "Agamemnon") gehörten zu einer Elite, die teilweise miteinander verwandt war. Die mykenische Kriegerelite war vielleicht über Söldnerdienste mit der kretisch-minoischen Kultur - insbesondere Knossos (16. Jahrhundert v.Chr.) - verbunden, doch bestanden auch Beziehungen nach Süditalien oder in den Donau-Karpatenraum (Übernahme des Streitwagens). Neben Mykene ist die frühmykenische Kultur vertreten durch die Fundplätze: Argos, Lerna, Tsoungiza (Argolis); Epidauros Limera, Pellana (Lakonien); Ano Englianos, Peristeria, Voidokilia (Messenien). Lakonien und Messenien standen früher als Mykene unter minoischem Kultureinfluss, geschuldet ihrer Nähe zur minoischen Kolonie Kythera. In Messenien entwickelte sich am Ende des Mittelhelladikums bzw. in der 1. Phase des Späthelladikums der Typ des Kuppel-/Tholosgrabes und der des Felskammergrabes als Grabstätten von Verwandtschaftsgruppen. III. Der verheerende Vulkanausbruch von Thera-Santorin (ca.1530/20 v.Chr.) steht am Anfang des Endes der minoischen Neupalastzeit. Während die minoische Kultur auf Kreta immerhin noch eine Nachblüte erlebte (15. Jahrhundert v.Chr., 1. Hälfte), büsste sie doch die See- und Handelsherrschaft in der Ägäis ein. Auf dem griechischen Festland entwickelte sich die frühmykenische Kultur weiter und erlebte eine Blütezeit, ablesbar an der weiten Verbreitung von Kammergräberfriedhöfen über die Peleponnes hinaus und an Kuppelgräbern, an der stärkeren Ausrichtung der Eliten auf die minoische Kultur, an einer wohl ruhigen politischen und kulturellen Entwicklung in den damals bestehenden Kleinstaaten. Die minoischen Paläste auf Kreta gingen indes unter durch gewaltsame Eroberung wohl mykenischer Griechen unter (15. Jahrhundert v.Chr., Mitte); einzig der Palast von Knossos wurde wieder aufgebaut und war Zentrum einer mykenischen Herrschaft, die sich über Kreta (außer Ostkreta) ausbreitete und nach minoischem Vorbild monarchisch organisiert war (Königtum [wanax], Gefolgsleute [hequetai] und Heeresbefehlshaber [lawagetes], Palastwirtschaft, Linear B-Schrift). Das Vorbild Kreta wurde alsbald auf dem mykenisch-greichischen Festland übernommen; es setzte am Beginn des 14. Jahrhunderts v.Chr. die 1. Phase der mykenischen Palastzeit (ca.1400/1390-1360 v.Chr.) ein. Diese ist gekennzeichnet durch die Entstehung von Palastanlagen (Megaron) etwa in Mykene und Tiryns, Kuppelgräber kommen nur noch dort vor; in Mykene sind es drei Kuppelgräber ("Schatzhaus des Atreus" u.a.), die als Grabstätten einer Königsdynastie interpretiert werden können. Die politische Macht war hier also von den Kriegereliten auf das Königtum übergegangen, was wiederum eine geografische Ausdehnung der Machtstellung der Könige von Mykene in der Argolis bewirkte. Dieser Wandel ist allgemein auf dem griechischen Festland zu beobachten (Mykene, Pylos, Theben, Tiryns), die meykenischen Staaten weiteten ihren Einfluss (Handelsaktivitäten) in die Ägäis und nach Westkleinasien aus (mykenische Griechen als Ahhijawa?). Die entwickelte oder 2. Phase der mykenischen Palastzeit (ca.1360-1200 v.Chr.) zeichnete sich durch monumentale (befestigte) Palast- und Grabanlagen (Athen, Dimini, Iolkos, Midea, Mykene, Orchomenos, Pylos, Theben, Tiryns) aus, Zentren von aus Siedlungen, Dörfern und Bauernhöfen bestehenden Herrschaftsbezirken mit stark zentralistisch-hierarchisch-monarchischer Struktur, auch ökonomische Zentren der Abgabenerhebung, Produktion und Redistribution mit entsprechender Architektur (Palast[burg] als Residenz: Tor, "Zyklopenmauern", Aufgang, Großer Hof, Megaron des wanax [Thronsaal], Räumlichkeiten des lawagetas, Tholosgrab). IV. Strukturelle Schwächen brachten die auf den Palast ausgerichtete, für Krisen anfällige Wirtschaft der mykenischen Zivilisation an der Wende vom 13. zum 12. Jahrhundert v.Chr. aus dem Gleichgewicht; die Palaststaaten gingen (in einer ökonomischen und organisatorischen Katastrophe, teilweise vielleicht auch durch Eroberung [Dimini, Pylos]) unter (Zusammenbruch der Palastkultur), während sehr wohl auf lokaler Ebene (Attika, Euboia, Kos, Kykladen, Rhodos: Lefkandi, Nichoria) Kontinuitäten, ein Bevölkerungswachstum und mitunter eine wirtschaftliche Blütezeit zu beobachten sind (12.-11. Jahrhundert v.Chr.: postpalatiale Epoche). Dabei verzichtete die Bevölkerung der Nachpalastzeit auf die Palastökonomie und damit verbunden auf die Schrift, das monarchische System der Palastzeit war entwertet und hatte ausgedient. Neue Eliten etablierten sich und richteten sich - wie etwa in Mykene - in den alten Palastburgen ein (Erhalt der Befestigungen und von Wirtschaftgebäuden, teilweise Weiterverwendung von Kultbauten), während eine "freie" Wirtschaft die auf den Palast (als oikos des Königs) zentralisierte ersetzte. Die mykenische Kultur klang mit der submykenischen Epoche (11. Jahrhundert v.Chr.) aus; die mykenischen Palastsiedlungen wurden aufgegeben, mykenische Griechen wanderten nach Westkleinasien oder Zypern aus, die frühe Eisenzeit brach an (12.-9. Jahrhundert v.Chr.: "Dunkle Jahrhunderte"). [Buhlmann, 12.2018]
Deighton, Len (1978), Luftschlacht über England. Tatsachenbericht (= Heyne Tb 5985), München 1982 > Z Zweiter Weltkrieg
Deighton, Len (1979), Blitzkrieg. Von Hitlers Triumphen bis zum Fall von Dünkirchen (= Heyne Tb 6185), München 1983 > Z Zweiter Weltkrieg
Deitmar, Anton (2014), Analysis (= Springer Spektrum), Berlin-Heidelberg 22017 > M Mathematik
Dekker, Rudolf, van de Pol, Lotte (1990), Frauen in Männerkleidern. Weibliche Transvestiten und ihre Geschichte (= WAT 678), überarbeitete Neuausgabe Berlin 2012, 238 S., zahlreiche Schwarzweißabbildungen, € 13,90. Zuweilen findet man im eigenen Bücherschrank Werke, die man heute nicht mehr kaufen würde. Die Gründe für eine solche Zurückhaltung wurzeln dabei nicht in der Qualität oder im Inhalt der Texte, sondern im aktuellen von den Massenmedien kolportierten und für Intellektuelle unzumutbaren Zeitgeist. Auf einen Titel wie "Frauen in Männerkleidern" träfe dies im Falle einer Neuerscheinung leider zu. Allerdings ist das Buch lange vor dem Genderwahn erschienen, sodass eine Vorverurteilung ob seines Einbandes ihm Unrecht täte. Bereits in einer ersten Auflage 1990, also gut zweieinhalb Jahrzehnte vor "männlich, weiblich, divers" hat sich das Autorenduo Rudolf Dekker und Lotte van de Pole des spannenden Themas weiblicher Transvestiten (in der Frühen Neuzeit) angenommen und dabei die Schicksale einiger Frauen bespiegelt, die sich mit den für sie bestimmten ständischen und erst recht geschlechtlichen Normen ihrer Zeit nicht abfinden wollten und teils abenteuerliche sowie skurrile Wege fanden, aus diesen Grenzen auszubrechen. Die Leser begegnen lange (und teils lebenslang) unenttarnten Soldaten, Piraten, Handwerkern und sogar Ehemännern, bei denen es sich um Frauen und Mädchen handelte, die es geschickt verstanden, ihre Umwelt zu täuschen und im Falle ihrer Entlarvung zu empören und gegen sie aufzubringen. Teils handelte es sich bei diesen Personen um Hermaphroditen, in der Regel aber um Frauen, die sich gezwungen sahen, in Männerrollen zu schlüpfen, wollten sie ihr Leben abseits der für ihr Geschlecht bestimmten Räume leben. Ein, mehr als drei Jahrzehnte nach seiner ersten Auflage, noch immer sehr lesenswertes Buch, das gerade wegen seiner unideologischen Sprache und seiner unbefangenen Analyse eines exotischen Themas jungen Historikern zum Beispiel wissenschaftlicher Arbeit gereichen sollte. [Bötefür, 10.2023]
Delau, Reinhard (2005), Der Fürstenzug in Dresden (= edition Sächsische Zeitung), Dresden 2005, 192 S., Farbabbildungen, Zeittafeln, € 9,90. 1861 schlug der sächsische Minister Friedrich Ferdinand Graf von Beust vor, die wenig einladende Rückwand (Lange Wand) des Dresdner Stallhofs als Teil der Dresdner Schlossanlage zu verschönern. Ab 1865 konkretisierten sich diesbezügliche Pläne (Auswahl des Künstlers 1865, Kostenvoranschlag 1868, Künstlerhonorar 1870). Der Historienmaler Wilhelm Walther (*1826-†1913) schuf so zwischen 1870 und 1876 den "Fürstenzug von Dresden" als Festzug (mythisch überhöhter) sächsischer Regenten vom Mittelalter bis in die Moderne - die Regenten zu Pferd, umgeben von Adligen, Dienern und Trompetern - auf grauweißen Sgraffiti. Diese hielten indes nicht lange, so dass 25 Jahre nach Fertigstellung des Kunstwerks dieses auf rund 25000 Keramikplatten übertragen wurden, die man fugenlos an der Langen Wand anbrachte. Das Kunstwerk überstand unbeschadet den Zweiten Weltkrieg (1939-1945) und ist heute eine der Touristenattraktionen Dresdens. Abgebildet sind auf den Keramikfliesen: Markgrafen Konrad der Große, Otto der Reiche, Dietrich der Bedrängte, Albrecht der Stolze, Albrecht der Entartete, Friedrich der Strenge, Wilhelm I. der Einäugige, Kurfürsten Friedrich der Streitbare, Friedrich der Sanftmütige, Ernst und Albrecht, Friedrich der Weise, Georg der Bärtige, Moritz von Sachsen, August I., Johann Georg III., Könige August der Starke, Friedrich August (II.), Friedrich August I. (III.), Friedrich August II., Albert, Friedrich August III. [Buhlmann, 02.2023]
Delling, Rudolf (1958), Deutsche Rathäuser, Frankfurt a.M. 1958 > A Albrecht, Rathäuser
Delius, Peter (Hg.) (2005), Die Geschichte der Welt, Berlin 2005 > W Weltgeschichte
Demandt, Alexander (1998), Geschichte der Spätantike. Das Römische Reich von Diocletian bis Justinian, München 1998 > S Spätantike
Demandt, Alexander (1998), Die Kelten (= BSR 2101), München 1998 > K Kelten
Demandt, Alexander (2002), Der Baum. Eine Kulturgeschichte, Köln-Weimar-Wien 22014, 471 S., Schwarzweißabbildungen, Farbtafeln, € 29,95. Mensch und Baum zeichnet seit jeher eine besondere Verbindung aus. Dies gilt über die Grenzen verschiedener (altorientalischer [Judentum, Christentum], antiker [Griechen, Römer], antiker Rand- [Kelten, Germanen, Slawen], europäischer [christliches Mittelalter, frühe Neuzeit, Moderne, Postmoderne]) Kulturen hinweg, vom Paradiesbaum des biblischen Alten Testaments zum Umweltschutz heute. Dabei ist die Vielfalt der Baumarten (eventuell in Rangordnung) beeindruckend, etwa von den antiken Platanen, Zypressen und Ölbäumen (Pindar und die durch Herakles vermittelte Herkunft der Ölbäume von den Donauquellen) über die "germanischen" Eichen, Buchen und Linden und die Obstbäume und das Apfelbäumchen Martin Luthers bis zum in der frühen Neuzeit nach Europa gelangenden Orangenbaum. Es gab baumbewusste Epochen wie das Mittelalter und weniger baumbewusste, in denen - wie in der Antike, der frühen Neuzeit oder in der Französischen Revolution - vielfach aus militärischen Zwecken ein massiver Raubbau an den Wäldern betrieben wurde oder Baumbestände vernichtet wurden. Bäume bevölkerten die heiligen Haine der Antike, spielten in Religion und Mythos eine wichtige Rolle (Baumkult, Paradiesbaum [Paradies als persischer Jagdgarten], Weltesche Yggdrasil) und wurden parallel dazu als Bau- oder Brennholz verwendet. Kulturell gesehen entfalteten Bäume eine große Wirkung in Literatur (Linde und Minnesang, Gotik und Buche, Romantik) und Kunst (Petrarca, Dürer, barocke Emblematik, Baumsymbolik, Baumbilder), Renaissance ("ausschlagender Baum der Kultur") und Aufklärung (Freiheitsbäume). Bäume und Wälder wurden rechtlich geschützt, ihre Nutzung begrenzt (Landfrieden Kaiser Friedrich Barbarossas von 1187); Bäume definieren Staatlichkeit (als Identitätssymbole). Es gab mithin in den menschlichen Gesellschaften der letzten Jahrtausende vielfältige Beziehungen zwischen Mensch und Baum. [Buhlmann, 09.2015]
Demandt, Alexander (2012), Pontius Pilatus (= BSR 2747), München 2012, 128 S., Schwarzweißabbildungen, 2 Karten, Zeittafel, € 8,95. Den historischen Pontius Pilatus, römischer Statthalter für Judäa (praefectus Iudaeae) von 26/27 bis 37 n.Chr., erwähnen römische Bronzemünzen, eine römische Inschrift aus Caesarea Maritima (in Zusammenhang mit einem Leuchtturm Tiberieum?) sowie - in der jüdischen Überlieferung - Philo von Alexandrien und Flavius Josephus (6 n.Chr. Volkszählung in Judäa unter Statthalter Publius Sulpicius Quirinus; 18 Ernennung des Kaiphas zum Hohepriester durch Statthalter Valerius Gratus; 26/27-36/37 Unruhen in Jerusalem [wegen angebrachter Rundschilde bzw. römischer Feldzeichen]; 36 Sameritaneraufstand; 37 Abberufung des Pilatus, Absetzung des Kaiphas). Der biblische Pontius Pilatus der synoptischen Evangelien und des Johannesevangeliums ist derjenige, der auf Drängen der jüdischen (Tempel-) Priesterschaft hin Jesus Christus (als "König der Juden") zum Tode durch Kreuzigung verurteilt (v.28 n.Chr. Taufe des Jesus; v.29 Hinrichtung des Johannes des Täufers, Passahfest der Brotvermehrung, Teilnahme Jesu am Laubhüttenfest; 30 Kreuzigung des Jesus, Übergabe der Leiche an Joseph von Arimathaia; Duldung der Jünger Jesu und der entstehenden Jerusalemer Christengemeinde) und in der christlichen Überlieferung eine unterschiedliche Bewertung findet (Evangelien des Neuen Testaments [1. Jahrhundert]: Wahrheit der Bibel und Wahrheit des Pilatus; apokryphes Petrusevangelium [2. Jahrhundert, Mitte]: positive Pilatustradition; Tertullian [197]: Dokumente zum Jesusprozess; Eusebius von Caesarea [4. Jahrhundert, Anfang]: Selbstmord des Pilatus; apokryphes Nikodemusevangelium, Acta Petri et Pauli [5. Jahrhundert]: Pilatus als heimlicher Anhänger des Jesus; Paradosis ["Auslieferung des Pilatus", 7. Jahrhundert]: Pilatus als Märtyrer und Heiliger [auch in den christlichen Kirchen des Orients, apokryphes Gamalielevangelium, Martyrium Pilati des Gamaliel]; lateinisch-griechische Überlieferung des Mittelalters: negatives Pilatusbild [Legenda aurea des 13. Jahrhunderts, Passionsspiele des 13.-16. Jahrhunderts, Pilatustraditionen und -legenden in Frankreich, Spanien, Deutschland und Russland, kirchliche Kunst]). [Buhlmann, 04.2012]
Demandt, Alexander (2018), Marc Aurel. Der Kaiser und seine Welt, München 22019, 592 S., Schwarzweißabbildungen, Stammtafel, Karten, € 32,-. I. Marc Aurel (*121-†180 n.Chr.) stammte aus der spanischen Senatoren- und Konsulnfamilie der Anii (gens Annia) und genoß als Kind und Jugendlicher eine asketisch-philosophisch-stoische Erziehung, wobei er zusammen mit Lucius Verus durch Kaiser Hadrian (117-138) schon früh als Nachfolger des Kaisers Antoninus Pius (138-161) vorgesehen war (127/28 Springpriesterschaft, 136 Auszeichnungen durch Kaiser Hadrian, 136 Mündigkeit, 138 Nachfolge- und Adoptionsordnung Hadrians, 138-161 Kaiser Antoninus Pius, 139-161 Cäsar Marc Aurel, 145 Heirat mit Faustina, ab 147 Geburt von Töchtern und Söhnen). Als Kaiser und Augustus (161-180) regierte Marc Aurel zunächst zusammen mit dem (Mit-) Augustus Lucius Verus (161-169), der - während sich Marc Aurel u.a. in Rom aufhielt (161 Hochwasser) - die Leitung des kurz nach Thronbesteigung begonnenen Partherkriegs (161-166) übernahm (161 römische Niederlage bei Elegeia, parthische Einnahme Edessas, 163 römische Eroberung von Artaxata, 164/65 römisches Eindringen unter Avidius Cassius ins Partherreich, Eroberung von Seleukia und Ktesiphon, 165 römisches Eindringen unter Martius Verus und Claudius Fronto nach Medien, 166 Parthertriumph des Marc Aurel und des Lucius Verus in Rom). Im Zusammenhang mit dem Partherkrieg breitete sich im römischen Reich die "Antoninische Pest" (165/67-189) aus. Nach einem Chatteneinfall nach Raetien (162) kam es nach Abschluss des Partherkrieges zu einem Langobardeneinbruch in die Donauprovinzen und Pannonien (166/67), dem der (1.) Markomannenkrieg (167/70?-175) folgte (166 Aushebung von zwei neuen Legionen, 1. Markomannenfriede, 167 Markomannensieg, Zerstörung von Carnuntum und Wien, Markomannen vor Aquileia, Sühneriten in Rom, 168 Marc Aurel und Lucius Verus in Aquileia und Carnuntum, erfolgreiche römische Unternehmungen in Britannien, 169 Tod des Lucius Verus in Altinum, Marc Aurel in Rom [Versteigerung der Kronjuwelen] und Carnuntum, 170 römische Niederlage gegen Jazygen und Quaden, 171 römische Niederlage und römischer Sieg gegen die Markomannen, 2. Markomannenfriede, Vandaleneinfälle in Dakien, Kostoboken in Eleusis, 171/73 Maureneinfälle in Spanien, 172 Unruhen in Ägypten, 172-175 Quadenkrieg, 173 3. Markomannenfriede, Marc Aurel in Sirmium, 174 Sicherung von Raetien und Noricum, Chaukeneinfall in Belgien, 175 Jazygenfrieden). Die bald in sich zusammenfallende Usurpation des römischen Generals Avidius Cassius (175) brachte Marc Aurel in den Osten seines Reiches (175 Marc Aurel in Alexandria, 176 Winterlager in Kilikien, Tod der Ehefrau Faustina, Marc Aurel in Smyrna und Athen, dann in Rom, Triumph). Ab den 170er-Jahren wurde Marc Aurels Sohn als Nachfolger aufgebaut (177 Commodus als Konsul und Augustus), unterdessen kamen die Grenzen des römischen Reiches weiter nicht zur Ruhe (177 Maureneinfälle, römischer Sieg über die Jazygen), wie auch der (2.) Markomannen- und Quadenkrieg (178-180) zeigt (178 römischer Germanen- und Sarmatenfeldzug, Marc Aurel und Commodus in Sirmium, 179 Marc Aurel in Wien, römischer Sieg über die Quaden, Verhandlungen, 180 neue römische Provinzen nördlich der Donau?, Tod Marc Aurels in Wien). II. Das 2. Jahrhundert n.Chr. war eine kulturelle Blütezeit des römischen Reiches, ablesbar u.a. an Recht und Verwaltung (Kaisertum, Senat, Konsuln, Finanzverwaltung; Edikte und Rechtsvorschriften des Kaisers [Herodes Atticus-Prozess 174]; Sklaverei und Freilassung; Familienpolitik; Stiftungswesen; römisches Bürgerrecht; Provinzialverwaltung), Religion (Kaiserkult, Umgang mit den Christen [Justins Apologien, Christenprozesse in Lyon [177] und Scilli [180]), Bildung und Philosophie (philosophische Schulen, Stoizismus, Marc Aurels "Selbstbetrachtungen"). > M Marc Aurel [Buhlmann, 02.2020]
Demel, Walter (2005), Der europäische Adel. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart (= BSR 2379), München 2005 > A Adel
Demel, Walter, Schraut, Sylvia (2014), Der deutsche Adel. Lebensformen und Geschichte (= BSR 2832), München 2014, 128 S., Schwarzweißabbildungen, € 8,95. Deutscher Adel wird erst definierbar vor dem Hintergrund des Alten Reiches in Spätmittelalter und früher Neuzeit. Entstanden aus frühmittelalterlicher Reichsaristokratie (9. Jahrhundert) und hochmittelalterlichem Rittertum und Ministerialität (11.-13. Jahrhundert), war der Adel, dem nur ein Bruchteil der mitteleuropäischen Bevölkerung angehörte, ein Stand mit besonderen Vorrechten und Privilegien (Adelsehre und Standesprivilegen, Herrschaft über Menschen [Grund-, Gutsherrschaft]), wirtschaftlich durchaus herausgehoben (Vermögen und Einkommen, Berufsmöglichkeiten [Grundherr, adliger Dienst, Militär, Wirtschaftsunternehmen]) und auf Statussicherung und -abgrenzung bedacht (adlige Familien, adlige Erziehung, Heiratsverhalten, Konfession, adliger Lebensstil, Adelsgesellschaften). Dabei hatte der deutsch Adel im Laufe der Jahrhunderte durchaus mit Krisen zu kämpfen (spätmittelalterliche Adelskrise, Reformation, Adel und Fürstenhof, Französische Revolution, Adel und Bürgertum, Weimarer Republik, Drittes Reich, BRD und DDR). [Buhlmann, 06.2015]
Demhardt, Imre Josef (2011), Aufbruch ins Unbekannte. Legendäre Forschungsreisen von Humboldt bis Hedin, Darmstadt 2011, 168 S., Farbabbildungen, historische Karten, € 14,95. Bedeutende deutsche Forscher und Kartografen bei der Erkundung der Erde vom endenden 18. bis zum beginnenden 20. Jahrhundert waren:
I. Alexander von Humboldt (*1769-†1859): aus preußischer Beamtenfamilie, abgebrochene Studien, Assessor der preußischen Bergverwaltung (1791), Aufnahme in die Leopoldina (1793), Amerikaxpedition durch Neu-Granada (Orinoco-Amazonas, Anden-Peru) und Neu-Spanien (Mexiko) (1799-1805), Aufnahme in die Preußische Akademie der Wissenschaften (1800), Reisebeschreibung Le voyage aux regions equinoxiales du Nouveau Continent (30 Bände, 1807/28), Russland- und Sibirienreise (1829), universelle Weltbeschreibung Kosmos. Entwurf einer Physischen Weltbeschreibung (5 Bände, 1845/62), Mitbegründer der Deutschen Geologischen Gesellschaft (1848).
II. Heinrich Berghaus (*1797-†1884): Kartograf, Ingenieur-Geograf (1816), Professor der angewandten Mathematik (1824), freier Kartograf, Kontakte zu Alexander von Humboldt, Physikalischer Atlas (1838/40, 1849/52), Geographisches Jahrbuch (1850-1852) u.a., Lehrer von
III. August Petermann (*1822-†1878): Kartograf in Potsdam, Edinburgh, London (1844-1854) und Gotha (ab 1854; Justus Perthes' Geographische Anstalt), Petermanns Mitteilungen (1855; Gründer und Herausgeber), Berichterstatter, Förderer und Organisator der Westafrikaexpedition Heinrich Barths (1849/54), der Deutschen Innerafrika-Expedition (1860/62), der Ersten und Zweiten Deutschen Nordpolarexpedition (1868, 1860/70).
IV. Heinrich Barth (*1821-†1865): Entdecker, "Humboldt der Afrikaforschung", Studium und Promotion in Alter Geschichte (1839-1844), Westafrikareise (1845/47), Wanderungen durch die Küstenländer des Mittelmeeres (1845), britische Afrikaexpedition bis Tschadsee und Timbuktu (1850/54), Reisen und Entdeckungen in Nord- und Centralafrika (1855/58), Reise nach Anatolien, Italien, Montenegro (1858, 1864/65), außerordentliche Professur von Geografie in Berlin (1863).
V. Johann Krapf (*1810-†1881): Vikar, Missionar, Entdecker, Theologiestudium (1829/34), Missionierung in Äthiopien (1837/42), Promotion in Philologie (1842), Missionierung in Ostafrika (1848/52), Entdeckung des Kilimandscharo (1849), Reisen in Ostafrika (1855/58), Aufenthalte in Ostafrika (1860/61, 1867).
VI. Gerhard Rohlfs (*1831-†1896): Medizinstudium (1850/53), Fremdenlegion (1856/60), Leibarzt des Sultans von Marokko (1861), West-/Nordafrikaexpeditionen (1862/64), erste Saharadurchquerung (1865/67), Nordafrikaexpeditionen (1868/69, 1873/74, 1878/79), Generalkonsul in Sansibar (1884/85).
VII. Georg Schweinfurth (*1836-†1925): Botaniker, Forschungsreise entlang des Nil (1863/66), Forschungsreise vom Sudan zum Kongo (1869/71).
VIII. Karl Weule (*1864-†1926): Kulturanthropologe, Leiter des Leipziger Völkerkundemuseums, Deutsch-Ostafrikaexpedition (1906/07).
IX. Oscar Baumann (*1864-†1899): Geografiestudium (1882), Kongoexpedition (1885), Promotion (1888), Deutsch-Ostafrikaexpeditionen (1889/90, 1892/93, 1895), Österreichisch-ungarischer Konsul in Sansibar (1896/99).
X. Emin Pascha (Eduard Schnitzer, *1840-†1892): Medizinstudium und Promotion (1859/63), Reisen durch das Osmanische Reich (1871/74), Regierungsarzt in der Äquatorialprovinz des ägyptischen Sudan (1876), Provinzgouverneur (1879), Emin Pascha (1887), deutscher Kolonialdienst (1890), Vorstoß nach Äquatorialafrika und Ermordung (1891/92).
XI. Julius Payer (*1841-†1915): Alpinist, Polarforscher, Österreichisch-ungarische Nordpolexpedition zusammen mit Carl Weyprecht (*1838-†1881).
XII. Ferdinand von Hochstetter (*1829-†1884): Theologiestudium und Promotion in Mineralogie (1848/52), Habilitation in Geologie (1856), Weltumseglung mit der "Novara" (1857/59; Neuseelandexpeditionen), Professur in Wien (1860), Balkanreise (1860), Russlandreise (1872), Gründung des Wiener Naturwissenschaftlichen Hofmuseums (1876).
XIII. Heinrich Zollinger (*1818-†1859): Hilfslehrer und Botanikstudium, Javareisen (1842, 1855/59), Baliexpedition (1845/46), Sundainseln (1847).
XIV. Franz Junghuhn (*1809-†1864): Naturforscher, Medizinstudium (1830/31), Festungshaft auf Ehrenbreitstein (1832), Fremdenlegion (1832/33), Tropenarztausbildung in Utrecht (1833/34), Java, Sumatra (1835/48), Inspektor und Aufseher (1855, 1858); (Vulkanausbruch des Krakatau 1883).
XV. Otto Finsch (*1839-†1917): Ornithologische Studien in Bulgarien, Nordamerika, Lappland, Sibirien, China und im westlichen Pazifik (1858/59, 1872, 1873, 1876, 1879/82), Inbesitznahme von Neuguinea für das Deutsche Reich (1884/85), Reichsmuseum Leiden (1897), Völkerkundemuseum Braunschweig (1904).
XVI. Leo Frobenius (*1873-†1938): Völkerkundler, Kulturkreislehre (1900; pazifische Kulturkreise Polynesiens).
XVII. Rudolf Amandus Philippi (*1808-†1904): Auswanderung nach Chile (1851), Sammel- und Studienreisen (1853/54), Professur für Naturgeschichte in Santiago de Chile (1853/74), Direktor des Naturhistorischen Museums von Santiago de Chile (1853/97).
XVIII. Johann Jakob von Tschudi (*1818-†1889): Naturforscher, Sammelreisen in Peru (1838/43), Peru. Reiseskizzen 1838-42 (1846), Südamerikareise (1867/59; Brasilien, Anden/Atacama, Chile), Gesandter in Brasilien (1860/62), Reisen durch Südamerika (1866/69).
XIX. Erich von Drygalski (*1865-†1953): Mathematik-, Physik- und Geografiestudium und Promotion (1882/87), Vorexpedition nach Grönland (1891), Habilitation (1898), Deutsche Südpolarexpedition (1901/03), Professur in München (1906), Zeppelinexpedition nach Spitzbergen (1910).
XX. Alfred Philippson (*1864-†1953): Geografie-, Geologie-, Mineralogie- und Wirtschaftsstudium und Promotion (1882/86), Feldforschungsreisen in Griechenland (1887/90), Habilitation (1891), Studienreisen in die Ägäis (1900/04), Professuren (1904), Haft im Ghetto Theresienstadt (1942/45).
XXI. Alfred Wegener (*1880-†1930): Physik-, Meteorologie- und Astronomiestudium und Promotion (1900/05), 1. Grönlandexpedition (1906), Habilitation (1909), Die Entstehung der Kontinente und Kontinentaldrift (1912), 2. Grönlandexpedition (1912), Professur in Graz (1924), 3. Grönlandexpedition (1929), 4. Grönlandexpedition und Tod (1930).
XXII. Wladimir Köppen (*1846-†1940): Botaniker, Zoologe, Promotionsschrift Wärme und Pflanzenwuchs (1872), Seewetterdienst in Hamburg (1875), Klassifizierung des Weltklimas, Handbuch der Klimatologie (1930).
XXIII. Ferdinand von Richthofen (*1833-†1905): Geograf, Promotion (1856), preußische Handelsmission nach Ceylon, Java, Thailand (1860/62), Lagerstättenprospektor in Kalifornien und Nevada (1862/68), Chinareise (1868/72), Professuren (1879).
XXIV. Sven Hedin (*1865-†1952): Hauslehrer in Baku (1885/86), Geologie-, Mineralogie- und Zoologiestudium (1886/90), Persienreise (1890/91), Promotion (1892), 1. Hochasienexpedition (1893/97, Pamir, Taklamakan), 2. Hochasienexpedition (1899/1902; Taklamakan, Tibet), 3. Hochasienexpedition (1905/09; Transhimalaya), Sino-schwedische Expedition (1926/35; Mongolei, Gobi, Turkestan), NS-Deutschland (1935/45).
XXV. Als Entwicklung in der geografischen (Er-) Forschung (der Erde) im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert kann ausgemacht werden: Im zeitlichen Verlauf setzten sich die Erkundung der Erde durch wissenschaftliche Teams gegenüber den Erkundungen von Einzelforschern durch; dem entsprach eine starke Differenzierung in wissenschaftliche Fachdisziplinen innerhalb der geografischen Arbeitsweise.
Reise- und Expeditionsberichte sind Geschichtsquellen nicht nur der europäischen Neuzeit, u.a.:
Drinneberg, Erwin (1926), Von Ceylon zum Himalaya. Ein Reisebuch, Berlin 1926, 360 S., Schwarzweißtafeln, Karte, RM N.N;
Gerstäcker, Friedrich (1868), Neue Reisen durch die Vereinigten Staaten, Mexiko, Ecuador, Westindien und Venezuela: Bd.2,1-2: Mexiko, der Isthmus und Westindien, Jena 1868, Ndr o.O. [Norderstedt] o.J. [2009/17?], 422 S., [€ 59,90];
> H Hedin, Sven;
Reise- und Abenteuergeschichten, hg. v. Heinrich Pleticha (1977) (= Arbeitstexte für den Unterricht = RUB 9537), Stuttgart 1977, 96 S., DM 1,60.
[Buhlmann, 12.2013, 03.2023, 08.2023]
Dendorfer, Jürgen, Maulhardt, Heinrich, Regnath, R. Johanna, Zotz, Thomas (Hg.) (2016), 817 - Die urkundliche Ersterwähnung von Villingen und Schwenningen (= VAI 83 = SchrrVS 39), Ostfildern 2016, 261 S., Abbildungen, Karten, Pläne, € 24,95. Die Siedlungen Villingen und Schwenningen auf der Baar reichen bis in alemannische Zeit zurück, doch erst die Urkunde des Frankenkönigs und Kaisers Ludwig des Frommen (814-840) für das Kloster St. Gallen vom 4. Juni 817 überliefert erstmals die Namen der zwei Orte. Sichtbar werden dadurch regionale und überregionale Bezüge, die die Orte und die Landschaft an oberem Neckar und oberer Donau in die Geschichte des karolingischen Frankenreichs rücken. I. Demgemäß beschäftigen sich mit dem kaiserlichen Diplom als solchem: Heinrich Maulhardt, Die Ersterwähnung von Villingen, Schwenningen und Tannheim in ihrer Wirkungsgeschichte; Theo Kölzer, Das Aachener Kaiserdiplom vom 4. Juni 817; Peter Erhart, Das Diplom Ludwigs des Frommen von 817, seine Vervielfältigung und das Schicksal der St. Galler Klostergüter. II. Aussteller der Urkunde, Kaiser Ludwig dem Frommen, und Empfänger, Kloster St. Gallen, behandeln: Rudolf Schieffer, Kaiser Ludwig der Fromme und die Klöster; Ernst Tremp, St. Gallen, Reichenau und Konstanz im 8. und frühen 9. Jahrhundert; Eva-Maria Butz, Die Memoria Ludwigs des Frommen in St. Gallen und auf der Reichenau. Herrschergedenken zwischen Krise und Konsens. III. Das Baaremer Umfeld der Urkunden haben zum Inhalt: Clemens Regenbogen, Der Raum um Villingen und Schwenningen in der Karolingerzeit nach der schriftlichen Überlieferung; Sebastian Brather, Die frühmittelalterliche Baar aus archäologischer Sicht; Heinz Krieg, Die Baar in ottonischer Zeit. IV. Alemannien und das Frankenreich haben als Thema: Thomas Zotz, Alemannien im Übergang von Karl dem Großen zu Ludwig dem Frommen; Jürgen Dendorfer, König und Adel in Alemannien. Narrative der Forschung zum 8. und 9. Jahrhundert; Philippe Depreux, Kaiserliche Amsträger und Entourage Ludwigs des Frommen in und aus Alemannien und dem Elsass; Karl Ubl, Recht in der Region. Die Rezeption von leges und capitula im karolingischen Alemannien; Steffen Patzold, Alemannien um 829. Eine Minimalsicht auf das erste Herrschaftsgebiet Karls des Kahlen. Es fehlen Edition und Übersetzung des Kaiserdiploms; vgl. dazu noch (mit Edtion und Übersetzung): Buhlmann, Michael (2013), Die Urkunde Kaiser Ludwigs des Frommen für das Kloster St. Gallen vom 4. Juni 817. Ein Beginn Villinger und Schwenninger Geschichte (= VA 67), Essen 2013, 60 S., Karte, € 4,-. [Buhlmann, 12.2013, 03.2017]
Denholm-Young, Noël (1947), Richard of Cornwall, Oxford 1947 > R Richard von Cornwall
Dennig, Regina, Zettler, Alfons (1996), Der Evangelist Markus in Venedig und in Reichenau, in: ZGO 144 (1996), S.19-46. Der Translatio sancti Marci (9./10. Jahrhundert) zufolge raubten venezianische Kaufleute im Jahr 829 die (angebliche?) Mumie des heiligen Evangelisten Markus aus Alexandrien und brachten sie zu Schiff und unter vom heiligen Markus bewirkten Wundern nach Venedig (829). Zwar starb der Doge Justinian (827-829), der das Unternehmen wahrscheinlich gefördert hatte, bald nach der Ankunft des Heiligen, doch konnte sein Nachfolger und Bruder Johannes (829-836) eine der Jerusalemer Grabkirche ähnliche Markuskirche am Dogenpalast errichten. Zwischenzeitlich musste sich Johannes allerdings, aus Venedig vertrieben, ins benachbarte Frankenreich flüchten, wo er vielleicht mit Bischof Ratold von Verona (†847?) zusammentraf; dieser forderte als Gegenleistung für politische Unterstützung einen Teil des corpus des heiligen Markus; die Reliquie gelangte so im Jahr 830 auf die Reichenau, mit der Ratold in Verbindung stand (Gründung des Stifts Radolfzell). Nach den Miracula sancti Marci des Klosters Reichenau (10. Jahrhundert) befand sich der Heilige zunächst unter dem Namen Vale(n)s auf der Reichenau, bevor er sich 873/75 den Mönchen mit seinem wirklichen Namen offenbarte; diese Überlieferung ist dabei wohl im Zusammenhang mit den Aufenthalt des Slawenapostels Method auf der Reichenau (869/73) zu sehen. Es dauerte dann noch bis (nach) 926, bevor der sich entwickelnde Reichenauer Kult um den heiligen Markus auch vom Konstanzer Bischof Nothing (919-934) anerkannt wurde. Der heilige Markus avancierte zu einem Hauptpatron der Reichenau, wie nicht zuletzt die unter Abt Bern (1008-1048) dem Markus geweihte Westkirche in Reichenau-Mittelzell beweist. Die Markuskirche in Venedig, versehen mit Krypta oder Martyrion, stand im 9. und 10. Jahrhundert für eine "dogale Verehrung" des Heiligen; Markus wurde damit zum "Staatsheiligen" Venedigs und dies schon vor 1094, dem angeblichen Auftauchen des ebenso angeblich verschollenen Markusschreins gemäß der Apparatio sancti Marci, einer Sammlung von Wundergeschichten aus der Zeit um 1300. [Buhlmann, 08.2013]
Deppe, Frank (2006), Politisches Denken im Kalten Krieg (= Politisches Denken im 20. Jahrhundert, Bd.3): Tl.1: Die Konfrontation der Systeme, Hamburg 2006 > K Kalter Krieg
Derks, Paul (1984), In pago Borahtron. Zu einigen Ortsnamen der Hellweg- und Emscherzone, in: EB 99 (1984), S.1-78. Es wird klar, dass die nur beim frühmittelalterlichen Mönch und Gelehrten Beda Venerabilis (†735) erwähnten Boruktuarier nicht mit den Brukteren verwechselt werden dürfen. Immerhin können sie aber dem sogenannten Boruktuariergau beiseite gestellt werden, also jener Landschaft zwischen Ruhr und Lippe, die in frühmittelalterlichen Quellen des 7. bis 10. Jahrhundert den Namen von den Boruktuariern erhalten hat. Die zum Boruktuariergau gehörenden Orte häufen sich um Bochum und Dortmund, sind aber auch östlich von Unna und Soest und bei Iserlohn anzutreffen; (Essen-) Ehrenseel (Ericeli) stellt den westlichsten Beleg dar. Damit liegt der Gau nördlich der unteren Ruhr und des Ruhrgaus. Die Siedlungsnamen "Bochum", (Essen-) "Borbeck" und "Bottrop" weisen nicht auf den Boruktuariergau hin. [Buhlmann, 09.1985]
Derks, Paul (1985), Die Siedlungsnamen der Stadt Essen. Sprachliche und geschichtliche Untersuchungen (= EB 100), Essen 1985, 210 S., DM 42,-; Derks, Paul (1989/90), Der Ortsname Essen, Nachtrag zu "Die Siedlungsnamen der Stadt Essen", in: EB 103 (1989/90), S.27-52. In zwei Veröffentlichungen behandelt der Verfasser die Siedlungsnamen (und einige Gewässernamen) auf dem Gebiet der heutigen Stadt Essen. Während aber der Aufsatz von 1989/90 (im Folgenden zitiert als: Derks, Nachtrag) speziell nur auf den Ortsnamen Essen eingeht, werden in der Untersuchung von 1985 (im Folgenden: Derks, Siedlungsnamen) insgesamt 80 Siedlungs- (und Gewässer-) Namen vom frühen Mittelalter bis zur Neuzeit vorgestellt. Geordnet sind diese nach namenkundlichen Gesichtspunkten: Den einstämmigen Siedlungsnamen mit Suffix (Kapitel I) folgen die zweistämmigen, wiederum unterteilt nach Grundwörtern, die Geländebeschaffenheit (Kapitel II) oder menschliche Arbeit (Kapitel III) anzeigen bzw. direkt auf eine Siedlung (Kapitel IV) hinweisen. Die jüngeren Essener Siedlungsnamen (Kapitel V) und die Gewässernamen (Kapitel VI) bilden den Abschluss. In jedem dieser Kapitel sind die Ortsnamen nach den jeweiligen (alphabetisch sortierten) Grundwörtern ebenfalls in alphabetischer Reihenfolge angeordnet (und durchnummeriert von Nummer 1 bis 80). Der Aufbau bringt es mit sich, dass jedes Grundwort zunächst einführend erörtert werden kann. Erst danach erläutert der Verfasser die einzelnen Siedlungsnamen. Dabei gibt er in einer kurzen Tabelle den Erstbeleg und (von ihm ausgewählte) weitere Belege zum Ortsnamen an, versehen mit entsprechender Jahreszahl und dem Hinweis auf Original oder Abschrift. Ausführlich folgt dann - gemäß dem in der Einleitung Gesagten (Derks, Siedlungsnamen, S.2) - die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Deutungen, die die Siedlungsnamen seit dem 19. Jahrhundert erfahren haben, wobei ein umfangreicher Fußnotenapparat dem Leser zur Verfügung steht. Es ist hier nicht nötig, auf jeden einzelnen Siedlungsnamen einzugehen. Lediglich der Ortsname Essen soll hier kurz beleuchtet werden: Der Erstbeleg "Astnide" datiert um das Jahr 870; weitere Belege lauten auf "Astnid, Asnithe, Essendia" u.ä. (Derks, Siedlungsnamen, S.7). Derks, Nachtrag, S.40f, 45 interpretiert nun den Namen Essen als "Gegend nach Osten" und ordnet diesen - darin Jahn, Robert, Essener Geschichte, Essen 21957, S.15 folgend - einer Alt-Essener Grundherrschaft zu, die sich gemäß einer im frühen Mittelalter üblichen Leugenvermessung über ca. 4400m vom Viehofer Hölting im Norden bis zum Stift Essen im Süden erstreckt hat (Derks, Nachtrag, S.34). Der Name "Essen", damals an dem Mittelpunkt der Grundherrschaft haftend, sei dann einmal auf den Stiftsbereich, zum Zweiten auf Altenessen übergegangen (Ortsnamenpaar "Essen - Altenessen"). Entscheidend - und vom Verfasser wohl richtig erkannt - ist dabei, dass für den grundherrschaftlichen Mittelpunkt mit dem westlich davon gelegenen Westerdorp ein Bezugspunkt ermittelt werden kann. Dieser macht nämlich die Deutung des Namens Essen sowohl als Namen für die Grundherrschaft als auch als Namen im geographischen System der Himmelsrichtungen (Westen-Osten) plausibel. So steht dem Westerdorp die "Gegend nach Osten" gegenüber (Ortsnamenpaar "Westerdorp - Alt-Essen"). Die Argumentation ist hier wie auch bei den anderen Siedlungsnamen also durchaus schlüssig. Trotzdem sei noch auf einige Mängel hingewiesen. Diese beziehen sich in erster Linie auf die Publikation von 1985: Im Register der Ortsnamen, das dem Inhaltsverzeichnis unmittelbar folgt, fehlt der Bezug auf die Seitenzahlen. So muss man recht umständlich über das Inhaltsverzeichnis die entsprechende Seitenzahl suchen. Schwerwiegender ist da schon die Tatsache, dass nicht alle Essener Siedlungsnamen untersucht wurden, zumal auch unklar bleibt, nach welchen Kriterien der Verfasser die Orte ausgewählt hat. Die Größe als Kriterium scheidet aus. Denn während z.B. die Berchemer Höfe oder Ickten erwähnt werden (Derks, Siedlungsnamen, S.160f bzw. S.12ff), fehlt der Abschnitt über das vergleichbare Harnscheid. Allein für den Essener Süden wären die Siedlungsnamen Dahl, Kallenberg, Ludscheid, Meckenstock oder Tüschen zu ergänzen, um nur noch einige Namen zu nennen. Dagegen ist fraglich, ob der in Derks, Siedlungsnamen, S.103f erwähnte Ortsnamenbeleg für Byfang überhaupt auf den Essener Ortsteil bezogen werden kann. Die Zuordnung des einzigen frühmittelalterlichen Belegs von 837 Oktober 17 ist nämlich mehr als unsicher. Der in der zugrundeliegenden Urkunde erwähnte Bifang liegt zwar in saltu UUanesuualde, d.h. südlich der Ruhr, aber "zwischen den Bächen Podrebeci und Farnthrapa", wobei der Verfasser wohl stillschweigend "Podrebeci" mit (Preuten)Borbeck bei Essen-Werden identifiziert. Blok, Dirk Peter, De oudste particuliere Oorkonden van het klooster Werden, Assen 1960, Nr.55 nimmt hingegen einen Bifang bei Unter- und Oberporbeck südlich von Hattingen an; dort befindet sich auch der Bach +Fahrentrappe, worauf auch Schmidt, Dagmar, Die rechten Nebenflüsse des Rheins von der Wupper bis zur Lippe (= Hydronomia Germania A 6), Wiesbaden 1968, S.60 hinweist. Die letzte Deutung ist die wahrscheinlichere. Man wird also mit verschiedenen Bifängen zu rechnen haben, von denen der Essener jeglicher mittelalterlicher Überlieferung entbehrt. Der Byfang-Beleg zeigt auch einen grundlegenden Mangel an: mitunter wurden neuere Urkundeneditionen vom Verfasser nicht herangezogen. So sind alle frühen Werdener Urkunden zitiert nach Lacomblet, Theodor, Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins, 4 Bde., 1840-1858, Aalen Neudruck 1966 und nicht etwa nach Blok. Darüber hinaus wäre es auch sinnvoll gewesen, wenigstens für das frühere Mittelalter auf die Vollständigkeit der Ortsnamenbelege zu achten, wie es etwa bei den Publikationen im Rahmen des Rheinischen Städteatlasses geschieht. Solch eine Vorgehensweise geht indes - das muss betont werden - mehr in Richtung eines Essener Ortsnamenbuchs. Störend ist ebenfalls das Fehlen von Informationen über die geografische Lage der einzelnen Siedlungen. Hier wäre eine Karte angebracht gewesen und/oder - wie in Ortsnamenbüchern üblich - eine kurze Lagebeschreibung (vgl. z.B. Reichardt, Lutz, Ortsnamenbuch des Kreises Göppingen (= VKGLBW B 112), Stuttgart 1989). Dann kann auch der nicht so bewanderte Leser die richtige geografische Einordnung treffen. Zusammengenommen sind die aufgeführten Punkte allerdings nicht sehr schwerwiegend. Sie zeigen aber immerhin auf, wie sorgfältig gerade Darstellungen über Siedlungsnamen angelegt sein müssen. Im Großen und Ganzen handelt es sich somit bei den hier vorgestellten Publikationen um gelungene Arbeiten. Insbesondere ist zu betonen, dass der Verfasser es verstanden hat, die Problematik bei der Analyse von Siedlungsnamen aufzuzeigen und damit die Wege und Irrwege einer philologisch-historischen Forschung. Vgl. noch: Imme, Theodor (1905), Die Ortsnamen des Kreises Essen und der angrenzenden Gebiete (= EB 27), Essen 1905, 72 S., DM 24,-. [Buhlmann, 09.1991]
Derks, Paul (2019), Die Siedlungsnamen der Stadt Ratingen. Sprachliche und geschichtliche Untersuchungen, Ratingen 2019, Farbabbildungen alter Karten, € N.N. Zusammengestellt und ortsnamenkundlich erforscht auf der Grundlage von Dittmaier, Heinrich (1955), Siedlungsnamen und Siedlungsgeschichte des Bergischen Landes (= ZBGV 74), Neustadt a.d. Aisch 1955, werden die wie auch immer definierten Siedlungsnamen zur Ratinger Geschichte: Ratingen, Linnep, Schwarzbach, Hasselbeck, Tiefenbroich, Homberg, Landsberg, Meiersberg, Laupendahler Mark, Mintarder Berg, Breitscheid, Eggerscheidt, Eickelscheid, Brachterhof und Altenbracht, Eckamp, Lintorf, Hösel, Cromford. Die Auswahl und die gebotene Reihenfolge der Siedlungsnamen ist dabei unklar - sieht man von den nacheinander stehenden Ortsnamen mit einem bestimmten Grundwort einmal ab -, bei manchen der aufgeführten Namen erschließt sich der Zusammenhang mit Ratingen nicht. Beispiel hierfür ist die Laupendahler Mark, die doch eher nach (Essen-) Kettwig zu verorten ist; Gleiches gilt für (Mülheim-) Mintard, wenn auch der Mintarder Berg (ein [mittelalterlicher] Siedlungsname?) in Ratingen liegt. Stattdessen fehlen Ratinger Siedlungsnamen wie z.B. (Haus, Hof) Anger, Bechem, Bellscheidt, Scheven oder Volkardey. Weiter sind die frühen Ortsnamenbelege zu Lintorf nicht vollständig; es fehlt der Beleg zu ca.1145 aus dem Kaiserswerther Urkundenbuch, obwohl dieses der Untersuchung zugrundelag. Beim Ortsnamen "Eggerscheidt" fehlt der Erstbeleg (ca.1220) aus den Vogteirollen des Grafen Friedrich II. von Isenberg (1209-1226) sowie die Urkunde von 1254. "Eickelscheidt" in Hösel schreibt sich mit -dt am Ende. Da generell nicht alle z.B. frühesten Belege zu einem Siedlungsnamen genannt werden, stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien die Belegauswahl erfolgte. Entgegen dem Untertitel "Sprachliche und geschichtliche Untersuchungen" fehlt eine geschichtliche Einordnung der Siedlungsnamen (Besitz- und Siedlungsentwicklung z.B.), so dass auch kein Rückgriff auf die historische Ratinger Ortsliteratur (z.B. Pracht-Jörns, Elfi (Bearb.) (2008), Ratingen (= RS 89), Köln-Weimar-Wien 2008; Volmert, Theo (1982), Lintorf. Berichte, Dokumente, Bilder aus seiner Geschichte von den Anfängen bis 1815, Ratingen 1982 usw.) stattfand. Eine Ausnahme stellt der Ortsname (Herren von) "Landsberg" dar. Die somit weitgehende Negierung der mit den Siedlungen jeweils zusammenhängenden historischen Entwicklungen führt beim reichlich kurz abgehandelten Siedlungsnamen "Hösel" dazu, dass nur ein Ortsnamenbeleg genannt wird und das Husel der Duisburger Mauerbauinschrift (1111/25) gar nicht erwähnt wird; hier wäre eine Auseinandersetzung um die Identifizierung von Husel mit Hösel notwendig gewesen und damit eine Einbeziehung von Ortsnamenmaterial jenseits des von Dittmaier Gebotenen. Die ortsnamenkundliche Analyse der Siedlungsnamen ist hingegen mustergültig. Vgl. noch die (bei Derks nicht genannte) weitere ortsnamenkundliche Literatur für den Ratinger Raum, u.a.: Herder, Paul, Orts- und Flurnamen aus Ratingen und seiner Umgebung, in: Alt-Ratingen 3 (1927), S.26f, 53ff > R Ratingen; Krumme, Erich (1969), Alte Namen im Höseler Raum, in: Unser Hoyselt 3 (1969), S.15-25. [Buhlmann, 2003, 04.2020]
Deschner, Günther (1977), Reinhard Heydrich. Statthalter der totalen Macht. Biographie, Esslingen a.N., 368 S., Schwarzweißtafeln, DM 34,-, (= Heyne Tb 5643), München 1980, 347 S., Schwarzweißtafeln, DM 2,-. Reinhard Heydrich (*1904-†1942) war einer der prominentesten Vertreter des nationalsozialistischen Unrechtsregime im "Dritten Reich". Ein begnadeter Violinist und herausragender Leistungssportler, trat der junge Heydrich in die Reichsmarine der Weimarer Republik ein (1922), um Karriere zu machen; doch endete diese wegen "unwürdigem Verhalten" (ein angeblich nicht eingehaltenes Eheversprechen) mit der Entlassung aus der Kriegsmarine (1931). Heydrich schloss sich, beeinflusst von seiner (zukünftigen) Frau Lina von Osten - der NSDAP an (Parteieintritt und Eintritt in die SS als SS-Untersturmfüher 1931), wo er als Protegé des "Reichsführers SS" Heinrich Himmler rasch auch im neu zu gestaltenden Nachrichten- und "Sicherheitsdienst" (SD) rasch aufstieg (SS-Hauptsturmführer 1931, SS-Standartenführer 1932). Nach der "Machtergreifung" Adolf Hitlers wurde Heydrich stellvertretender Leiter der bayerischen Polizei, wo er im Sinne des Nationalsozialismus Polizei und NS-Parteiorganisationen (SS) zu einer politischen Polizei zusammenführte und gegen (vermeintliche) Gegner des NS-Regimes (Juden, Kommunisten, religiöse Gruppen) vorging. In Preußen wurde Heydrich Chef der Geheimpolizei und war an der Niederschlagung des "Röhm-Putsches" (1934) mitbeteiligt (SS-Gruppenführer 1934). Die nächsten Jahre waren geprägt durch die geheimdienstliche Konkurrenz zwischen der Abwehr Admiral Wilhelm Canaris' (Wehrmacht) und Heydrichs SD (Partei). 1939 entstand das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) im Zusammenschluss von SD, Kriminal- und Geheime Staatspolizei unter der Leitung Heydrichs, der das RSHA nach seinen Vorstellungen formte. 1940 wurde Heydrich zudem Präsident der Internationalen Kriminalpolizeilichen Kommission (IKPK). Heydrich war maßgeblich an den Vorbereitungen des Zweiten Weltkriegs (1939-1945) beteiligt (angeblicher polnischer Überfall auf den Sender Glewitz 1939) und unterstützte organisatorisch die menschenverachtende Vorgenhensweise der SS-Einsatztruppen in den eroberten Gebieten (in Osteuropa). An der Wannsee-Konferenz zur "Endlösung der Judenfrage" (20. Januar 1942) hatte Heydrich großen Anteil, zudem führten seine Inspektionsriesen in die eroberten, ehemals sowjetischen Ostgebiete zu einer Verschärfung der Judenvernichtung durch die SS. Noch 1941 war Heydrich zum Stellvertretenden Reichsprotektor für Böhmen und Mähren ernannt worden und stabilsierte das für die Kriegsindustrie so wichtige Protektorat. Heydrich fiel am 27. Mai 1942 einem im Auftrag der tschechischen Exilregierung durchgeführten Attentat zum Opfer, so dass er am 4. Juni starb. Folgen des Attentats waren ein über das Protektorat verhängtes Standrecht, der Überfall auf das Dorf Lidice (Tötung aller Männer und fast aller Kinder, Deportation der Frauen), das in der Neuen Kanzlei in Berlin begangene Staatsbegräbnis Heydrichs und das Aufspüren der zwei Attentäter, die durch Selbstmord starben. Heydrich bleibt in Erinnerung als Technokrat nationalsozialistischer Macht und als ein Organisator der Judenverfolgung und -vernichtung im Zweiten Weltkrieg. [Buhlmann, 04.2020]
Deschner, Karlheinz (1974), Kirche des Unheils. Argumente, um Konsequenzen zu ziehen (= Heyne Tb 5091), München 41977 > K Katholische Kirche in der Moderne
>Deterding, Frank (1996), Die Seidenstraße. Auf der Karawanenstraße von Pakistan nach China, Bindlach 1996 > H Höllmann, China und die Seidenstraße
Deuel, Leo (1963), Das Abenteuer Archäologie. Ausgrabungsberichte aus dem Nahen Osten, München 51977 > A Archäologie
Deuel, Leo (1975), Kulturen vor Kolumbus. Das Abenteuer Archäologie in Lateinamerika (= dtv 1744), München 1982 > A Archäologie
Deuerlein, Ernst (1972), Deutschland 1963-1970 (= Edition Zeitgeschehen), Hannover 1972 > D Deutsche Geschichte, 1949-heute
Deutinger, Stephan, Deutinger, Roman (Hg.) (2018), Die Abtei Niederaltaich. Geschichte, Kultur und Spiritualität von der Gründung bis zur Säkularisation (= SMGB, Ergbd.53), St. Ottilien 2018 > N Niederaltaich
Deutsche Geschichte, 15./16. Jahrhundert-1806, frühe Neuzeit, Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation (Altes Reich): I. Aus dem spätmittelalterlichen Reich der römisch-deutschen Könige und Kaiser mit seinen Landesherrschaften und Territorien (weltliche Fürstentümer, geistliche Fürstentümer [Hochstifte, Reichsabteien u.a.], Reichsstädte und -dörfer, Reichsritterschaft) war durch institutionelle "Verdichtung"/"Verfestigung" an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert (Reichsreform; Wormser Reichstag 1495 [Ewiger Landfrieden, Reichskammergericht, Reichshofrat, Reichstage, Gemeiner Pfennig], Reichskreise 1500/12, Wormser Reichsmatrikel 1521, Constitutio Criminalis Carolina 1532) das Alte Reich der frühen Neuzeit, das Heilige Römische Reich deutscher Nation entstanden. Institutionell geprägt von Kaiser (fast durchgehend aus dem Hause Habsburg) und den konsensual entscheidenden Reichsständen, war das Reich "ein Körper aus Haupt und Gliedern", innerhalb dessen den Kurfürsten (Kurfürstenkollegium) als "Säulen des Reiches" die Wahl des deutschen Königs zustand (Goldene Bulle 1356, Wahlkönigtum). Dabei unterlagen die Institutionen des Reiches in der frühen Neuzeit (verfassungsrechtlichen) Wandlungen, wie sie etwa die Reformation oder der Dreißigjährige Krieg (Westfälischer Frieden 1648) bedingten, resultierend aus den krisenhaften Entwicklungen gerade zwischen der Mitte des 16. und der des 17. Jahrhunderts (Abkehr vom Augsburger Religionsfrieden [Rekatholisierung, Säkularisierung von Kirchengut], Türkenkrieg und Türkenhilfe, Fehlen des Reichstags 1613/40, Dreißigjähriger Krieg als Religionskrieg). Auf der Ebene von Reichsständen und Reichsgliedern war das Alte Reich ein Rechtsverband und eine Friedensgemeinschaft, u.a. basierend auf den Reichskreisen. Letztere waren sehr unterschiedlich gestaltet. Der schwäbische, oberrheinische und fränkische Reichskreis bestanden aus einer Vielzahl kleiner Territorien und Landesherrschaften, im Südwesten Deutschlands gab es Dutzende von Reichsstädten. An größeren Territorien sind für den südlichen Teil von Deutschland die wittelsbachischen Kurfürstentümer Bayern und Pfalz (mit den 1614 an die Pfalz gelangten Herzogtümern Jülich und Berg), das Herzogtum Württemberg, die Markgrafschaften Baden, Ansbach und Bayreuth zu nennen, für den nördlichen Teil das Kurfürstentum Brandenburg (-Preußen) (mit den 1614 erworbenen Territorien Kleve und Mark), Kursachsen, die Herzogtümer Holstein, Mecklenburg und der Welfen (Braunschweig, Hannover u.a.). Daneben gab es eine Vielzahl von geistlichen Territorien, allen voran die Erzbistümer von Köln, Mainz, Trier und Salzburg, die Bistümer Bamberg, Münster, Paderborn, Würzburg, aber auch kleine geistliche Herrschaften wie das Frauenstift Essen oder die Männerabtei (Essen-) Werden. Sie stehen für die territoriale Vielfalt von Herrschaft im Reich. Gemäß den Bestimmungen des Westfälischen Friedens gehörten (faktisch oder rechtlich) dem Reich nicht mehr an die Vereinigten Niederlande und die Schweizer Eidgenossenschaft; Vorpommern und die ehemaligen Hochstifte Bremen und Verden waren Teil des Reiches, waren aber an Schweden gefallen; (Ost-) Preußen war Besitz der brandenburgischen Hohenzollern, gehörte aber nicht zum Reich. In den Territorien übten (Erz-) Bischöfe, Äbte, geistliche Kapitel, Fürsten, Landstände, Stadträte oder Ritter Herrschaft aus, wobei sich die Herrschaftsrechte vielfach überschnitten, der Westfälische Frieden immerhin Voraussetzungen für die territoriale Weiterentwicklung größerer fürstlicher Landesherrschaften in Richtung moderner Staatlichkeit bot. Die nach dem Dreißigjährigen Krieg angelegte Entwicklung des Alten Reiches hin zu einem (losen) Bund fürstlicher Staaten konnte ein gestärktes habsburgisches Kaisertum (u.a. als Garant für die Existenz kleinerer Landesherrschaften) aufhalten, wiewohl größere Territorien wie Brandenburg-Preußen oder Hannover zunehmend in die europäische Politik hinaufrückten. Das Reich als Friedensgemeinschaft und Rechtswahrungsverband war indes auch von außen gefährdet, wenn wir an den Dreißigjährigen Krieg oder die Eroberungen des französischen Königs Ludwig XIV. (1643-1715) denken. Demgegenüber haben zur Verstetigung des kaiserlichen Einflusses im Reich nach 1648 Reformen und die weitere Ausgestaltung der Reichsverfassung beigetragen (Neuordnung des Reichshofrats 1654, "immerwährender" Reichstag in Regensburg ab 1663, "Reichskriegsverfassung" 1681/82). Nicht zuletzt vereinte das Reich die im Westfälischen Frieden anerkannten Konfessionen der Katholiken, Lutheraner und Reformierten in sich, was etwa bei sich durchdringenden Herrschaftsrechten, die zu Herrschaftsträgern unterschiedlicher Konfession gehörten, beim Konfessionswechsel von Fürsten oder in mehrkonfessionellen Reichsstädten regelmäßig zu Schwierigkeiten führte. Trotz dieser Probleme war nach dem Dreißigjährigen Krieg die Zeit konfessionell bedingter Auseinandersetzungen im Wesentlichen vorbei. II. Die Phase der "institutionellen Verfestigung" des römisch-deutschen Reiches (1495-1521) insbesondere unter Kaiser Maximilian I. (1493-1519) ging einher mit der weitgehenden Durchsetzung der habsburgischen Machtansprüche über die burgundischen Territorien Herzog Karls des Kühnen (†1477) (französisch-habsburgischer Gegensatz; Vertrag von Senlis 1493) sowie mit den Anfängen der Reformation (Martin Luther [*1483-†1546], Wittenberger Thesenanschlag [?] 1517). Kaiser Karl V. (1519-1556), der gleichzeitig (als Karl I.) auch König von Spanien (einschließlich des Königreichs Neapel und Sardiniens) und Herrscher über das entstehende spanische Kolonialreich war, hatte sich dann in Deutschland vollends mit der Reformation auseinanderzusetzen (Wormser Reichstag und Wormser Edikt 1521, Statthalterschaft Ferdinands [I.] und Reichsregiment 1521/30, Bauernkrieg 1524/25, Speyrer Reichstag und Speyrer "Protestation" 1526, Augsburger Reichstag und Confessio Augustana 1530, Schmalkaldischer Bund 1531, Nürnberger Anstand 1532, Frankfurter Anstand 1539). Die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Habsburgern auf der einen und den Franzosen und Osmanen auf der anderen Seite (Schlacht bei Pavia 1525, Sacco die Roma 1527, osmanische Belagerung Wiens 1529, Kaiserkrönung Karls V. 1530, Tunisfeldzug Karls V. 1534, Frieden von Crépy 1544) hinderten indes den Kaiser lange Zeit massiv gegen die reformatorischen Strömungen im Reich vorzugehen. Erst Karls Sieg über die Protestanten im Schmalkaldischen Krieg (1546-1547) eröffnete dem Herrscher mit Augsburger Interim (1548) und geplanten verfassungspolitischen Neuerungen auf Reichsebene vermeintlich Spielräume, die mit dem Fürstenaufstand von 1552 allerdings ihr Ende fanden. Der von Karls Bruder Ferdinand ausgehandelte Passauer Vertrag (1552) leitete dann zum Augsburger Religionsfrieden (1555) als Reichsgrundgesetz über, das die Anerkennung der Augsburger Konfession beinhaltete (ius reformandi der weltlichen Fürsten bei "geistlichem Vorbehalt"). III. Die durch den Augsburger Religionsfrieden eingeleitete Phase der konfessionellen Koexistenz und der Konsolidierung im Reich hielt unter den habsburgischen Kaisern Ferdinand I. (1556/58-1564) und Maximilian II. (1564-1576) an, erkennbar u.a. am Zustammenstehen der Reichsstände in der Frage der Türkenabwehr auf der Basis der Reichskreise und der "Reichskriegsverfassung". Unter diesen Voraussetzungen vollzogen die Territorien im Reich ihre je eigene Konfessionalisierung; neben das protestantische Luthertum (Confessio Augustana, Konkordienformel 1577) trat als weitere Konfession das calvinistisch-reformierte Glaubensbekenntnis (Heidelberger Katechismus 1563), während das Konzil von Trient (1545-1563; Professio fidei Tridentina 1563) die katholische Gegenreformation einleiten sollte. Seit den 1560er-Jahren ist zudem eine Rekatholisierungspolitik erkennbar, während norddeutsche katholische Bistümer von Protestanten säkularisiert wurden. Die Reichsinstitutionen vermochten indes den konfessionellen Ausgleich im Reich noch zu wahren. Erst unter Kaiser Rudolf II. (1576-1612) zerbrach dieses Gleichgewicht, wie der Streit um den Gregorianischen Kalender (1582), der Truchsessische (Kölner) Krieg (1583-1589) um das Erzbistum Köln oder protestantische Verweigerungen der Türkenhilfe (1597/98, 1608) erkennen lassen. Beim Regensburger Reichstag von 1608 standen sich die Konfessionen unversöhnlich gegenüber, der Reichstag von 1613 war für längere Zeit der letzte; stattdessen organisierten sich die Konfessionen politisch-militärisch in der protestantischen Union und der katholischen Liga. Hingegen konnte ein Krieg um die Erbfolge des niederrheinischen Territorialkomplexes Jülich-Berg-Kleve-Mark (1609) mit dem Vertrag von Xanten (1614) verhindert werden. Das endende 16. und beginnende 17. Jahrhundert war zudem klimatisch (Klimaverschlechterung als Teil der "Kleinen Eiszeit"), sozial (Herrschaftsintensivierung, Bürgeraufstände, Judenverfolgungen) und religiös (zunehmende konfessionelle Feindseligkeit) eine Krisenzeit. IV. Die Krisen mündeten ein in den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) als eine Abfolge von (konfessionellen) Kriegen (Böhmisch-Pfälzischer Krieg 1618-1623, Dänisch-Niedersächsischer Krieg 1623-1629, Schwedischer Krieg 1630-1635, Schwedisch-Französischer Krieg 1635-1648), in denen Mitteleuropa zum Hauptkriegsschauplatz wurde, es aber auch um das Verhältnis von Kaiser und Ständen im Reich ging (Monarchie <-> "ständische Libertät"). Der Aufstand protestantischer Landstände im habsburgischen Königreich Böhmen und die kurze böhmische Herrschaft des "Winterkönigs" Friedrich (V.) von der Pfalz (1610-1623; Schlacht am Weißen Berg 1620; pfälzische Kurwürde und Oberpfalz an den bayerischen Herzog 1621) leiteten den Beginn der Kriegshandlungen unter Kaiser Ferdinand II. (1619-1637) ein. Truppen der katholischen Liga drangen in der Folge weit auf protestantische Gebiete vor, was König Christian IV. von Dänemark (1588-1648) als Reichsstand und Verteidiger der Protestanten auf den Plan rief. Unterstützt wurde Christian, der auch Kreisoberst des niedersächsischen Reichskreises war, durch die Niederlande und England (Haager Allianz 1625), doch endete sein Vordringen nach Süden in einen Misserfolg (Schlacht bei Lutter 1626), während Truppen unter dem kaiserlichen Feldherrn Albrecht von Wallenstein das dänische Jütland besetzten (1627). Der (Separat-) Frieden von Lübeck (1629) beendete das militärische Eingreifen des Dänenkönigs. Das Jahr 1629 sah Kaiser Ferdinand II. auf dem Höhepunkt seiner Macht; der Herrscher verfügte im Restitutionsedikt (1629) die Wiederherstellung der nicht reichsunmittelbaren Kirchengüter gemäß dem Stand des ("Normal"-) Jahres 1552 bei Aushebelung des Augsburger Religionsfriedens, musste aber unter dem Druck u.a. der Kurfürsten bald einlenken (1630). Zudem waren es die ausländischen Mächte Schweden und Frankreich, die nun auf Seiten der protestantischen Partei im Reich und der "deutschen Libertät" gegen den Kaiser eingriffen. Den großräumigen schwedischen Eroberungen unter König Gustav Adolf (1611-1632; Zerstörung Magdeburgs durch kaiserliche Truppen 1631, Vertrag von Bärwalde 1631, schwedischer Sieg bei Breitenfeld 1631, Schlachten von Rain am Lech 1632, an der Alten Veste 1632, bei Lützen 1632 [Tod Gustav Adolfs]) folgten die Eindämmung der schwedischen Macht (Schlacht bei Nördlingen 1634) und der Prager Frieden zwischen Kaiser und sächsischen Kurfürsten (1635). Letzter schuf zwar einen Ausgleich zwischen dem Kaiser und Ständen bei Rücknahme des Restitutionsedikts ("Normaljahr" 1627), doch verblieben die ausländischen Truppen weiterhin im Reich, der Dreißigjährige Krieg sollte sich durch den Eintritt Frankreichs in den Krieg gegen (Spanien [Französisch-Spanischer Krieg 1635-1659] und) den Kaiser (und das Reich) (1635/36) zu einem europäischen Konflikt im Reich ausweiten. Gegen die verbündeten Mächte Schweden und Frankreich (Bündniserneuerung 1641), die das Reich verheerten, war dabei schwer anzukommen, zumal auch Dänemark und Siebenbürgen sich wieder am Krieg beteiligten. Das Zustandekommen des Regensburger Reichstags (1640) und Verhandlungen zur Reichsverfassung wurden endlich (ab 1643) durch Friedensverhandlungen ergänzt, während einzelne Reichsstände aus dem Krieg ausschieden (Separatfrieden mit Brandenburg 1641, Braunschweig 1642, Kursachsen 1645, Bayern 1647) und die Habsburgermonarchie unter Kaiser Ferdinand III. (1637-1657) und das mit den Habsburgern verbündete Kurbayern politisch-militärisch ins Hintertreffen gerieten (Schlachten von Breitenfeld 1642, Tuttlingen 1643, Herbsthausen 1645, Nördlingen 1645, Zusmarshausen 1648). Die Friedensverhandlungen im katholischen Münser und protestantischen Osnabrück endeten schließlich mit dem Westfälischen Frieden (1648; Instrumentum Pacis Monasteriense, Instrumentum Pacis Osnabrugense), der völkerrechtlich (und über das Reich hinaus, d.h. in europäischem Rahmen ["Westfälisches System"]) das Verhältnis zwischen Kaiser und Reichsständen definierte auf der Grundlage von Landeshoheit (ius territoriale), Bündnisfreiheit der Territorialherren und Fortschreibung des Ausgburger Religionsfriedens bei Anerkennung der drei (katholischen, lutherischen, reformierten) Konfessionen und eingeschränkten konfessionellen Freiheit der Untertanen in den Territorien ("Normaljahr" 1624, "geistlicher Vorbehalt", bikonfessionelle Reichsstädte und Territorien); aus dem Reichsverband schieden damals (rechtlich, faktisch) aus die Vereinigten Niederlande (Achtzigjähriger Spanisch-Niederländischer Krieg 1568-1648) und die Schweizer Eidgenossenschaft. V. Der Westfälische Frieden verschob den Dualismus zwischen Kaiser und Reichsständen zu Gunsten der Letzteren; die Habsburger blieben aber weiterhin im Besitz der Kaiserwürde, wenn auch die Wahl von Ferdinands III. Sohn, Leopold I. (1658-1705), erst nach Überwindung einiger politischer Widerstände gelang (1657/58). Innerhalb der "Westfälischen Ordnung" gelang dennoch dem römisch-deutschen Kaisertum unter den Kaisern Leopold I. (1657-1705), Joseph I. (1705-1711) und Karl VI. (1711-1740) der politische Wiederaufstieg, besonders vor dem Hintergrund einer aggressiven französischen Außenpolitk (unter König Ludwig XIV.) an der Westgrenze des Reiches und der (habsburgischen) Kriege gegen die Türken. Im Westen hatten sich Kaiser und Reich mit Frankreich auseinanderzusetzen im Holländischen Krieg (1672-1679; Friede von Nimwegen 1689), anlässlich der französischen Besetzungen von Reichsgebiet und der "Reunionen" (Okkupation Lothringens 1661/70, Besetzung der elsässischen Reichsstädte [Dekapolis] 1673, Besetzung Mömpelgards 1676, Besetzung Straßburgs 1681; Regensburger Stillstand 1684) und im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688-1697; Frieden von Rijswijk 1697, "Rijswijker Klausel"). Im Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1713/14; Frieden von Utrecht 1713, Frieden von Rastatt und Baden 1714) waren West- und Süddeutschland in den Jahren 1702/04 und dann wieder ab 1709 von kriegerischen Auseinandersetzungen betroffen. Für den Südosten des Reiches bzw. die habsburgischen Territorien begann der Große Türkenkrieg (1683-1699; Frieden von Karlowitz 1699) mit der Belagerung Wiens durch die (im Übrigen mit Frankreich verbündeten) osmanischen Türken (1683) und endete mit dem Frieden von Karlowitz (1699), der große Gebietsabtretungen des osmanischen Sultans in Ungarn vorsah. Es entstand damit auf der Grundlage der habsburgischen Erbfolge mit den österreichischen Herzogtümern, dem Königreich Böhmen und dem Königreich Ungarn das Herrschaftskonglomerat der Habsburgerreiches. Bis 1739 wurden die Türken von der "Heiligen Allianz" (Habsburg-Reich, Russland, Polen, Venedig, Papst) zurückgedrängt. Im Innern des Reichs bauten die Kaiser ihre Position u.a. durch die Reichspolitik des Schutzes kleinerer Territorien oder die Verleihung von Würden (Kurwürde für Braunschweig-Lüneburg/Hannover 1692, Königswürde für Brandenburg-Preußen 1701, Standeserhöhungen) aus; der Wiener Reichshofrat spielte als oberster Lehnshof und als Reichsgericht ebenfalls eine bedeutende Rolle in der kaiserlichen Politik, die im Immerwährenden Regensburger Reichstag (1663) ihr politisches Gegenwicht fand (Reichskriegsverfassung 1681/82). VI. Ab ungefähr der Mitte des 18. Jahrhunderts sah das Reich zunehmend aufbrechende politische Gegensätze zwischen den mächtigen und mittleren und kleineren Territorien, aber auch den Gegensatz etwa zwischen Brandenburg-Preußen und Habsburg (neben England-Hannover, Kurbayern, Kursachsen). Die mächtigen Reichsglieder wuchsen daher aus dem Reich heraus und entwickelten moderne Formen von Staatlichkeit auch in europäischem Rahmen (Rationalismus und Aufklärung, staatliche Organisation und Verwaltung). Das habsburgische Kaisertum kam in eine Krise, als Kaiser Karl VI. söhnelos starb (1740); die Pragmatische Sanktion (1713) regelte im Haus Habsburg zwar die weibliche Nachfolge Maria Theresias (1740-1780), doch war diese umstritten (Österreichischer Erbfolgekrieg 1740-1748; Frieden von Aachen 1748; Wahl des wittelsbachischen Kaisers Karl VII. [1742-1745]). Mit der Wahl des (bis dahin) lothringischen Herzogs Franz I. (1745-1765), des Ehemanns Maria Theresias, zum Kaiser (1745) gelangte die Kaiserwürde indes bald wieder an die Habsburger. Doch war das Kaisertum nunmehr politisch geschwächt, wie die Krise bei den Thronbelehnungen mächtiger Reichsfürsten und der auch konfessionell bestimmte Dualismus Preußen-Habsburg zeigten (protestantisches Norddeutschalnd <-> katholisches Süddeutschland; Ausfall des Reichstags als vermittelnde Instanz). Die zunehmende "konfessionelle Polarisierung" mündete ein in den Siebenjährigen Krieg (1756-1763) zwischen Österreich, Frankreich und Russland (sowie Schweden [1757]) auf der einen und Preußen - unter König Friedrich II. (1740-1786) - und Großbritannien-Hannover auf der anderen Seite (preußische Besetzung Sachsens 1756, preußischer Angriff auf Böhmen 1757, österreichische Besetzung Schlesiens 1757, Schlacht bei Groß-Jägersdorf 1757, Preußen in der Defensive 1759/60, Schlacht bei Torgau 1760, Friedensvertrag zwischen Preußen und Russland 1762, Schlachten bei Burkersdorf und Freiberg 1762; Frieden von Hubertusburg 1763). Preußen ging aus dem Krieg als fünfte europäische Großmacht hervor. Kaiser Joseph II. (1765-1790) unterzog als aufgeklärter Herrscher seine Territorien notwendigen Reformen, wendete sich aber gleichzeitig vom Reich ab, das er als Kaiser eigentlich zu vertreten hatte. Das Aussterben der bayerischen Wittelsbacher führte zum Bayerischen Erbfolgekrieg (1778-1779; Frieden von Teschen 1779) und zum Plan eines habsburgisch-bayerischen Ländertausches (habsburgische Niederlande gegen Bayern), der allerdings - auch durch den Widerstand Preußens - nicht zustande kam (1785). Am Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich der Dualismus Preußen-Österreich noch gesteigert, das Reich hatte für die diesem entwachsenen Staaten nur noch wenig Bedeutung. Im Zuge der Französischen Revolution (1789) und der Expansion der französischen Republik (1. Koalitionskrieg 1792-1797) schlossen sich Habsburg - unter den Kaisern Leopold II. (1790-1792) und Franz II. (1792-1806) - und Preußen indes zusammen (1790), ohne auf Dauer wirkliche militärische Erfolge verbuchen zu können (Niederlage von Valmy 1792; französische Besetzung der linksrheinischen Reichsgebiete; Frieden von Basel 1795; Frieden von Campio Formio 1797). Die französische Bedrohung (Napoleon) blieb für das Reich erhalten (2. Koalitionskrieg 1799-1801; Frieden von Lunéville 1801), der "Reichsdeputationshauptschluss" (1803) brachte das Ende der kleineren Territorien im Reich ("territoriale Revolution"; Säkularisation geistlicher Landesherrschaften, Mediatisierung der Reichsstädte, Eingliederung von Territorien in wenige mittlere und große Fürstentümer), das Kaisertum wurde zum habsburgischen Erbkaisertum (1804), zumal nach dem mit dem Ende des Alten Reiches verbundenen Rücktritt Franz' II. vom römisch-deutschen Kaisertum (1806; 3. Koalitionskrieg 1805; Schlacht bei Austerlitz 1805; Frieden von Preßburg 1805) und der Errichtung des Rheinbunds frankreich- und napoleontreuer (ehemaliger) Reichsfürsten (1806). Das Alte Reich als Reichs- und Personenverband, als eine auf Konsens beruhende Friedensgemeinschaft mit heterogenen (mächtigen, weniger mächtigen) Reichsgliedern (Ständen), Konfessionen sowie politischen Ordnungen und Interessen, mit einem Kaiser an der Spitze bei einem geringen Machtgefälle zwischen dem Reichsoberhaupt und seinen mächtigen Reichsfürsten war damit untergegangen, letztlich auf Grund seiner fehlenden Integrationskraft und seiner Reformunfähigkeit im Zeitalter der Aufklärung (nach: Stollberg-Rilinger, Barbara (2006), Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Vom Ende des Mittelalters bis 1806 (= BSR 2399), München 2006). > S Stollberg-Rilinger, Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation. [Buhlmann, 12.2017]
Deutsche Geschichte, 1789-1815, Revolution und Restauration:
I. Die Amerikanische (1776) und Französische Revolution (1789) stehen am Anfang eines massiven gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Umbruchs, der statt monarchisch-ständischer Ordnung des Alten Europa bürgerlich-nationale Ordnungsprinzipien in allen Lebensbereichen der Menschen Europas sah. Dabei spielte das 18. Jahrhundert der Aufklärung vorbereitend eine ebenso große Rolle wie die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Dynamik des letzten Viertels des 18. Jahrhunderts, in dem u.a. ständische Strukturen versagten oder zunehmend in Frage gestellt wurden, etwa durch Bevölkerungswachstum, soziale Mobilität, wirtschaftlichen Wandel oder eine neue Form der Wissensgesellschaft und der Wissenschaften.
II. Das Tempo des Umbruchs, der das revolutionäre Zeitalter Europas (1789-1849) einleitete, wurde zunächst von den politischen Ereignissen bestimmt, die besonders Mitteleuropa und das römisch-deutsche Reich betrafen. Unter den Revolutionskriegen zwischen der französischen Republik und den "alten Mächten" Europas (Habsburgermonarchie, Preußen, Russland, Großbritannien) litt insbesondere Deutschland (1. Koalitionskrieg 1792-1797, Frieden von Basel 1795, Frieden von Campio Formio 1797, 2. Koalitionskrieg 1799-1802, Frieden von Luneville 1801, 3. Koalitionskrieg 1803-1805, Frieden von Preßburg 1805, 4. Koalitionskrieg 1806-1807, Frieden von Tilsit 1807). Die französische Besetzung der linksrheinischen Gebiete (Mainzer Republik) und der Zerfall des Alten Reiches in der Folge einer "territorialen Revolution", die nicht zuletzt auf Grund des Reichsdeputationshauptschlusses (25. Februar 1803) viele Reichsterritorien verschwinden ließ, die Gründung des Rheinbunds (12. Juli 1806) und das formelle Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation durch Verzicht des österreichischen Kaisers Franz II. auf die Reichskrone (6. August 1806) beleuchten nur die wichtigsten Aspekte des politischen Wandels.
Innerterritorial gesehen, kam es als Folge der Niederlagen gegen Frankreich und Napoleon zu Reformen in Preußen (Heinrich Freiherr vom Stein, Karl August von Hardenberg, Wilhelm von Humboldt -> hierarchisches Regierungs- und Verwaltungssystem, Herresreform, Bildungsreform, Verfassungsversprechen) und in den süd- und mitteldeutschen Rheinbundstaaten (deren territorielle Ausweitung, Verwaltungsreformen, Übernahme des Code Napoléon, Agrar- und Gewerbeverfassung, finanzielle Belastungen durch die napoleonischen Kriege; Großherzogtum Berg und Königreich Westfalen als Modellstaaten); alles in allem entstand in den Territorien eine neue, moderne Staatlichkeit, in Preußen gepaart mit einer frühen Form von Nationalismus (Reichs- und Landespatriotismus -> antifranzösische, eher diffuse deutsche Nationalbewegung).
Die Katastrophe des napoleonischen Russlandfeldzuges (1812) mündete schließlich ein in die Befreiungskriege (1813/14), der "Völkerschlacht" bei Leipzig (16.-18. Oktober 1813) und der Auflösung des Rheinbunds (1813; Bayern, Sachsen).
III. Der Wiener Kongress (1814/15) sollte die Neuordnung Europas im Sinne monarchischer Restauration beschließen. Die Versammlung hochrangiger Diplomaten tagte nach Napoleons Niederlage und Verbannung nach Elba, nach dem 1. Pariser Frieden vom 30. Mai 1814 von Oktober 1814 bis Juni 1815 in Wien, der Hauptstadt der Habsburgermonarchie und damals drittgrößten Stadt Europas. Regenten und Gesandte, allen voran Zar Alexander I., Kaiser Franz I. von Österreich, König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, Fürst Metternich, Fürst Talleyrand, Graf Hardenberg u.a., beschlossen in mehrmonatigem politischen Ringen in Gremien und Konferenzen, auf Festen und beim Tanz die Neuordnung Europas in Bezug auf: Gleichgewicht der europäischen Mächte Russland, Preußen, Österreich-Ungarn, Frankreich und England, Handelsfreiheiten (Schifffahrt auf dem Rhein u.a.), Polen, Deutscher Bund (als Staatenbund, Bundesakte vom 8. Juni 1815), während für Italien keine Neuordnung erfolgte.
Unter dem Eindruck der "100 Tage" Napoleons (Schlacht bei Waterloo am 18. Juni 1815) kam der Kongress zu einem schnellen Abschluss; die Wiener Kongressakte datiert vom 9. Juni 1815. Der Kongress ging auseinander, ohne alle Fragen in Hinblick auf die Zukunft Europas gelöst zu haben. Dennoch bescherte der Wiener Kongress Europa eine längere Friedenszeit, Mitteleuropa den Deutschen Bund (nach: Duchhardt, Heinz (2013), Der Wiener Kongress. Die Neugestaltung Europas 1814/15 (= BSR 2778), München 2013; Hein, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert).
Einen mit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert beginnenden Überblick über die deutsche Geschichte des 19. Jahrhunderts gibt:
Hein, Dieter (2016), Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert (= BSR 2840), München 2016, 128 S., € 8,95. Für das 19. und 20. Jahrhundert geben als Überblick:
Deutscher Bundestag (Hg.), Fragen an die deutsche Geschichte. Ideen, Kräfte, Entscheidungen von 1800 bis zur Gegenwart (= Ausstellungskatalog), Bonn 91983, 436 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, Karten, Beilagen, DM N.N., Bonn 181994, 504 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, Karten, Beilagen, DM 6,-;
Mann, Golo (1958), Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Sonderausgabe, Frankfurt a.M. 171983, 1064 S., € 5,-.
Als Geschichtsquelle der damaligen Zeit kann - deutsch-französische Mentalitäten und Befindlichkeiten spiegelnd, deutsche Kultur, Kunst und Literatur hervorhebend - gelten:
Staël, Anne Germaine de (1810/14), Über Deutschland. Vollständige und neu durchgesehene Fassung der deutschen Erstausgabe 1814 in der Gemeinschaftsübersetzung von Friedrich Buchholz, Samuel Heinrich Catel und Julius Eduard Hitzig, hg. v. Monika Bosse (1985) (= it 623), Frankfurt a.M. 2008, 864 S., Schwarzweißtafeln, € 16,-.
[Buhlmann, 01.2018, 01.2021, 07.2022]
Deutsche Geschichte, 1815-1866/70, Deutscher Bund: I. Der Deutsche Bund setzte nach der Französischen Revolution (1789), dem Ende des Heiligen Römischen Reiches (1806) und den napoleonischen Kriegen (bis 1814/15), festgelegt durch die vier alliierten Großmächte Großbritannien, Russland, Österreich und Preußen auf der Konferenz von Chaumont (1814), beschlossen auf dem Wiener Kongress (1815), die föderative politische Ordnung Mitteleuropas fort, indem er neben Preußen und Österreich die kleineren deutschen (u.a. ehemaligen Rheinbund-, Mittel-) Staaten ("Drittes Deutschland") umfasste. Der Deutsche Bund war damit ein wesentliches Element der europäischen Friedensordnung, ein Staatenbund von 41 Bundesstaaten (Fürstenstaaten) unter der Führung Österreichs mit Bundesversammlung (Bundestag) und engerem Rat sowie einem aus 10 Armeekorps bestehenden Bundesheer (Bundesmatrikel) (Karlsbader Beschlüsse 1819, Wiener Schlussakte 1820). II. Gesellschaftlich schritt in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts die Auflösung der ständischen Ordnung des Alten Reiches voran, es bildete sich eine bürgerliche Gesellschaft heraus, der gesellschaftliche Wandel war Resultat der industriellen (Frühindustrialisierung), Verkehrs- (Chausseen-, Eisenbahnbau) und Handelsrevolution (Deutscher Zollverein 1834, Produktionsformen, Finanzwirtschaft). So entstand eine Schicht von Wirtschafts- und Bildungsbürgern, die - trotz des restaurativen Charakters der Mitgliedsstaaten im Deutschen Bund - auch um politische Mitwirkung rang. Der Liberalismus (als Freiheit von Individuum und wirtschaftlichem Handeln) war dabei die entscheidende politische Bewegung, der sich als Opposition gegen die herrschenden Fürsten und deren Repressionspolitik verstand und immer wider Impulse von außen- und innenpolitischen Entwicklungen bekam (französische Julirevolution 1830, Hambacher Fest 1832, letzte vordindustrielle Versorgungskrise in Deutschland 1845/47, französische Märzrevolution 1848, erste deutsche Revolution 1848/49). Dabei verband sich der Liberalismus zunehmend mit der Idee einer deutschen Nation (nationale Idee), die innerhalb des Deutschen Bundes u.a. an der Eigenständigkeit der deutschen Staaten und am Dualismus zwischen Preußen und Österreich scheitern musste (kleindeutsche Lösung und Reichsverfassung auf der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49). Ab den 1840er-Jahren trat Deutschland in sein industrielles Zeitalter ein. Industrie (hauptsächlich: Eisenbahn, Schwerindustrie, Bergbau, Maschinenbau) und sich ausbildende Marktwirtschaft beschleunigten den Umbau hin zu einer Klassengesellschaft bzw. wurden durch diese bedingt (Bevölkerungswachstum, Großstädte, Stadt und Land -> wirtschaftlich-bürgerliche Führungsschicht, Gewerbetreibende, [Fabrik-] Arbeiterschaft [Pauperismus]). III. Außenpolitisch war die Abtretung des Westteils des zum Deutschen Bund gehörenden Großherzogtums Luxemburg an Belgien bedeutsam (1838/39), ebenso die durch das Königreich Frankreich verursachte "Rheinkrise" (1840; Rheinromantik) oder die Isolation Österreichs im Krimkrieg (Pariser Frieden 1856). Im Rahmen der italienischen Nationaleinigung (1859) verlor Österreich Teile seines italienischen Besitzes, der deutsch-dänische Krieg (1863/64) endete mit der Besetzung der mit dem Königreich Dänemark durch Personalunion verbundenen Herzogtümer Holstein und Schleswig, wobei Schleswig Teil des Deutschen Bundes wurde, Holstein durch Österreich, Schleswig durch Preußen verwaltet wurde (Gasteiner Konvention 1865). Nicht zuletzt die Spannungen um diese beiden Elbherzogtümer entluden sich dann im Deutschen Krieg (1866), der mit der Niederlage Österreichs und seiner Verbündeten endete (preußische Annexion des Königreichs Hannover und Kurhessens 1866, Frieden von Nikolsburg und Prag 1866, Selbstauflösung des Deutschen Bundes 1866) und Österreich endgültig politisch aus Mitteleuropa verdrängte. Norddeutscher Bund (1867) und Deutsches Kaiserreich (1870/71) sollten die großpreußische Zukunft der deutschen Nation bestimmen. (nach: Gruner, Wolf D. (2012), Der Deutsche Bund (1815-1866) (= BSR 2495), München 2012; Hein, Dieter (2016), Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert (= BSR 2840), München 2016). [Buhlmann, 01.2018]
Deutsche Geschichte, 1870/71-1918, Deutsches Kaiserreich und Erster Weltkrieg (1914-1918):
I. Das deutsche Kaiserreich passt sich ein in die Entstehung anderer europäischer Nationen im 19. Jahrhundert, resultierend aus der europäischen Ideologie des Nationalismus und der Nation, die als "erdachte" Gemeinschaft an die Stelle der alten mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Ordnungen treten sollte.
Politisch beförderte die Entstehung der deutschen Nation die "Befreiungskriege" gegen das Frankreich Napoleons, die bürgerlich-liberale Revolution von 1848/49, der Krieg des Deutschen Bundes (1815-1866) gegen Dänemark (1864), die Niederlage Österreich-Ungarns gegen Preußen und das Ende des Deutschen Bundes (1866), die Bildung des Norddeutschen Bundes unter preußischer Ägide (1866) und das Zusammengehen der liberalen Nationalbewegung mit dem Königreich Preußen, das Defensivbündnis der süddeutschen Staaten mit Preußen (1867), schließlich der deutsch-französische Krieg (1870/71; Verzicht der Hohenzollern auf den spanischen Thron, Emscher Depesche Bismarcks 1870; Gründung des deutschen Kaiserreichs im Spiegelsaal von Versailles 1871; deutsch-französischer Waffenstillstand und Frieden [Abtretung Elsass-Lothringens, Kriegsentschädigungen]).
Das deutsche Reich war von Anfang an integriert im System der europäischen Mächte (Dreikaiserabkommen 1873, Berliner Kongress 1878, Zweibund 1879), die deutsche Nationalstaatsbildung wurde u.a. von Großbritannien und Russland im Wesentlichen begrüßt, während sich zu Frankreich eine "Erbfeindschaft" ausbildete. Es war eine Monarchie mit dem Reichstag als Parlament und dem deutschen Kaiser als preußischen König, dem Hohenzoller Wilhelm I. (1861/71-1888).
II. Die 1870er-Jahre waren die liberale Ära des Kaiserreichs. Bismarck als Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident und sein konservatives Umfeld regierten mit einem Reichstag, der nur über eine gewisse Budgethoheit verfügte und in dem liberale Strömungen die Mehrheit hatten. Eine liberale Wirtschaftspolitik (Freihandel, Globalisierung der Wirtschaft, Gründerboom) war die Folge und beförderte auch den inneren Ausbau des Kaiserreichs vom Staatenbund zum Bundesstaat (Bundesrat, Vereinheitlichung der Gesetzgebung, Währungsunion, Wirtschaftsunion).
Konservativ-liberale Akzente in der Politik setzte Bismarck mit dem "Kulturkampf" gegen die katholische Kirche (1871/74; Säkularisierung und Anti-"Ultramontanismus", "Kanzelparagraph" 1871, katholische Zentrumspartei) und dem Sozialistengesetz (gegen die Sozialdemokratische Partei Deutschlands [SPD] 1878/90).
III. Das deutsche Kaiserreich war geprägt von einem starken gesellschaftlichen Wandel, der mit der sich weiter ausbreitenden Industrialisierung und einer Revolution im Transportwesen zusammenhing. Der Agrarsektor (zusammen mit der Heimarbeit) verlor in der Folge von Globalisierung, Migration und Technisierung seinen bestimmenden Einfluss auf die Wirtschaft, während Metallverarbeitung, Maschinenbau, Chemie und Elektrotechnik zunehmend Arbeitskräfte aus der stark anwachsenden Bevölkerung brauchten. Der Gegensatz zwischen Industrie und Agrarwirtschaft, zwischen (Groß-) Stadt und Land sollte sich verschärfen und das, obwohl die Transportrevolution (Eisenbahn, Dampfschifffahrt) die Regionen in Deutschland näherrücken ließ. Sozial und kulturell war das Kaiserreich zudem geteilt in Klassen (Adel, Bürger, Bauern, Arbeiter) und Religionen (ein Drittel Katholiken, zwei Drittel Protestanten, Juden; Einführung der Zivilehe 1875; Kaiserreich als "konfessionelles Zeitalter"). Der Nationalismus konkurrierte mit partikulär-regionalen Strömungen z.B. in Süddeutschland (Bayern, Württemberg), aber auch in Preußen (Konservative), das ungefähr zwei Drittel des Territoriums des deutschen Reiches ausmachte.
Es waren also vielfältige Entwicklungen, die während der knapp fünfzig Jahre der Existenz des Reiches die deutsche Nation gesellschaftlich, wirtschaftlich und kulturell veränderten.
IV. Der liberalen Phase folgte unter der Kanzlerschaft Bismarcks eine konservative Ära der Politik im Kaiserreich (1879-1890). Zusammen mit den Konservativen und wechselnden Mehrheiten im immer wichtiger werdenden und an Ansehen gewinnenden Reichstag wurden die Grundlagen der deutschen Sozialversicherung (gesetzliche Krankenversicherung 1883, gesetzliche Unfallversicherung 1884, gesetzliche Alters- und Invalidenversicherung 1889), bei der (denen) es vornehmlich um den Machterhalt der Konservativen ging. Von Bismarck instrumentalisiert wurde auch der Erwerb von Kolonien in Afrika und im Pazifik durch das deutsche Reich (1884; Berliner Kongokonferenz 1884). Die Konservativen blieben weiterhin an den Schalthebeln der Macht, außenpolitisch auch gestärkt durch die Erneuerung des Dreikaiserbundes zwischen deutschem Reich, Österreich-Ungarn und Russland (1881) und einem Dreibund zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien (1882), während für außenpolitische Unruhe die Agrarzölle des deutschen Reiches sorgten (deutsch-russischer Rückversicherungsvertrag 1887). Nach dem Tod Kaiser Wilhelms I. (1888), der kurzen Regierungszeit von dessen Sohn Friedrich (1888) betrieb Friedrichs Sohn, Kaiser Wilhelm II. (1888-1918), mit der Politik des "Neuen Kurses" (1890/94) eine Politik der Integration statt Konfrontation. Bismarck wurde als Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident entlassen (1890), sein Nachfolger wurde der Liberale Leo von Caprivi, der weiter auf Sozialreformen setzte (Arbeiterschutz), letztlich aber ohne Erfolg, was den Zulauf der (Industrie-) Arbeiterschaft zur SPD anbetraf.
Caprivi scheiterte schließlich mit seiner von Wilhelm II. nur halbherzig unterstützten Politik (1894), nicht zuletzt auf Grund der vom Reichskanzler zeitweise betriebenen Rekonfessionalisierung preußischer Schulen, der Schwierigkeiten bei den Agrarzöllen, die den steigenden Exporten Deutschlands bei den Industrieprodukten entgegenstanden, und der Frage der Einbeziehung oder Nichteinbeziehung der SPD in die Reichspolitik.
V. Das persönliche Regiment Kaiser Wilhelms II. (1894/1912) stützte wieder die konservative Vorherrschaft im deutschen Kaiserreich und in Preußen sowieso (Dreiklassenwahlrecht), während in den süddeutschen Ländern im Reich liberale Regierungen existierten und das Landtagswahlrecht weiter demokratisiert wurde. Im Reichstag scheiterten die vom neuen Reichskanzler Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst eingebrachte "Umsturzvorlage" (1894), das "kleine Sozialistengesetz" (1897), und die "Zuchthausvorlage" (1899), so dass der Monarch das Interesse an innenpolitischen Themen verlor. Wilhelm II. verlegte sich aufs Militär und die Außenpolitik als Weltpolitik (ab 1890). Der Aufbau einer deutschen Flotte, vergleichbar mit der britischen, lag dem Kaiser besonders am Herzen (Reichsmarineamt unter Alfred von Tirpitz, kolonialer "Platz an der Sonne" für das deutsche Reich). Verhandlungen mit Großbritannien scheiterten nach kurzen Phasen der (kolonialen) Zusammenarbeit im Jahr 1901, der Besuch des Kaisers in Marokko (1905) oder der verschärfte Wettlauf auf dem Gebiet der Flottenrüstung (ab 1906; Flottengesetze) verschärften noch die außenpolitische Isolation des Kaiserreichs. Dies konnte auch der ab 1900 regierende Reichskanzler Bernhard von Bühlow nicht verhindern, zumal in Fragen des Zusammenhangs zwischen Flottenbau und Zollpolitik ("Zolltarifwahlen" zum Reichstag 1903). Bülow konnte jedoch immer noch auf den "Bülow-Block", einer Parteienkoalition im Reichstag, setzen, bis die Koalition in Fragen der Reichsfinanzen zerbrach und Bülow zurücktrat (1909). Den "schwarz-blauen Block" aus Konservativen und Zentrum wollte der neue Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg danach zu einer Sammlungsbewegung erweitern, während Reformen des preußischen Dreiklassenwahlrechts scheiterten (1910) und die Integration des Reichslands Elsass-Lothringen (Verfassungsreform 1911) wieder in Frage gestellt wurde (1913); weiter stärkten die Reichstagswahlen von 1912 die SPD soweit, dass eine "schwarz-blaue" Mehrheit im Reichstag verloren ging.
VI. Ab 1912 befand sich das deutsche Kaiserreich in einer innen- und außenpolitischen Krise; die "stabile Krise" von 1912/14 als Stillstand zwischen den Verfassungsorganen im Kaiserreich bei zunehmender Beteiligung der Sozialdemokraten an der Reichspolitik sollte sich indes zur Krise des Ersten Weltkriegs (1914-1918) ausweiten, angefangen bei der Julikrise von 1914 nach der Ermordung des österreich-ungarischen Thronfolgers Ferdinand in Sarajevo.
Der deutsche "Blankoscheck" für Österreich-Ungarn und ein "Automatismus der Allianzen" führten in den Krieg, den Deutschland nach der Besetzung Luxemburgs und Belgiens gegen Frankreich, Russland und Großbritannien zu führen hatte mit Österreich-Ungarn und dem Osmanischen Reich als Verbündete. Der Reichstag stimmte dabei den notwendigen Kriegskrediten zu, ein "Burgfrieden" bestand zwischen den politischen Parteien. Im von einer britischen Seeblockade eingeschlossenen deutschen Kaiserreich litt die Bevölkerung in den Wintermonaten zunehmend Hunger (Steckrübenwinter 1916/17); die Westfront gegen Frankreich und Großbritannien konnte noch gehalten werden, und russische Revolution (1917) und Frieden von Brest-Litowsk (1918) beendeten den Krieg im Osten. Der uneingeschränkte deutsche U-Bootkrieg führte aber dazu, dass sich die USA gegen Deutschland stellten, ab August 1918 befand sich das deutsche Reich an der Westfront in der Defensive, Befehlsverweigerungen und Streiks häuften sich, die Parteien unter der Führung der SPD forderten das Ende des Krieges und eine Parlamentarisierung und Demokratisierung des deutschen Reiches.
Im Herbst 1918 hatten jedenfalls das deutsche Kaisertum und die es tragenden (agrar-) konservativen Eliten jegliche Legitimität in der Bevölkerung verloren, die deutsche Revolution von 1918/19 mit ihren Arbeiter- und Soldatenräten führte indes nicht nur zum vom letzten Reichskanzler Max von Baden initiierten Thronverzicht Wilhelms II., sondern zur Ausrufung der Republik.
VII. Über das Fiasko des Ersten Weltkriegs hinweg blieb aber das deutsche Reich als Nationalstaat erhalten, mochten es in den Anfangsjahren der Weimarer Republik (1919/33) auch manche Abspaltungstendenzen gegeben haben. Die Nation wurde nicht in Frage gestellt. Zu verbindend war für die Deutschen die Entwicklung zu einer "säkularisierten demokratisierten industriellen Klassengesellschaft" (politische Mündigkeit) im Kaiserreich gewesen. Aber auch der deutsche Nationalismus besonders des Ersten Weltkriegs (Alldeutscher Verband u.a.) - gepaart mit Rassismus (Hereroaufstand in Deutsch-Südwestafrika 1904 u.a.) und Antisemitismus - rettete sich in die Weimarer Republik und wurde vor dem Hintergrund des den Ersten Weltkrieg beendenden Versailler Vertrags (1919) Grundlage für den Aufstieg von Nationalsozialismus und "Drittem Reich" (1933/45) (nach: Nonn, Deutsches Kaiserreich).
Das deutsche Kaiserreich gehört zu den am besten erforschten Epochen deutscher Geschichte:
Feuerstein-Praßer, Karin (1997), Die deutschen Kaiserinnen (1871-1918) (= SP 3641), München 32003, 286 S., Schwarzweißabbildungen, Farbtafeln, Stammtafeln, € 9,90 (zu: Augusta von Sachsen-Coburg [†1890, ∞ Kaiser Wilhelm I.]; Victoria von Großbritannien [†1901, ∞ Kaiser Friedrich III.]; Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein [†1921, ∞ Kaiser Wilhelm II.]);
Nonn, Christoph (2017), Das deutsche Kaiserreich. Von der Gründung bis zum Untergang (= BSR 2870), München 2017 > N > Nonn, Deutsches Kaiserreich;
Schoeps, Hans-Joachim (1970), Der Weg ins deutsche Kaiserreich (= Ullstein 34026), Frankfurt a.M.-Berlin-Wien 1980, 319 S., DM 5,80;
Simon, Christian (2019), Das Deutsche Kaiserreich in Farbe. Historische Aufnahmen 1871 bis 1918, Berlin 2019-2020, 144 S., Farbfotos, Karten, € 22,-;
Einen mit dem deutschen Kaiserreich beginnenden Überblick über die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts geben:
Haffner, Sebastian (1987), Von Bismarck zu Hitler. Ein Rückblick, München 21987, 330 S., DM 36,-;
Herbert, Ulrich (2014), Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, Sonderausgabe, München 2017, 1451 S., € 28,-;
Knopp, Guido (1998), Unser Jahr 100. Deutsche Schicksalstage, München 1998, 528 S., Schwarzweißfotos, DM 49,90;
Zentner, Christian (1982), Deutschland. Von der Reichsgründung bis heute, Stuttgart 1982, 413 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, Karten, DM 29,80.
Ein Überblick über die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts, beginnend mit dem Ersten Weltkrieg, ist:
Wirsching, Andreas (2001), Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert (= BSR 2165), München 32011, 128 S., € 8,95,
ein quellengestützter, auf Deutschland bezogener Überblick ist:
Binder, Gerhard (1960), Epoche der Entscheidungen. Eine Geschichte des 20. Jahrhunderts mit Dokumenten in Text und Bild. Sonderausgabe, Stuttgart-Degerloch 71963, 575 S., Schwarzweißtafeln, Zeittafeln, DM 24,80.
Facetten der Geschichte des deutschen Kaiserreichs bieten Geschichtsquellen (in weitester Form), so zur Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (1896) und des Handelsgesetzbuchs (1897):
BGB. Bürgerliches Gesetzbuch mit Beurkundungsgesetz, AGB-Gesetz, Wohnungseigentumsgesetz, Ehegesetz und Hausratsverordnung (= dtv 5001), München 251981, 609 S., DM 9,80, München 301987, 650 S., DM 9,80;
BGB. Bürgerliches Gesetzbuch mit Beurkundungsgesetz, AGB-Gesetz, Miethöhegesetz, Verbraucherkreditgesetz, Produkthaftungsgesetz, Wohnungseigentumsgesetz (= dtv 5001), München 462000, 641 S., DM 9,90;
HGB. Handelsgesetzbuch. WechselG, ScheckG, PublizitätsG (= dtv 5002), München 341999, XVII, 260 S., DM 6,90, München 532012, XIV, 278 S., € 4,90.
> E Erster Weltkrieg [Buhlmann, 10.2014, 07.2017, 08.2017, 06.2018, 03.2019, 12.2021-01.2022, 02.2023, 07.2023, 10.2023]
Deutsche Geschichte, 1918/19-1933, Weimarer Republik:
Die deutsche Revolution von 1918/19 am Ende des Ersten Weltkriegs (1914-1918) beseitigte das deutsche Kaiserreich. Arbeiter- und Soldatenräte bestimmten zeitweise die deutsche Innenpolitik, bevor die maßgebliche Einwirkung von Mehrheits-SPD [MSPD] und derem Vorsitzenden Friedrich Ebert (Reichskanzler der Übergangsregierung ["Rat der Volksbeauftragten"], 9. November 1918) die Revolution in ruhigere Bahnen lenken sollte; der Waffenstillstand Deutschlands mit den alliierten Mächten der Entente beendete den Ersten Weltkrieg (11. November).
Die Demobilisierung des Reichsheeres, ein Zusammengehen von Gewerkschaften und Arbeitgebern, die Einbeziehung des deutschen Militärs in das neue politische System bildeten die Voraussetzungen zur erfolgreich durchgeführten Wahl zur Nationalversammlung (19. Januar 1919), in der MSPD und Unabhängige SPD [USPD] rund 45 Prozent der Abgeordneten stellten, während sich linksradikale Kräfte (u.a. der USPD) zum Spartacusbund bzw. zur kommunistischen Bewegung in Deutschland entwickelten (1918/19; Kommunistische Partei Deutschlands [KPD] mit Teilen der USPD [Oktober 1920]; Vereinigung von Rest-USPD mit der MSPD [1922]).
Neben der Wahl Eberts zum Reichspräsidenten (1919-1925) und der Philipp Scheidemanns (SPD) zum Regierungschef (1919) verabschiedete die in Weimar tagende Nationalversammlung die Verfassung der sog. Weimarer Republik, in der das gewählte Parlament (Reichstag) und der ebenfalls zu wählende Reichspräsident zentrale Rollen spielten (Männer- und Frauenwahlrecht, Nationalfarben "Schwarz-Rot-Gold") bei (aus dem deutschen Kaiserreich beibehaltenen) föderalen Strukturen der Reichsländer (Preußen, Oldenburg, Bremen, Hamburg, Lübeck, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Lippe, Schaumburg-Lippe, Braunschweig, Anhalt, [Waldeck], Hessen, Thüringen, Sachsen, Pfalz, Baden, Württemberg, Bayern; Reichsrat als Länderkammer). Die junge Republik war jedoch von Anfang gefährdet, wie der "Spartakus-Aufstand" der radikalen Linken (Januar 1919 [Niederschlagung der Bewegung u.a. durch "Freikorps"; Ermordung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs]; März 1919 [Niederschlagung der Streiks durch Reichswehrtruppen]) oder die bayerische "Räterepublik" (April 1919 [Niederschlagung durch Reichswehrtruppen]).
Der von alliierten Mächten beschlossene Versailler Friedensvertrag (Friedensbedingungen vom 7. Mai 1919, Inkrafttreten am 1. Januar 1920) machte das politische Umfeld für die Weimarer Republik nicht einfacher (Gebietsabtretungen des deutschen Reiches, entmilitarisierte Zonen, Beschränkungen bei der Reichswehr, Reparationszahlungen), zumal besonders die recht-national-nationalistischen politischen Kräfte in Deutschland gegen den "Diktatfrieden" Sturm liefen (Bestreiten der alleinigen Kriegsschuld Deutschlands, "Dolchstoßlegende"). Der Kapp-Putsch der alten Rechten gegen die Republik brach indes in sich zusammen, während die auf den Putsch geschlossen reagierende Arbeiterschaft (Streiks, "Rote Ruhrarmee"), die sich im Ruhrgebiet weigerte, ihren Widerstand aufzugeben, dort durch Reichswehr und Freikorps brutal in die Schranken gewiesen wurden (März 1920; Märzkämpfe).
In Bayern setzte sich mit Unterstützung der Reichswehr eine rechtskonservative Regierung durch, in Preußen ging die Sozialdemokratie eine Regierung u.a. mit dem Zentrum unter Ministerpräsident Otto Braun (1920-1932) ein. Die Reichstagswahlen vom Juni 1920 erbrachten fast folgerichtig eine eine Radikalisierung des Reichstags (Stimmengewinne für rechtsradikale und linksradikale Parteien, Stimmenverluste bei den Parteien der Mitte der "Weimarer Koalition"). Innen- und außenpolitisch lag in den Jahren ab 1920 der Fokus auf der "Erfüllungspolitik" der Reparationszahlungen (Reichskanzler Joseph Wirth [1921-1922], Außenminister Walther Rathenau [ermordet am 24. Juni 1922]), die wirtschaftlich mit einer fortgesetzten Inflationspolitik (Entschuldung des Staates, Entwertung der Sparvermögen) bei guter Beschäftigungslage und industriellen Konzentrationsprozessen erkauft wurde (Inflationsfaktoren: 1913: 1; Februar 1920: 8: Januar 1922: 20; Januar 1923: 1120; Juli 1923: 376512; Dezember 1923: ca.1.200.000.000). Der Hyperinflation des Jahres 1923 mit ihren Inflationsmentalitäten von Verlierern und Gewinnern auf dem Wirtschafssektor entsprach eine "politische Fundamentalkrise" der Weimarer Republik, die dennoch - trotz französisch-belgischer Besetzung des Ruhrgebiets (Januar 1923-April 1924; passiver Widerstand und "Ruhrkampf") und Hitler-Ludendorf-Putsch in München (November 1923) - nach Überwindung der Krise u.a. durch Einführung der Rentenmark (November 1923) und eine versachlichte Einigung im Bereich der Reparationszahlungen (Dawes-Plan 1924, Young-Plan 1930) die Republik sogar stärkte (Reichskanzler Gustav Stresemann [1923], Wilhelm Marx [1923-1925], Hans Luther [1925-1926]).
Die Verständigungspolitik des langjährigen Außenministers Gustav Stresemann (1921-1929) mit Frankreich war der Hebel für die außenpolitischen Erfolge Deutschlands (Locarnovertrag 1925, Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund 1926, deutsch-französische Handelsvereinbarung 1927, Ende der alliierten Militärkontrolle 1927, Briand-Kellog-Pakt 1928, alliierte Räumung des Rheinlands [amerikanische, englische, französische, belgische Besatzungszonen] 1929/30); die Revisionspolitik gegenüber Polen verfolgte hingegen als langfristiges Ziel die Zurückgewinnung der im Versailler Vertrag abgetretenen Gebiete (Oberschlesien, Verbindung nach Ostpreußen). Innenpolitisch schlug sich die instabile Lage im Parteiensystem, bei der die Republik tragenden Parteien (Sozialdemokraten: SPD; bürgerliche Parteien: Zentrum, DDP, DVP, rechte Parteien: DNVP, DVP) aber immer noch eine Reichstagsmehrheit hatten, noch wenig auf die relative Stabilität der Republik und auf die Wirtschaft "zwischen den Krisen" nieder (Erholung der Wirtschaft und Exporte [Rüstungsindustrie], Dauerkrise der Landwirtschaft, Großkonzerne [AEG, IG Farben, Siemens, Kartelle]; Gesellschaftsstruktur [Klassen, Mann und Frau, Junge und Alte] und Sozialpolitik [Sozialleistungen, Mitbestimmung, Arbeitslosenversicherung 1927]; Tarifauseinandersetzungen 1927/28).
Die Kultur der "Goldenen Zwanziger" war die Kultur der Großstadt (Berlin als drittgrößte Stadt der Erde; "Amerikanisierung" und Modernisierung [Kultur der Moderne und Kritik daran]; Radio, Kino als Massenkultur; Sport [Fußball u.a.] als Massenphänomen; Zeitungen, Literatur und Kunst). Eine Umkehr in der politischen Entwicklung der Weimarer Republik deutete sich mit der Wahl des Weltkriegsgenerals Paul von Hindenburg an (1925). Die Reichstagswahlen von 1928 standen am Beginn der Krise des Parlamentarismus, eine Regierungsbildung war schwierig, schließlich ergab eine SPD geführte Regierung unter dem Reichskanzler Hermann Müller (1928-1930), die aber auf Ressentinemts auf Seiten der Großindustrie und des Reichspräsidenten stieß. Mit der Weltwirtschaftskrise von 1928/32 (massiver Rückgang der Industrieproduktion und des Volkseinkommens) änderten sich die politischen Verhältnisse in Deutschland gravierend. Die Arbeitslosenzahlen stiegen massiv (1929: 1,9 Millionen; 1930: 3,7 Milllionen; 1931: 5,1 Millionen; 1932: 5,3 Millionen, 1933: 6 Millionen), die zunehmend größer werdenden wirtschaftlichen Probleme stärkten besonders die radikale Linke und die nunmehr stark bolschewistisch-stalinistisch orientierte KPD; auf der radikalen Rechten profitierten das "nationale Lager" und insbesondere die Nationalsozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (NSDAP) mit ihrem Parteivorsitzenden Adolf Hitler politisch von der Weltwirtschaftskrise.
Zunächst zerbrach aber die SPD-geführte Regierung unter Hermann Müller (März 1930); der Zentrumspolitiker Heinrich Brüning bildete daraufhin mit Rückendeckung des Reichspräsidenten Hindenburg und dessen nun einsetzender Politik der Notverordnungen eine Regierung ohne parlamentarische Mehrheit (1930-1932). Die Reichstagswahl von 1930 brachte der NSDAP deutliche Stimmengewinne, die Mehrheit im preußischen Landtag ging der "Preußen-Koalition" unter Otto Braun verloren (April 1932). Kurz zuvor war in der Wahl zum Reichspräsidenten Hindenburg gegen Hitler erfolgreich (März-April 1932) gewesen.
Das Kabinett Brüning wurde gestürzt, als die Reparationsverhandlungen zwischen Deutschland und den Alliierten in Locarno zu einem für die Weimarer Republik günstigen Abschluss kamen (Juni 1932; faktische Aufhebung der Reparationen bis auf einen geringen Rest). Auch der neue Reichskanzler Franz von Papen (1932) regierte auf der Grundlage von Notverordnungen (Art. 48 der Weimarer Verfassung). Im Sinne des Umbaus der Weimarer Republik zu einem rechten autoritären Präsidialsystem (Diktatur; "Reichsreform") gelang es Papen, die demokratische Regierung im Freistaat Preußen staatsstreichartig zu stürzen (Juli 1932); Sozialleistungen wurden gekürzt, die NSDAP mit der Ausschreibung von Neuwahlen zum Reichstag (31. Juli 1932) zur Duldung der Papen-Regierung veranlasst. Die Wahlen erbrachten für die radikalen Linken (KPD) und Rechten (NSDAP) eine rechnerische Mehrheit, politisch fand sich keine mehrheitsfähige Koalition zusammen.
Als nunmehr stärkste Partei duldete die NSDAP auch nicht mehr die von Reichskanzler Papen geführte Regierung; erneute Reichstagswahlen (6. November 1932) brachten dem konservativen Papen wieder keine Mehrheit gegen SPD und NSDAP. Es folgte das Kabinett des Reichskanzlers Kurt von Schleicher (1932/33), eine politische Spaltung der NSDAP misslang, es deutete sich eine Überwindung der Weltwirtschaftskrise an. Unter diesen Gegebenheiten meinten die republikfeindlichen Kräfte, das Risiko einer Kanzlerschaft Adolf Hitlers eingehen zu können. Mit der "Machtergreifung" Hitlers (30. Januar 1933) wurde aus der Weimarer Republik die nationalsozialistische Diktatur des "Dritten Reiches" (nach: Herbert, Ulrich (2014), Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, Sonderausgabe, München 2017).
An Bildquellen zum Deutschland der 1920/30er-Jahre seien angeführt:
Presber, Rudolf (Hg.) (1930), Das Deutschland-Buch (296 Bilder in Kupfertiefdruck), Berlin 1930, XXIV, 296 S., Schwarzweißtafeln, RM 4,80;
Scheffler, Karl (1933), Deutsches Land in 111 Flugaufnahmen (= Die Blauen Bücher), Königstein i.T. [3]1953, 112 S., Schwarzweißtafeln, DM 4,80 (Bilder deutscher Städte, Orte und Landschaften aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg [1939/45]).
Zur Weimarer Republik werden nachstehend aufgeführt:
Kühnl, Reinhard, Hardach, Gerd (Hg.) (1977), Die Zerstörung der Weimarer Republik (= prv 88), Köln 21979, 290 S., DM 12,80;
Mai, Günther (2009), Die Weimarer Republik (= BSR 2477), München 2009, 136 S., Karten, € 7,90;
Tormin, Walter (Hg.), Die Weimarer Republik (= Edition Zeitgeschehen), Hannover 111973, 252 S., Karten, DM 20,-, Hannover 171980, 287 S., Karten, DM 20,-;
Ullrich, Volker (2009), Die Revolution von 1918/19 (= BSR 2452), München 2009, 127 S., € 7,90 (zur deutschen Revolution von 1918/19);
Weidermann, Volker (2017), Träumer. Als die Dichter die Macht übernahmen, Köln 22018, 288 S., € 22,- (zur Revolution in München und Münchner Räterepublik 1918/19).
Einblick in die Gesellschaft der Weimarer Republik geben nicht zuletzt Autobiografien und Erinnerungen, z.B. die Aussagen des bundesrepublikanischen Publizisten Sebastian Haffner (*1907-†1999):
Haffner, Sebastian (1979), Die deutsche Revolution 1918/19. Wie war es wirklich?, München 21979, 224 S., Abbildungen, DM 24,-;
Haffner, Sebastian ([ca.1939], 2000), Geschichte eines Deutschen. Die Erinnerungen 1914-1933, Stuttgart-München 62001, 240 S., DM 39,80;
Reicke, Ilse (1984), Die großen Frauen der Weimarer Republik. Erlebnisse im "Berliner Frühling" (= Herder Tb 1029), Freiburg i.Br.-Basel-Wien 1984, 124 S., DM 7,90 (über: Getrud Bäumer, Marie Baum, Agnes Bluhm, Elisabeth Boedeker, Minna Cauer, Else Colshorn, Ida Dehmel, Anna von Gierke, Hedwig Heyl, Stefanie Hiert, "Kathinka", Helene Langer, Josephine Levy-Rathenau, Marie Elisabeth Lüders, Alice Salomon, Dorothee von Velsen, Marianne Weber, Agnes von Zahn-Harnack).
[Buhlmann, 08.2010, 08.2017, 03.2021, 05.2021, 09.2021, 01.2022, 07.2023, 10.2023, 04.2024]
Deutsche Geschichte, 1933-1945, "Drittes Reich" und Zweiter Weltkrieg (1939-1945):
I. Adolf Hitler (*1889-†1945) stand als "Führer" seiner Partei an der Spitze einer "faschistischen Massenbewegung", deren paramilitärische Organisationen SA und SS die politischen Gegner bekämpfte und verfolgte (Reichstagswahlen von 1933). Das "Ermächtigungsgesetz", die (Selbst-) Auflösung der politischen Parteien, die Zerschlagung der Gewerkschaften, das Ende nichtnationalsozialistischer Regierungen in den deutschen Ländern und Kommunen, die "Gleichschaltung" der christlichen Kirchen (Kirchenkampf, Kulturpolitik), von gesellschaftlichen Verbänden und kulturellen Organisationen sowie der Presse (1933 und später) bei genereller Ausweitung politischen Drucks (politische Polizei, Konzentrationslager, Antisemitismus) führten zur nationalsozialistischen Diktatur unter dem "Führer" (Diktator) Adolf Hitler bei "Volksgemeinschaft" und "nationaler Einheit". Hitler bestimmte maßgeblich die Politik des "Dritten Reiches" ("Führerprinzip", "charismatische Herrschaft" [Hitlerkult] und Reichsverwaltung ["Polykratie"]). Hitlers Macht gründete auf den Männern und Frauen, die ihn gewählt hatten, auf den ihm gegenüber loyalen Führungskräften in Wirtschaft und Gesellschaft, auf die Unterstützung durch die Reichswehr, auf der "Bewegung" von NSDAP und SA. Die Ermordung Ernst Röhms, des Führers der SA (1934), beseitigte die Konkurrenz innerhalb der eigenen Partei, nach dem Tod des Reichspräsidenten Hindenburg (August 1934) vereinigte Hitler das Amt des Reichskanzlers mit dem des Reichspräsidenten ("Führer und Reichskanzler").
Politisch und ideologisch war somit das "Dritte Reich" entstanden, das nun u.a. seine menschenverachtende Ideologie umsetzte (Nürnberger Gesetze [1935], Enteignung von Juden, "Aussonderung von Gemeinschaftsfremden"), im Bereich der Wirtschaft auf eine massive militärische Aufrüstung (zur Kriegsvorbereitung) und einen damit verbundenen Kurswechsel setzte sowie im gesellschaftlichen Bereich zunehmend (propagandistisch) die Arbeiterschaft mit einbezog, Frauen auf ihre "natürliche Rolle" als Mutter verwies usw. (DAF [Deutsche Arbeitsfront], NS-Frauenschaft, HJ [Hitlerjugend], NSDAP und staatliche Verwaltung). Die von den Nationalsozialisten betriebene Politik der Aufrüstung fand nach einer Phase der "Beschwichtigungspolitik" Hitlers gegenüber West und Ost ihre Entsprechung in einer "expansiven" Außenpolitik des "Dritten Reiches", wozu die Nichtteilnahme an Genfer Abrüstungsverhandlungen, die Eingliederung des Saargebiets ins deutsche Reich, der Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund, die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, ein deutsch-britisches Flottenabkommen (1935) sowie der Einmarsch in das entmilitarisierte Rheinland (1936) gehörten. Die olympischen Spiele in Berlin und der militärische "Vierjahresplan" Hitlers zur Kriegsfähigkeit Deutschlands (1936) sahen den Diktator auf den bisherigen Höhepunkt seiner Macht.
Es folgten außenpolitisch das nationalsozialistische Eingreifen im spanischen Bürgerkrieg (1936-1939), der Einmarsch in Österreich ("Anschluss Österreichs" 1938), die "Sudetenkrise" und das Münchner Abkommen (29. September 1938) und die Besetzung der "Resttschechei" ("Protektorat Böhmen und Mähren" 1939) bei von Deutschland abhängiger Slowakei. Innenpolitisch ging das Aufrüsten weiter, es folgten Novemberpogrome und "Reichskristallnacht" gegen die Juden im nationalsozialistischen Machtbereich (9. November 1938) sowie eine von Hitler befürwortete Politik der "Euthanasie" gegenüber Kranken, Behinderten und Kindern (1939). Im Jahr 1939 steuerte schließlich das Regime auf den von Hitler ideologisch untermauerten Krieg zur Gewinnung von "Lebensraum" und "nationaler Größe" zu. Seit Anfang 1938 hatte zudem Hitler das "Oberkommando der Wehrmacht" inne (Blomberg-Fritsch-Krise [Hitler und Wehrmacht, Neubesetzungen]).
II. Der nationalsozialistische Krieg Deutschlands als Zweiter Weltkrieg (1939-1945) begann nach dem Abschluss des Hitler-Stalin-Pakts (24. August 1939) mit dem Angriff auf Polen (1. September 1939), das innerhalb von knapp vier Wochen besetzt wurde ("Blitzkrieg", "Generalgouvernement"; Besetzung Ostpolens und der baltischen Staaten durch die Sowjetunion; sowjetisch-finnischer "Winterkrieg" 1939/40). Die Besetzung Dänemarks und Norwegens (9. April 1940) schloss Großbritannien und Frankreich, die Deutschland nach dem Überfall auf Polen den Krieg erklärt hatten, von Nordeuropa aus. Der deutsche Angriffskrieg auf die Beneluxstaaten und Frankreich ab dem 10. Mai 1940 führte bis Mai bzw. Juni zur Besetzung dieser Länder und zum Waffenstillstand mit Frankreich (22. Juni 1940), das als Vichy-Regime Marschall Pétaines ein von Deutschland abhängiger Satellitenstaat wurde (1940/42). Das Eintreten des faschistischen Italien in den Krieg an der Seite Deutschlands und der Dreimächtepakt zwischen Deutschland, Italien und Japan (27. September 1940; Krieg in Ostasien und im Pazifik) ließ das Bündnis der Achsenmächte entstehen.
Nach der verlorenen "Luftschlacht um England" (1940/41) erfolgte das Eingreifen Deutschlands im italienischen Parallelkrieg in Afrika (1940/41; italienisches Kolonialreich in Libyen und Nordostafrika) und die Eroberung Jugoslawiens und Griechenlands (April 1941). Der rassenideologisch stark motivierte Angriffskrieg gegen die kommunistische Sowjetunion ("Kommissarbefehl" Hitlers, "Vernichtung des Bolschewismus/Judentums") im Unternehmen "Barbarossa" und mit Unterstützung Bulgariens, Rumäniens und Ungarns ab dem 22. Juni 1941 brachte zunächst große Gebietsgewinne im Westen und Südwesten der Sowjetunion (Baltikum, "Bezirk Bialystok", Weißrussland, Ukraine, rückwärtiges Heeresgebiet, deutsches Besatzungspolitik, Kollaboration und Partisanentätigkeit). Parallel dazu liefen die von Hitler unterstützten Maßnahmen zur "Endlösung der Judenfrage" an (Wannseekonferenz 20. Januar 1942; "Ghettoisierung" der polnischen Juden, Vernichtungslager und Massenmord, Aushungerungspolitik im rückwärtigen Heeresgebiet). Der Kriegseintritt der USA (11. Dezember 1941) auf Seiten Großbritanniens und der alliierten Mächte sollte die militärische zu Ungunsten des "Dritten Reiches" ändern. Auch der nur als kurzer Feldzug geplante Krieg gegen die Sowjetunion weitete sich (zeitlich) aus; spätestens mit der Schlacht bei Stalingrad (1942/43) gerieten die deutschen Truppen in die Defensive. Der Krieg kehrte nach Deutschland zurück, zumal alliierte Bombenangriffe auf Deutschland (ab 1942) zunehmend Wirkung erzielten, die Wirtschaft vor dem Hintergrund eines "totalen Kriegs" schon längst eine Kriegswirtschaft geworden war (Versorgungslage und Rationierungen, soziale Lage u.a. der Arbeiter, Rolle der NSDAP und ihrer Funktionäre [Umstrukturierung der deutschen Justiz 1942, politischer Vorrang der Parteifunktionäre, u.a. der Gauleiter, gegenüber den Staatsorganen], Zwangsarbeit, Kriegsmüdigkeit und Entpolitisierung, gesellschaftliche Desintegration, Führermythos, Widerstand gegen den Nationalsozialismus).
In Nordafrika mussten die zurückweichenden deutschen Truppen bei Tunis kapitulieren (Mai 1943), Italien wechselte zu den Alliierten über (Juli 1943; Besetzung Nord- und Mittelitaliens, Mussolinis Repubblica Sociale Italiana), dem Vorrücken der sowjetischen Roten Armee an der Ostfront (Besetzung Ungarns März 1944) sollten mit der alliierten Invasion in der Normandie (6. Juni 1944) militärische Niederlagen Deutschlands im Westen Europas folgen. Hitler, der in seinem ostpreußischen "Führerhauptquartier" Wolfsschanze das Attentat vom 20. Juli 1944 ohne wesentliche Beeinträchtigung überlebt hatte, kehrte Anfang 1945 nach Berlin zurück, um die Führung in der Verteidigung der Hauptstadt gegen die vorrückenden Sowjettruppen zu übernehmen ("Schlacht um Berlin" April 1945). Mit dem Scheitern der Ardennenoffensive (1944/45) befanden sich die deutschen Truppen auch im Westen endgültig auf dem Rückzug. Hitler trat am 20. März 1945 letztmalig öffentlich in Erscheinung, am 30. April beging er im "Führerbunker" der Alten Reichskanzlei Selbstmord. Am 8. Mai kapitulierte die deutsche Wehrmacht bedingungslos.
III. Die Abwendung der Deutschen von der Weimarer Republik ermöglichte den Aufstieg Adolf Hitlers und seiner nationalsozialistischen Partei. "Faschistische" Massenbewegung und "Führerprinzip" ermöglichten die deutsche Diktatur des "Dritten Reiches"; "Volksgemeinschaft" und eine ethnisch-rassische Hierarchisierung der Gesellschaft - unterlegt mit nationalistischer Ideologie und Propaganda, aber auch mit sozialpolitischen Maßnahmen bei einer "vollständigen Umorientierung von Wirtschaft und Finanzen" - sollten als Gegenpol zur modernen Industriegesellschaft dienen. Außenpolitisch verfolgte das nationalsozialistische Regime eine Revisionspolitik, die - "als tiefer Einschnitt" - in den Zweiten Weltkrieg mündete. Dieser ermöglichte die Errichtung einer nationalsozialistischen Gewalt- und Schreckensherrschaft über große Teile Europas, verbunden mit dem Massenmord an Behinderten, Juden und osteuropäischer Zivilbevölkerung, verbunden mit dem letztlich eintretenden Zusammenbruch des "Dritten Reiches". Zurück blieben über 50 Millionen Tote, riesige Zerstörungen und Verwüstungen, eine "militärische, politische und moralische Niederlage" (nach: Herbert, Ulrich (2016), Das Dritte Reich (= BSR 2859), München 2016).
IV. Die nationalsozialistische Diktatur wirkte in vielfältiger Weise ein auf den Alltag der Deutschen, der besonders während des Zweiten Weltkriegs geprägt war von Krieg und Gewalt, aber schon davor durch den Abbau der Weimarer Bürgerrechte und den Zugriff von NSDPAP und Staat auf den Bürger. In der Kunst (Architektur, Plastik, Malerei) z.B. wurde im "Dritten Reich" eine rechtsextrem-nationalsozialistische "deutsche Kunst" propagiert und gemäß der NS-Ideologie und der faschistischen Weltanschauung (faschistische "Realpolitik") im Kulturbereich auch durchgesetzt (gegen eine "entartete Kunst" als kulturelles Feindbild) (nach: Merker, Bildende Künste).
Unter den zahlreichen Quellenwerken zum Nationalsozialismus findet sich:
Müller, Hans (Hg.), Katholische Kirche und Nationalsozialismus (= dtv dokumente = dtv 328), München 1965, 374 S., DM 4,80.
Vielfältig ist die Literatur zum "Dritten Reich", u.a.:
Adam, Uwe Dietrich (1972), Judenpolitik im Dritten Reich (= ADTG 7223), Nachdruck Königstein-Düsseldorf 1979, 382 S., DM 19,80;
Aleff, Eberhard (Hg.) (1970), Das Dritte Reich (= Edition Zeitgeschehen), Hannover 101979, 301 S., DM 20,-;
Gisevius, Hans Bernd (1982), Bis zum bitteren Ende. Bericht eines Augenzeugen aus den Machtzentren des Dritten Reiches (= Knaur 3677), München-Zürich 1982, 429 S., DM 12,80;
Hilmes, Oliver (2016), Berlin 1936. Sechzehn Tage im August, München 52016, 303 S., Schwarzweißabbildungen, € 19,99;
Kammer, Hilde, Bartsch, Elisabet (1992), Nationalsozialismus. Begriffe aus der Zeit der Gewaltherrschaft 1933-1945 (= rororo Handbuch 6336), Reinbek b.H. 21992, 284 S., Plan, Karten, DM 12,90;
Koch, Hansjoachim W. (1980), Hitlerjugend (= Moewig Dokumentation 4312), München 1981, 190 S., Abbildungen, DM 2,-;
Kogon, Eugen (1946), Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager, Gütersloh o.J. [1976], 416 S., Pläne, DM N.N.;
Kühnl, Reinhard (1975), Der deutsche Faschismus in Quellen und Dokumenten (= prv kb 62), Köln 41979, 530 S., Abbildungen, DM 9,80;
Manvell, Roger (1982), Die Herrschaft der Gestapo (= Moewig Dokumentation 4319), München 1982, 239 S., Abbildungen, DM 2,-;
Merker, Reinhard (1983), Die bildenden Künste im Nationalsozialismus. Kulturideologie, Kulturpolitik, Kulturproduktion (= DuMont Tb 132), Köln 1983, 370 S., Schwarzweißabbildungen, DM 18,80;
Müller, Ingo (2020), Furchtbare Juristen. Die unbewältigte Vergangenheit der deutschen Justiz (= Edition TIAMAT = Critica Diabolis 216), Berlin 2020, 447 S., € 22,- (über die deutsche Justiz im deutschen Kaiserreich 1871-1918 [Reaktion und Anpassung], in der Weimarer Republik 1919-1933 [Justiz und nationalsozialistischer Extremismus], im Nationalsozialismus 1933-1945 [Reichstagsbrandprozess, "Selbstgleichschaltung", nationalsozialistische "Säuberungen", politische NS-Beamtenschaft, "Rassegesetze", Gerichtswillkür und Volksgerichtshof, Stand- und Militärgerichte, Widerstand} und die [bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg unbeachtete] personelle Fortsetzung der NS-Justiz in der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik [Wiederaufbau und Restauration der Justiz, Juristenprozesse und Selbstbewältigung, späte "Ächtung" der NS-Justiz]);
Reich, Wilhelm (1933), Die Massenpsychologie des Faschismus (= KiWi 111), Köln 62003;
Shirer, William Lawrence (1960), Aufstieg und Fall des Dritten Reiches, Herrsching o.J. [1978?], XX, 1174 S., DM 24,80;
Steinert, Marlis G. (1967), Die 23 Tage der Regierung Dönitz. Die Agonie des Dritten Reiches (= Heyne Geschichte 10), München 1978, 466 S., Abbildungen, DM 2,-;
Zentner, Kurt (1960), Illustrierte Geschichte des Dritten Reiches, 2 Bde., Köln o.J. [1981?], zus. VII, 630 S., Schwarzweißabbildungen, Zeittafel, DM N.N.
Um Verführung, Hingabe, Gewalt und Krieg geht es in:
Kleindienst, Jürgen (Hg.) (1998), Pimpfe, Mädels & andere Kinder. Kindheit in Deutschland 1933-1939 (= Zeitgut Tb 4), Berlin 22000, 344 S., Schwarzweißabbildungen, [€ 9,99];
Knopp, Guido, Brauburger, Stefen, Deick, Christian, Müllner, Jörg, Schlosshan, Ricarda, Wiehler, Stephan (2000), Hitlers Kinder (= Anne-Frank-Shoah-Bibliothek), München 2000, 383 S., Schwarzweißabbildungen, DM 46,90.
Jenseits der von großen Teilen der deutschen Bevölkerung mitgetragenen "Gleichschaltung" gab es den Widerstand gegen den Nationalsozialismus:
Rothfels, Hans (1958), Die deutsche Opposition gegen Hitler. Eine Würdigung (= Fischer Tb 198), Frankfurt a.M.-Hamburg 1958, 215 S., DM N.N.;
Scholl, Inge (1955), Die Weiße Rose, Stuttgart o.J., 255 S., DM N.N.;
Scholl, Inge (1955), Die Weiße Rose (= Fischer Tb 88), Nachdruck Frankfurt a.M. 1984, 132 S., DM 5,80;
Schulthess, Konstanze von (2008), Nina Schenk von Stauffenberg. Ein Porträt (= Piper Tb 5409), München 2009, 224 S., Schwarzweiß-, Farbtafeln, € 8,95;
Widerstand gegen den Nationalsozialismus, hg. v.d. Bundeszentrale für politische Bildung (2016) (= Informationen zur politischen Bildung, H.330), [Bonn] 2016.
Wichtig als Beschreibung des Überlebens in der Zeit von Judenverfolgung und -vernichtung im nationalsozialistischen Europa sind:
Frank, Anne (1942/44), Tagebuch, hg. v. Otto H. Frank u. Mirjam Pressler (1986/88), Frankfurt a.M. 1991, 316 S., Schwarzweißabbildungen, DM 34,-;
Frank, Anne (1942/44), Tagebuch, hg. v. Otto H. Frank u. Mirjam Pressler (1986/88) (= Fischer Tb 11377), Nachdruck Frankfurt a.M. 1995, 316 S., Schwarzweißfotos, Pläne, DM 12,90;
Frank, Anne (1942/44), Tagebuch, hg. v. Otto H. Frank u. Mirjam Pressler (1986/88) (= Fischer Tb 13916), Frankfurt a.M. 1998, 316 S., Schwarzweißfotos, Pläne, DM 8,-;
Fried, Amelie (2008), Schuhhaus Pallas. Wie meine Familie sich gegen die Nazis wehrte (= dtv 62464), München 2010, 203 S., Schwarzweißfotos, Stammbaum, € 7,95;
Mozes Kor, Eva, Rojani Buccieri, Lisa (2009), Ich habe den Todesengel überlebt. Ein Mengele-Opfer erzählt (= cbj 40109), München 42012, 222 S., Schwarzweißfotos, Karten, € 6,99, München 82012, 222 S., Schwarzweißfotos, Karten, € 6,99;
Norseth, Helge (1994), Gefangen und doch frei. Der Weg eines jungen Norwegers durch norwegische und deutsche KZs, Neuhausen b. Stuttgart 1995, 204 S., DM 14,95.
Mit dem gerade auch für die Zivilbevölkerung schwierigen Übergang vom Krieg zur Besetzung Berlins durch die Rote Armee ("Schlacht um Berlin", Frontlinien, sowjetische Besetzung, Plünderung und Gewalt, Gewalt gegen Frauen, Wasser und Nahrung) beschäftigt sich:
[Anonyma] (1954/59), Eine Frau in Berlin. Tagebuchaufzeichnungen vom 20. April bis 22. Juni 1945. Mit einem Nachwort von Kurt W. Marek (= btb 73794), München 2008, 285 S., € 9,-.
Auch in der (nicht nur) deutschen bzw. deutschsprachigen (Nachkriegs-) Literatur spiegeln sich die Gräuel des Nationalsozialismus (bei kritischer Bewertung von nationalsozialistischem Terror und [Zweitem Welt-] Krieg) wider, u.a.:
Buchheim, Lothar-Günther (1973), Das Boot. Roman (= dtv 1206), München 141991, 634 S., DM 16,80;
Schlink, Bernhard (1995), Der Vorleser (= detebe 22953), Zürich 1997, 207 S., DM 14,90, € 8,90 (um den Gymnasiasten, Studenten und Juristen Michael Berg und dessen schwierige, auch sexuelle Beziehung zu der 21 Jahre älteren Hanna Schmitz, der Analphabetin und ehemaligen KZ-Aufseherin), dazu:
Schäfer, Dietmar (2000), Der Vorleser. Bernhard Schlink (= mentor Lektüre Durchblick, Bd.344), München 2000, 64 S., € 4,95;
Seethaler, Robert (2012), Der Trafikant (= Kein & Aber Pocket), Zürich-Berlin 262017, 250 S., € 9,90 (über den 17-jährigen Franz Huchel, der als Lehrling in einer Trafik im Wien der Jahre 1937/38 u.a. erste Erfahrungen mit der Liebe macht und ein Opfer nationalsozialistischer Politik im an das "Dritte Reich" angeschlossenen Österreich wird; Robert Seethaler, Der Trafikant: Ein literarisches Werk vor dem Hintergrund von Nationalsozialismus (1933-1945) und Zweitem Weltkrieg (1939-1945) [93 kB]).
> Z Zweiter Weltkrieg [Buhlmann, 08.1978, 1984, 04.2017, 07.2017, 10.2018, 08.2019, 11.-12.2019, 05.-06.2020, 09.2020, 11.2020, 04.2021, 07.2021, 01.2022, 07.2022, 03.-04.2023, 10.2023, 12.2023-03.2024, 09.2024]
Deutsche Geschichte, 1945-1949, Nachkriegszeit: I. Die bedingungslose Kapitulation des nationalsozialistischen Deutschland (1945) brachte ab der "Stunde Null" für Mitteleuropa die militärische Besetzung durch alliierte Truppen der deutschen Kriegsgegner (amerikanische, britische, französische, sowjetische Besatzungszone) und eine Vielzahl wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Probleme auch zeitlich jenseits des Zweiten Weltkriegs (1939-1945).
Die Probleme betrafen u.a.: kriegsbedingte Zerstörungen von Gebäuden, Industrieanlagen und Städten; Hunger (Lebensmittelbewirtschaftung) und Elend (Wohnungsknappheit, Schwarzmarkt) derjenigen, die den Krieg überlebt hatten; Vertreibungen und Bevölkerungsverschiebungen (Deutsche, Zwangsarbeiter, Kollaborateure, ehemalige KZ-Insassen, jüdische Überlebende). Mit den Problemen verbunden war allerdings auch die Hoffnung auf eine Besserung der Lage, die einhergehen sollte mit einer entscheidenden Umgestaltung der deutschen Gesellschaft durch die Besatzungsmächte (Entnazifizierung [Verfolgung und Bestrafung von NS-Tätern, Kriegsverbrecherprozesse und Nürnberger Prozesse], Wirtschaftsreformen ["Dekartellisierung", Demontagepolitik], Demokratisierung und politischer Neuaufbau [Massenmedien, Parteiensystem, parlamentarische Demokratie, Sozialismus]).
II. Politisch war die Nachkriegszeit geprägt von einem zunehmenden Gegensatz zwischen den Westalliierten England, Frankreich und USA auf der einen sowie der Sowjetunion auf der anderen Seite; die sich entwickelnde Teilung Europas in kapitalistischen Westen und kommunistischen Osten eröffnete bei deutscher Teilung die Gründung zweier deutscher Staaten, der Bundesrepublik Deutschland (BRD) und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Überwog bis zum Jahr 1946 noch die Zusammenarbeit zwischen allen Alliierten in den Besatzungszonen Deutschlands (Potsdamer Abkommen 1945, Pariser Reparationskonferenz 1946), so stand der politisch-wirtschaftliche Neuaufbau des besiegten Landes schon bald unter den divergierenden Interessen von West und Ost: repräsentativ-parlamentarische Demokratie mit einem Parteiensystem (Lizensierung von CDU/CSU, FDP, SPD u.a.) und individuellen Freiheitsrechten sowie kapitalistische Wirtschaftsordung in den Westzonen, kommunistische Gesellschaftsordnung (Zwangsvereinigung von KPD und SPD zur SED 1946) bei sich entwickelnder Planwirtschaft in der Ostzone.
Die zunehmende (Ost-West-) Konfrontation zwischen den USA und der Sowjetunion bzw. den politischen Ordnungssystemen und Gesellschaftsordnungen, die sich auf dem Gebiet der Besatzungszonen in Deutschland formierten, führte über die Gründung der britisch-amerikanischen Bizone als Wirtschaftszone (1947) und der amerikanischen Politik des containment (Eindämmung der sowjetischen Expansion; Rede Präsident Trumans vor dem amerikanischen Kongress 1947, "Marshallplan" [ERP] und "Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit" [OEEC] 1947) zu einer politischen Partnerschaft zwischen den Westmächten und den Westdeutschen in den Besatzungszonen (Londoner Sechsmächtekonferenz 1948). Diese beförderte wie Währungsreform (Sommer 1948) und Berlin-Blockade (Sommer 1948-Frühjahr 1949) den sog. Kalten Krieg und zementierte die sich anbahnende deutsche Teilung in West- und Ostdeutschland. Die Währungsreform (Einführung der Deutschen Mark) begründete dabei zusammen mit einer Preisfreigabe in den westdeutschen Besatzungszonen einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung, schuf aber auch die entscheidende Voraussetzung für die Entstehung eines deutschen Weststaats.
Weichen dafür waren durch die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung gestellt worden; der Parlamentarische Rat arbeitete das Grundgesetz als Verfassung für den Weststaat aus, der auf dem Prinzip des Föderalismus und der Grundlage der in den Besatzungszonen gegründeten deutschen (Bundes-) Länder (ab 1947) beruhte und eine repräsentative Demokratie mit (in seinen Befugnissen beschränktem) Präsidentenamt, Regierung, Parlament (ab 1949) und Verfassungsgericht (ab 1951) darstellte. Das am 8. Mai 1949 verabschiedete Grundgesetz hob die Bundesrepublik Deutschland als "Kind des Kalten Krieges" aus der Taufe. Parallel dazu - mit geringer zeitlicher Verzögerung - entstand die Deutsche Demokratische Republik auf der Grundlage einer von einem Deutschen Volksrat ausgearbeiteten Verfassung, eines in Berlin zusammengetretenen Deutschen Volkskongresses (Mai 1949) und des Deutschen Volksrats bzw. der Provisorischen Volkskammer vom 7. Oktober 1949. Die Sowjetunion förderte die Bildung eines deutschen Oststaats nur bedingt, da die sowjetische Führung immer noch politisch auf einen neutralen deutschen Einheitsstaat setzte (1948/49-1955; Stalin-Noten 1952).
Doch blieben deutsche Teilung und die Existenz zweier deutscher Staaten für die folgenden Jahrzehnte erhalten (nach: Herbert, Ulrich (2014), Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, Sonderausgabe, München 2017).
Zahlreiche Quellen- und quellennahe Werke beleuchten (teilweise in durchaus zwiespältiger Weise) die deutsche Nachkriegszeit bzw. die daraus resultierenden geschichtlichen Entwicklungen (Vertreibung der Deutschen, ehemalige deutsche Ostgebiete usw.), u.a.:
Bednarz, Klaus (1995), Fernes nahes Land. Begegnungen in Ostpreußen (= Heyne Sachbuch 477), München 41995, 384 S., Karte, DM 16,90;
Dönhoff, Marion Gräfin (1962), Namen, die keiner mehr kennt. Ostpreußen - Menschen und Geschichte (= dtv 247), München 1964, 139 S., Karte, DM 2,80, (= dtv 30079), München 322001, 135 S., Karte, € 6,50;
Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, hg. v. Bundesministerium für Vertriebene (1954/61), Bd.I: Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus den Gebieten östlich der Oder-Neiße, 3 Tle. (= dtv 3270), München 1984, XXI, 160, 494, XV, 896 S., DM N.N., Bd.II: Das Schicksal der Deutschen in Ungarn (= dtv 3271), München 1984, VIII, 202 S., DM 4,80,
Bd.III: Das Schicksal der Deutschen in Rumänien (= dtv 3272), München 1984, XVIII, 418 S., DM 4,80, Bd.IV: Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei, 2 Tle. (= dtv 3273), München 1984, XIII, 357, XVI, 829 S., DM 14,80, Bd.V: Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien (= dtv 3274), München 1984, XX, 643 S., DM 9,80;
Dörr, F., Kerl, W. (Bearb.) (o.J.), Ostdeutschland und die deutschen Siedlungsgebiete in Ost- und Südosteuropa in Karte, Bild und Wort, München o.J. [1987?], 53 S., Schwarzweißfotos und -abbildungen, Karten, DM N.N.;
Kloft, Michael, Die NS-Elite vor Gericht. Der Jahrhundertprozess von Nürnberg (= Geo Epoche DVD), 2016, DVD, € N.N.;
Lachauer, Ulla (1998), Ostpreußische Lebensläufe (= rororo 22681), Reinbek b.H. 22003, 334 S., Schwarzweißfotos, € 8,50;
Müller-Marein, Josef (1986), Deutschland im Jahre 1. Reportagen aus der Nachkriegszeit (= dtv 10563), München 1986, 238 S., DM 12,80;
Normann, Käthe von (1963), Ein Tagebuch aus Pommern 1945-1946 (= dtv 2597), München 1987, 277 S., DM 14,80.
Daneben kann genannt werden:
Engelmann, Bernt (1980), Wie wir wurden, was wird sind. Von der bedingungslosen Kapitulation bis zur unbedingten Wiederbewaffnung, Frankfurt a.M.-Wien-Zürich [1981], 351 S., Schwarzweißtafeln, DM N.N. (über die Weichenstellungen der Nachkriegszeit und der ersten Jahre der Bundesrepublik Deutschland);
Gimbel, John (1971), Amerikanische Besatzungspolitik in Deutschland 1945-1949, Frankfurt a.M. 1971, 399 S., DM 2,-;
Scherff, Klaus (1976), Luftbrücke Berlin. Die Dokumentation des größten Lufttransportunternehmens aller Zeiten, Stuttgart 1976, 246 S., Grafiken, Schwarzweißtafeln, DM 26,- (zur Berliner Luftbrücke [24./29. Juni 1948-12. Mai/30. September 1949]).
[Buhlmann, 09.1991, 02.2016, 03.2016, 09.2017, 11.2020, 07.2021, 03.2022, 02.2023, 06.-07.2023, 09.2023]
Deutsche Geschichte, 1949-heute, Bundesrepublik Deutschland: I. Nach dem Zweiten Weltkrieg (1939-1945), in der Nachkriegszeit (1945-1949) war das Gebiet der späteren Bundesrepublik Deutschland in die drei Besatzungszonen der alliierten Siegermächte Vereinigte Staaten (Bayern, Hessen, nördliches Südwestdeutschland), Großbritannien (Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein) und Frankreich (südliches Südwestdeutschland, Rheinland-Pfalz, Saargebiet) (West-Berlin und der Vier-Mächte-Status Berlins).
Denazifizierung, Verwaltung und Demokratisierung, Wirtschafts- und Flüchtlingspolitik (Zulassung von Parteien) waren in der "Zusammenbruchsgesellschaft" der Nachkriegsjahre je Besatzungszone unterschiedlich. Immerhin setzte sich bei den drei westlichen Siegermächten zunehmend die politische Erkenntnis durch, ein wirtschaftlich intaktes, demokratisches (West-) Deutschland als Gegengewicht zur sowjetischen Machtstellung in Mitteleuropa zu schaffen. Dem dienten eine territoriale Neuordnung auf der Grundlage neuer (Bundes-) Länder (1945/47), die Errichtung der amerikanisch-britischen Bizone (1. Januar 1947), eine Währungsreform (20. Juni 1948; Einführung der Deutschen Mark; ohne die Sowjetunion, Berlin-Blockade und Luftbrücke [1948/49]), der in Bonn zur Ausarbeitung eines (provisorischen) Grundgesetzes tagende Parlamentarische Rat (1. September 1948).
Das durch den Rat erarbeitete Grundgesetz vom 8. Mai/23. Mai 1949 wurde die verfassungsmäßige Grundlage der Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit Hauptstadt Bonn und unter westalliierter Kontrolle (Alliierte Hohe Kommission, Hohe Kommissare).
II. Die Demokratie der westlich-kapitalistischen BRD war/ist eine Parteiendemokratie, als Parteien setzten sich in den 1950er-Jahren die CDU/CSU (Christlich-Demokratische/Christlich-Soziale Union) und die SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands) als sich ausformende Volksparteien sowie die FDP (Freie Demokratische Partei) durch. Vermöge der Parteien wurden/werden in direkter, gleicher und freier Wahl (Verhältniswahlrecht) im Bund die Abgeordneten des Bundestages (1. Bundestagswahl 14. August 1949), in den zehn (zunächst ohne Saargebiet, ohne West-Berlin) Bundesländern (Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein) die Länderparlamente gewählt (Legislative), die Abgeordneten von Bundestag und Länderparlamenten wählten/wählen die jeweiligen (Bundes-, Länder-) Regierungen unter dem (mit politischer Richtlinienkompetenz ausgestatteten) Bundeskanzler (Exekutive).
Der föderalen Struktur der Bundesrepublik (Bund, Länder, Gemeinden) geschuldet ist die (etwaige) Beteiligung der Länder an den politischen Entscheidungen des Bundes über den Bundesrat (Vermittlungsausschuss). Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (28. September 1951) steht für Jurisdiktion und Verfassung einer rechtstaatlichen Bundesrepublik, die (nicht nur repräsentativen) Ämter von Bundes- und Bundestagspräsident stehen an der Spitze von Staat bzw. Bundestag, der Bundespräsident wird von der Bundesversammlung gewählt; auf der Ebene des Bundes sind vierjährige Legislaturperioden die Regel, auf der Ebene der Länder vier- oder fünfjährige.
III. Die BRD stellt auch eine "Kanzlerdemokratie" dar, beginnend mit der "Ära Adenauer", der Kanzlerschaft Konrad Adenauers (1949-1963, CDU), dem in Übereinstimmung und politischem Ausgleich mit den Besatzungsmächten (als "Oberregierung auf dem Petersberg") wichtige gesellschaftliche und außenpolitische Weichenstellungen gelang. Das Konzept der "sozialen Marktwirtschaft" des Wirtschaftsministers Ludwig Erhard verband sich in den 1950er-Jahren mit dem (west-) deutschen "Wirtschaftswunder", das bei Integration der BRD in die Weltwirtschaft zu Vollbeschäftigung, Einkommenssteigerungen und Wohlstand führte, die Kriegsschäden massiv zu überwinden half und Grundlage des Sozialsstaats BRD bei Anknüpfung an das Sozialsystem des Deutschen Kaiserreiches und der Weimarer Republik wurde (Arbeitgeber und Gewerkschaften, Sozialversicherung, Lastenausgleichgesetz 1952 [Flüchtlingsimmigration], Sozialstaatlichkeit).
Außenpolitisch stand die von Adenauer verfolgte Westintegration/-bindung der BRD im Vordergrund (Montanunion 1952, Versuch der Bildung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft [EVG] und "Stalin-Note" 1952, Deutschlandvertrag 1952/54, Nordatlantisches Verteidigungsbündnis [NATO] und Mitgliedschaft der BRD bei Aufhebung des Besatzungsstatuts 1955, Römische Verträge und Europäische Wirtschaftsgemeinschaft [EWG] 1957, deutsch-franzöischer [Elysée-] Vertrag 1963), immer unter Voraussetzung der besonderen Beziehungen der BRD zum zweiten deutschen Staat, der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Diese trübten sich mit der zunehmenden Westbindung der BRD aber ein (Flüchtlinge aus der DDR 1949/61, Berlin-Krise 1958, Mauerbau 1961).
IV. Die 1960er-Jahre brachten politisch den Wechsel in der Kanzlerschaft von Konrad Adenauer zu Ludwig Erhard (1963-1966, CDU), die Kanzlerschaft Kurt Georg Kiesingers (1966-1969, CDU; große Koalition) und schließlich die Willy Brandts (1969-1974, SPD). Die Kanzlerschaften zeigen indirekt den gesellschaftlichen Wandel an, den die BRD damals unterworfen war ("Gastarbeiter" als dritte Migrationswelle, Bevölkerungswachstum, Urbanisierung, Umbrüche in der Landwirtschaft, Wandel in der Arbeitswelt, Konsum und Freizeit, Pluralisierung der Lebensformen, Rückgang religiös-konfessioneller Prägungen, Sexualität und Familie) und der u.a. in einer neuen Sicht auf die "Vergangenheitsbewältigung" des Nationalsozialismus und in der studentischen Protestbewegung der "Außerparlamentarischen Opposition" (APO, 1968) kulminierte.
Die unter Kiesinger regierende große Koalition aus CDU/CSU und SPD überwand dabei die wirtschaftliche Rezession, setzte Reformen und gegen heftige Widerstände auch die Notstandsgesetze (1968) durch, während eine geplante Wahlrechtsreform nicht zustande kam. Erstmals wurde mit Gustav Heinemann (1969-1974) ein SPD-Politiker Bundespräsident, nach den CDU-Bundespräsidenten Theodor Heuss (1949-1959) und Heinrich Lübke (1959-1969).
V. Mit der Bundestagswahl vom 28. September 1969 setzte der SPD-Kanzlerkandidat Willy Brandt auf eine Koalition mit der liberalen FDP. Das Jahrzehnt einer sozial-liberalen Bundesregierung unter den Kanzlern Brandt und Helmut Schmidt (1974-1982) begann und führte durch innenpolitische Reformen zu einer Ausweitung des Sozialstaats bei zunächst weiterem Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung (Mitbestimmung, Rentenreform 1972). Doch schränkte sich der finanzpolitische Spielraum der SPD-FDP-Rgeierung bald ein, so dass gesellschaftspolitische Maßnahmen bald ausblieben. Die neue Ost- und Deutschlandpolitik Brandts hingegen war erfolgreich (Moskauer Vertrag 1970, Warschauer Vertrag 1970, Kniefall Willy Brandts in Warschau 7. Dezember 1970) und führte zu einer Annäherung zwischen den beiden deutschen Staaten (Vier Mächte-Abkommen über Berlin 1971, deutsch-deutsche Vereinbarungen, Grundlagenvertrag 1972). Gerade die Ostpolitik war dann Anlass des von der Opposition initiierten konstruktiven Misstrauensvotums gegen Kanzler Brand, das aber scheiterte; in den anschließenden Bundestagswahlen wurde die sozial-liberale Koalition in der Regierung bestätigt (1972).
Die "Guillaume-Affäre" brachte den Rücktritt Brandts (1974), unter dessen Nachfolger Schmidt hatte die BRD, schon lange eine Großmacht in der Weltwirtschaft, mit einer u.a. aus Ölkrise (1973) und Zusammenbruch der Weltwährungsordnung (1971/73) resultierenden Rezession zu kämpfen (deutsch-französische Kooperationen, Europäisches Währungssystem 1979). Innenpolitisch schuf der Terrorismus der "Roten Armee Fraktion" (RAF, ab 1972) ein Bedrohungsszenario ("Deutscher Herbst" 1977), außenpolitisch entfernten sich die um die USA und die Sowjetunion gepaarten Blöcke wieder voneinander (KSZE [Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa]-Schlussakte 1975, NATO-Doppelbeschluss 1979). Entscheidend war aber die wirtschaftliche Situation, in der sich die BRD befand, die geprägt war von geringem oder abnehmendem Wirtschaftswachstum, zunehmender Arbeitslosigkeit und Inflation, letztlich vom wirtschaftlichen Strukturwandel der 1970/80er-Jahre.
VI. Die Koalitions"wende", d.h. das nunmehrige Bündnis der FDP mit der CDU/CSU führte zum diesmal erfolgreichen konstruktiven Misstrauensvotum gegen Kanzler Schmidt und zur Kanzlerschaft Helmut Kohls (1982-1998, CDU). Sowohl positive weltwirtschaftliche Rahmenbedingungen (Sinken der Energiepreise usw.) als auch eine (in Grundzügen feststellbare) angebotsorientierte Wirtschaftspolitik begünstigten bei weitgehender Beibehaltung des Sozialstaats ein zunächst nur verhaltenes Wirtschaftswachstum in der BRD, wobei die hohe Arbeitslosigkeit weiterhin bestand. Außenpolitisch gab es zudem kaum Unterschiede zur Vorgängerregierung, erst die politischen Umbrüche im kommunistischen Osteuropa (Sowjetunion, Polen, Ungarn) und insbesondere in der DDR (Massenflucht und Ausreise, friedliche Demonstrationen, Zusammenbruch des wirtschaftlich bankrotten DDR-Regimes 1989) führten zum "Mauerfall" (9. November 1989) und schließlich auf friedliche Weise zur "Wiedervereinigung", d.h. zum Beitritt der DDR zur Bundesrepublik (Einführung der Deutschen Mark in der DDR 1. Juli 1990, Einigungsvertrag 31. August 1990, Zwei-Plus-Vier-Vertrag mit den Siegermächten 12. September 1990, Beitritt der DDR 3. Oktober 1990, 1. gesamtdeutsche Bundestagswahl 2. Dezember 1990).
Die vergrößerte Bundesrepublik bestand/besteht aus nunmehr 16 Bundesländern (östliche Bundesländer: Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen), die Parteienlandschaft veränderte sich nicht nur durch den Aufstieg der Grünen in Westdeutschland in den 1980er-Jahren, sondern auch durch die Ausweitung der westdeutschen Parteien nach Ostdeutschland (DDR-Blockflöten-Parteien, "Allianz für Deutschland"; Bündnis 90/Die Grünen, später die Grünen) in der Folge des Einigungsprozesses bei weiterem Bestehen der PDS (Partei des demokratischen Sozialismus) bzw. der Linken in der Nachfolge der DDR-SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands). Die "neue" BRD blieb Mitglied der Europäischen Gemeinschaft und der NATO, Berlin löste Bonn als Hauptstadt ab (1991), wirtschaftliche Anpassungsprozesse zwischen "Euphorie und Ernüchterung" sollten das ehemalige DDR-Staatsgebiet an die westdeutschen Standards heranführen, was aber nur unzulänglich gelang ("Abwicklung" der DDR-Wirtschaft [Treuhand], Arbeitslosigkeit, weitere Globalisierung der Weltwirtschaft).
VII. Mit der Bundestagswahl von 1998 kam die Regierung Kohl zu ihrem Ende, unter Kanzler Gerhard Schröder (1998-2005, SPD) regierte nun eine Koalition aus SPD und Grünen die BRD. "Grüne Themen" waren dabei die Energie- und Umweltpolitik (Einstieg in den Atomausstieg), aber auch das Staatsangehörigkeits-, Asyl- und Zuwanderungsrecht. Die Weigerung Schröders, sich am Irakkrieg der USA zu beteiligen, brachte dem Kanzler den Wahlsieg bei der Bundestagswahl von 2002. Die zweite Amtsperiode Schröders sah mit der "Agenda 2010" die (wohl notwendige?) teilweise Umgestaltung der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik ("Hartz-Reformen"), die Schröder trotz vieler Widerstände gerade bei SPD und Gewerkschaften durchzusetzen vermochte (2003). Die "Hartz-Gesetzgebung" blieb auch unter den folgenden Regierungen in Kraft und hat wohl den "Standort Deutschland" in der Weltwirtschaft gestärkt.
VIII. Nach der Niederlage Schröders in der vorgezogenen Bundestagswahl von 2005 (Vertrauensfrage des Kanzlers) kam es unter der Kanzler(innen)schaft von Angela Merkel (2005-2021, CDU) zur Bildung einer großen Koalition aus CDU/CSU und SPD, die nach dem Zwischenspiel einer CDU/CSU-FDP-Regierung (2009-2013) ab 2013 fortgeführt wurde (nach: Recker, Bundesrepublik Deutschland). 2021 folgte auf die Merkel-Regierung die "Ampelkoalition" der Parteien SPD, Grüne und FDP unter der Kanzlerschaft von Olaf Scholz (SPD).
Zum Grundgesetz s.:
Deutscher Bundestag (Hg.) (2010), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Berlin 2010, 142 S.;
Geiger, Rudolf (1985), Grundgesetz und Völkerrecht. Die Bezüge des Staatsrechts zum Völkerrecht und Europarecht. Ein Studienbuch (= Juristische Kurzlehrbücher), München 21994, 432 S., DM 48,-;
Grundgesetz (mit Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland, Menschenrechtskonvention, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Parteiengesetz und Gesetz über den Petitionsausschuß. Stand: 1. Oktober 2001) (= dtv 5003), München (37)2001, XXVI, 173 S., DM 6,90;
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen, hg. v. Kultusminister NRW, o.O. 1966, 28 S., DM 0,85.
Geschichtsquellen der Bundesrepublik Deutschland sind politisch:
Heuss, Theodor, Adenauer, Konrad (1948/63), Unserem Vaterland zugute. Der Briefwechsel 1948-1963, bearb. v. Hans Peter Mensing (1989) (= Goldmann Tb 12841), München 1992, 575 S., Schwarzweißabbildungen, DM 24,80.
Geschichtsquellen sind auch Autobiografien:
Brandt, Willy (1989), Erinnerungen, Frankfurt a.M. 1989 > > F Faulenbach, Willy Brandt;
Dutschke, Gretchen (1996), Wir hatten ein barbarisches, schönes Leben. Rudi Dutschke. Eine Biographie, Köln 1996, 512 S., DM 48,-;
Krause-Burger, Sibylle (2018), Kämpfe, Kanzler und Kolumnen. Mein Leben in bewegten Zeiten, Tübingen 2018, 158 S., Schwarzweißfotos, € 24,99;
Schröder, Gerhard (2006), Entscheidungen. Mein Leben in der Politik, Hamburg 32006, 544 S., Schwarzweißfotos, Zeitleiste, € 25,-;
Weizsäcker, Friedrich von (1997), Vier Zeiten. Erinnerungen, Berlin 1997, 480 S., Schwarzweißabbildungen, DM 49,90 (Friedrich von Weizsäcker als Bundespräsident der BRD 1984-1994);
Weyrather, Irmgard (Hg.), "Ich bin noch aus dem vorigen Jahrhundert". Frauenleben zwischen Kaiserreich und Wirtschaftswunder (= Die Frau in der Gesellschaft = Fischer Tb 3763), Frankfurt a.M. 1985, 282 S., DM 10,80
sowie persönliche Anmerkungen zu politisch-wirtschaftlichen Entwicklungen:
Brandt, Willy (1974), Über den Tag hinaus. Eine Zwischenbilanz, Hamburg 1974, 552 S., DM 34,-;
Erhard, Ludwig (1957), Wohlstand für alle, bearb. v. Wolfram Langer, Düsseldorf 41957, 382 S., Schwarzweißtafeln, Statistiken, Karikaturen, DM 14,80 (zum westdeutschen "Wirtschaftswunder" der Nachkriegszeit)
oder Erinnerungen von Frauen aus der Nachkriegs- und Wirtschaftswunderzeit (Hausarbeit und Kindererziehung unter der Prämisse von "Pflicht, Leistung, Ordnung und Sauberkeit" sowohl in West- als auch in Ostdeutschland):
Seifert, Claudia (Hg.) (2004), Wenn du lächelst, bist du schöner! Kindheit in den 50er und 60er Jahren (= dtv 24411), München 2004, 256 S., Schwarzweißabbildungen, € 14,50.
Die Geschichte (u.a.) der Bundesrepublik Deutschland beschreiben:
Albrecht, Norbert (1982), Deutschland. Die Geschichte der Bundesrepublik 1949-1982. Daten, Fakten, Schicksale in Dokumenten, Bildern und Texten, München-Mönchengladbach 1982, 288 S., Schwarzweißabbildungen, Zeittafel, DM N.N.;
Beyme, Klaus von (1979), Das politische System der Bundesrepublik Deutschland nach der Vereinigung (= SP 578), München-Zürich 71993, 418 S., Grafiken, Tabellen, DM 18,90;
Deutschland (= Knaurs Kulturführer in Farbe), [Nachdruck] Gütersloh 1993 > K Knaurs Kulturführer in Farbe;
Fuhr, Eckhard (1990), Geschichte der Deutschen 1949-1990. Eine Chronik zu Politik, Wirtschaft und Kultur, Frankfurt a.M. 1990, 287 S., DM 29,80;
Grosser, Alfred (1974), Geschichte Deutschlands seit 1945. Eine Bilanz (= dtv 1007), München 81980, 574 S., DM 2,-, München 111984, 574 S., DM 12,80;
Knopp, Guido (1999), Kanzler. Die Mächtigen der Republik, München 1999, 432 S., Schwarzweißabbildungen, Zeittafel, DM 46,90;
Berthold, Christian, Maier, Dieter, Zeltner, Renate (1993), Das Buch der deutschen Städte. 162 Porträts der schönsten und beliebtesten Städte, Berlin-Gütersloh-Leipzig-München-Potsdam/Werder-Stuttgart 1993, 351 S., Farbfotos, Karten, DM 39,-;
Harbecke, Ulrich (1983), Abenteuer Bundesrepublik. Die Geschichte unseres Staates, Bergisch Gladbach 1983, Schwarzweißfotos, DM 28,-;
Harpprecht, Klaus (Ess.) (1998), Deutschland. Ein Land auf dem Weg in das 21. Jahrhundert, fotografiert v. Horst u. Daniel Zielske, Rheda-Wiedenbrück 1998, 624 S., Farbfotos, Faltkarte, DM N.N.;
Heuss, Theodor (Ess.) (1960), Deutschland. Ein Hausbuch, Gütersloh 1960, 527 S., Schwarzweißabbildungen, Farbtafeln, Karten, DM N.N.;
Recker, Marie-Luise (2001), Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (= BSR 2471), München 32009, 128 S., Zeittafel, € 5,-;
Schönes Deutschland. Beautiful Germany. La belle Allemagne (1991), Hamburg 91999, 96 S., dreisprachig, Farbfotos, Karte, DM 9,95;
Siefert, Fritz (1973), Das deutsche Städtelexikon. 1500 Städte und Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland, Bayreuth 1983, 563 S., Schwarzweißabbildungen, Farbtafeln, DM 16,80;
Vogel, Bernhard, Vogel, Hans-Jochen (2007), Deutschland aus der Vogelperspektive. Eine kleine Geschichte der Bundesrepublik, Freiburg-Basel-Wien 22007, 319 S., € 24,90;
Weizsäcker, Richard von (1983), Die deutsche Geschichte geht weiter, Berlin 111988, 320 S., DM 36,-;
Politische Höhe- und Tiefpunkte in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland schildern:
Heidemanns, Martin, Harbusch, Nikolaus (2012), Affäre Wulff. Bundespräsident für 598 Tage - Die Geschichte eines Scheiterns, [Berlin] 2012, 336 S., € 19,95 (zur [vermeintlichen] Kredit-Affäre und zur [vermeintlichen] Vorteilsnahme des Bundespräsidenten Christian Wulff [2010-2012] und dessen Rücktritt auf Grund journalistischer Recherche und politischen Drucks [Ende 2011-Februar 2012]);
Kellerhoff, Sven Felix, Anschlag auf Olympia. Was 1972 in München wirklich geschah (= Besondere Wissenschaftliche Reihe 2022), Darmstadt 2022, 238 S., Schwarzweißfotos, Pläne, € ca. 8,- (behandelt den Anschlag der palästinensischen Terrorgruppe "Schwarzer September" auf israelische Sportler während der Olympischen Spiele in München am 5. September 1972, bei dessen gewaltsamer Beendigung 17 Menschen, darunter zehn Sportler, ums Leben kamen);
Salentin, Ursula (1984), Fünf Wege in die Villa Hammerschmidt. Elly Heuss-Knapp, Wilhelmine Lübke, Hilda Heinemann, Mildred Scheel, Veronica Carstens (= Herder Tb 1134), Freiburg i.Br.-Basel-Wien 101987, 155 S., Schwarzweißfotos, DM 8,90 (über die Ehefrauen der Bundespräsidenten der "frühen" Bundesrepublik Deutschland).
Zu gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Problemen innerhalb der BRD äußert sich die Buchreihe Kritik, u.a.:
Bd.2 (1969): Grosser, Dieter u.a., Konzentration ohne Kontrolle, Köln-Opladen 1969, 314 S., DM 16,-,
zur (sich verändernden) Gesellschaft der BRD s.:
Adamek, Sascha, Otto, Kim (2008), Der gekaufte Staat. Wie Konzernvertreter in deutschen Ministerien sich ihre Gesetze selbst schreiben, Köln 32008, 231 S., € 19,95;
Baring, Arnulf (1997), Scheitert Deutschland? Abschied von unseren Wunschwelten, Stuttgart 41997, 352 S., DM 39,80 (mit der Beschreibung des wiedervereinigten Deutschlands als "Land in einer tiefen Krise": Deutschland als Industrienation und Sozial-/Wohlfahrtsstaat mit erstarrtem Parteiensystem im außenpolitischen Wandel vor der Entstehung der europäischen Währungsunion);
Biess, Frank (2019), Republik der Angst. Eine andere Geschichte der Bundesrepublik, Reinbek b.H. 2019, 613 S., € 22,- (mit der Betrachtung der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland aus dem Blickwinkel einer (beharrenden) German Angst vor der alliierten Vergeltung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, vor anderen moralischen Wertvorstellungen, vor dem Krieg, vor dem Kommunismus, vor wirtschaftlichem Niedergang, vor der Demokratie, vor der Revolution, vor der (Holocaust-) Erinnerung, vor dem Weltuntergang (Klimawandel), vor der (politisch-wirtschaftlichen) Macht und Verantwortung Deutschlands in der Welt);
Engelmann, Bernt (1972), Das Reich zerfiel, die Reichen blieben. Deutschlands Geld- und Machtelite. Mit Rangliste der 500 großen alten Vermögen (= dtv 1061), München 51981, 402 S., DM 8,80;
Friedrich, Otto A. (1972), Das Deutsche Modell der Wirtschaft- und Sozialordnung. Vernunft und Solidität fortschrittlicher Politik, Köln 1972, 57 S., DM 2,90;
Janke, Klaus, Niehues, Stefan, Echt abgedreht. Die Jugend der 90er Jahre (= BSR 1091), München 41996, 210 S., Schwarzweißabbildungen, DM 14,80;
Miegel, Meinhard (2002), Die deformierte Gesellschaft. Wie die Deutschen ihre Wirklichkeit verdrängen, [Nachdruck] Berlin-München 2003, 303 S., € N.N. (über Geburtenrückgang und Zuwanderung sowie die Veränderungen bei Wirtschaft und Beschäftigung und beim Sozialstaat BRD);
Mika, Bascha (1998), Alice Schwarzer. Eine kritische Biographie (= rororo 60778), Reinbek b.H. 1999, 335 S., Schwarzweißfotos, DM 16,90;
Neidhardt, Friedhelm (1967), Die Junge Generation. Jugend und Gesellschaft in der Bundesrepublik (= Beiträge zur Sozialkunde. Reihe B: Struktur und Wandel der Gesellschaft, Bd.6), Opladen 31970, 104 S., DM 8,-;
Petri, Horst (2003), Der Verrat an der jungen Generation. Welche Werte die Gesellschaft Jugendlichen vorenthält, Freiburg-Basel-Wien 2002, 221 S., € 1,-;
Schwarzer, Alice (1975), Der "kleine Unterschied" und seine großen Folgen. Frauen über sich - Beginn einer Befreiung, Frankfurt a.M. 41975, 246 S., Schwarzweißabbildungen, DM 14,80 (zur nicht nur sexuellen Unterdrückung der Frau in einer kapitalistisch-patriarchisch organisierten, "miefigen" BRD - das Buch steht neben anderem sicher am Beginn des Feminismus und der Frauenemanzipation im Deutschland nach 1968; man vergleiche damit das völlig konträre, männliche Sichtweisen auf die "soziale Marktwirtschaft" bietende Buch: Erhard, Ludwig (1957), Wohlstand für alle, bearb. v. Wolfram Langer, Düsseldorf 41957 [s.o.]),
zu Migrationsbewegungen nach Deutschland s.:
Birkenfeld, Helmut (Hg.) (1982), Gastarbeiterkinder aus der Türkei. Zwischen Eingliederung und Rückkehr (= BSR 262), München 1982, 176 S., DM 19,90;
Abdel-Samad, Hamed (2018), Integration. Ein Protokoll des Scheiterns, München 2018, 271 S., € 19,99,
zur Kulturgeschichte Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg s.:
Wieprecht, Volker, Skuppin, Robert (2009), Das Lexikon der verschwundenen Dinge (= rororo 62517), Reinbek b.H. 2010, 287 S., Schwarzweißabbildungen, € 8,99.
Unter der Herausgeberschaft der Bundeszentrale für politische Bildung ist erschienen:
Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.) (1994), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Textausgabe. Stand: 15. November 1994, Bonn 1994, 96 S., Nationalhymne;
Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.) (2015), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Textausgabe mit Stichwortregister. Stand: Dezember 2014, Bonn 2015, 144 S.,
weiter die Informationen zur politischen Bildung (izpb) u.a. mit die Bundesrepublik Deutschland betreffenden Titeln:
H.256 (1997): Deutschland in den fünfziger Jahren, [Bonn] 1997, 58 S., Abbildungen, kostenlos;
H.328 (2015): Parteien und Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland, [Bonn] 2015, 74 S., Abbildungen, kostenlos;
H.343 (2020): Ländliche Räume, Bonn 2020, 67 S., Abbildungen, kostenlos,
weiter die Schriftenreihe u.a. mit die Bundesrepublik Deutschland betreffenden Titeln:
Bd.406: Andersen, Uwe, Woyke, Wichard (Hg.) (1992), Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 52003, 808 S.,
Bd.488: Nuscheler, Franz (2004), Entwicklungspolitik, Bonn 52006, 656 S.;
Bd.1189: Thimm, Katja, Vatertage. Eine deutsche Geschichte, Bonn 2011, 288 S.,
weiter die Reihe pocket u.a. mit:
Jäger, Uli (2004), Globalisierung in Stichworten, Bonn 2004, 159 S., Farbabbildungen, Karte;
Thurich, Eckart (2003), Demokratie in Deutschland, Bonn 2003, 159 S., Farbabbildungen, Karte;
Wilke, Gerhard (2003), Wirtschaft in Deutschland, Bonn 2003, 157 S., Farbabbildungen, Karte.
Zu den politischen Parteien innerhalb der Bundesrepublik Deutschland s.:
Amend, Christoph, Schwarz, Patrik (Hg.) (2011), Die Grünen. Das Buch, Hamburg 2011, 414 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, € 29,95 (enthält zwischen 1979 und 2011 erschienene Reportagen über die 1980 in Karlsruhe gegründete Partei "Die Grünen", deren Anfänge und Entwicklung sowie deren Verhältnis zum Zeitgeist, zu Protest und Krieg, zur Sozialdemokratie).
Von der Bundesrepublik Deutschland her wird schwerpunktmäßig die moderne deutsche Geschichte geschildert von:
Duden: Glahn, Iris (Red.) (2015), Deutschland. Alles, was man wissen muss, Berlin 2015, Schwarzweiß-, Farbfotos, 384 S., € 19,99.
[Buhlmann, 08.2017, 04.2019, 06.2019, 10.2019, 02.2020, 06.-07.2020, 09.2020, 11.2020, 01.2021, 03.2021, 06.2021, 10.2021, 12.2021-02.2022, 06.-07.2022, 11.2022, 01.2023, 03.-06.2023, 09.2023, 11.2023, 04.-06.2024, 08.2024]
Deutsche Geschichte, 1949-1990, Deutsche Demokratische Republik: I. Mit der Konstituierung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) im Verlauf des Jahres 1949 begann für Ostdeutschland ein "kommunistisches Projekt" und "sozialistisches Experiment" auf den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Grundlagen und Vorgaben letztlich des sowjetischen Kommunismus ("Sowjetisierung").
Eine kommunistische DDR sollte die sowjetische Hegemonie über Osteuropa (hinter dem "Eisernen Vorhang") im Ost-West-Konflikt der Nachkriegszeit ("Kalter Krieg") stützen; gleichzeitig sollte damit die Ideologie des Kommunismus (Klassenkampf, Sozialismus, Proletariat) eine weitere Bestätigung finden. Die Umstellung der DDR-Wirtschaft auf eine zentral gesteuerte Planwirtschaft hatte jedoch mit Anfangsschwierigkeiten zu kämpfen (sowjetische Demontagepolitik und Reparationzahlungen, Rohstoffmangel, Unterbrechung der Handelsbeziehungen mit Westdeutschland, fehlender Zugriff auf das ostdeutsche Hinterland), während auf der Habenseite die in Mitteldeutschland beheimatete chemische, feinmechanische und Rüstungsindustrie stand.
Ein erster Gesamtwirtschaftsplan wurde im Jahr 1950 für fünf Jahre beschlossen, bei zufriedenstellender Grundversorgung der in der DDR lebenden Menschen (Rationierung von Lebensmitteln und staatliche Handelsorganisation [HO]) hinkte indes die Versorgung mit höherwertigen Gütern hinterher und erzeugte zunehmend Unzufriedenheit. Dieses Missverhältnis bei der Versorgung resultierte u.a. aus unzureichender Planung und Industrieproduktion (veraltete Maschinenausstattung, niedrige Arbeitsleistung, Arbeitsnormen) bei unzureichender Mitsprache der Erwerbstätigen (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund [FDGB]) und Ausbau des Machtapparats der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) ("Parteisäuberung" 1948, Parteifunktionäre, Kasernierte Volkspolizei, "Staatssicherheit" [Stasi]; Blockparteien), die unter ihrem Generalsekretär Walter Ulbricht (†1973; Parteivorstand, Politbüro) einen kommunistisch-sowjetischen Kurs für die DDR bestimmte.
Dieser Kurs führte zur Verstaatlichung großer Teile der Industrie sowie (bei zunächst stockender) Kollektivierung der Landwirtschaft, zielte auf die Ausschaltung (vermeintlicher) Gegner des SED-Regimes und propagierte eine neue auf "Arbeiter und Bauern" bezogene Bildungs- und Kulturpolitik. Dabei hatten Ulbricht und die SED die sowjetische Ausßenpolitik zu beachten ("Stalin-Note" zur Wiedervereinigung Deutschlands 1952 und deren Ablehnung), aber ab Sommer 1952 wurden die Weichen für den "Aufbau des Sozialismus in der DDR" gestellt (Verwaltungsbezirke statt Länder, Einbeziehung von Handel und Gewerbe in den Sozialismus, Kollektivierung der Landwirtschaft, Streitkräfte und "Betriebskampfgruppen" u.a.).
Der Tod des sowjetischen Diktators Stalin (1953) und die beginnenden Entstalinisierung in der UdSSR wirkte sich auch auf die DDR aus, wo der "Aufbau des Sozialismus" im Sinne eines "Neuen Kurses" allerdings nur wenig zurückgenommen wurde. Die allgemeine Unzufriedenheit und Normenerhöhungen in der Bauwirtschaft führten dann zu Streiks, Demonstrationen und dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953, der mit Hilfe der militärischen Präsenz sowjetischer Panzer schnell unterdrückt werden konnte. Die Spaltung zwischen SED und SED-Staat als "Minderheitendiktatur" auf der einen und der DDR-Bevölkerung als "Arbeiterklasse" auf der anderen Seite sowie das beiderseitige Misstrauen zwischen sozialistischer Staatspartei und Bevölkerung vertiefte sich dadurch noch mehr, wie z.B. eine massive Fluchtbewegung aus der DDR nach Westdeutschland - übrigens bei Schwächung der politischen Opposition in der DDR - zeigte (ab 1953).
Der "Neue Kurs" führte in der Folge zu Verbesserungen im sozialen Bereich und zu Wirtschaftsreformen (Fünfjahresplan 1956/60, Modernisierung von Industrie und Handwerk, Zurückhaltung bei der Kollektivierung der Landwirtschaft, Anti-"Dogmatismus", Freilassung politischer Gefangener, Unabhängigkeit wissenschaftlicher Diskussion u.a.), doch bedeutete die Niederschlagung des Aufstandes in Ungarn durch die UdSSR (1956) im Grunde das Ende der Periode des "Tauwetters" in den von der Sowjetunion politisch und militärisch dominierten Ostblock- und RGW-Staaten. Die DDR und ihr kommunistisches Regime profitierten in den endenden 1950er- und in den 1960er-Jahren von einem Wirtschaftswachstum (Siebenjahresplan 1959, "Neues Ökonomisches System" [1960er-Jahre]), so dass der "Aufbau des Sozialismus" nun wieder stärker verfolgt wurde (Kollektivierung der Landwirtschaft, Maßnahmen in der Bildungspolitik und Ausbau des Bildungssystems, sozialistische Wissenschaft und Technik, neue Technologien), was wiederum die Fluchtbewegung von DDR-Einwohnern nach dem Westen - über West-Berlin - beschleunigte und stärkte (Vier-Mächte-Berlin-Status vor dem Hintergrund souveräner deutscher Staaten [1958], Berlin-Rede des US-amerikanischen Präsidenden John F. Kennedy [1963]).
Der Bau der Berliner Mauer ab der Nacht vom 12. zum 13. August 1961 sollte die Fluchtbewegung unterbinden.
II. In den 1960er-Jahren hatte die DDR zwar ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum bei Lohnsteigerungen und verbessertem Lebensstandard für die Beschäftigten zu verzeichnen, doch blieben die Ergebnisse volkswirtschaftlichen Handelns hinter den Planungen und Erwartungen zurück, der Konsumgüterbereich weiterhin unterrepräsentiert. So vergrößerte sich der wirtschaftliche Abstand zur Bundesrepublik Deutschland (BRD) noch, während die DDR innerhalb des Systems der RGW-Staaten - etwa in der chemischen Industrie oder beim Maschinenbau - eine wirtschaftliche Spitzenposition einnahm. Dabei wirkte die DDR-"Gesellschaft im Sozialismus" auch auf Kunst, Literatur und (Geistes-) Wissenschaften ein, wobei zaghafte Reformansätze ab der Mitte des 1960er-Jahre bald wieder verschwanden. Außenpolitisch konnte die DDR im Gefolge der Sowjetunion ("Prager Frühling" 1968) ihre Position in der Welt ebenfalls ausbauen; trotz eines Alleinvertretungsanspruchs der BRD ("Hallstein-Doktrin") fand sie zunehmend Anerkennung als Staat z.B. in den Ländern der Dritten Welt, während die BRD-Ostpolitik des Bundeskanzlers Willy Brandt (1969-1974) neue Möglichkeiten in der Politik der beiden deutschen Staaten ermöglichte (Grundlagenvertrag 1972).
Zunächst kam es auf Grund einer massiven wirtschaftlichen Schieflage (Mangel an Lebensmitteln und Konsumgütern, Engpässe bei Strom und Energie, Wohnungsmangel u.a.) zum Ende der Ära Ulbricht (1971), den Erich Honecker als SED-Generalsekretär (und ab 1976 als Staatsratsvorsitzender) ablöste. Eine wirtschaftliche Umorientierung im Gefolge der Sowjetunion fand ab 1971 in allen Ostblockländern mit einer Stärkung z.B. des Konsumgüterbereichs statt. Für die DDR bedeutete dieser "Konsumsozialismus" (Erhöhung der Löhne und Renten, Neugestaltung der Arbeitszeiten und des Urlaubs, Wohnungsbauprogramm) eine deutliche Erhöhung des Lebensstandards in den 1970er- und 1980er-Jahren, freilich um den Preis von Subventionierung und Staatsverschuldung bei trotzdem nicht wie gewünscht ansteigender Wirtschaftsproduktivität und der Verstaatlichung auch der letzten privaten Industrie- und Handwerksbetriebe. Der DDR-Außenhandel blieb dabei defizitär (Import von Lebensmitteln und Konsumgütern) und verursachte neue Staatsverschuldung; statt auf Erdöl setzte man bei der Energiegewinnung auf die in der DDR heimische Braunkohle (Braunkohle-Tagebau, Umweltverschmutzung, Umweltschäden), allerdings um den Preis hoher Investitionen.
Spätestens Anfang der 1980er-Jahre war klar, dass Konsum und Lebensstandard in der DDR den wirklichen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht entsprachen; Investitionen in zukunftsträchtige Bereiche (z.B. Mikroelektronik) blieben unzureichend. Dem wirtschaftlichen Stillstand entsprach ein politischer, bei dem das SED-Diktatur auf große politische Entwürfe verzichtete und im Gegenzug die Angepasstheit der DDR-Bevölkerung im politischen System (Betrieb, Wohnung, Erziehung und Bildung, Gesundheitswesen, Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, Vollbeschäftigung) einforderte (DDR als Überwachungsstaat [Ministerium für Staatssicherheit], Beschränkung der Kontakte zum westlichen Ausland, Reisebeschränkungen und "Ausreiser"). Westdeutsche Lebensweise und westdeutscher Lebensstandard hatten dabei für die DDR-Bewohner schon immer eine Vorbildfunktion, die das SED-Regime zu kanalisieren versuchte (DDR-Mangelwirtschaft: Devisen und Kaufkraftüberhang und dessen Abschöpfung, "Inter-Shops" und "Kommerzielle Koordinierung" [KoKo], westdeutsche D-Mark als inoffizielles Zahlungsmittel in der DDR; DDR-Kultur: Transformation der westdeutschen 1968er-Bewegung, politische Festivals, Weltjugendfestspiele 1973 ["Freie Deutsche Jugend" FDJ], "Gegenkulturen", "Kirche im Sozialismus", politische Opposition[sgruppen] in der DDR [Künstler, Kirche, Umweltaktivitäten; 1980er-Jahre]).
Vor dem Hintergrund einer drohenden Zahlungsunfähigkeit des SED-Staates war dieser ab 1983 mehr den je auf westdeutsche Hilfe angewiesen (DDR-Repression gegen die eigene Bevölkerung gegen westdeutsche Devisen bei humanitären Gegenleistungen, Westkredite, Senkung der Westverschuldung), während sich der politische Ost-West-Gegensatz wieder verstärkte (NATO-Doppelbeschluss). Die sich gegen Ende der 1980er-Jahre weiter verschlechternde DDR-Wirtschaftsleistung (fehlende Investitionen z.B. in die Infrastruktur, veraltete Industrie) hinterließ bei einer "organisierten Selbsttäuschung" innerhalb des planwirtschaftlichen Handelns der DDR eine durch und durch marode politische und wirtschaftliche Situation, bei der die SED-Führung die Zeichen der Zeit in der Folge der durch Michael Gorbatschow verursachten politischen Umwälzungen in der Sowjetunion nicht erkannte bzw. erkennen wollte (1986/89). So mündeten u.a. die Dissidentenbewegungen der 1980er-Jahre ein in die friedliche Revolution des Jahres 1989, an dessen Ende der Fall der Berliner Mauer und der Grenze zwischen BRD und DDR (9. November 1989) und die Wiedervereinigung beider deutscher Staaten (Beitritt der DDR zur BRD, 3. Oktober 1990) standen. Die DDR war damit Geschichte, nicht aber die politischen und wirtschaftlichen Altlasten, die die Politik in der BRD in den folgenden Jahren beschäftigen sollten
(nach: Herbert, Ulrich (2014), Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, Sonderausgabe, München 2017).
III. Nach der Wiedervereinigung (1989/90) begann die Aufarbeitung (Rezeption) der DDR-Hinterlassenschaft in politischer (Stasi-Vergangenheit, DDR als Unrechtsregime), wirtschaftlicher (Angleichung der Lebensstandards zwischen West und Ost, Modernisierung der ehemaligen DDR-Wirtschaft) und wissenschaftlicher Hinsicht (DDR-Geschichte). Im Rückblick erscheint so die DDR u.a. als "Diktatur in Grenzen", die letztlich an der erreichten Homogenisierung ihrer Gesellschaft und damit "am Mangel an Effizienz, Differenzierung und Individualisierung" scheiterte (Engler, Ostdeutsche), oder als sozialistische Gesellschaft, die nach ihrem Untergang anscheinend (?) nur marginale Beiträge zur deutschen Gegenwartskultur beisteuerte (z.B. DDR-Sprache; Reiher u.a., Vorwärts und nichts vergessen).
Quellen (schriftliche Dokumente, Fotos, Tatsachenberichte) zur Geschichte der DDR bieten:
Bethke, Eckart (1986), Jubeln nach Dienstschluß. Leben in Ostberlin, Braunschweig 1986, 304 S., DM 29,80 (mit Reportagen über die Menschen in Ost-Berlin in der Zeit der DDR);
Ebert, Dorothea, Proksch, Michael (2010), Und plötzlich waren wir Verbrecher. Geschichte einer Republikflucht (= dtv 34813), München 22015, 303 S., Schwarzweißtafeln, € 11,90;
Quarta, Hubert-Georg (1984?), Zwischen Ostsee und Fichtelgebirge. Die absurde Realität einer Grenze. Texte - Bilder - Meinungen, Buxheim o.J. [1984?], 125 S., Schwarzweißfotos, DM N.N.;
Weber, Hermann (Hg.) (1986), DDR. Dokumente zur Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik 1945-1985 (= dtv dokumente 2953), München 1986, 469 S., € 3,-;
Wenzel, Hein (1977), Unsere Ostseehäfen, Leipzig 1977, 192 S., Schwarzweißfotos, M N.N.
Geschichtsquellen sind auch Autobiografien:
Biermann, Wolf u.a., Die Ausbürgerung. Anfang vom Ende der DDR, hg. v. Fritz Pleitgen (2001), Berlin 2001, 376 S., Schwarzweißabbildungen, € 18,-;
Gauck, Joachim (2009), Winter im Sommer - Frühling im Herbst. Erinnerungen (= Pantheon), München 2011, 361 S., Schwarzweißabbildungen, € 14,99.
Geschichtsquellen sind auch Kunst und Kultur beschreibende Reiseführer:
[Benthien, Bruno u.a.] (1985), DDR (= Baedeker Allianz Reiseführer), Ostfildern-Kemnat b. Stuttgart 41989, 704 S., Farbabbildungen, Pläne, Karten, Faltkarte, DM 39,80;
Deutsche Demokratische Republik (für Reise, Urlaub, Freizeit, Wochenende) (= Aral Auto-Reisebuch), Dortmund 1979/80, 287 S., Farbabbildungen, Karten, DM N.N.;
Deutsche Demokratische Republik (= Knaurs Kulturführer in Farbe), München 1989 > K Knaurs Kulturführer in Farbe.
An Literatur (u.a.) zur Geschichte der DDR seien genannt:
Assig, Beate, Brucker, Anton, Busch, Volker u.a. (1989), Mitten in Europa: Die DDR und Berlin. Ein Staat und eine Stadt im Brennpunkt der Geschichte, Gütersloh-München 1989, 480 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, Karten, DM 49,80;
Benthien, Bruno (Hg.) (1989), DDR (= Baedekers Allianz Reiseführer), Ostfildern-Kemnat b. Stuttgart 41989, 704 S., Farbabbildungen, Karten, Pläne, DM 39,80;
Die DDR, hg. v. d. Bundeszentrale für politische Bildung (1984) (= Informationen zur politischen Bildung, H.205), [Bonn] 1984;
Fuhr, Eckhard (1990), Geschichte der Deutschen 1949-1990. Eine Chronik zu Politik, Wirtschaft und Kultur, Frankfurt a.M. 1990, 287 S., DM 29,80;
Gatow, Hanns-Heinz (1990), Vertuschte SED-Verbrechen. Eine Spur von Blut und Tränen, Berg 31990, 280 S., Schwarzweißtafeln, DM N.N.;
Grosser, Alfred (1974), Geschichte Deutschlands seit 1945. Eine Bilanz (= dtv 1007), München 81980, 574 S., DM 2,-, München 111984, 574 S., DM 12,80;
Veigel, Burkhart (2011), Wege durch die Mauer. Fluchthilfe und Stasi zwischen Ost und West, Berlin 32013, 511 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, Pläne, € 20,-;
Weber, Hermann (1985), Geschichte der DDR (= dtv 4430), München 1985, 540 S., DM 19,80.
Darstellungen zur Nach-DDR-Zeit in Ostdeutschland bzw. zur Rezeptionsgeschichte der DDR sind:
Engler, Wolfgang (1999), Die Ostdeutschen. Kunde von einem verlorenen Land (= AtV 8053), Berlin 22000, 348 S., DM 18,90;
Goertz, Anja (2014), Der Osten ist ein Gefühl. Über die Mauer im Kopf (= dtv 34875), München 2015, 200 S., Schwarzweißabbildungen, € 9,90 (mit Beiträgen, die als Ergebnisse von Interviews mit "Unbekannten und Prominenten" aus Ost und West "die Mauer in den Köpfen" auch 25 Jahre nach der "Wende" sichtbar machen);
Reiher, Ruth, Baumann, Antje (Hg.) (2004), Vorwärts und nichts vergessen. Sprache in der DDR: Was war, was ist, was bleibt (= AtV 8118), Berlin 2004, 384 S., € 9,95;
Rellin, Martina (2004), Klar bin ich eine Ost-Frau! Frauen erzählen aus dem richtigen Leben, Berlin 2004, 284 S., € 16,90.
[Buhlmann, 04.2017, 09.2017, 01.2018, 04.2018, 11.2018, 10.2019, 11.2019, 04.2020, 06.2020, 08.2020, 11.2020, 03.2024]
Deutsche Geschichte, 1949-heute, u.a. als Parallelentwicklungen von Bundesrepublik Deutschland (1949-heute) und Deutscher Demokratische Republik (1949-1990) gemäß nachstehender Übersicht:
Bundesrepublik Deutschland | Deutsche Demokratische Republik |
I. Nach dem Zweiten Weltkrieg (1939-1945), in der Nachkriegszeit (1945-1949) war das Gebiet der späteren Bundesrepublik Deutschland in die drei Besatzungszonen der alliierten Siegermächte Vereinigte Staaten (Bayern, Hessen, nördliches Südwestdeutschland), Großbritannien (Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein) und Frankreich (südliches Südwestdeutschland, Rheinland-Pfalz, Saargebiet) (West-Berlin und der Vier-Mächte-Status Berlins). Denazifizierung, Verwaltung und Demokratisierung, Wirtschafts- und Flüchtlingspolitik (Zulassung von Parteien) waren in der "Zusammenbruchsgesellschaft" der Nachkriegsjahre je Besatzungszone unterschiedlich. Immerhin setzte sich bei den drei westlichen Siegermächten zunehmend die politische Erkenntnis durch, ein wirtschaftlich intaktes, demokratisches (West-) Deutschland als Gegengewicht zur sowjetischen Machtstellung in Mitteleuropa zu schaffen. Dem dienten eine territoriale Neuordnung auf der Grundlage neuer (Bundes-) Länder (1945/47), die Errichtung der amerikanisch-britischen Bizone (1. Januar 1947), eine Währungsreform (20. Juni 1948; Einführung der Deutschen Mark; ohne die Sowjetunion, Berlin-Blockade und Luftbrücke [1948/49]), der in Bonn zur Ausarbeitung eines (provisorischen) Grundgesetzes tagende Parlamentarische Rat (1. September 1948). Das durch den Rat erarbeitete Grundgesetz vom 8. Mai/23. Mai 1949 wurde die verfassungsmäßige Grundlage der Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit Hauptstadt Bonn und unter westalliierter Kontrolle (Alliierte Hohe Kommission, Hohe Kommissare). II. Die Demokratie der westlich-kapitalistischen BRD war/ist eine Parteiendemokratie, als Parteien setzten sich in den 1950er-Jahren die CDU/CSU (Christlich-Demokratische/Christlich-Soziale Union) und die SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands) als sich ausformende Volksparteien sowie die FDP (Freie Demokratische Partei) durch. Vermöge der Parteien wurden/werden in direkter, gleicher und freier Wahl (Verhältniswahlrecht) im Bund die Abgeordneten des Bundestages (1. Bundestagswahl 14. August 1949), in den zehn (zunächst ohne Saargebiet, ohne West-Berlin) Bundesländern (Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein) die Länderparlamente gewählt (Legislative), die Abgeordneten von Bundestag und Länderparlamenten wählten/wählen die jeweiligen (Bundes-, Länder-) Regierungen unter dem (mit politischer Richtlinienkompetenz ausgestatteten) Bundeskanzler (Exekutive). Der föderalen Struktur der Bundesrepublik (Bund, Länder, Gemeinden) geschuldet ist die (etwaige) Beteiligung der Länder an den politischen Entscheidungen des Bundes über den Bundesrat (Vermittlungsausschuss). Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (28. September 1951) steht für Jurisdiktion und Verfassung einer rechtstaatlichen Bundesrepublik, die (nicht nur repräsentativen) Ämter von Bundes- und Bundestagspräsident stehen an der Spitze von Staat bzw. Bundestag, der Bundespräsident wird von der Bundesversammlung gewählt; auf der Ebene des Bundes sind vierjährige Legislaturperioden die Regel, auf der Ebene der Länder vier- oder fünfjährige. III. Die BRD stellt auch eine "Kanzlerdemokratie" dar, beginnend mit der "Ära Adenauer", der Kanzlerschaft Konrad Adenauers (1949-1963, CDU), dem in Übereinstimmung und politischem Ausgleich mit den Besatzungsmächten (als "Oberregierung auf dem Petersberg") wichtige gesellschaftliche und außenpolitische Weichenstellungen gelang. Das Konzept der "sozialen Marktwirtschaft" des Wirtschaftsministers Ludwig Erhard verband sich in den 1950er-Jahren mit dem (west-) deutschen "Wirtschaftswunder", das bei Integration der BRD in die Weltwirtschaft zu Vollbeschäftigung, Einkommenssteigerungen und Wohlstand führte, die Kriegsschäden massiv zu überwinden half und Grundlage des Sozialsstaats BRD bei Anknüpfung an das Sozialsystem des Deutschen Kaiserreiches und der Weimarer Republik wurde (Arbeitgeber und Gewerkschaften, Sozialversicherung, Lastenausgleichgesetz 1952 [Flüchtlingsimmigration], Sozialstaatlichkeit). Außenpolitisch stand die von Adenauer verfolgte Westintegration/-bindung der BRD im Vordergrund (Montanunion 1952, Versuch der Bildung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft [EVG] und "Stalin-Note" 1952, Deutschlandvertrag 1952/54, Nordatlantisches Verteidigungsbündnis [NATO] und Mitgliedschaft der BRD bei Aufhebung des Besatzungsstatuts 1955, Römische Verträge und Europäische Wirtschaftsgemeinschaft [EWG] 1957, deutsch-franzöischer [Elysée-] Vertrag 1963), immer unter Voraussetzung der besonderen Beziehungen der BRD zum zweiten deutschen Staat, der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Diese trübten sich mit der zunehmenden Westbindung der BRD aber ein (Flüchtlinge aus der DDR 1949/61, Berlin-Krise 1958, Mauerbau 1961). IV. Die 1960er-Jahre brachten politisch den Wechsel in der Kanzlerschaft von Konrad Adenauer zu Ludwig Erhard (1963-1966, CDU), die Kanzlerschaft Kurt Georg Kiesingers (1966-1969, CDU; große Koalition) und schließlich die Willy Brandts (1969-1974, SPD). Die Kanzlerschaften zeigen indirekt den gesellschaftlichen Wandel an, den die BRD damals unterworfen war ("Gastarbeiter" als dritte Migrationswelle, Bevölkerungswachstum, Urbanisierung, Umbrüche in der Landwirtschaft, Wandel in der Arbeitswelt, Konsum und Freizeit, Pluralisierung der Lebensformen, Rückgang religiös-konfessioneller Prägungen, Sexualität und Familie) und der u.a. in einer neuen Sicht auf die "Vergangenheitsbewältigung" des Nationalsozialismus und in der studentischen Protestbewegung der "Außerparlamentarischen Opposition" (APO, 1968) kulminierte. Die unter Kiesinger regierende große Koalition aus CDU/CSU und SPD überwand dabei die wirtschaftliche Rezession, setzte Reformen und gegen heftige Widerstände auch die Notstandsgesetze (1968) durch, während eine geplante Wahlrechtsreform nicht zustande kam. Erstmals wurde mit Gustav Heinemann (1969-1974) ein SPD-Politiker Bundespräsident, nach den CDU-Bundespräsidenten Theodor Heuss (1949-1959) und Heinrich Lübke (1959-1969). V. Mit der Bundestagswahl vom 28. September 1969 setzte der SPD-Kanzlerkandidat Willy Brandt auf eine Koalition mit der liberalen FDP. Das Jahrzehnt einer sozial-liberalen Bundesregierung unter den Kanzlern Brandt und Helmut Schmidt (1974-1982) begann und führte durch innenpolitische Reformen zu einer Ausweitung des Sozialstaats bei zunächst weiterem Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung (Mitbestimmung, Rentenreform 1972). Doch schränkte sich der finanzpolitische Spielraum der SPD-FDP-Rgeierung bald ein, so dass gesellschaftspolitische Maßnahmen bald ausblieben. Die neue Ost- und Deutschlandpolitik Brandts hingegen war erfolgreich (Moskauer Vertrag 1970, Warschauer Vertrag 1970, Kniefall Willy Brandts in Warschau 7. Dezember 1970) und führte zu einer Annäherung zwischen den beiden deutschen Staaten (Vier Mächte-Abkommen über Berlin 1971, deutsch-deutsche Vereinbarungen, Grundlagenvertrag 1972). Gerade die Ostpolitik war dann Anlass des von der Opposition initiierten konstruktiven Misstrauensvotums gegen Kanzler Brand, das aber scheiterte; in den anschließenden Bundestagswahlen wurde die sozial-liberale Koalition in der Regierung bestätigt (1972). Die "Guillaume-Affäre" brachte den Rücktritt Brandts (1974), unter dessen Nachfolger Schmidt hatte die BRD, schon lange eine Großmacht in der Weltwirtschaft, mit einer u.a. aus Ölkrise (1973) und Zusammenbruch der Weltwährungsordnung (1971/73) resultierenden Rezession zu kämpfen (deutsch-französische Kooperationen, Europäisches Währungssystem 1979). Innenpolitisch schuf der Terrorismus der "Roten Armee Fraktion" (RAF, ab 1972) ein Bedrohungsszenario ("Deutscher Herbst" 1977), außenpolitisch entfernten sich die um die USA und die Sowjetunion gepaarten Blöcke wieder voneinander (KSZE [Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa]-Schlussakte 1975, NATO-Doppelbeschluss 1979). Entscheidend war aber die wirtschaftliche Situation, in der sich die BRD befand, die geprägt war von geringem oder abnehmendem Wirtschaftswachstum, zunehmender Arbeitslosigkeit und Inflation, letztlich vom wirtschaftlichen Strukturwandel der 1970/80er-Jahre. VI. Die Koalitions"wende", d.h. das nunmehrige Bündnis der FDP mit der CDU/CSU führte zum diesmal erfolgreichen konstruktiven Misstrauensvotum gegen Kanzler Schmidt und zur Kanzlerschaft Helmut Kohls (1982-1998, CDU). Sowohl positive weltwirtschaftliche Rahmenbedingungen (Sinken der Energiepreise usw.) als auch eine (in Grundzügen feststellbare) angebotsorientierte Wirtschaftspolitik begünstigten bei weitgehender Beibehaltung des Sozialstaats ein zunächst nur verhaltenes Wirtschaftswachstum in der BRD, wobei die hohe Arbeitslosigkeit weiterhin bestand. Außenpolitisch gab es zudem kaum Unterschiede zur Vorgängerregierung, erst die politischen Umbrüche im kommunistischen Osteuropa (Sowjetunion, Polen, Ungarn) und insbesondere in der DDR (Massenflucht und Ausreise, friedliche Demonstrationen, Zusammenbruch des wirtschaftlich bankrotten DDR-Regimes 1989) führten zum "Mauerfall" (9. November 1989) und schließlich auf friedliche Weise zur "Wiedervereinigung", d.h. zum Beitritt der DDR zur Bundesrepublik (Einführung der Deutschen Mark in der DDR 1. Juli 1990, Einigungsvertrag 31. August 1990, Zwei-Plus-Vier-Vertrag mit den Siegermächten 12. September 1990, Beitritt der DDR 3. Oktober 1990, 1. gesamtdeutsche Bundestagswahl 2. Dezember 1990). | I. Mit der Konstituierung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) im Verlauf des Jahres 1949 begann für Ostdeutschland ein "kommunistisches Projekt" und "sozialistisches Experiment" auf den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Grundlagen und Vorgaben letztlich des sowjetischen Kommunismus ("Sowjetisierung"). Eine kommunistische DDR sollte die sowjetische Hegemonie über Osteuropa (hinter dem "Eisernen Vorhang") im Ost-West-Konflikt der Nachkriegszeit ("Kalter Krieg") stützen; gleichzeitig sollte damit die Ideologie des Kommunismus (Klassenkampf, Sozialismus, Proletariat) eine weitere Bestätigung finden. Die Umstellung der DDR-Wirtschaft auf eine zentral gesteuerte Planwirtschaft hatte jedoch mit Anfangsschwierigkeiten zu kämpfen (sowjetische Demontagepolitik und Reparationzahlungen, Rohstoffmangel, Unterbrechung der Handelsbeziehungen mit Westdeutschland, fehlender Zugriff auf das ostdeutsche Hinterland), während auf der Habenseite die in Mitteldeutschland beheimatete chemische, feinmechanische und Rüstungsindustrie stand. Ein erster Gesamtwirtschaftsplan wurde im Jahr 1950 für fünf Jahre beschlossen, bei zufriedenstellender Grundversorgung der in der DDR lebenden Menschen (Rationierung von Lebensmitteln und staatliche Handelsorganisation [HO]) hinkte indes die Versorgung mit höherwertigen Gütern hinterher und erzeugte zunehmend Unzufriedenheit. Dieses Missverhältnis bei der Versorgung resultierte u.a. aus unzureichender Planung und Industrieproduktion (veraltete Maschinenausstattung, niedrige Arbeitsleistung, Arbeitsnormen) bei unzureichender Mitsprache der Erwerbstätigen (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund [FDGB]) und Ausbau des Machtapparats der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) ("Parteisäuberung" 1948, Parteifunktionäre, Kasernierte Volkspolizei, "Staatssicherheit" [Stasi]; Blockparteien), die unter ihrem Generalsekretär Walter Ulbricht (†1973; Parteivorstand, Politbüro) einen kommunistisch-sowjetischen Kurs für die DDR bestimmte. Dieser Kurs führte zur Verstaatlichung großer Teile der Industrie sowie (bei zunächst stockender) Kollektivierung der Landwirtschaft, zielte auf die Ausschaltung (vermeintlicher) Gegner des SED-Regimes und propagierte eine neue auf "Arbeiter und Bauern" bezogene Bildungs- und Kulturpolitik. Dabei hatten Ulbricht und die SED die sowjetische Ausßenpolitik zu beachten ("Stalin-Note" zur Wiedervereinigung Deutschlands 1952 und deren Ablehnung), aber ab Sommer 1952 wurden die Weichen für den "Aufbau des Sozialismus in der DDR" gestellt (Verwaltungsbezirke statt Länder, Einbeziehung von Handel und Gewerbe in den Sozialismus, Kollektivierung der Landwirtschaft, Streitkräfte und "Betriebskampfgruppen" u.a.). Der Tod des sowjetischen Diktators Stalin (1953) und die beginnenden Entstalinisierung in der UdSSR wirkte sich auch auf die DDR aus, wo der "Aufbau des Sozialismus" im Sinne eines "Neuen Kurses" allerdings nur wenig zurückgenommen wurde. Die allgemeine Unzufriedenheit und Normenerhöhungen in der Bauwirtschaft führten dann zu Streiks, Demonstrationen und dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953, der mit Hilfe der militärischen Präsenz sowjetischer Panzer schnell unterdrückt werden konnte. Die Spaltung zwischen SED und SED-Staat als "Minderheitendiktatur" auf der einen und der DDR-Bevölkerung als "Arbeiterklasse" auf der anderen Seite sowie das beiderseitige Misstrauen zwischen sozialistischer Staatspartei und Bevölkerung vertiefte sich dadurch noch mehr, wie z.B. eine massive Fluchtbewegung aus der DDR nach Westdeutschland - übrigens bei Schwächung der politischen Opposition in der DDR - zeigte (ab 1953). Der "Neue Kurs" führte in der Folge zu Verbesserungen im sozialen Bereich und zu Wirtschaftsreformen (Fünfjahresplan 1956/60, Modernisierung von Industrie und Handwerk, Zurückhaltung bei der Kollektivierung der Landwirtschaft, Anti-"Dogmatismus", Freilassung politischer Gefangener, Unabhängigkeit wissenschaftlicher Diskussion u.a.), doch bedeutete die Niederschlagung des Aufstandes in Ungarn durch die UdSSR (1956) im Grunde das Ende der Periode des "Tauwetters" in den von der Sowjetunion politisch und militärisch dominierten Ostblock- und RGW-Staaten. Die DDR und ihr kommunistisches Regime profitierten in den endenden 1950er- und in den 1960er-Jahren von einem Wirtschaftswachstum (Siebenjahresplan 1959, "Neues Ökonomisches System" [1960er-Jahre]), so dass der "Aufbau des Sozialismus" nun wieder stärker verfolgt wurde (Kollektivierung der Landwirtschaft, Maßnahmen in der Bildungspolitik und Ausbau des Bildungssystems, sozialistische Wissenschaft und Technik, neue Technologien), was wiederum die Fluchtbewegung von DDR-Einwohnern nach dem Westen - über West-Berlin - beschleunigte und stärkte (Vier-Mächte-Berlin-Status vor dem Hintergrund souveräner deutscher Staaten [1958], Berlin-Rede des US-amerikanischen Präsidenden John F. Kennedy [1963]). Der Bau der Berliner Mauer ab der Nacht vom 12. zum 13. August 1961 sollte die Fluchtbewegung unterbinden. II. In den 1960er-Jahren hatte die DDR zwar ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum bei Lohnsteigerungen und verbessertem Lebensstandard für die Beschäftigten zu verzeichnen, doch blieben die Ergebnisse volkswirtschaftlichen Handelns hinter den Planungen und Erwartungen zurück, der Konsumgüterbereich weiterhin unterrepräsentiert. So vergrößerte sich der wirtschaftliche Abstand zur Bundesrepublik Deutschland (BRD) noch, während die DDR innerhalb des Systems der RGW-Staaten - etwa in der chemischen Industrie oder beim Maschinenbau - eine wirtschaftliche Spitzenposition einnahm. Dabei wirkte die DDR-"Gesellschaft im Sozialismus" auch auf Kunst, Literatur und (Geistes-) Wissenschaften ein, wobei zaghafte Reformansätze ab der Mitte des 1960er-Jahre bald wieder verschwanden. Außenpolitisch konnte die DDR im Gefolge der Sowjetunion ("Prager Frühling" 1968) ihre Position in der Welt ebenfalls ausbauen; trotz eines Alleinvertretungsanspruchs der BRD ("Hallstein-Doktrin") fand sie zunehmend Anerkennung als Staat z.B. in den Ländern der Dritten Welt, während die BRD-Ostpolitik des Bundeskanzlers Willy Brandt (1969-1974) neue Möglichkeiten in der Politik der beiden deutschen Staaten ermöglichte (Grundlagenvertrag 1972). Zunächst kam es auf Grund einer massiven wirtschaftlichen Schieflage (Mangel an Lebensmitteln und Konsumgütern, Engpässe bei Strom und Energie, Wohnungsmangel u.a.) zum Ende der Ära Ulbricht (1971), den Erich Honecker als SED-Generalsekretär (und ab 1976 als Staatsratsvorsitzender) ablöste. Eine wirtschaftliche Umorientierung im Gefolge der Sowjetunion fand ab 1971 in allen Ostblockländern mit einer Stärkung z.B. des Konsumgüterbereichs statt. Für die DDR bedeutete dieser "Konsumsozialismus" (Erhöhung der Löhne und Renten, Neugestaltung der Arbeitszeiten und des Urlaubs, Wohnungsbauprogramm) eine deutliche Erhöhung des Lebensstandards in den 1970er- und 1980er-Jahren, freilich um den Preis von Subventionierung und Staatsverschuldung bei trotzdem nicht wie gewünscht ansteigender Wirtschaftsproduktivität und der Verstaatlichung auch der letzten privaten Industrie- und Handwerksbetriebe. Der DDR-Außenhandel blieb dabei defizitär (Import von Lebensmitteln und Konsumgütern) und verursachte neue Staatsverschuldung; statt auf Erdöl setzte man bei der Energiegewinnung auf die in der DDR heimische Braunkohle (Braunkohle-Tagebau, Umweltverschmutzung, Umweltschäden), allerdings um den Preis hoher Investitionen. Spätestens Anfang der 1980er-Jahre war klar, dass Konsum und Lebensstandard in der DDR den wirklichen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht entsprachen; Investitionen in zukunftsträchtige Bereiche (z.B. Mikroelektronik) blieben unzureichend. Dem wirtschaftlichen Stillstand entsprach ein politischer, bei dem das SED-Diktatur auf große politische Entwürfe verzichtete und im Gegenzug die Angepasstheit der DDR-Bevölkerung im politischen System (Betrieb, Wohnung, Erziehung und Bildung, Gesundheitswesen, Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, Vollbeschäftigung) einforderte (DDR als Überwachungsstaat [Ministerium für Staatssicherheit], Beschränkung der Kontakte zum westlichen Ausland, Reisebeschränkungen und "Ausreiser"). Westdeutsche Lebensweise und westdeutscher Lebensstandard hatten dabei für die DDR-Bewohner schon immer eine Vorbildfunktion, die das SED-Regime zu kanalisieren versuchte (DDR-Mangelwirtschaft: Devisen und Kaufkraftüberhang und dessen Abschöpfung, "Inter-Shops" und "Kommerzielle Koordinierung" [KoKo], westdeutsche D-Mark als inoffizielles Zahlungsmittel in der DDR; DDR-Kultur: Transformation der westdeutschen 1968er-Bewegung, politische Festivals, Weltjugendfestspiele 1973 ["Freie Deutsche Jugend" FDJ], "Gegenkulturen", "Kirche im Sozialismus", politische Opposition[sgruppen] in der DDR [Künstler, Kirche, Umweltaktivitäten; 1980er-Jahre]). Vor dem Hintergrund einer drohenden Zahlungsunfähigkeit des SED-Staates war dieser ab 1983 mehr den je auf westdeutsche Hilfe angewiesen (DDR-Repression gegen die eigene Bevölkerung gegen westdeutsche Devisen bei humanitären Gegenleistungen, Westkredite, Senkung der Westverschuldung), während sich der politische Ost-West-Gegensatz wieder verstärkte (NATO-Doppelbeschluss). Die sich gegen Ende der 1980er-Jahre weiter verschlechternde DDR-Wirtschaftsleistung (fehlende Investitionen z.B. in die Infrastruktur, veraltete Industrie) hinterließ bei einer "organisierten Selbsttäuschung" innerhalb des planwirtschaftlichen Handelns der DDR eine durch und durch marode politische und wirtschaftliche Situation, bei der die SED-Führung die Zeichen der Zeit in der Folge der durch Michael Gorbatschow verursachten politischen Umwälzungen in der Sowjetunion nicht erkannte bzw. erkennen wollte (1986/89). So mündeten u.a. die Dissidentenbewegungen der 1980er-Jahre ein in die friedliche Revolution des Jahres 1989, an dessen Ende der Fall der Berliner Mauer und der Grenze zwischen BRD und DDR (9. November 1989) und die Wiedervereinigung beider deutscher Staaten (Beitritt der DDR zur BRD, 3. Oktober 1990) standen. Die DDR war damit Geschichte, nicht aber die politischen und wirtschaftlichen Altlasten, die die Politik in der BRD in den folgenden Jahren beschäftigen sollten. |
Die vergrößerte Bundesrepublik bestand/besteht aus nunmehr 16 Bundesländern (östliche Bundesländer: Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen), die Parteienlandschaft veränderte sich nicht nur durch den Aufstieg der Grünen in Westdeutschland in den 1980er-Jahren, sondern auch durch die Ausweitung der westdeutschen Parteien nach Ostdeutschland (DDR-Blockflöten-Parteien, "Allianz für Deutschland"; Bündnis 90/Die Grünen, später die Grünen) in der Folge des Einigungsprozesses bei weiterem Bestehen der PDS (Partei des demokratischen Sozialismus) bzw. der Linken in der Nachfolge der DDR-SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands). Die "neue" BRD blieb Mitglied der Europäischen Gemeinschaft und der NATO, Berlin löste Bonn als Hauptstadt ab (1991), wirtschaftliche Anpassungsprozesse zwischen "Euphorie und Ernüchterung" sollten das ehemalige DDR-Staatsgebiet an die westdeutschen Standards heranführen, was aber nur unzulänglich gelang ("Abwicklung" der DDR-Wirtschaft [Treuhand], Arbeitslosigkeit, weitere Globalisierung der Weltwirtschaft). VII. Mit der Bundestagswahl von 1998 kam die Regierung Kohl zu ihrem Ende, unter Kanzler Gerhard Schröder (1998-2005, SPD) regierte nun eine Koalition aus SPD und Grünen die BRD. "Grüne Themen" waren dabei die Energie- und Umweltpolitik (Einstieg in den Atomausstieg), aber auch das Staatsangehörigkeits-, Asyl- und Zuwanderungsrecht. Die Weigerung Schröders, sich am Irakkrieg der USA zu beteiligen, brachte dem Kanzler den Wahlsieg bei der Bundestagswahl von 2002. Die zweite Amtsperiode Schröders sah mit der "Agenda 2010" die (wohl notwendige?) teilweise Umgestaltung der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik ("Hartz-Reformen"), die Schröder trotz vieler Widerstände gerade bei SPD und Gewerkschaften durchzusetzen vermochte (2003). Die "Hartz-Gesetzgebung" blieb auch unter den folgenden Regierungen in Kraft und hat wohl den "Standort Deutschland" in der Weltwirtschaft gestärkt. VIII. Nach der Niederlage Schröders in der vorgezogenen Bundestagswahl von 2005 (Vertrauensfrage des Kanzlers) kam es unter der Kanzler(innen)schaft von Angela Merkel (2005-2021, CDU) zur Bildung einer großen Koalition aus CDU/CSU und SPD, die nach dem Zwischenspiel einer CDU/CSU-FDP-Regierung (2009-2013) ab 2013 fortgeführt wurde (nach: Recker, Bundesrepublik Deutschland). 2021 folgte auf die Merkel-Regierung die "Ampelkoalition" der Parteien SPD, Grüne und FDP unter der Kanzlerschaft von Olaf Scholz (SPD). |
Die Geschichte der beiden deutschen Staaten beschreiben: Deuerlein, Ernst (1972), Deutschland 1963-1970 (= Edition Zeitgeschehen), Hannover 1972, 234 S., DM 10,-; Fuhr, Eckhard (1990), Geschichte der Deutschen 1949-1990. Eine Chronik zu Politik, Wirtschaft und Kultur, Frankfurt a.M. 1990, 287 S., DM 29,80; Grosser, Alfred (1974), Geschichte Deutschlands seit 1945. Eine Bilanz (= dtv 1007), München 81980, 574 S., DM 2,-, München 111984, 574 S., DM 12,80; Leonhard, Rudolf Walter (1961), X-mal Deutschland, Stuttgart-Zürich-Salzburg [1965], 450 S., Karten, DM 8,80; Lilge, Herbert (Hg.) (1967), Deutschland 1945-1963 (= Edition Zeitgeschehen), Hannover 121980, X, 386 S., Abbildungen, DM 20,-. > Bundesrepublik Deutschland - Deutsche Demokratische Republik: ein Vergleich [98 kB] [Buhlmann, 08.2023, 11.2023]
Deutsche Geschichte, hg. v. Heinrich Pleticha: Bd.1 (1982): Firnkes, Manfred (Mitverf.), Vom Frankenreich zum Deutschen Reich 500-1024, Gütersloh 1982, 384 S., Abbildungen, Karten, DM 19,80; Bd.2 (1983): Dettelbacher, Werner (Mitverf.), Von den Saliern zu den Staufern 1024-1152, Gütersloh 1983, 384 S., Abbildungen, Karten, DM 19,80; Bd.3 (1983): Dettelbacher, Werner (Mitverf.), Die staufische Zeit 1152-1254, Gütersloh 1983, 383 S., Abbildungen, Karten, DM 19,80; Bd.4 (1983): Firnkes, Manfred (Mitverf.), Vom Interregnum zu Karl IV. 1254-1378, Gütersloh 1983, 384 S., Abbildungen, Karten, DM 19,80; Bd.5 (1983): Dettelbacher, Werner (Mitverf.), Das ausgehende Mittelalter 1378-1517, Gütersloh 1983, 38 S., Abbildungen, Karten, DM 19,80; Bd.6 (1983): Böhm, Winfried (Mitverf.) u.a., Reformation und Gegenreformation 1517-1618, Gütersloh 1983, 384 S., Abbildungen, Karten, DM 19,80; Bd.7 (1983): Dettelbacher, Werner (Mitverf.), Dreißigjähriger Krieg und Absolutismus 1618-1740, Gütersloh 1983, 384 S., Abbildungen, Karten, DM 19,80; Bd.8 (1983): Dettelbacher, Werner (Mitverf.), Aufklärung und Ende des Deutschen Reiches 1740-1815, Gütersloh 1983, 383 S., Abbildungen, Karten, DM 19,80; Bd.9 (1984): Böhm, Winfried (Mitverf.), Von der Restauration zur Reichsgründung 1815-1871, Gütersloh 1983, 384 S., Abbildungen, Karten, DM 19,80; Bd.10 (1984): Böhm, Winfried (Mitverf.), Bismarck-Reich und Wilhelminische Zeit 1871-1918, Gütersloh 1984, 383 S., Abbildungen, Karten, DM 19,80; Bd.11 (1984): Dettelbacher, Werner (Mitverf.), Republik und Diktatur 1918-1945, Gütersloh 1984, 384 S., Abbildungen, Karten, DM 19,80; Bd.12 (1984): Buchwald, Manfred (Mitverf.), Geteiltes Deutschland. Nach 1945, Gütersloh 1984, 384 S., Abbildungen, Karten, DM 19,80. > D Deutsche Geschichte, Frühmittelalter-heute [Buhlmann, 1983-1984, 09.2017]
Deutsche Geschichte der neuesten Zeit (vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart), hg. v. Martin Broszat u.a.: Bd.1 (1984): Burg, Peter, Der Wiener Kongreß. Der Deutsche Bund im europäischen Staatensystem (= dtv 4501), München 1984, 200 S., DM 5,80; Bd.4 (1984): Stürmer, Michael, Die Reichsgründung. Deutscher Nationalstaat und europäisches Gleichgewicht im Zeitalter Bismarcks (= dtv 4504), München 1984, 199 S., DM 5,80; Bd.7 (1984): Grebing, Helga, Arbeiterbewegung. Sozialer Protest und kollektive Interessenvertretung bis 1914 (= dtv 4507), München 1985, 203 S., DM 4,-; Bd.12 (1985): Möller, Horst, Weimar. Die unvollendete Demokratie (= dtv 4512), München 1985, 269 S., DM 7,80; Bd.13 (1986): Krüger, Peter, Versailles. Deutsche Außenpolitik zwischen Revisionismus und Friedenssicherung (= dtv 4513), München 1986, 225 S., DM 5,80; Bd.14 (1987): Hepp, Corona, Avantgarde. Moderne Kunst, Kulturkritik und Reformbewegungen nach der Jahrhundertwende (= dtv 4514), München 1987, 259 S., DM 7,80; Bd.15 (1985): Blaich, Fritz, der Schwarze Freitag. Inflation und Wirtschaftskrise (= dtv 4515), München 1985, 172 S., DM 5,-; Bd.16 (1984): Broszat, Martin, Die Machtergreifung. Der Aufstieg der NSDAP und die Zerstörung der Weimarer Republik (= dtv 4516), München 1984, 241 S., DM 4,-; Bd.18 (1987): Wendt, Bernd-Jürgen, Großdeutschland. Außenpolitik und Kriegsvorbereitung des Hitler-Regimes (= dtv 4518), München 1987, 256 S., DM 4,-; Bd.19 (1988): Graml, Hermann, Reichskristallnacht. Antisemitismus und Judenverfolgung im Dritten Reich (= dtv 4519), München 1988, 291 S., DM 4,-; Bd.22 (1986): Benz, Wolfgang, Potsdam 1945. Besatzungsherrschaft und Neuaufbau im Vier-Zonen-Deutschland (= dtv 4522), München 1986, 271 S., DM 7,80; Bd.23 (1984): Benz, Wolfgang, Die Gründung der Bundesrepublik. Von der Bizone zum souveränen Staat (= dtv 4523), München 1984, 219 S., DM 6,-; Bd.24 (1984): Staritz, Dietrich, Die Gründung der DDR. Von der sowjetischen Besatzungsherrschaft zum sozialistischen Staat (= dtv 4524), München 1984, 244 S., DM 4,-; Bd.25 (1989): Herbst, Ludolf, Option für den Westen. Vom Marshall-Plan bis zum deutsch-französischen Vertrag (= dtv 4527), München 1989, 263 S., DM 4,-; Bd.28 (1986): Bender, Peter, Neue Ostpolitik. Vom Mauerbau bis zum Moskauer Vertrag (= dtv 4528), München 1986, 289 S., DM 7,80; Bd.30 (1986): Haftendorn, Helga, Sicherheit und Stabilität. Außenbeziehungen der Bundesrepublik zwischen Ölkrise und NATO-Doppelbeschluß (= dtv 4530), München 1986, 286 S., DM 7,-. > D Deutsche Geschichte, 1815-heute [Buhlmann, 07.2017]
Deutsche Geschichte im Osten Europas, begr. v. Werner Conze, ist eine Reihe zur deutschen Geschichte in Osteuropa vom Mittelalter bis in die Moderne. U.a. ist erschienen: Prinz, Friedrich (Hg.) (1993), Böhmen und Mähren, Berlin 21995, 544 S., Schwarzweiß-, Farbtafeln, Karten, DM 128,-. [Buhlmann, 11.2019]
Deutsche Geschichte. Ereignisse und Probleme, hg. v. Walther Hubatsch: DG 1,2 (1968): Baethgen, Friedrich, Deutschland und Europa im Spätmittelalter (= Ullstein Tb 3849), Frankfurt a.M. 21978, 193 S., DM 1,90; DG 2,1-2 (1967): Ritter, Gerhard, Die Neugestaltung Deutschlands und Europas im 16. Jahrhundert (= Ullstein Tb 3842), Frankfurt a.M. 1967, 485 S., DM 2,50; DG 2,3 (1974): Hubatsch, Walther, Deutschland zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und der Französischen Revolution (= Ullstein Tb 3850), Frankfurt a.M. 21976, 208 S., DM 2,-; DG 3,1 (1967): Zechlin, Egmont, Die deutsche Einheitsbewegung (= Ullstein Tb 3843), Frankfurt a.M. 21977, 197 S., DM 2,-; DG 4 (1972): Baumgart, Winfried, Deutschland im Zeitalter des Imperialismus (1890-1914) (= Ullstein Tb 3844), Frankfurt a.M. 21976, 237 S., DM 2,-; DG 5 (1966): Hubatsch, Walther, Deutschland im Weltkrieg 1914-1918 (= Ullstein Tb 3845), Frankfurt a.M. 21973, 149 S., DM 2,-; DG 7 (1968): Vogelsang, Thilo, Die nationalsozialistische Zeit. Deutschland 1933 bis 1939 (= Ullstein Tb 3847), Frankfurt a.M. 41978, 178 S., DM 2,-; DG 8 (1966): Dahms, Hellmuth Günther, Der Zweite Weltkrieg (= Ullstein Tb 3848), Frankfurt a.M. 31975, 212 S., DM 2,-; DG 10 (1969): Conrad, Hermann, Der deutsche Staat. Epochen seiner Verfassungsentwicklung (843-1945) (= Ullstein Tb 3852), Frankfurt a.M. 21974, 219 S., DM 2,-; DG 11 (1970): Bizer, Ernst, Kirchengeschichte Deutschlands I. Von den Anfängen bis zum Vorabend der Reformation (= Ullstein Tb 3853), Frankfurt a.M. 1970, 170 S., DM 2,-; DG 12 (1973): Wallmann, Johannes, Kirchengeschichte Deutschlands II. Von der Reformation bis zur Gegenwart (= Ullstein Tb 3854), Frankfurt a.M. 1973, 304 S., DM 2,-; DG 14 (1973): Baumgard, Winfried, Bücherverzeichnis zur deutschen Geschichte. Hilfsmittel, Handbücher, Quellen (= Ullstein Tb 3856), Frankfurt a.M. 41978, 220 S., DM 2,-; DG 15 (1975): Treue, Wolfgang, Die deutschen Parteien. Vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart (= Ullstein Tb 3857), Frankfurt a.M. 1975, 297 S., DM 2,-; DG 16 (1972): Heupel, Aloys u.a., Karten und Stammtafeln zur deutschen Geschichte (= Ullstein Tb 3858), Frankfurt a.M. 1972, 187 S., Tafeln, Karten, DM 3,90; DG 19 (1976): Hilgers, Werner, Deutsche Frühzeit. Geschichte des römischen Germanien (= Ullstein Tb 3861), Frankfurt a.M. 1976, 190 S., Karte, DM 1,-. > D Deutsche Geschichte, Frühzeit-heute [Buhlmann, 09.2017]
Deutsche Klein- und Privatbahnen ist eine Reihe zur Eisenbahngeschichte. Die Eisenbahn war - in Europa, in Mitteleuropa und Deutschland - ein Motor der Industrialisierung des 19. und 20. Jahrhunderts. Sie revolutionierte als schienengebundenes Verkehrssystem (Fahrzeuge: Lokomotive, Triebwagen, Wagen) mit Streckennetz (Haupt-, Nebenstrecken) und Bahnanlagen (Gleise mit Unter- und Oberbau, Bahnhöfe, Stellwerke, technische Anlagen) u.a. mit Hilfe abgestimmter und getakteter Fahrpläne das (Personen-, Güter-) Transportwesen.
U.a. ist in der genannten Reihe erschienen:
Bd.3 (1995): Wolff, Gerd, Menges, Hans-Dieter, Württemberg, Freiburg [i.Br.] 1995, 335 S., Schwarzweißfotos, Karten, DM 88,-, betreffend die Strecken der Bodensee-Oberschwaben-Bahn, Ermstal Verkehrs-Gesellschaft, Hohenzollersche Landesbahn, Teuringertalbahn, Trossinger Eisenbahn u.a. sowie der Württembergischen Eisenbahn-Gesellschaft (WEG, mit: Württembergische Nebenbahnen [WN]).
[Buhlmann, 12.2020]
Deutsche Literatur: Die deutsche Literatur in Text und Darstellung, hg. v. Otto F. Best u. Hans-Jürgen Schmitt, bietet ausgewählte und mit Einführungen und Kommentaren versehene literarische Textbeispiele aus allen Epochen deutscher Literaturgeschichte, u.a.: Bd.1 (1976): Koch, Hans Jürgen (Hg.), Mittelalter I (= RUB 9601), Nachdruck Stuttgart 1977, 343 S., DM 6,40; Bd.4 (1975): Fischetti, Renate (Hg.), Barock (= RUB 9613), Nachdruck Stuttgart 1999, 367 S., € 7,10. [Buhlmann, 10.2020]
Deutsche Literaturgeschichte:
I. Parallel zur Entwicklung der deutschen Sprache (Alt-, Mittel-, Frühneu-, Neuhochdeutsch, Niederdeutsch) entfaltete sich auch die deutsche Literatur in ihren je eigenen Epochen. Deutsche Sprache wird an schriftlich fixierten, literarischen Texten erkennbar, die in der Geschichtswissenschaft als Geschichtsquellen fungieren.
II. Folgende Epochen deutscher Literatur sind zu beachten:
a) Althochdeutsch, Altniederdeutsch (ca.750-ca.1050) ("Deutsch" als theodisc ["Volkssprache"]; zweite Lautverschiebung, Benrather Linie; Übersetzungen aus dem Lateinischen, Verschriftlichung mündlicher Überlieferung, christliche, weltliche Literatur);
b) Mittelhochdeutsch, Mittelniederdeutsch (ca.1050-ca.1350) (frühmittelhochdeutsche Literatur [ca.1050-ca.1170], "staufische Klassik" [ca.1170-ca.1250], spätmittelhochdeutsche Literatur [ca.1250-ca.1350]: Höfischer Roman [Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach, Gottfried von Straßburg], [hoher, niederer] Minnesang [Der von Kürenberg, Friedrich von Hausen, Heinrich von Morungen, Walther von der Vogelweide, Neidhart von Reuental], Heldenepos [Nibelungenlied]);
c) Renaissance und Humanismus (ca.1350-ca.1600) (frühneuhochdeutsche Literatur, Deutsch als Literatursprache: Literatur [Johannes von Tepl, Bibelübersetzung Martin Luthers, Hans Sachs]);
d) Barock (ca.1600-ca.1720) (frühneuhochdeutsche bis neuhochdeutsche Literatur: Lyrik [u.a. Sonette; Andreas Gryphius, C. Hofmann von Hofmannswaldau], Roman [Johann Jakob Christoffel von Grimmelshausen], höfisches Trauerspiel [Daniel Caspar von Lohenstein]);
e) Aufklärung (ca.1680-ca.1800) (neuhochdeutsche Literatur: Fabel, bürgerliches Trauerspiel, Dramen [Christoph Fürchtegott Gellert, Johann Christoph Gottsched, Gotthold Ephraim Lessing], [Bildungs-, Brief-] Roman [Sophie von La Roche, Johannn Gottfried Schnabel, Christoph Martin Wieland], Lyrik [Friedrich Gottlieb Klopstock]);
f) Sturm und Drang (ca.1770-1789) (neuhochdeutsche Literatur: Drama, Lyrik [Johann Wolfgang Goethe, Jakob Michael Reinhold Lenz, Friedrich Schiller]);
g) (Weimarer) Klassik (1786-1805) (neuhochdeutsche Literatur: [klassisches] Drama, [Bildungs-] Roman, [Gedanken-] Lyrik [Johann Wolfgang Goethe, Friedrich Hölderlin, Heinrich von Kleist, Friedrich Schiller]);
h) Romantik (ca.1790-ca.1830) (neuhochdeutsche Literatur: Roman, Novelle, [Kunst-] Märchen, Lyrik [Wilhelm Hauff, E.T.A. Hoffmann, Novalis, Friedrich Schlegel, Ludwig Tieck]);
i) Biedermeier, Vormärz (1815-1848) (neuhochdeutsche Literatur: Erzählprosa, [politische] Lyrik [Annette von Droste-Hülshoff, Jeremias Gotthelf, Heinrich Heine, Eduard Mörike, Adalbert Stifter]);
j) Realismus (ca.1848-ca.1890) (neuhochdeutsche Literatur: Romane, Erzählungen [Theodor Fontane, Gottfried Keller, Theodor Storm]);
k) Naturalismus (ca.1880-1900) (neuhochdeutsche Literatur: [naturalistisches] Drama [Gerhart Hauptmann]);
l) Jahrhundertwende (ca.1890-1918) (neuhochdeutsche Literatur: Neuromantik, Impressionismus, Symbolismus, Dekadenz [Richard Dehmel, Stefan George, Hugo von Hofmannsthal, Ricarda Huch, Detlev von Liliencron, Heinrich Mann, Thomas Mann, Rainer Maria Rilke, Arthur Schnitzler, Frank Wedekind]);
m) Expressionismus (ca.1910-1920) (neuhochdeutsche Literatur: Expressionismus, Drama, Lyrik [Gottfried Benn, Walter Hasenclever, Georg Heym, Georg Kaiser, Else Lasker-Schüler, Georg Trakl, Hans Toller]);
n) Weimarer Republik (1918-1933) (neuhochdeutsche Literatur: Arbeiterliteratur, Sachlichkeit, Zeitroman, Reportage [Bertolt Brecht, Alfred Döblin, Hans Fallada, Hermann Hesse, Franz Kafka, Egon Erwin Kisch, Heinrich Mann, Thomas Mann, Erich Maria Remarques, Anna Seghers]);
o) Nationalsozialismus (1933-1945) (neuhochdeutsche Literatur: Exilliteratur, innere Emigration, "Blut und Boden" [Werner Bergengruen, Jochen Klepper, Heinrich Mann, Klaus Mann, Thomas Mann, Anna Seghers, Ernst Wiechert]);
p) Nachkrieg (1945-ca.1965) (neuhochdeutsche Literatur: Gruppe 47, Wiener Gruppe, [Nachkriegs-] Romane, Lyrik, Kurzgeschichte [Alfred Andersch, Heinrich Böll, Wolfgang Borchert, Günter Grass, Marie Luise Kaschnitz, Elisabeth Langgässer]);
q) Deutsche Demokratische Republik (1949-1989/90) (neuhochdeutsche Literatur: "sozialistischer Realismus" [Jurek Becker, Thomas Brasch, Christoph Hein, Stefan Heym, Uwe Johnson, Sarah Kirsch, Günter Kunert, Reiner Kunze, Heiner Müller, Ulrich Plenzdorf, Erwin Strittmatter, Christa Wolf]);
r) Bundesrepublik Deutschland, Österreich Schweiz (1960er-Jahre-1990) (neuhochdeutsche Literatur: Arbeiterliteratur, "neue Subjektivität", Frauenliteratur, Drama, Lyrik, Prosa [Thomas Bernhard, Friedrich Dürrenmatt, Max Frisch, Günter Grass, Peter Handke]);
s) Bundesrepublik Deutschland, Österreich Schweiz (1990-heute) (neuhochdeutsche Literatur: Pluralisierung, Popliteratur, Migrantenliteratur [Thomas Brussig, Renan Demirkan, Günter Grass, Durs Grünbein, Peter Handke, Christoph Hein, Wolfgang Hilbig, Rafik Schami, Bernhard Schlink, Robert Schneider, Uwe Timm]).
(nach: Deutsch. Abiwissen, Prüfungsaufgaben).
Vielfältig sind die Darstellungen zu Geschichte, Analyse und Interpretation deutscher Literatur, u.a.:
Deutsch (= Abitur clever vorbereitet), Potsdam o.J. [2011], 336 S., € 4,99;
Deutsch. Abiwissen, Prüfungsaufgaben (= Duden. SMS - Schnell-Merk-System), Berlin-Mannheim-Leipzig-Wien-Zürich 22008, 224 S., € 8,95;
Ehrismann, Gustav (1918/35), Geschichte der deutschen Literatur bis zum Ausgang des Mittelalters (= Handbuch des deutschen Unterrichts an höheren Schulen, Bd.6): Tl.1: Die althochdeutsche Literatur, München 21932, XI, 474 S., Tl.2: Die mittelhochdeutsche Literatur: 1.Abschnitt: Frühmittelhochdeutsche Zeit, München 1922, XVIII, 358 S., 2.Abschnitt, 1.Hälfte: Blütezeit, München 1927, XVII, 350 S., 2.Abschnitt, 2.Hälfte, Schlußband: Blütezeit, München 1935, XVIII, 699 S., zus. DM 120,-;
Frenzel, Herbert A., Frenzel, Elisabeth, Daten deutscher Dichtung. Chronologischer Abriß der deutschen Literaturgeschichte, Bd.I: Von den Anfängen bis zur Romantik (= dtv 28), München 31966, Bd.II: Vom Biedermeier bis zur Gegenwart (= dtv 54), München 21964 > F > Frenzel, Daten deutscher Dichtung;
Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zum Beginn der Neuzeit: Bd.I: Haubrichs, Wolfgang (1988), Die Anfänge. Versuche volkssprachlicher Schriftlichkeit im frühen Mittelalter (ca.700-1050/60), Frankfurt a.M. 1988, 476 S., Abbildungen, DM 78,-;
Glaser, Hermann, Lehmann, Jakob, Lubos, Arno (1961/62), Wege der deutschen Literatur. Eine geschichtliche Darstellung (= Ullstein Tb 323/24), Frankfurt a.M.-Berlin 71967, 414 S., DM [4,80] (vgl. dazu die Anthologie der gleichen Verfasser);
Grabert, W[illy], Mulot, A[rno] (1953), Geschichte der deutschen Literatur, München 21968, 498 S., Schwarzweißabbildungen, DM 11,80;
Hahn, Werner (1882), Geschichte der poetischen Literatur der Deutschen, bearb. v. Gotthold Kreyenberg (1906), Stuttgart-Berlin 151906, X, 352 S. RM 4,60;
Hoffmann, Friedrich G., Rösch, Herbert (1966), Grundlagen, Stile, Gestalten der deutschen Literatur. Eine geschichtliche Darstellung, Frankfurt a.M. 91984, 435 S., Schwarzweißabbildungen, DM 35,90;
Kartschoke, Dieter (Hg.), Geschichte der deutschen Literatur im Mittelalter: Bd.1: Kartschoke, Dieter (1990), Geschichte der deutschen Literatur im frühen Mittelalter (= dtv 4551), München 1990, 412 S., Bd.2: Bumke, Joachim (1990), Geschichte der deutschen Literatur im hohen Mittelalter (= dtv 4552), München 1990, 440 S., Bd.3: Cramer, Thomas (1990), Geschichte der deutschen Literatur im späten Mittelalter (= dtv 4553), München 1990, 443 S., zus. DM 59,40;
Kursthemen Deutsch, hg. v. Dietrich Erlach u. Bernd Schurf:
Lindenhahn, Reinhard, Neugebauer, Birgit (2007), Lyrik: Liebe vom Barock bis zur Gegenwart, Nachdruck Berlin 2012, 96 S., tabellarische Übersichten, € 14,50,
Neugebauer, Birgit, Wilhelm, Elfriede (2004), Lyrik: Heimatverlust und Exil, Berlin 22006, 96 S., tabellarische Übersichten, € 7,50;
Müller, Friedrich, Valentin, Gerold (1957), Deutsche Dichtung. Kleine Geschichte unserer Literatur, Paderborn-München 1966, 256 S., Schwarzweißabbildungen, Farbtafeln, Faltblatt, DM 4,80;
Muschg, Walter (1929/60), Die Zerstörung der deutschen Literatur (und andere Essays), hg. v. Julian Schütt u. Winfried Stephan (2009), Zürich 2009, 956 S., € 32,90;
Pegasus - Geschichte der deutschen Literatur: Wetzel, Christoph (1986), Lexikon der Autoren und Werke, Stuttgart-München-Düsseldorf-Leipzig 21997, 321 S., Zeittafel, DM 16,-;
Petersdorff, Dirk von, Geschichte der deutschen Lyrik (= BSR 2434), München 2008 > P > Petersdorff, Deutsche Lyrik;
Petruschke, Adelheid (1987), Lyrik nach 1945 (= Klett Lektürehilfen), Stuttgart 21988, 115 S., DM 12,50;
Röhl, Hans (1914), Geschichte der deutschen Dichtung, Leipzig-Berlin 51926, VIII, 363 S., Zeittafel, € 14,-;
Rothmann, Kurt (1978), Kleine Geschichte der deutschen Literatur (= RUB 17676), Stuttgart 192009, 542 S., € 10,-;
Sander, Margarete (1996), Textherstellungsverfahren bei Elfriede Jelinek. Das Beispiel Totenauberg (= Epistemata. Würzburger wissenschaftliche Schriften. Reihe Literaturwissenschaft, Bd.179), Würzburg 1996, 206 S., DM 48,-;
Szondi, Peter (1963), Theorie des modernen Dramas (= es 27), Frankfurt a.M. 1963, 169 S., DM 3,-, Frankfurt a.M. 71970, DM 3,-;
Ulshöfer, Robert (Hg.) (1979), Arbeitsbuch Deutsch Sekundarstufe II, Bd.2: Literatur und Gesellschaft, Hannover 1979, 391 S., Schwarzweißabbildungen, DM 18,80;
Urbanek, Walter (1969), Deutsche Literatur. Das 19. und 20. Jahrhundert. Epochen, Gestalten, Gestaltungen, Bamberg 31974, 598 S., Abbildungen, DM 15,60.
Insbesondere zu nennen sind noch als literarische Quellen die:
Arbeitstexte für den Unterricht:
Deutsche Kurzgeschichten 9.-10. Schuljahr, hg. v. Winfried Ulrich (1973) (= RUB 9507), Stuttgart 1973, 80 S., DM N.N.,
Geschichten vom Erwachsenenwerden, hg. Theodor Karst (1987) (= RUB 9598), Stuttgart 1987, 78 S., DM 1,-,
Herrschaft durch Sprache. Politische Reden, hg. v. Walter Schafarschik (1973) (= RUB 9501), Nachdruck Stuttgart 1981, 150 S., DM 3,60,
Satirische Texte, hg. v. Norbert Feinäugle (1976) (= RUB 9525), Nachdruck Stuttgart 1981, 176 S., DM 3,20,
Witz, hg. v. Hannjost Lixfeld (1978) (= RUB 9542), Nachdruck Stuttgart 1986, 72 S., DM 2,40;
Editionen mit Materialien:
Liebeslyrik, ausgew. v. Adelheid Petruschke (2007), Stuttgart-Leipzig 2007, 160 S., Schwarzweißabbildungen, € N.N;
Mathieu, Gustave, Stern, Guy (Hg.) (1959), Introduction to German Poetry. A Dual-Language Book, New York 1991, 169 S., Schwarzweißabbildungen, $ 8,95,
sowie die:
Interpretationen:
Bd.4 (1966): Schillemeit, Jost (Hg.), Deutsche Erzählungen von Wieland bis Kafka (= Fischer TB 6023), Frankfurt a.M. 91976, 341 S., DM 6,80;
Interpretationen:
Dramen des Sturm und Drang (1987) (= RUB 8410), Stuttgart 32002, 292 S., € 6,10,
Dramen des 20. Jahrhunderts. Bd.1 (1996) (= RUB 9460), Stuttgart 1996, 432 S., € 8,60,
Mittelhochdeutsche Romane und Heldenepen, hg. v. Horst Brunner (1993) (= RUB 8914), Stuttgart 2007, 445 S., € 10,- (über: Alexanderroman; Rolandslied; Herzog Ernst; Heinrich von Veldecke, Eneas; Hartmann von Aue, Erec, Iwein; Ulrich von Zazikhoven, Lanzelet; Nibelungenlied; Wolfram von Eschenbach, Parzival, Titurel, Willehalm; Gottfried von Straßburg, Tristan; Rudolf von Ems, Der guote Gêrhart; Heinrich von dem Türlin, Diu Crône; Kudrun; Reinbot von Durne, Georgslegende; Prosa-Lancelot; Albrecht, Jüngerer Titurel; Konrad von Würzburg, Engelhard, Trojanerkrieg; Johann von Würzburg, Wilhelm von Österreich).
Ebenfalls zu nennen sind Anthologien zur deutschen Literatur(geschichte), u.a.:
Avenarius, Ferdinand, Balladenbuch, erneuert v. Hans u. Hedwig Böhm (1951), Frankfurt a.M. 1978, 543 S., DM 16,80;
Das Balladenbuch. Deutsche Balladen von den Anfängen bis zur Gegenwart, hg. v. Frank T. Zumbach (2004), Berlin 2016, 823 S., € 29,99;
Deutsche Dichtung der Neuzeit, ausgew. v. Ernst Bender ([1929]), Karlsruhe [1958], 516 S., DM 9,40;
Deutsche Erzähler: Erster Band, hg. v. Hugo von Hofmannsthal (1912), Nachdruck Frankfurt a.M. 1979, 995 S., DM N.N., Zweiter Band, hg. v. Marie Luise Kaschnitz (1971), Nachdruck Frankfurt a.M. 1979, 706 S., DM N.N.;
Deutsche Gedichte, hg. v. Karl Krolow (1982), 2 Bde., Frankfurt a.M. 31983, zus. 921 S., DM N.N.;
Enzinger, Alfred (Hg.), Das Wort der Dichter. Literaturgeschichtliches Lesebuch, München o.J. [n.1952], 348 S., Schwarzweißbilder, geschichtlicher Überblick, Autorenverzeichnis, DM 5,80;
Fieguth, Gerhard (Hg.) (1978), Deutsche Aphorismen (= RUB 9889), Stuttgart 1978, 395 S. DM 14,80;
Glaser, Hermann, Lehmann, Jakob, Lubos, Arno (Hg.) (1966), Wege der deutschen Literatur. Ein Lesebuch (= Ullstein Tb 372/73), Frankfurt a.M.-Berlin 1966, 536 S., DM 4,80;
Das große deutsche Novellenbuch, hg. v. Effi Biedrzynski (1995), Düsseldorf 2004, XX, 1085 S, € 14,95;
Das große deutsche Sagenbuch, hg. v. Heinz Rölleke (2001), Düsseldorf 2001, 1019 S., € 14,95;
Die großen Meister. Deutsche Erzähler des 20. Jahrhunderts, hg. v. Rolf Hochhuth (1964): Bd.I, Gütersloh [1985], 608 S., Bd.II, Gütersloh [1985], 511 S., DM N.N.;
Hage, Volker (Hg.) (1981), Literarische Collagen. Texte, Quellen, Theorie (= RUB 7695), Stuttgart 1981, 287 S., DM 7,60;
Hermlin, Stephan (Hg.) (1988), Deutsches Lesebuch. Von Luther bis Liebknecht (= Reclam 1220), Leipzig 21990, 480 S., M 3,50;
Lyrik des 19. Jahrhunderts, hg. v. Theodor von Sosnosky (1982), Essen-Stuttgart 1982, 371 S., DM 19,80;
Moderne Erzähler: Nr.14: Humor in der neueren deutschen Literatur - Werner Bergengruen, Heinrich Böll, Wolfgang Borchert, Bert Brecht, Kurt Kusenberg, Wolfgang Hildesheimer, Wilhelm Schäfer, Kurt Kluge, Thomas Mann, ausgew. v. Karl Hammes ([1968?]), Paderborn o.J., 96 S., DM N.N.;
Neunzig, Hans A. (Hg.) (1983), Lesebuch der Gruppe 47 (= dtv 12368), München 21997, 541 S., DM 19,90;
Reich-Ranicki, Marcel (Hg.) (1985), Über die Liebe. Gedichte und Interpretationen (= it 794), Frankfurt a.M. 1985, 346 S., DM 10,-;
Schuster, Ulrike, Schuster, Robert (Hg.) (2003), Erzählte Kindheit (in der Literatur des 20. Jahrhunderts). Ein Lesebuch, Stuttgart 2003, 232 S., € 19,-;
Das Suhrkamp Taschenbuch. Erzählungen und Gedichte aus 1001 suhrkamp taschenbüchern (1984) (= st 1100), Frankfurt a.M. 1984, 1029 S., Autorenkurzbiografien, DM 12,-;
Wiese, Benno von (Hg.) (1966), Deutschland erzählt. Von Johann Wolfgang von Goethe bis Ludwig Tieck (= Fischer Tb 738), Frankfurt a.M.-Hamburg 1966, 296 S., DM N.N.
[Buhlmann, 06.1997, 04.2018, 05.2019, 06.2019, 11.2019, 01.-02.2020, 08.-12.2020, 04.-05.2021, 09.2021, 05.2022, 10.2022, 06.2023, 08.2023, 03.2024, 05.2024, 08.2024]
Deutsche Revolution von 1848/49: I. Für die deutsche Revolution von 1848/49 innerhalb der Territorien des Deutschen Bundes (1815-1866) war zunächst einmal die Entwicklung im Großherzogtum Baden wichtig. Der liberalen Verfassung Badens zum Trotz bedeuteten die im August 1819 erlassenen Karlsbader Beschlüsse des Deutschen Bundes (Vorzensur, Gesinnungsschnüffelei) einen Rückschlag für eine freiheitliche Ordnung. Die Jahr-zehnte des sog. Vormärz waren angebrochen. Liberale Abgeordnete, die die Mehrheit in der zweiten Kammer des Landtags ausmachten, setzten zwar 1831 die Abschaffung der noch aus Mittelalter und früher Neuzeit bestehenden bäuerlichen Frondienste und Zehnten durch sowie ein Pressegesetz, in dem die Abschaffung der Zensur betont wurde, doch wurde Letzteres durch den Deutschen Bund aufgehoben (1832). Einer gemäßigt liberalen badischen Regierung folgte ab 1838 eine konservative, während sich im Landtag die "Parteien" der radikalen "Demokraten" und gemäßigten "Konstitutionellen" herausbildeten. Vieles lief also auf die bürgerliche (deutsche) Revolution von 1848/49 hinaus, bei der Baden eine besondere Rolle spielte. Ausgangspunkt war die Pariser Februarrevolution von 1848, Ursachen waren u.a. die Hungerjahre 1846 und 1847 und die Maßnahmen der konservativen badischen Regierung in den 1840er-Jahren. Eine Mannheimer Volksversammlung forderte am 27. Februar 1848 die deutsche, nationale Einheit und die politische Freiheit für den Einzelnen, unter dem Eindruck der "Märzereignisse" (Petitionen an den Landtag, Bauernunruhen in Kraichgau, Odenwald und Taubergebiet, Frankfurter Vorparlament) lenkten badische Regierung und Großherzog Leopold (1830-1852) in der Frage der Volksbewaffnung in Bürgerwehren, der Abschaffung der Zensur, der Geschworenengerichte und der Wahlen für ein gesamtdeutsches Parlament zunächst ein (Proklamation des Großherzogs vom 15. März 1848). Schon bald radikalisierte sich die Revolution, wie die Kämpfe badischer Truppen gegen die "Freischärler" Friedrich Heckers (*1811-†1881), des liberalen badischen Abgeordneten, und des Vorparlamentariers Gustav von Struve (*1805-†1870) im April 1848 zeigen ("Heckerzug"). Die Revolutionäre wurden bei Kandern, Freiburg und Schopfheim besiegt, Struve floh in die Schweiz, um am 21. September 1848 die "deutsche Republik" in Lörrach zu verkünden ("Struveputsch"). Aber auch die "Armee" Struves unterlag in einem Gefecht bei Staufen. In den folgenden Monaten entstanden die demokratischen Volksvereine, die an vielen Orten statt der badischen Regierung die obrigkeitlichen Funktionen wahrnehmen sollten. Die Offenburger Versammlung vom 13. Mai 1849 beschloss denn auch den Rücktritt der Regierung und die Auflösung des Landtags, während der Landesausschuss der Volksvereine die Regierungsgeschäfte bis zu Neuwahlen übernehmen sollte. Da zudem die badischen Truppen in Karlsruhe meuterten, flohen Großherzog und Regierung aus der Residenzstadt. Am 3. Juni wurde eine verfassungsgebende Landesversammlung (mit 74 Abgeordneten in einer Kammer) gewählt, am 15. Juni kam eine provisorische Volksregierung zustande. Die badische Revolution schickte sich zudem an, mit Hilfe militärischer Aktionen in die bayerische Pfalz und nach Württemberg überzugreifen, erlitt jedoch gegen reguläre württembergische und hessische Truppen in der 2. Junihälfte bei Heidelberg, Dossenheim und Waghäusel Niederlagen. Unterstützt von preußischen Verbänden, drangen die Regierungstruppen weiter in Richtung Karlsruhe und Rastatt vor, es folgten Gefechte an der Murg, bei Gernsbach und Kuppenheim, während die provisorische Regierung der Revolutionäre sich zunächst nach Freiburg, dann über die badische Landesgrenze absetzte. Am 23. Juli ergaben sich die letzten Aufständischen in der Rastatter Garnison, nachdem diese drei Wochen lang belagert worden war. Damit kam die badisch-demokratische Revolution zu ihrem Ende und war gescheitert. Großherzog Leopold kehrte am 18. August nach Karlsruhe zurück. In der badischen Revolution war die Bevölkerung Subjekt ihres eigenen politischen Handelns gewesen, nach der Revolution und deren Scheitern wurden sie wieder zum Objekt badisch-großherzoglicher Politik. Dies betraf die gegen 15000 Personen verhängten Urteile zu Entlassung aus dem Staatsdienst, Geldstrafen, Haft oder auch zum Tod, dies betraf ebenso die reaktionären Maßnahmen, die gegen politische Vereine, Versammlungen oder die Presse erlassen wurden. Ruhe war die erste Bürgerpflicht, die Badener waren nun wieder loyale Untertanen, die für die während der Revolution entstandenen Schäden aufzukommen hatten. II. Aufstieg und Ende der badischen Revolution waren dann symptomatisch für das Revolutionsgeschehen in den anderen Territorien des Deutschen Bundes. Den zunächst (nach dem Vorbild der französischen Februarrevolution) erfolgreichen bürgerlich-liberal-nationalen Märzrevolutionen etwa im habsburgischen Machtbereich (Wien) oder im Königreich Preußen (Berlin) folgte die Bildung der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche u.a. als verfassungsgebendes Organ für ein projektiertes deutsches Reich kleindeutscher Ausprägung; Pressefreiheit und Bauernbefreiung konnten durchgesetzt werden. Doch gerieten die revolutionären Bestrebungen alsbald gegenüber den Reaktionen der Fürstenstaaten im Deutschen Bund ins Hintertreffen. Im Herbst 1848 und im Mai 1849 (Reichsverfassungskampagne) folgten noch Erhebungen beispielsweise in Sachsen oder Bayern, doch siegten schließlich auch militärisch die antirevolutionär-fürstlichen Kräfte (bis Juli 1849). Der Deutsche Bund blieb österreichisch-habsburgischen Wünschen entsprechend bestehen, es folgte in den fürstlichen Territorien eine Restaurationsphase als Ära der Reaktion bei Wiederherstellung weitgehend der vorrevolutionären Verhältnisse (Auswanderung von Revolutionären nach England, Frankreich, Schweiz oder Übersee). Vgl. Valentin, Veit (1930/31), Geschichte der deutschen Revolution 1848-1849, Bd.1: Bis zum Zusammentritt des Frankfurter Parlaments, Köln-Berlin 1977, XV, 662 S., Bd.2: Bis zum Ende der Volksbewegung von 1849, Köln-Berlin 1977, XIII, 770 S., zus. DM 78,-. [Buhlmann, 10.2022]
Deutsche Sprache:
Deutsch, die teodisca lingua als "volkstümliche" Sprache im Frühmittelalter, heute weltweit gesprochen von rund 185 Millionen Menschen, ist (in der Gegenwart) eine Standardsprache (Nationalsprache, Amtssprache) mit schriftsprachlicher Normierung und Dialekten (gesprochene Sprache), zugeordnet einem (in der Geschichte variierenden) deutschsprachigen Raum, unterworfen als eine indoeuropäisch-germanische Sprache einem vielfältigen historischen Wandel.
Sprachgeschichtlich sind geografisch Hoch- und Niederdeutsch auf Grund der sog. zweite Lautverschiebung (Konsonantenverschiebung) des Hochdeutschen (p/t/k > pf/ts/kch* > f/s/ch bzw. p/t/k > f/s/ch, 6.-8. Jahrhundert) zu unterscheiden, zeitlich und im Licht der schriftlichen Geschichtsquellen (religiöse Dichtung im Althoch/niederdeutschen, mittelhochdeutsche Dichtung, deutschsprachige Urkunden) das Althochdeutsche (750-1050), das Mittelhochdeutsche (1050-1350), das Frühneuhochduetsche (1350-1650) und das Neuhochdeutsche (ab 1650), das Altsächsische (Altniederdeutsche, 8.-11./12. Jahrhundert), das Mittelniederdeutsche (der Hanse, 13.-16./17. Jahrhundert), das Plattdeutsch (als Dialekt, ab 16./17. Jahrhundert).
Die (auch politische) Grenze zwischen Hoch- und Niederdeutsch verläuft entlang der Mittelgebirge von West nach Ost ("Benrather Linie", "Kölsche Hecke" zwischen Sieger- und Sauerland).
Zum Hochdeutschen gehören das Westmitteldeutsche (Ripuarisch, Moselfränkisch, Rheinfränkisch; "rheinischer Fächer" als Maß der auftretenden Lautverschiebung), das Ostmitteldeutsche (Thüringisch, Obersächsisch) und das Oberdeutsche (Westoberdeutsch: Elsässisch, Alemannisch, Schwäbisch; Ostoberdeutsch: Ostfränkisch, Bairisch-Österreichisch) als Dialekte.
Als (schriftliche) Standardsprache setzte sich - nach im späten Mittelalter einsetzenden Ausgleichsprozessen ("Hansesprache", "Meißnisches Deutsch") - ab dem 16./17. Jahrhundert (u.a. durch die Verwendung des Hochdeutschen in der erzbischöflich-kölnischen Kanzlei sowie durch den Verlust der politischen Rolle der Hanse) auch in Norddeutschland das Hochdeutsche durch.
Die deutsche Sprache unterlag und unterliegt dabei einem vielfältigen Wandel, erkennbar z.B. an der Entwicklung von Personen- und Ortsnamen, an der Entwicklung der Zeitformen (Althochdeutsch: Präsens, Präteritum > Präsens, Perfekt, Plusquamperfekt; Futur; Aktiv/Passiv, Indikativ/Konjunktiv; Verbcluster, Verbzweit/endstellung), des Satzbaus und der Negation (Negationspartikel), an der Beeinflussung von Sprache durch Religion, Politik und Gesellschaft, an der Wechselseitigkeit von Bildungssystem (Schulen und zunehmende Schriftlichkeit) und Sprache. Mit Letzterem zusammenhängend ist - unter gewissen Voraussetzungen wie der Papierherstellung, der Erfindung des Buchdrucks ("Druckersprachen") oder der "Lutherbibel" - eine Normierung der Schriftsprache feststellbar (Interpunktion, Silbentrennung, Rechtschreibung); so setzte sich seit dem 16. Jahrhundert die Großschreibung von Substantiven durch.
Durch die Auswanderung von Deutschen gerade im 17. bis 19. Jahrhundert verbreitete sich die Sprache auch in Nord- und Südamerika (Texas-, Pennsylvaniadeutsch), in Australien und südlichem Afrika oder in Osteuropa; Plautdietsch (als Niederdeutsch des Weichseldeltas) war/ist die Mundart der Mennoniten.
Sprachliche Veränderungen der Gegenwart hängen schließlich zusammen mit den Fachsprachen aus Wissenschaft und Technik, der Jugendsprache (Kernbereich, allgemeiner Bereich, Fachsprachen > deutsche Sprache), dem Einfluss der Medien (neue Medien [Telefon, Radio, Fernsehen, Internet]) und anderen Phänomenen (Bedeutungswandel von Wörtern, Anglisierung, Satzstellung, Deonymisierung <-> Sprachnorm, Orthografie).
Zur deutschen Sprache als solche s.:
Brockhaus Enzyklopädie (in 30 Bänden): Bd.26 (1995): Deutsches Wörterbuch I: A-Glub, hg. v.d. Dudenredaktion, Mannheim 191995, Bd.27 (1995): Deutsches Wörterbuch II: Gluc-Reg, hg. v.d. Dudenredaktion, Mannheim 191995, Bd.28 (1995): Deutsches Wörterbuch III: Reh-Z, hg. v.d. Dudenredaktion, Mannheim 191995, zus. 4096 S., je DM 398,-;
Bünting, Karl-Heinz (Hg.), Deutsches Wörterbuch. Mit der neuen deutschen Rechtschreibung, Chur 1996, 1472 S., DM N.N.;
Bünting, Karl-Heinz (o.J.), Handbuch zur neuen Rechtschreibung (= Wissen sofort), Königswinter o.J., 320 S., DM N.N.;
Bünting, Karl-Heinz (o.J.), Ratgeber: Stilsicheres Deutsch, Köln o.J., 320 S., DM N.N.;
Bünting, Karl-Heinz, Pospiech, Ulrike (o.J.), Briefe, E-Mails, SMS (= Wissen sofort), Königswinter o.J., 320 S., DM N.N.;
(Taschenbuch:) Deutsch Grammatik, München 1998, 448 S., DM N.N.;
dtv-Wörterbuch der deutschen Sprache, hg. v. Gerhard Wahrig (1978) (= dtv 3136), München 1978, 942 S., DM 16,80;
Duden. Der Duden in 10 bzw. 12 Bänden: Bd.1: Rechtschreibung der deutschen Sprache und der Fremdwörter, Mannheim-Wien-Zürich 191986, 792 S., DM 32,-, Bd.1 (1996): Die deutsche Rechtschreibung, Mannheim-Leipzig-Wien-Zürich 211996, 910 S., DM 38,-, Bd.1 (2000): Die deutsche Rechtschreibung, Mannheim-Leipzig-Wien-Zürich [22]2000, 1152 S., DM 49,90,
Bd.4 (1966): Grammatik der deutschen Gegenwartssprache, Mannheim-Wien-Zürich 21966, 774 S., DM 17,80, Mannheim-Wien-Zürich 51995, 864 S., DM 36,-,
Bd.4 (2005): Die Grammatik (unentbehrlich für richtiges Deutsch), Mannheim-Leipzig-Wien-Zürich 72005, 1343 S., € 21,95,
Bd.5 (1960): Das Fremdwörterbuch, Mannheim-Wien-Zürich 31974, 781 S., DM 24,-, Mannheim-Wien-Zürich 41982, 813 S., DM 29,80, Mannheim-Wien-Zürich 51990, 832 S., DM 34,-,
Bd.7 (1963): Das Herkunftswörterbuch. Etymologie der deutschen Sprache. Die Geschichte der deutschen Wörter von ihrem Ursprung bis zur Gegenwart, Mannheim-Wien-Zürich 1963, 816 S., DM 29,80, Mannheim-Wien-Zürich 21989, 844 S., DM 32,-,
Bd.8 (1972): Sinn- und sachverwandte Wörter und Wendungen, Mannheim 1972, 797 S., DM 19,80,
Bd.8 (1972): Die sinn- und sachverwandten Wörter, Mannheim 21986, 800 S., DM 36,-,
Bd.10 (1985): Bedeutungswörterbuch, Mannheim-Wien-Zürich 21985, 797 S., DM 32,-;
Duden. Die deutsche Rechtschreibung, hg. v. (Wissenschaftlichen Rat) der Dudenredaktion, Mannheim 222000, 1512 S., DM 39,90, Mannheim 242006, 1216 S., € 20,-;
Duden. Der kleine Duden: Fremdwörterbuch, Mannheim 1977, 448 S., DM 9,80, Sprachtips. Hilfen für den sprachlichen Alltag, Mannheim 1989, 412 S., DM 14,80;
Duden. Kompaktwörterbuch deutsche Rechtschreibung, hg. v.d. Dudenredaktion (2003), Mannheim 2003, 431 S., € 9,95;
Duden Taschenbücher:
DT 4 (1968): Drosdowski, Günther, Lexikon der Vornamen. Herkunft, Bedeutung und Gebrauch von mehreren tausend Vornamen, Mannheim-Wien-Zürich 21974, 239 S., Abbildungen, DM 6,80;
Greil, Josef (1996), Wortprofi. Schulwörterbuch Deutsch, München 52002, 512 S. € 9,80;
Griesbach, Heinz, Schulz, Dora (1960), Grammatik der deutschen Sprache (= Vollständiger Lehrgang der deutschen Sprache, Bd.4), München 21962, XV, 445 S., DM 14,80;
Großes Wörterbuch Fremdwörter, Köln 1992, 446 S., DM N.N.;
Hamm, Dora, Hasekamp, Uta, Junck, Sibylle (o.J.), Deutsche Grammatik (= Wissen sofort), Köln o.J., 319 S., DM N.N.;
Hennig, Beate (1993), Kleines Mittelhochdeutsches Wörterbuch, Tübingen 1993, XXV, 340 S., DM 19,80;
Kronseder, Daniela, Scheumann, Inga, Fraczek, Jenny (o.J.), Zitate und Glückwünsche (für jeden Anlass) (= Wissen sofort), Königswinter o.J., 320 S., € 1,-;
Lexer, Matthias (1885), Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, Stuttgart 351979, 504 S., DM 1,-;
Lexikon der Fremdwörter ([2000?] (= Wissen sofort), Köln o.J. [2000?], 319 S., DM N.N.;
Lexikon der Synonyme. Der passende Ausdruck, Köln 1999, 317 S., DM N.N., Lexikon der Synonyme. Der passende Begriff. Mit neuer Rechtschreibung (= Wissen sofort), Köln o.J., 320 S., DM/€ N.N.;
Lübben, August (1888), Mittelniederdeutsches Handwörterbuch, Darmstadt 1993, X, 599 S., DM 98,-;
Osman, Nabil (1971), Kleines Lexikon untergegangener Wörter (= BSR 487), München 81994, 263 S., DM 19,80;
Radszuweit, Siegrid, Spalier, Martha (1982), Knaurs Wörterbuch der Synonyme. Der treffende Ausdruck - das passende Wort, München 1982, 560 S., DM N.N.;
Schüler-Duden, hg. u. bearb. v. Meyers Lexikonredaktion:
Grammatik. Eine Sprachlehre mit Übungen und Lösungen, Mannheim-Wien-Zürich 1971, 414 S., DM 15,80,
Rechtschreibung und Wortkunde, Mannheim-Wien-Zürich 1978, 318 S., DM N.N., Mannheim-Wien-Zürich 31984, 324 S., DM N.N.;
Schweikle, Günther (1986), Germanisch-deutsche Sprachgeschichte im Überblick, Stuttgart 31990, 283 S., DM 24,-;
Wahrig:
Bd.1 (1986): Die deutsche Rechtschreibung, Gütersloh-München-Berlin 2007, 1216 S., € N.N.,
Bd.2 (1974): Fremdwörterlexikon, Gütersloh-München 52004, 1056 S., € N.N.;
Wörterbuch der Rechtschreibung, hg. v. Werner Schöneck u. Wilfried Timmler ([2004]) (= Wissen sofort), Königswinter o.J. [2004], 320 S., € N.N.
Vgl. weiter die Darstellungen über deutsche Sprache:
Ehmann, Hermann (1996), oberaffengeil. Neues Lexikon der Jugendsprache (= BSR 1170), München 1996, 159 S., DM 12,80;
Kohrs, Peter (2014), Deutsch. Kompaktwissen Oberstufe (= Pocket Teacher Abi), Berlin 2014, 256 S., Diagramme, Tabellen, € 8,99;
Roelcke, Thorsten (2009), Geschichte der deutschen Sprache (= BSR 2480), München 2009, 128 S., € 7,90,
oder auch - vom feministischen Standpunkt her - Pusch, Luise F. (1984), Das Deutsche als Männersprache (= st 1915), Frankfurt a.M. 1991, 202 S., DM 10,-.
> A Althochdeutsch, M Mittelhochdeutsch
[Buhlmann, 07.2010, 01.2018, 05.2018, 04.2019, 11.2019, 06.2020, 11.2020-01.2021, 03.-04.2021, 10.2021, 01.2022, 05.2022, 07.2022, 12.2022, 02.2023, 06.2023, 09.2023, 03.2024, 05.-07.2024]
Deutscher Bundestag (Hg.), Fragen an die deutsche Geschichte. Ideen, Kräfte, Entscheidungen von 1800 bis zur Gegenwart (= Ausstellungskatalog), Bonn 91983, Bonn 181994 > D Deutsche Geschichte, 1789-1815
Deutscher Orden, Ritterorden: Der Deutsche Orden, entstanden gegen Ende des 12. Jahrhunderts als einer der großen palästinensischen Ritterorden, ist dennoch weniger wegen seiner Bedeutung für die Kreuzfahrerstaaten
im Vorderen Orient bekannt als durch die Missionierung und Eroberung Preußens und Livlands, wo er im Verlauf des 13. und 14. Jahrhunderts ein Territorium ausbilden konnte. Innere und äußere
Konflikte (mit Polen) führten dann im 15. Jahrhundert zum Niedergang des Ordensstaates und schließlich - im Zuge der Reformation - zur Säkularisierung Preußens (1525). Im 15. Jahrhundert wuchs der Gegensatz zwischen dem Orden
in Preußen unter den Hochmeistern und dem im deutschen Reich, was insbesondere die Stellung der Deutschmeister betraf. Letztere hatten die Leitung des Ordens im Reich inne; seit dem Bauernkrieg (1524/25) war das
Mergentheimer Ordenshaus Residenz des Deutschmeisters. Nachdem der Deutschordensstaat Preußen protestantisch geworden war, verwaltete der Mergentheimer Deutschmeister das nunmehr vakante Hochmeisteramt.
Der Orden lehnte sich seit der Regierung des Deutschmeisters Maximilian von Österreich (1589-1618) politisch zunehmend an Habsburg-Vorderösterreich an. Verbunden damit waren notwendige Reformen, zumal die
Anzahl der Ordensritter immer mehr abgenommen hatte. Der Deutsche Orden überstand im habsburgischen Fahrwasser weitgehend unbeschadet die Kriege des 17. Jahrhunderts. Im Gefolge der Säkularisation
am Beginn des 19. Jahrhunderts war der Orden nur noch auf die habsburgischen Territorien beschränkt, heute ist der Deutsche Orden eine sozial-karitative Einrichtung, ein geistlicher Orden.
Den Deutschen Orden zum Inhalt haben:
Boockmann, Hartmut (1981), Der Deutsche Orden. Zwölf Kapitel aus seiner Geschichte, München 21982, 319 S., DM 38,-;
Militzer, Klaus (2005), Die Geschichte des Deutschen Ordens, Stuttgart 2005, 225 S., € 22,-;
Sarnowsky, Jürgen (2007), Der Deutsche Orden (= BSR 2428), München 2007, 128 S., € 7,90. > Q Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens
[Buhlmann, 10.1996, 11.2007, 06.2011]
DF = Duisburger Forschungen
Dickens, Charles, englischer Schriftsteller:
Charles (John Huffam) Dickens (*1812 in Landport, †1870 in Gad's Hill) wuchs unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen in Portsmouth, London und Chatham auf, bevor er als freier Journalist tätig wurde (1828/29). Seine erfolgreiche Karriere als Reporter (für die Zeitung Morning Chronicle) ermöglichte Charles Dickens, auch eine Tätigkeit als Schriftsteller einzuschlagen (1836/37), die ihn vollends berühmt machte (Lesungen ab 1858; Amerikareise 1867/68). Gesundheitlich schwer angeschlagen, starb Dickens am 9. Juni 1870.
An (erfolgreichen) Werken des Schriftstellers seien genannt:
Dickens, Charles (1836/37), The Pickwick Papers (= Wordsworth Classics), Ware 1993, 701 S., £ N.N.;
Dickens, Charles (1837/38), Oliver Twist. Roman (= detebe 21035), Zürich 1982, 317 S., DM 14,80;
The Life and Adventures of Nicholas Nickleby (Roman, 1838/39), A Christmas Carol (Erzählung, 1843), David Copperfield (Roman, 1849/50), Bleak House (Roman, 1853/53), A Tale of Two Cities (Roman, 1859); Great Expectations (Roman, 1860/61).
[Buhlmann, 07.2022]
Didier, Béatrice, Le XVIIIe siècle III (1778-1820) (= Littérature française, Bd.11), Paris 1976 > F Französische Sprache
Didier, Christina, Golz, Jochen (1982), Das Schillerhaus in Weimar (= Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar), Weimar 41982 > S Schiller, Friedrich
Diederich, Toni (2007), Siegelurkunde - Notariatsinstrument - Schreinseintrag. Zur Rechtssicherung von Liegenschaften und Erbzinsen im spätmittelalterlichen Köln, in: AfD 53 (2007), S.353-365. Für das spätmittelalterliche Köln ist von einem Nebeneinander von Siegelurkunde (ab Mitte des 10. Jahrhunderts), Notariatsinstrument (erstmals bezeugt 1275) und Schreinsurkunde (ab ca.1130) zu beobachten. Die (lateinischen) Schreinsurkunden (Schreinskarten, vereinigt zu Schreinsbüchern; Schreine als Truhen) verzeichneten u.a. besitzrechtliche Verfügungen (Kauf und Verkauf etwa von Grundstücken und Häusern) sowie Erbschaftsangelegenheiten (jedoch ohne den Zwang zur Anschreinung), die Notariatsinstrumente waren Beweisurkunden (besonders Testamente) von durch die Stadt kontrollierten Notaren, die Siegelurkunden waren rechtsgültige Beweisurkunden, die der Urkundensiegler in eigener Sache ausstellte. Eine Kölner Urkunde vom 15. Mai 1447, die den Verkauf von (umfangreichen) Erbgütern und Erbzinsen (bezeugt in zuvor vorgenommenen Schreinseinträgen) durch die Eheleute Johann und Adelheid von Waveren regelte, gilt dann als ein Dokument, das als Mischform Elemente von Siegelurkunde, Notariatsinstrument (Ausfertigung und Unterschrift des öffentlichen Notars und Klerikers Jakob Krayn von Dülken) und Schreinsurkunde (Hinzuziehung von zwei Schreinsmeistern) aufnahm. [Buhlmann, 09.2011]
Diemer, Alwin, Frenzel, Ivo (Hg.) (1958), Philosophie (= FL 11), Frankfurt a.M. 171974 > P Philosophie
Diercke Universalatlas, hg. v. Ulf Zahn (1984), Braunschweig 1984 > A Atlas, geografischer Atlas
Diercke Weltatlas, begr. durch C[arl] Diercke, fortgef. durch R[ichard] Dehmel, Braunschweig 1401968, 1481969 > A Atlas, geografischer Atlas
Diercke Weltatlas. Neuausgabe 1988, Braunschweig 31992 > A Atlas, geografischer Atlas
Diers, Michaela (1998), Hildegard von Bingen (= dtv portrait 31008), München 1998 > H Hildegard von Bingen
Diesner, Hans Joachim (1966), Das Vandalenreich. Aufstieg und Untergang (= Urban Tb 95), Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1966 > V Vandalen
Dießen am Ammersee, Ort und katholische Pfarrkirche: Das Augustinerchorherrenstift in Dießen entstand durch Verlegung einer angeblich 815 in St. Georgen gegründeten, 1013 an Augustinerchorherren übergebenen geistlichen Kommunität durch Graf Berthold I. von Dießen-Andechs (12. Jahrhundert, 1. Drittel) im Jahr 1132. Die mittelalterliche Bausubstanz wich im Barockzeitalter Neubauten, was Stiftsgebäude (1681/88) und Stiftskirche (1720/32/39) anbetraf. Die Stiftskirche (Pfarrkirche) Mariä Himmelfahrt (Kirche als Längsraum: Kirchenfassade des Eingangsbereichs als Schauseite [Vorraum, zwei Seitenkapellen, Orgelempore], Gemeinderaum [mit eingezogenen Wandpfeilern], Presbyterium, Chor [Hauptalterapsis]) ist mit ihrer opulenten Innenausstattung ein Werk des Propstes Herkulan Karg (1728-1755), der die Kirche auf der Höhe der Zeit mit Fresken, Stukkaturen, Statuen Altären, Beichtstühlen und einer Kanzel großzügig ausstatten ließ. Es entstand ein bedeutendes (innen-) architektonisches Kunstwerk des bayerischen Barock. Zu Diessen s.: Lieb, Norbert (1934), Dießen am Ammersee. Pfarrkirche, ehemalige Augustiner-Chorherren-Stiftskirche (= Schnell & Steiner. Kleine Kunstführer, Nr.30), München-Zürich 91986, 15 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, Plan, DM N.N. [Buhlmann, 11.2022]
Diestelkamp, Bernhard (Hg.) (1982), Beiträge zum hochmittelalterlichen Städtewesen (= Städteforschung A 11), Köln-Wien 1982, XXVI, 235 S., Karten, Stadtpläne, DM 48,-. I. Gerhard Köbler, Mitteleuropäisches Städtewesen in salischer Zeit. Die Ausgliederung exemter Rechtsbezirke in mittel- und niederrheinischen Städten, befasst sich mit den Markt-, Münz- und Zollprivilegierungen salischer Könige an geistliche Institutionen, mit der Verleihung von Rechten an die Bürger von Speyer, Straßburg oder Worms am Ende der Salierzeit, mit dem sich entwickelnden Städtewesen am Rhein bei Ausgliederung lokaler Bezirke (civitas, urbs, villa) unter Königsbann oder ius urbanum. II. Hermann Jakobs, Stadtgemeinde und Bürgertum um 1100, untersucht, ausgehend von Gerichts- und Pfarrgemeinde, von den bischöflichen civitates und den Burg-, Stifts- una Abteistädten, die kommunale Bewegung an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert in Norditalien (Cremona, Mailand), in Flandern (Brügge, Gent) oder am Rhein (Freiburg i.Br., Speyer, Worms) in ihrer Beziehung zur hochmittelalterlichen Kirchenreform, zur libertas und civilitas der Stadtbewohner. III. Hagen Keller, Der Übergang zur Kommune: Zur Entwicklung der italienischen Stadtverfassung im 11. Jahrhundert, beschäftigt sich mit den Städten Ober- und Mittelitaliens in ihrer Entwicklung in salischer Zeit, von der "bischöflichen Stadtherrschaft" zur Stadtkommune bei wirtschaftlichem Aufstieg der Städte (Handel, Gewerbe), zunehmender Beteiligung der Einwohnerschaft an sie betreffenden Entscheidungen und Ausformung einer ausgleichenden Herrschaftsordnung innerhalb der jeweiligen Stadt. IV. Knut Schulz, Zensualität und Stadtentwicklung im 11./12. Jahrhundert, stellt die Gruppe der Zensualen und Wachszinsigen (censuales, cerocensuales) als "unfreie Freiheit" (Jahreszins, Heiratsabgabe, Todfallabgabe) als bedeutsam für die Stadtentwicklung am Rhein in salisch-staufischer Zeit dar; im städtischen Rahmen kam es mitunter zu Einschränkungen bei den Abgaben der Zensualen (Speyer [1111, 1182], Worms [1114, 1184]). V. Norbert Kamp, Probleme des Münzrechts und der Münzprägung in salischer Zeit, behandelt den Wandel bei der Münzprägung salischer Herrscher und Bischöfe vor dem Hintergrund des Übergangs zur regionalen Pfennigswährung ("räumliche Verengung" der Währungsräume/Umlaufgebiete von Leitmünzen). VI. Nach Wolfgang Heß, Münzstätten, Geldverkehr und Märkte am Rhein in ottonischer und salischer Zeit, versorgten im 10. und 11. Jahrhundert große Münzstätten eine zunehmende Zahl von umliegenden Marktorten und orientierte sich der Handel an den Markt- und Zollorten (Jahrmärkte). VII. Philippe Dollinger, Der Aufschwung der oberrheinischen Bischofsstädte in salischer Zeit (1025-1125), untersucht die Stadtentwicklung der Salierstädte Speyer und Worms sowie der Bischofsstädte Basel und Straßburg in Bezug auf Gerichtsbarkeit und Verwaltung (Bischof, Vogt, Schultheiß) sowie die sich entwickelnde Bürgergemeinde (urbanorum commune consilium, consensus burgensium u.ä.). VIII. Co van de Kieft, Das Reich und die Städte im niederländischen Raum zur Zeit des Investiturstreits, stellt den Einfluss von Handel, König und Reichskirche (Bistum Utrecht) auf die (wirtschaftliche, topografische und verfassungsrechtliche) Stadtentwicklung von Deventer, Groningen, Maastricht, Nimwegen, Stavoren, Tiel und Utrecht heraus. IX. Klaus Flink, Stand und Ansätze städtischer Entwicklung zwischen Rhein und Maas in salischer Zeit, untersucht u.a. anhand der Orte Aachen, Duisburg, Erkelenz, Köln, Münstereifel, Remagen, Werden, Zülpich die Entwicklung des Städtewesens im 11. und 12. Jahrhundert und stellt sie in den Zusammenhang mit königlichen Privilegierungen, den Kölner Erzbischöfen als Ortsherren, Markt, Exportgewerbe und Ansätzen von Gemeindebildung; Periodengrenze der hochmittelalterlichen Stadt ist im Rheinland die Mitte des 12. Jahrhunderts. X. Tadeusz Roslanowski, Markt und Stadt im früh- und hochmittelalterlichen Polen, sieht für die früh- und hochmittelalterlichen Städte keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Markt und Stadt, während auch andere Faktoren (wohl nicht allein der Lokationsprozess) die Entstehung von Gründungsstädten beförderten. XI. Carsten Goehrke, Bemerkungen zur altrussischen Stadt der frühen Teilfürstenzeit (Mitte des 11. bis Mitte des 12. Jahrhunderts, stellt (nach Novgorod und Kiew, nach dem Tod Jaroslavs des Weisen 1054) die Entfaltung des russischen Städtewesens in den Zusammenhang mit der Regionalisierung und Territorialisierung von politischer Macht in den (sich daher politisch nicht emanzipierenden) Burg- und Fürstenstädten der Vormongolenzeit. [Buhlmann, 09.2014]
Dietrich, Irmgard (1953), Die Konradiner im fränkisch-sächsischen Grenzraum von Thüringen und Hessen, in: HessJbLG 3 (1953), S.57-95 > K Konradiner
Dietz, Karlheinz, Fischer, Thomas (2018), Regensburg zur Römerzeit. Von Roms nördlichster Garnison an der Donau zur ersten bairischen Hauptstadt (= Archäologie in Bayern. Monografien), Regensburg 2018, 288 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, Pläne, Karten, Zeittafel, € 39,95. I. Regensburg bzw. der Regensburger Raum zeichnen sich durch eine gewisse Siedlungsgunst aus, resultierend aus naturräumlichen Voraussetzungen (Donau-Nieder-, -Hochterrasse, Hügelland; Löß-/Gäuboden) sowie den Verkehrswegen (Flüsse Donau, Regen, Naab; Straße südlich und parallel zur Donau, Donauübergänge). Insofern war der Regensburger Raum schon in keltischer Zeit besiedelt (Hallstatt-, Latènezeit: Einzelfunde, Gräber, Siedlungen), ohne dass es ein keltisches oppidum Radaspona o.ä. gegeben hätte. II. Mit der Einbeziehung von Alpen- und nördlichem Voralpenraum in das römische Reich unter Kaiser Augustus (27 v.Chr.-14 n.Chr.) (15 v.Chr.) geriet auch der Regensburger Raum unter römische Herrschaft; es enstand unter Kaiser Tiberius (14-37) die römische Provinz Raetia (et Vindelica) mit Augsburg (Augusta Vindelicum) als zunächst militärischen, dann auch zivilen Vorort neben Kempten (Cambodunum). In Regensburg fehlte wohl in der 1. Hälfte des 1. Jahrhunderts n.Chr. eine militärische Präsenz Roms (claudische Kleinkastelle an den Mündungen von Naab und Regen?), erst in flavischer Zeit ab Kaiser Vespasian (69-79) sind das Kastell Kumpfmühl (südlich von Regensburg) und ein (Regensburger) Donaukastell (Lagerdorf, Donausiedlung, Gräberfeld) entstanden. Das Kastell Regensburg-Kumpfmühl beherbergte eine römische (Reiter-) Kohorte (cohors III Britannorum, cohors I Flavia Canathenorum milliaria sagittariorum, cohors II Aquitanorum equitata civium Romanorum) (Phase 1: Holz-Erde-Kastell [ca.80-ca.120], Phase 2: Steinkastell I [ca.120-ca.150], Phase 3: Steinkastell II [ca.150-171/72]; Kastellvicus südlich und östlich des Kastells [Rasthaus, Kastellbad, Lagerhalle, Streifenhäuser, Handwerksbetriebe, Vicus als Handelsplatz, Gräberfelder]). Kastell Kumpfmühl und Donausiedlung gingen in den Markomannenkriegen des römischen Kaisers Marc Aurel (161-180) unter (171/72/75), das Kastell Kumpfmühl wurde nicht wieder aufgebaut, stattdessen wurde östlich der zerstörten Donausiedlung das Legionslager Reginum errichtet (179). Das Jahrhundert des Kumpfmühler Kastells ist auch das der römischen Aufsiedlung des Regensburger Raums. So finden sich - etwas zeitverzögert zu den militärischen Anlagen - in näherer und weiterer Entfernung zu Regensburg römische Gutshöfe (villae rusticae) (Periode A1: ländliche Besiedlung zwischen Regensburg und Straubing auf der Hochterrasse [ca.80-ca.120]; Periode A2: ländliche Besiedlung auch im Hügelland [ca.120-ca.180]). III. Vom Ersten Markomannenkrieg (167-175) war auch die römische Provinz Raetia stark betroffen. Damals wurde díe 3. Italische Legion (legio III Italica concors) ausgehoben, die - gemäß einer Neukonzeption der römischen Verteidigung gegen die Germanen - das 179 fertiggestellte (Regensburger) Legionslager Reginum bezog (Ziegelstempel der legio III Italica, "Gündungsinschrift"). Eine aus Sandsteinquadern ohne Mörtel erbaute Außenmauer mit vier Toren (eines davon die heute noch zum Teil erhaltene porta praetoria im Norden) umfasste die Innenbauten des Legionslagers (Straßen, principia [Zentralgebäude], praetorium, Tribunenhäuser, Kasernen, Bäder, Übungshallen und -plätze, Speicher und Vorratsräume, Lazarett, Werkstätten, Wasserversorgung, Latrinen). Daneben entwickelte sich in alle Richtungen um das Lager eine Zivilsiedlung (wohl ohne Stadtrecht) (canabae legionis; westliche, östliche canabae mit öffentlichen Bauten als Siedlungen mit Handel und Gewerbe). Hinzu kamen ausgedehnte Gräberfelder (Großes Gräberfeld, Graberfeld an der Albertstraße [2./3. Jahrhundert]) vor den canabae. Das Legionslager bewirkte eine weitere (wohl auch staatliche gelenkte [Ansiedlung von Veteranen]) Aufsiedlung des Regensburger Raums (Periode B: Siedlungsintensivierung auf Hochterrasse und im Hügelland [ca.180-ca.270]). Dem entspricht auch die Präsenz von Heiligtümern in und bei Regensburg (Merkurheiligtum von Ziegetsdorf, Liber Pater-Heiligtum am Weinweg u.a.) oder die Existenz von Siedlungen außerhalb des engeren Regensburger Umlands (Kleinkastell und Lagerdorf Großprüfening an der Donau; Legionsheilbad Gögging; villae rusticae Burgweinting, Harting, Neuprüll). Das Legionslager Regensburg lag - geostrategisch gesehen - zudem an der Schnittstelle von agri decumates (rätische Limesmauer) und Donaugrenze. IV. Das 3. Jahrhundert war auch in Rätien zunehmend geprägt von der Krise ("Transformation") des römischen Reiches in der Zeit der "Soldatenkaiser" und von germanischen Einfällen. Dazu gehören der Putsch des über Raetia und Noricum befehlenden (Kaisers) Valerian (253-260), der Abzug der Donauarmee (253) und der Germaneneinfall von 254, der Rätien verheerte und Regensburger Legionslager und canabae sowie Großprüfeninger Kastell und Vicus zerstörten. Während Großprüfening in der Folge aufgegeben wurde, überlebte Regensburg trotz der Aufgabe des obergermanisch-rätischen Limes, des Einsatzes von Teilen der legio III Italica außerhalb Rätiens (Perserfeldzug Valerians 259/60, Germanenfeldzüge des Kaisers Gallienus [253-268]), der Einfälle der Juthungen (260), den Auseinandersetzungen zwischen Gallischem Sonderreich (260-274; Postumus) und römischen (Rest-) Reich (Gallienus) und trotz einer zweiten Zerstörung des Lagers (272) als Truppenstandort. Das Regensburg der Spätantike war Teil des spätrömischen Donau-Iller-Rhein-Limes (als Kette von Grenzkastellen) in der (nunmehr geteilten) Provinz Raetia prima. In Regensburg waren nur noch Grenztruppen stationiert (erneuerte römische Provinz- und Militärorganisation unter den Kaisern Diocletian [284-305] und Konstantin I. [306-337]: Grenztruppen und Truppen des Bewegungsheeres), sie lebten zusammen mit der Zivilbevölkerung in einem "Binnenkastell" als Festungsstadt im Nordostbereich des ehemaligen Legionslagers. Dabei setzen nach einer "Siedlungslücke" von 40 bis 50 Jahren münzdatierte Siedlungsfunde erst mit den 330er-Jahren wieder ein. Auch im 4. Jahrhundert waren Regensburg und Rätien wiederholt von Germaneneinfällen betroffen (v.355, 358), zur Verstärkung der Grenzabwehr (burgi) kam es unter Kaiser Valentinian I. (364-375), eine Stabilisierung in der Grenzverteidigung erfolgte um 400 durch den Heermeister Stilicho. Damals kam es zu Umstrukturierungen beim römischen Militär, die (Resttruppe der schon lange zergliederten) legio III Italica verließ Regensburg, im Bereich des Binnenlagers sind letzte Baumaßnahmen feststellbar. Das römische Staatshandbuch (Notitia dignitatum) erwähnt die castra Regina und die organisatorische Gliederung der rätischen Provinzen. Römische Herrschaft überlebte noch weit bis ins 5. Jahrhundert, wenn auch auf immer schmaler werdender machtpolitischer Basis. Die ländliche Besiedlung um Regensburg ging in der Spätantike stark zurück (Periode C1 [ca.280-ca.300; Periode C3 [ca.357-5. Jahrhundert, Mitte]), wenn auch in der 1. Hälfte des 4. Jahrhunderts sich die Besiedlung auf einem niedrigen Niveau stabilisierern konnte (Periode C2). Letztlich setzten sich im Verlauf des 5. Jahrhunderts germanische Völkerschaften auch im rätischen Raum durch (Alemannen, von Böhmen aus vordringende "Bayern", Thüringer), die römische Zivilbevölkerung lebte nur noch in einigen römischen Städten und Befestigungen wie Künzing oder Passau; römische Orte weiter westlich - darunter wohl auch Regensburg - waren schon zuvor (von der römischen Herrschaft) aufgegeben worden (v.476; Eugippius, Lebensbeschreibung des heiligen Severin). Trotzdem gab es Siedlungskontinuitäten, nicht alle "Romanen" (als "Menschen römischer Tradition") wanderten aus; Germanen und Romanen lebten neben- und miteinander. Dies galt wohl ebenfalls für Regensburg, wo innerhalb des ehemaligen Legionslagers im Übergang von Antike zum Mittelalter Keramik-, Gräber- und Siedlungsfunde auf Siedlungskontinuitäten hinweisen, abgesehen von der Kontinuität des Ortsnamens (castra Regina -> Reganespurc; neben dem erst im Mittelalter bezeugten Toponym Radaspona, Ratisbona). Regensburg gehörte bis 536 zum Einflussbereich des Ostgotenreichs, dann wurde es fränkisch. Um 770 bezeichnete Bischof Arbeo von Freising (764-784) Regensburg als urbs und metropolis (als agilolfingische "Hauptstadt" des bayerischen Stammesherzogtums). [Buhlmann, 05.2019]
Diktys, Dares, Krieg um Troja, hg. u. übers. v. Kai Brodersen (2019) (= TuscB), Berlin-Boston 2019, 448 S., € 59,95 > Lateinische Literatur > D Dares Phrygius, Dictys Cretensis
Dinzelbacher, Peter (1981), Über die Entstehung der Liebe im Hochmittelalter, in: Saeculum 32 (1981), S.185-208 > L Liebe und Sexualität
Dinzelbacher, Peter (1998), Bernhard von Clairvaux. Leben und Werk des berühmten Zisterziensers (= GMR), Darmstadt 1998 > Z Zisterzienser
Dinzelbacher, Peter (2009), Unglaube im "Zeitalter des Glaubens". Atheismus und Skeptizismus im Mittelalter, Badenweiler 2009, 166 S., Schwarzweißabbildungen, € 9,95. Im Mittelalter als (angebliches) "Zeitalter des Glaubens" gab es auch - jenseits von Heidentum, Häresien und Glaubensabweichungen - (schwer durch Geschichtsquellen belegbaren) Atheismus und Skeptizismus gegenüber der Existenz Gottes bzw. gegenüber Aussagen der christlichen Lehre der katholischen Kirche: "Unglauben" (infidelitas). Besonders die mittelalterlichen Intellektuellen pflegten auf der Basis der Philosophie "Unglauben" bis hin zum Atheismus und Pantheismus (Averroisten; Epikuräer; Leugnung der Unsterblichkeit der Seele, der Hölle usw., Leugnung christlicher [christologischer, mariologischer] Dogmen [auch Transsubstantiation, auch Wunder von Heiligen]; fatum und Fortuna als [göttliche?] Wirkmächte [ab 12. Jahrhundert]; Astrologie und die Wirkmacht der Gestirne; Zweifel und Gottesbeweise; Gerbert von Aurillac [†1003, Fortuna], Guido Calvacanti [13. Jahrhundert, 2. Hälfte], Siger von Brabant [†1284]); dabei half das Wissenschaftskonstrukt der "doppelten Wahrheit", d.h. der "philosophischen Wahrheit" secundum rationem und der "theologischen Wahrheit" secundum fidem (Verdammung des Systems der "doppelten Wahrheit" auf dem 5. Laterankonzil [1513]). Auch bei mittelalterlichen Laien findet sich "Unglauben", so der (vermeintliche?) Atheismus des Grafen Johann von Soissons (bei Guibert von Nogent [†ca.1125/30]), Kaiser Friedrichs II. (1212-1250; "Moses, Jesus, Mohammed als Betrüger"), König Manfreds von Sizilien (†1266; Epikurismus) oder der Barbara von Cilli (†1451; Ehefrau Kaiser Sigismunds [1410-1437]), weiter der Skeptizismus von Medizinern (Nicoletto Vernia [†1499]), die Areligiosität von Dichtern (Folgòre da San Gimignano [ca.1310], Fabliaux; Ritterepos Morgante [Weltsicht des Riesen Margutte]; Rosenroman [Idolatrie einer Frau]), die Obszönitäten von Künstlern in Kunstwerken (Buchminiaturen [Stundenbücher] und Gemälde) und das religiöse Desinteresse bzw. der religiöse "Unverstand" beim "Volk". Dabei beeinflussten außereuropäische Kontakte des christlichen Abendlands (Islam, Kreuzzüge, Heidentum) und innereuropäische Häresien zweifelsohne den "Unglauben", ebenso die zunehmende Unabhängigkeit der Intellektuellen von Kirche und Glauben (Stadtkultur). "Unglauben" wurde im Mittelalter in Jenseitsvorstellungen (der Hölle) und ikonografisch (infidelitas des Giotto [14. Jahrhundert, Anfang]) thematisiert; auch die Reaktion von Kirche und Inquisition auf "Unglauben" spielte eine wichtige Rolle (Verfolgung und Verurteilung von Geistlichen und Laien). Insgesamt offenbart sich für das Mittelalter eine Spanne von Mentalitäten zwischen "blinder Gläubigkeit" und "kritischem Atheismus". [Buhlmann, 11.2014]
Dinzelbacher, Peter, Bauer, Dieter R. (Hg.) (1990), Heiligenverehrung in Geschichte und Gegenwart, Ostfildern 1990 > H Heilige des Christentums
Dionysios von Halikarnassos, antiker Schriftsteller und Historiograf:
Nach dem Ende der römischen Bürgerkriege (30 v.Chr.) kam der Grieche Dionysios (*ca.54-†ca.7 v.Chr.) aus dem kleinasiatischen Halikarnassos nach Rom des Kaisers Augustus (27 v.Chr.-14 n.Chr.), konnte Kontakte zur dortigen Oberschicht knüpfen und lernte Latein, Voraussetzung für der Verfassen seines Hauptwerkes, der auf Griechisch niedergeschriebenen "römischen Frühgeschichte" (antiquitates Romanae von den mythischen Ursprüngen Roms bis unmittelbar vor dem 1. Punischen Krieg [264 v.Chr.]), die in 20 Büchern um das Jahr 7 v.Chr. veröffentlicht wurde. Dionysios schrieb sein monumentales Geschichtwerk als "Geschichtsschreiber zwischen zwei Welten" (der griechischen und der römischen) und betonte darin die griechischen Ursprünge Roms als "griechische" Stadt innerhalb der römischen Frühgeschichte als Zeit der Könige und der frühen römischen Republik. Die an klassischen Vorbildern sich orientierende Sprache der "Frühgeschichte", der umfangreiche Gebrauch von direkter und indirekter Rede stützen dabei die historischen Aussagen des Autors, der in Antike und früher Neuzeit auch auf Grund von Sprache und Stil, Rhetorik und Geschichtsschreibung Wertschätzung genoss.
Es bleibt zu erwähnen, dass neben dem Hauptwerk der "römischen Frühgeschichte" weitere Werke des Dionysios - über Rhetorik und Literatur - erhalten geblieben sind: "Die alten Redner", "Die Nachahmung", "Die Wortfügung", "Der Stil des Demosthenes", "Über Deinarchos", "Über Thukydides", Briefe (nach: Dionysius von Halikarnass, Römische Frühgeschichte, übers. v. Städele (2020)).
Die "römische Frühgeschichte" des Dionysios ist u.a. erschienen als:
Dionysius von Halikarnaß, Werke: Bd.1: Urgeschichte der Römer. Buch I-IV, übers. v. Gottfried Jakob Schaller (1827/32), Erstes bis viertes Bändchen, Stuttgart 1827-1832, Bd.2: Urgeschichte der Römer. Buch V-VIII, übers. v. Adolph Heinrich Christian (1838/47), Fünftes bis achtes Bändchen, Stuttgart 1838-1847, Bd.3: Urgeschichte der Römer. Buch IX-XX, übers. v. Adolph Heinrich Christian (1849), Neuntes bis zwölftes Bändchen, Stuttgart 1849, zus. 1509 S., zus. DM 75,-;
Dionysius von Halikarnass, Römische Frühgeschichte. Griechisch und deutsch, übers. v. Alfons Städele (2020), 4 Bde. (= Edition Antke), Darmstadt 2020:
Bd.I: Einleitung, Buch I-III, XVIII, 448 S., Bd.II: Buch IV-VI, 447 S., Bd.III: Buch VII-IX, 453 S., Bd.IV: Buch X-XI, Exzerpte Buch XII-XX, 423 S., zus. € 199,-
(Buch I: mythische Vorgeschichte; II: Königszeit [751-670 v.Chr.] [Romulus, Numa Pompilius], III: Königszeit [670-576 v.Chr.] [Tullus Hostilius, Ancus Martius, Lucius Tarquinius Priscus], IV: Königszeit [576-507 v.Chr.] [Servius Tullius, Lucius Tarquinius Superbus], V: frühe römische Republik [507-496 v.Chr.], VI: frühe römische Republik [495-491 v.Chr.], VII: frühe römische Republik [490-488 v.Chr.], VIII: frühe römische Republik [487-480 v.Chr.], IX: frühe römische Republik [479-460 v.Chr.], X: frühe römische Republik [459-448 v.Chr.], XI: frühe römische Republik [447-440 v.Chr.],
XII: frühe römische Republik [Exzerpt; 435-396 v.Chr.], XIII: frühe römische Republik [Exzerpt; 387 v.Chr.], XIV: frühe römische Republik [Exzerpt; 386-357 v.Chr.], XV: frühe römische Republik [Exzerpt; 349-327 v.Chr.], XVI: frühe römische Republik [Exzerpt; 321-312 v.Chr.], XVII: frühe römische Republik [Exzerpt; 298 v.Chr.], XVIII: frühe römische Republik [Exzerpt; 291-287 v.Chr.], XIX: frühe römische Republik [Exzerpt; 282-280 v.Chr.], XX: frühe römische Republik [Exzerpt; 279-269 v.Chr.]).
[Buhlmann, 08.-09.2022]
Dionysius Areopagita, Die Engel-Hierarchie. Der Ursprung der christlichen Engel-Lehre, eingel. v. Johannes Clausner u. übers. v. Walther Tritsch (1955), München 1955, Nachdruck Amerang 2010, 139 S., € 11,95. (Pseudo-) Dionysius Areopagita ist ein anonymer griechischer Autor, der im 5./6. Jahrhundert n.Chr. (476/518/28) auf der Grundlage der neuplatonischen Schriften des spätantiken Philosophen (†485) christlich-religiöse Werke mystischen Inhalts verfasste, darunter das Werk "von der himmlischen Hierarchie". (Pseudo-) Dionysius, den das Mittelalter mit dem im biblischen Neuen Testament erwähnten Dionysius Areopagita identifizierte, beschreibt in seiner "Engelhierarchie" im Rahmen der "negativen Theologie" eines von der Schöpfung entrückten Gottes "jenseist der Gegensätze" eine "mystische Theologie" der Mediatation uns Ekstase (unio mystica), der Hingabe und Annahme durch den Gläubigen. In diesem Zusammenhang beleuchtet (Pseudo-) Dionysius das wesen und die Hierarchie der biblischen Engel, die zu Gott hinführen ("geistlicher Pfad"), als "heilige (Rang-) Ordnung" aus Triaden (1. Triade: Seraphim, Cherubim, Throne; 2. Triade: Herrschaften, Mächte, Gewalten; 3. Triade: Fürstentümer, Erzengel, Engel), die das "Licht" Gottes an den in mystischer Versenkung Begriffenen "herabtragen". [Buhlmann, 03.2017]
Dippel, Horst (1996), Geschichte der USA (= BSR 2051), München 82007 > U US-amerikanische Geschichte
Diss. = Dissertation
Disterer, Georg (1998), Studienarbeiten schreiben. Seminar-, Bachelor-, Master- und Diplomarbeiten in den Wirtschaftswissenschaften, Berlin-Heidelberg 52009 > Kompendium Mittelalter > Wissenschaftliche Arbeit, wissenschaftliche Präsentation, wissenschaftlicher Vortrag [Buhlmann, 11.2023]
Dithmar, Reinhard (1971), Die Fabel. Geschichte, Struktur, Didaktik (= UTB 73), Paderborn 1971 216 S., DM 7,80. Fabeln gehören zur Gattung der Kleinliteratur, einer erzählten Geschichte (Narration) steht eine kommentierende Bewertung (Evaluation) gegenüber. Historisch gesehen, lassen sich unterscheiden: griechisch-römische Fabeln (Äsop, Babrios, Phädrus, Avian, Romulus), orientalische Fabeln (Pantschatantra, Hitopadesa, Calila, Dimna), europäisch-deutsch-mittelalterliche Fabeln (Boner), Fabeln der Reformation (Luther, Waldis, Alberus, Sachs), Fabeln der Aufklärung (Gottsched, Breitinger, Triller, Stoppe, Hagedorn, Gellert, Gleim, Lichtwer, Pfeffel, Lessing), Fabeln des 19. Jahrhunderts (Herder, Grimm, Hegel, Haug, Hey, Busch), moderne Fabeln (Thurber, Schnurre, Arntzen, Kirsten). Fabeln vermitteln ein "Bild" (bildliche Rede) durch Allegorisierung und Gleichnis, ähnlich der Parabel. Fabelaufbau und -inhalt vermitteln den Sinn der Fabel im Sinne einer "eingekleideten Wahrheit" durch Existenz- und Gesellschaftskritik, durch Provokation und Agitation. Doppelgleichnis, Fabelvergleich und Illustrationen zur Fabel vermitteln die Fabelmotive. [Buhlmann, 01.2022]
DJb = Düsseldorfer Jahrbuch. Beiträge zur Geschichte des Niederrheins
Dobras, Werner (1992), St. Johannes Baptist in Hagnau am Bodensee: romanisch - spätgotisch - barock, in: Schönes Schwaben 1 (1992), S.16-23. I. Der Ortsname "Hagnau" bezieht sich wohl auf auf den Hag als umfriedetes Areal. Erstmals tritt (ein welfisches) Hagnau zum Jahr 1010 als Güterort des damals von Herzog Welf II. (-1030) gestifteten Klosters Weingarten in Erscheinung. Im hohen Mittelalter war in Hagnau welfische Ministerilität vertreten, es gab im 12. und 13. Jahrhundert einen Hagnauer Ortsadel (1152, 1233). Das pfarrkirchlich von Weingarten abhängige Hagnau wurde um 1220 selbst Mittelpunkt einer Pfarrei, zu 1260 bzw. 1265 ist Besitz der Johanniterkommende Überlingen am Ort bezeugt, zu 1275 war ein Heinrich in Hagnau Kirchherr. Auch Besitz des Konstanzer Bischofs war in Hagnau vorhanden (1285 Verkauf des Münchhofs an das Kloster Salem 1285), später wurde die Pfarrei Hagnau dem Bistum inkorporiert. Zudem gab es im 15. Jahrhundert Besitz des Deutschen Ordens in Hagnau (1445). Die Herrschaft über den befestigten Ort übten bis zum Jahr 1371 die Schenken von Ittendorf aus, danach Elisabeth von Hohenfels und Burkhard von Ellerbach, der die Ortsvogtei an die Reichsstadt Überlingen verkaufte (1432). Die Ortsvogtei sollte 1650 von Überlingen an das Kloster Einsiedeln, Besitz und Niedergericht 1673, die Vogtei vor 1779 an das Kloster Weingarten übergehen. Zwischen 1803 und 1806 war Hagnau nassau-dillenburgisch, danach badisch. II. Ins hohe Mittelalter zurück verweisen die romanischen Bauteile der Hagnauer Kirche St. Johannes Baptist, u.a. das Untergeschoss des ansonsten spätgotischen Kirchturms. Das gotische Kirchenschiff wurde im 18. Jahrhundert (1729?) durch ein barockes ersetzt, der gotische Chor damals erweitert. Das Barock erfasste auch die Inneneinrichtung des Gotteshauses (Altäre, Tafeln der Rosenkranzbruderschaft, Kanzel von 1683, Epitaphe), die im 19. Jahrhundert weitgehend durch eine neugotische Ausstattung weitgehend ersetzt wurde (Altäre, Glasfenster, Chorausmalung; Wendelinskapelle 1881; neugotisches Netzrippengewölbe des Chors). Ins Mittelalter gehören eine schwäbische Muttergottes (ca.1460), eine Pietàfassung (15. Jahrhundert, Ende), ein Tabernakelrelief (15. Jahrhundert). [Buhlmann, 12.2016]
Döblin, Alfred, deutscher Schriftsteller: I. Von dem deutschprachigen Schriftsteller jüdischer Abstammung Alfred Döblin sind bekannt: Geboren am 10. August 1878 in Stettin, Studium in Berlin und Freiburg (Dissertation 1905) und Nervenarzt in Regensburg und Berlin (ab 1906), Emigration nach Frankreich (1933), Flucht in die Vereinigten Staaten von Amerika (1940), Konversion zum christlich-katholischen Glauben (1941), Rückkehr nach Europa und Deutschland (1945), Herausgeber der Literaturzeitschrift "Das goldene Tor" (1946/51), Rückkehr nach Frankreich (1953), gestorben am 26. Juni 1957 in Emmendingen. II. An dichterischen Werken Alfred Döblins, meist Romane des literarischen Expressionismus, sind zu nennen: Die Ermordung einer Butterblume (1913), Die Sprünge des Wang-lun (1915) (als: Döblin, Alfred (1915), Die Sprünge des Wang-lun. Roman (= dtv 1641), München 21980, 502 S., € 2,50), Wallenstein (1920), Berge, Meere und Giganten (1924), Berlin Alexanderplatz (1929) (als: Döblin, Alfred (1929), Berlin Alexanderplatz (= dtv 295), München 371998, 430 S., DM 16,90, München 391999, 430 S., DM 16,90, München 422002, 454 S., € 2,-; vgl. dazu: Sandner, Gabriele (1998), Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz (= Erläuterungen und Dokumente = RUB 16009), Stuttgart 1998, 287 S., DM 12,-), November 1918 (1939/50) (als: Döblin, Alfred (1939/50), November 1918. Eine deutsche Revolution: Bd.1: Bürger und Soldaten (= dtv 1389), München 1978, 360 S., Bd.2: Verratenes Volk (= dtv 1389), München 1978, 417 S., Bd.3: Heimkehr der Fronttruppen (= dtv 1389), München 1978, 486 S., Bd.4: Karl und Rosa (= dtv 1389), München 1978, 701 S., zus. DM 49,-), Hamlet oder Die lange Nacht nimmt ein Ende (1956). [Buhlmann, 07.2019, 01.2020, 02.2023]
Doeker, Günther (Hg.), Vergleichende Analyse politischer Systeme. Comparative Politics (= Sozialwissenschaft in Theorie und Praxis, Bd.14), Freiburg i.Br. 1971 > P Politik, Politikwissenschaft
Dölemeyer, Barbara (2006), Die Hugenotten (= Urban Tb 615), Stuttgart 2006, 231 S., € 5,-. I. Die Reformation breitete sich im 16. Jahrhundert auch im Königreich Frankreich aus, wo um 1550 die (reformiert- [Jean Calvin, †1564]) protestantischen Hugenotten (Begriff: "lichtscheues Gesindel"?, "Eidgenossen/aignos/inguenots" [Genf]?; zusammen mit den Waldensern) im katholischen Herrschaftsraum der französischen Könige eine große Minderheit bildeten. Ab ca.1560 kam es zu massiven Auseinandersetzungen (Hugenottenkriege, Edikte von St. Germain 1562, 1570, "Bartholomäusnacht" 23./24. August 1572 [Ermordung des Gaspard de Coligny und vieler Protestanten]). Die konfliktreichen Spannungen beruhigten sich erst, als der zum Katholizismus übergetretente (1593) französische König Heinrich IV. (von Navarra, 1589-1610) mit dem (Friedens-, Toleranz-) Edikt von Nantes (3./30. April 1598) die Basis für die Duldung der französischen Protestanten schuf. Trotzdem blieb die Lage der Hugenotten während des 17. Jahrhunderts prekär (Kardinal Richelieu, Hugenottenkrieg [als Krieg des Adels gegen den König] 1620/29, Belagerung und Fall des Sicherheitsplatzes La Rochelle 1628, Frieden von Alés 1629), zumal die "absolutistische" Herrschaft König Ludwigs XIV. (1643-1715) in den Augen des Herrschers "einen Glauben, ein Gesetz, einen König" erforderte. Mit dem Edikt von Fontainebleau (18. Oktober 1685) wurde das von Nantes aufgehoben, die Protestanten unterlagen einer sich verschärfenden Verfolgung, die etliche in den Untergrund ("Kirche in der Wüste") und aus Frankreich trieb. Ca. 160000 bis 170000 Hugenotten flohen nach 1685 aus dem Herrschaftsgebiet der französischen Monarchie. II. Die Hugenotten und Waldenser fanden als Glaubensflüchtlinge (refugiès) Zuflucht in protestantinischen Ländern außerhalb Frankreichs (refuge). Gerade die Schweizer Eidgenossenschaft spielte als Drehscheibe und Durchzugsland hierbei eine wichtige Rolle. Viele Hugenotten fanden in deutschen Territorien (Brandenburg-Preußen, Hessen, Baden-Durlach, Württemberg, Kurpfalz, Braunschweig-Lüneburg/-Wolfenbüttel, Mecklenburg, Hansestädte, Reichsstädte), in den Niederlanden, in England (und Irland), aber auch in Skandinavien (Dänemark, Schweden), Russland, oder in Übersee (Südafrika, South Carolina) Zuflucht. Z.B. in deutschen Territorien mit besonderen Privilegien ([freie] Religionsausübung [oder Duldung], Wirtschaft [Landwirtschaft, Handwerk]) ausgestattet, dienten Hugenottenkolonien der Wiederbesiedlung und "Peuplierung", wobei es u.U. zu Konflikten mit der alteingessesenen Bevölkerung kam. Schließlich überwogen Integration und Assimilation in den Zufluchtsländern, ein hugenottisches Bewusstsein blieb indes vielfach erhalten (hugenottischer Mythos [Geschichtsschreibung, Hugenottenmythos zum Großen Kurfürsten, Literatur, Hugenottenikonografie/-medaillen], hugenottisches Erbe [geistig-religiöse Traditionen, Deutsche Hugenotten-Zentrum, Deutsche Hugenotten-Gesellschaft in Bad Karlshafen, Hugenottenmuseen in Europa, Nordamerika, Südafrika]). Vgl. Chambon, Joseph (1938), Der französische Protestantismus. Sein Weg bis zur Französischen Revolution, Bielefeld 2004, 220 S., € 9,90. [Buhlmann, 07.2017, 07.2020]
Dohrmann, Wolfgang (1985), Die Vögte des Klosters St. Gallen in der Karolingerzeit (= Bochumer historische Studien. Mittelalterliche Geschichte, Nr.4), Bochum 1985 > S St. Gallen
Dohrn-van Rossum, Gerhard (1992), Die Geschichte der Stunde. Uhren und moderne Zeitrechnungen, München-Wien 1992 > Z Zeit
Dollinger, Philippe (1966), Die Hanse (= KTA 371), Stuttgart 31976, 606 S., Karten , DM 25,-. Für den norddeutschen Raum wurde im späten Mittelalter die Hanse als Wirtschaftsorganisation der Kaufleute und der Städte bedeutsam. Beginnend im 12. Jahrhundert mit den Fahrtgemeinschaften von Kaufleuten ("Hansen", Gotlandfahrer), beginnend auch mit dem Aufstieg Lübecks ("Haupt der Hanse") zur erfolgreichen Handelsmetropole nicht nur des Ostseeraums, entwickelte sich im späten Mittelalter die Städtehanse als Zusammenschluss zahlreicher niederrheinisch-westfälisch-norddeutscher, niederländischer und preußisch-livländischer Städte (Dortmund, Köln, Lübeck, Magdeburg als Vororte [von Dritteln, Vierteln]), die den Schutz ihrer Kaufleute garantierten und alsbald den Wirtschaftsraum von Nord- und Ostsee beherrschten. Über die großen Hansekontore Bergen ("Deutsche Brücke"), Brügge, London ("Stalhof") und Novgorod ("Petershof") lief der Handel der Hansekaufleute mit Waren (Hering, Stockfisch, Pelze, Häute, Wachs, Bauholz, Wolle, Tuche, Leinwand, Metallwaren, Glas, Papier, Wein, Bier, Salz, Eisen, Zinn, Kupfer, Silber) zu Wasser (See- und Binnenschifffahrt [Organisation, Navigation, Häfen, Stapel, Warenlagerung]; Schiffe [Kogge, Holk]) und zu Lande (Landtransport [Transportwesen, Straßen, Geleit, Zölle]; Karren [vierrädrig, zweirädrig]). Zur Durchsetzung ihrer Interessen (Handelsprivilegien) schreckte die Hanse auch vor Kriegsführung nicht ab (Kölner Konföderation [1367/85] und Stralsunder Frieden [1370]; Englandkonflikt [1469/74] und Frieden von Utrecht [1474]). Umgekehrt war die Hanse von kriegerischen Auseinandersetzungen (Kaperkrieg der Vitalienbrüder [ab 1390]), waren viele Hansestädte als Territorialstädte von ihren Landesherren bedroht (hansische Tohopesaten und Landesherrschaften; Einbindung Braunschweigs in die Landesherrschaft 1671); nur wenige Hansestädte waren Reichs- oder freie Städte (Dortmund, Köln, Lübeck). Der Aufstieg der holländischen Kaufleute und der englischen merchant adventurers, die Entwicklung der Territorialstaaten und der Territorien sowie das Aufkommen süddeutscher Kaufleute (Fugger, Welser; europäisches Fernhandelssystem der frühen Neuzeit) führten am Ende des Mittelalters zum Niedergang der Hanse, trotz Reorganisationsbemühungen in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts, der Beibehaltung der Hansekontore Antwerpen, Bergen und London und der Behauptung der Hanse im Westfälischen Frieden (1648). Der letzte Hansetag der noch nicht "abgedankten und abgeschnittenen" Städte (als politisches Beschlussgremium der Hansestädte) fand im Jahr 1669 statt. [Buhlmann, 09.1993]
Dominikaner, christlicher Mönchs- und Predigerorden:
Die eher städtisch orientierten mönchischen Bettelorden der Dominikaner und Franziskaner traten - entstanden aus der kirchlichen Armutsbewegung - zu Beginn des 13. Jahrhunderts in Erscheinung. Die Dominikaner wurden durch den heiligen Dominikus (*ca.1170-†1221) gegründet (1215) und verbreiteten sich als päpstlicher Orden (1216) rasch im katholischen Europa. Die Dominikaner gab es z.B. seit ca.1230 in Südwestdeutschland und waren hier in den Provinzen Elsass (für den Oberrhein) und Schwaben (für Innerschwaben und Franken) organisiert. Neben dem (ersten) Männerorden der Dominikaner bildete sich der (zweite) Orden der Dominikanerinnen aus. Vielfach rekrutierten sich die Nonnen aus Beginen und frommen Frauen; der Dominikanerorden kanalisierte im Sinne der Amtskirche von daher mit die religiöse Frauenbewegung des hohen Mittelalters.
Zu den Dominikanern s.:
Bouchet, Jean-René (1989), Dominikus. Gefährte der Verirrten, Heiligkreuztal 1989, 111 S., DM 12,80.
[Buhlmann, 06.2020]
Domschke, Wolfgang, Drexl, Andreas (1990), Einführung in Operations Research, Berlin-Heidelberg-New York 21991 > O Operations Research
Donaueschinger Passionsspiel: Das Donaueschinger Passionsspiel, hg. v. Antonius H. Touber (1985) (= RUB 8046), Stuttgart 1985, 350 S., DM 11,50. Als Donaueschinger Passionsspiel wird eine Handschrift des 15. Jahrhunderts aus der Fürstlich-Fürstenbergischen Hofbibliothek in Donaueschingen bezeichnet, die die Passion von Jesus Christus in ihrem heilsgeschichtlichen Zusammenhang darstellt. Die Papierhandschrift, 31,5 cm hoch, 10,5 cm breit, umfasst 88 Seiten. Die Sprache des Passionsspiels ist ein spätmittelalterliches Alemannisch, den lateinischen Liedern wurden Musiknoten beigegeben. Der Text des Passionsspiels wurde in schwarzer, die Regieanweisungen in roter Tinte geschrieben. Dem Passionsspiel liegt eine unzulängliche Bühnenskizze bei, der Donaueschinger bzw. Villinger Bühnenplan. An mehreren Schauplätzen einer Simultanbühne (am Markt oder Kirchplatz) muss demnach unter Teilnahme der Zuschauer eine parallele Simultanhandlung stattgefunden haben: Bekehrung der Maria Magdalena, Heilungswunder Jesu Christi (u.a. die Auferweckung des Lazarus), Tempelreinigung, Einzug Christi in Jerusalem, Verrat des Judas (1. Aufführungstag), Abendmahl und Fußwaschung, Verwurteilung Jesu Christi, Kreuzigung, Kreuzabnahme und Begräbnis, Auferstehung und Höllenfahrt Christi, Verkündigung der Auferstehung (2. Aufführungstag). [Buhlmann, 10.2007]
Dorer, Bernhard (2012), Wälderleben. Geschichte und Geschichten der Landwirtschaft im Hochschwarzwald im Wandel der Zeit. Ein Heimatbuch, Freiburg i.Br. 2012 > S Schwarzwald
Dorestad, frühmittelalterlicher Handelsplatz im Rheinmündungsgebiet: Das niederländische Dorestad, heute Wijk bei Duurstede, gelegen an Rhein (Krummer Rhein) und Lek, wird auf Münzen des 7. und 8. Jahrhunderts bezeichnet als DORESTATE, DORESTATI, DORESTAT, DORESTATO bzw. DORESTATVS, in der schriftlichen bis ab-schriftlichen Überlieferung des früheren Mittelalters als Dorostate(s) (Geograf von Ravenna), Dorstet (Bonifatiusvita des Willibald), Dorestad(e, io, o) (in Urkunden fränkischer Herrscher) und Dorestadum bzw. Dorestatum (in der frühmittelalterlichen Annalistik).
Der Verortung Dorestads im Niederrheinland und im "Gebiet der Friesen" entspricht die Randlage des Handelsortes im Frankenreich bis in die Karolingerzeit hinein. In der Spätantike gehörte der Raum um Dorestad, wie die Reste zweier römischen Siedlungen westlich davon vermuten lassen, noch zum römischen Reich. Archäologische Funde des 5. und frühen 6. Jahrhunderts zeigen eine weitere Besiedlung in nachrömischer Zeit an. Dorestad gehörte zeitweise zum merowingischen Frankenreich, wie Münzen (mit Nennung der Münzmeister Rimoaldus und Madelinus) wohl aus dem Zeitraum zwischen 630 und 650 belegen.
Der Ort war damals folglich Münzstätte und Handelsort, wohl auch mit einer Kirche versehen; wahrscheinlich hatte der Merowingerkönig Dagobert I. (623/29-639) Dorestad von den Friesen erobert. Wohl kurz nach der Mitte des 7. Jahrhunderts wurde die Siedlung wieder friesisch. Der fränkische Hausmeier Pippin der Mittlere (687-714) besiegte um 690/95 die Friesen in einer Schlacht "bei der Burg, die Dorestad heißt", wobei das in den Metzer Annalen genannte castrum Duristate durchaus eine ehemalige römische Limesfestung gewesen sein könnte. Dorestad blieb in der Folgezeit weitgehend fränkisch. Dabei sahen das letzte Viertel des 7. und das 8. Jahrhundert eine Siedlungsverlagerung bzw. Siedlungsausweitung hin zum karolingischen Handelsplatz. Das merowingerzeitliche Dorestad lag wahrscheinlich unmittelbar an der Gabelung von Lek und (Krummen) Rhein im Bereich des heutigen Wijk bei Duurstede, der karolingerzeitliche Ort orientierte sich auch am Lauf des Rheins.
Das Dorestad des 8. und 9. Jahrhunderts war eine Siedlungsagglomeration, die neben dem erwähnten castrum noch aus einer Kaufleutesiedlung bei der "Burg", einer Handwerkersied-lung am Rhein und einer villa non modica (einer "nicht unbedeutenden Siedlung") nordwestlich davon bestand. Im castrum an Lek und Rhein stand die in die Merowingerzeit zurückreichende Kirche, die Upkirika ("Oberkirche"). Beim castrum siedelten Händler, die auch unter dem Schutz des Utrechter Bischofs standen.
Bei der Kaufleutesiedlung, deren Entstehen um die Mitte des 7. Jahrhunderts veranschlagt wird, befanden sich Zollstelle und Münzstätte; auch ein Gräberfeld konnte nachgewiesen werden. Die Handwerkersiedlung im Norden erstreckte sich von Süd nach Nord am Westufer des Rheins über eine Länge von einem Kilometer bei einer Breite von 200 bis 500 Metern.
An die Handwerkersiedlung schloss sich nach Nordwesten wahrscheinlich die villa non modica an, in die sich im Jahr 863 Friesen vor dem Angriff der Normannen auf Dorestad flüchteten.
Der Handelsort Dorestad unterlag ungefähr ab den 830er-Jahren schwerwiegenden politischen und wirtschaftlichen Veränderungen; der Ort wurde wiederholt durch Angriffe der Normannen heimgesucht (834-837, 847, 850, 863). Es wäre aber zu kurz gegriffen, den Niedergang Dorestads nur auf die politischen Unwägbarkeiten im Zusammenhang mit der inneren und äußeren Krise des Frankenreichs zurückzuführen. Es zeigen sich nämlich auch Veränderungen beim Handel selbst, der, was Dorestad anbetrifft, regionaler wurde, vielleicht auch Ergebnis der politischen Teilungen des fränkischen Gesamtreichs. Zudem spielten geografische Faktoren durch die Verlagerung des (Krummen) Rheins eine Rolle. Im letzten Viertel des 9. Jahrhunderts war auf alle Fälle der Handelsplatz Dorestad schon untergegangen. In einer Urkunde des ostfränkischen Königs Otto I. des Großen (936-973) von 948 taucht dann der Ort Wijk (bei Duurstede) auf.
An Literatur zu Dorestad seien genannt:
Prummel, Wietske (1983), Excavations at Dorestad 2: Early Medieval Dorestad. An Archaeozoological Study (= Nederlandse Oudheden 11), Amersfort 1983, 273 S., Abbildungen, Karten, Pläne;
Van Es, W.A., Verwers, W.J.H. (Hg.) (1980), Excavations at Dorestad 1: The Harbour: Hoogstraat I (= Nederlandse Oudheden 9), Amersfort 1980, 319 S., Abbildungen, Karten, Pläne;
Willemsen, Annemarieke, Kik, Hanneke (Hg.) (2010), Dorestad in an international framework. New research on centres of trade and coinage in Carolingian times, Turnhout 2010, 214 S., Abbildungen, Karten, Pläne.
[Buhlmann, 10.2014]
Dormeier, Heinrich (1994), Verwaltung und Rechnungswesen im spätmittelalterlichen Fürstentum Braunschweig-Lüneburg (= VHKNB XXXVII 18), Hannover 1994, 595 S., Schwarzweißabbildungen, € 14,-. I. In den Territorien des späten Mittelalters innerhalb des römisch-deutschen Reiches übten vielfach adlige Amtmänner im Auftrag des Landesherrn landesherrschaftliche Verwaltung in Bezirken u.a. von Amtsburgen aus. Die Amtmänner waren jederzeit absetzbare Vögte oder auch Pfandinhaber, die Verwaltungs- und Herrschaftsbezirke der Amtmänner kaum abgegrenzbare/abzugrenzende Gebiete, in denen der Territorialherr - u.U. neben anderen - über Besitz und Rechte verfügte. Die (wirtschaftlich-administrativen, polizeilich-militärischen, richterlichen) Aufgaben der Amtmänner waren: Abgabenerhebung, Verwaltung und Rechnungslegung; Organisation des Militäraufgebots und Verbrechensverfolgung; Gerichtsvorsitz. Ausfluss der Verwaltungstätigkeit von Amtmännern waren die Amtsrechnungen und die Rechnungsbücher, die dennoch die Amtstätigkeit nur teilweise beleuchten können. II. Das spätmittelalterliche Welfen-Fürstentum Braunschweig-Lüneburg erfuhr bei weitgehend fehlenden Landesteilungen im 14. und 15. Jahrhundert einen territorialen Zuwachs. Für das 14. Jahrhundert haben sich Geschichtsquellen zu Verwaltung und Rechnungswesen nur in eingeschränktem Maß erhalten (Lüneburger Bede-, Schatzverzeichnisse, Territorialrechnungen, Abrechnungen der Hofhaltung Herzog Wilhelms [1330-1369]), für das 15. Jahrhundert ist eine wesentliche Zunahme der Verwaltungskorrespondenz festzustellen (Rechnungsüberlieferung der Vogtei Celle [Amtsrechnungen 1431-1496, Schatzregister 1438, Bergener Schatzregister 1470, Amtsregister ca.1487/88, Hof- und Viehschatzregister 1511], Überlieferung aus der Pfarrei Soltau [Zinsverzeichnis 1409/16, Zinsverzeichnisse von 1472 und 1481/82], Schatzregister des Herzogtums von 1450/51, Überlieferungen der Vogteien Dannenberg, Pattensen, Winsen usw., Amtsrechnungen aus Lüchow, Rechnungen der Lüneburger Stadtvögte u.a.). Für den braunschweig-lüneburgischen Amtsbezirk bzw. die Vogtei Celle ergibt sich neben der Stellung Celles als Residenz des Territorialherrn (Anfänge Celles [10. Jahrhundert], Stadtrecht [1249], Celler Rat [1288], Fürstenaufenthalte, Residenz [1388]) die Verwaltungstätigkeit der Celler Amtmänner (Vögte) aus den lückenlos, meist in Reinschrift überlieferten Vogteirechnungen u.a. der Jahre 1431 bis 1441 (Edition). Danach lassen sich Aussagen zur Rechnungsführung und zu den Buchungsverfahren treffen (Einzelbelege, Spezialrechnungen [Geldgeschäfte, Hofhaltung, Bauregister], Nebenrechnungen), weiter zu den Amtsträgern Henning Bodemann (1420), Hans Kok (1429), Dietrich Büring (1432-1442), Friedrich Stalknecht (1462-1471), Otto Haverber (1472-1483) u.a. sowie zu den lokalen Unterbeamten, den Gogreven (gogreve, vogede). Für das Fürstentum Braunschweig-Lüneburg leistete die Vogtei Celle ihren Beitrag zum Hof- und Landeshaushalt, indem sie - bei mitunter fließenden Übergängen - aus eigenen Mitteln etwa zur (Celler) Hofhaltung des Herzogs beitrug ("Mischfinanzierung", Kosten für Tagfahrten, Verpflegung und Kleidung). Auch an anfallenden Kriegskosten musste sich die Vogtei beteiligen (Spiegelberger Fehde [1430er-Jahre], Belagerung von Hachmühlen [1434]), wobei allerdings Stadt und Bürger der Hansestadt Lüneburg auf Grund deren wirtschaftlicher Potenz den Hauptanteil zu tragen hatten. Der Überprüfung bzw. verwaltungstechnischen Neuorientierung der Vogteirechnungen diente schließlich u.a. ein Register des ambtes Zcelhe mit den zugehorenden dorffernn als "Urbar" von 1487/88; darin werden die Grundlagen des Abgabenwesens im Fürstentum sichtbar (Personen, Dörfer, Zölle, Abgabenarten). [Buhlmann, 03.2018]
Dorn, K. ([1959]), 100 Jahre Gewerbeverein Rottweil 1859-1959, o.O. [1959] > R Rottweil
Dostal, Michael (2006), Wagen. Reisezug- und Güterwagen der Deutschen Bahn, München 2006 > E Eisenbahn(en) in Mitteleuropa
Dostal, Michael (2007), DB-Fahrzeuge. Lokomotiven und Triebwagen, München 2007 > E Eisenbahn(en) in Mitteleuropa
Dostojewski, Fjodor Michailowitsch, russischer Schriftsteller: Geboren 1821 in Moskau, gestorben 1881 in St. Petersburg, erhielt Fjodor Michailowitsch Dostojewski als Sohn eines Arztes eine umfassende Bildung, studierte in St. Petersburg Ingenieurwesen (1838-1843), war kurzfristig Militäringenieur (1843/44), bevor er sich - beeinflusst u.a. Honoré de Balzac, Nikolai Gogol, Victor Hugo und Friedrich Schiller - der Schriftstellerei zuwandte. Im Zusammenhang mit den 1848/49er-Revolutionen in Europa wurde Dostojewski, der der politischen Gruppe der Petraschewzen angehörte, verhaftet, zum Tode verurteilt und zu Straflager und Militärdienst begnadigt (1849/54 bzw. 1854/59). Verheiratet mit Marija Issajewa (1857), begann er wieder mit der Schriftstellerei und konnte auch nach St. Petersburg zurückkehren (1859); es folgten die Heirat mit Anna Snitkina (1867) und die Geburt einer Tochter (1869) und eines Sohnes (1871). Aus Dostojewski wurde ein bekannter und berühmter russischer Schriftsteller, was insbesondere den sechs großen, psychologisch sehr fundierten Romanen "Schuld und Sühne" (1866), "Der Spieler" (1867), "Der Idiot" (1868/69), "Die Dämonen" (1871/72), "Der Jüngling" (1875), "Die Brüder Karamasow" (1880) zu verdanken war. Auch war Dostojewski literarisch an den Zeitschriften Wremja, Epocha und Graschdanin zeitweise beteiligt. An literarischen Werken von Dostojewski seien hier genannt: Dostojewskij, Fjodor Michailowitsch (1848), Weiße Nächte. Eine Liebesgeschichte (= it 2834), Frankfurt a.M.-Leipzig 2002, 109 S., € 6,-; Dostojewskij, Fjodor Michailowitsch (1861), Die Erniedrigten und Beleidigten, Gütersloh o.J., 437 S., DM N.N.; Dostojewskij, Fjodor Michailowitsch (1866), Schuld und Sühne, Gütersloh o.J., 584 S., DM 5,85; Dostojewskij, Fjodor Michailowitsch (1866), Schuld und Sühne (= dtv 2024), München 91987, 741 S., DM 16,80; Dostojewskij, Fjodor Michailowitsch (1866), Schuld und Sühne. Roman (= dtv 12405), München 202002, 747 S., Zeittafel, € 11,-; Dostojewskij, Fjodor Michailowitsch (1867), Der Spieler, Gütersloh o.J., 224 S., DM N.N. [Buhlmann, 04.2021, 03.2022]
Drabek, Anna M. (1970), Der Merowingervertrag von Andelot aus dem Jahre 587, in: MIÖG 78 (1970), S.34-41. Der Geschichtsschreiber Gregor von Tours (†594) überliefert zum 28. November 587 [586] den Vertrag von Andelot als einzigen auf überlieferten Vertrag (pactio) zwischen Merowingerkönigen des Frankenreichs. Die Übereinkunft war Ausfluss der Teilungspraxis im Merowingerreich und muss vor dem Hintergrund der Beseitigung Gundowalds (585) sowie einer abgewendeten adligen Verschwörung gegen Childebert II. (575-596; 587 [586]) gesehen werden. Die Merowingerkönige Gunthramn (561-592) und Childebert II. sowie die Regentin Brunichild (†613) und die Großen des Reichs einigten sich durch gegenseitige Eide zunächst über die territoriale Abgrenzung des frankoburgundischen und des Metz-Reimser Teilreichs hinsichtlich der strittigen Gebiete des ehemaligen (Pariser) Charibertreichs (Charibert I., 561-567) - u.a. erhielt Gunthramn Paris, während Childebert wieder in Aquitanien vertreten war - und der Mitgift der ermordeten Galaswintha (†569/70), die nun ihrer Schwester Brunichild zustand, wobei zunächst nur die civitas Cahors an die Regentin des östlichen Teilreichs gelangte. Weiterhin beinhaltete der Vertrag eine erbrechtliche Regelung, wonach der überlebende König im Ostreich bzw. in Frankoburgund jeweils die Herrschaft im anderen Reich übernehmen sollte, wenn dies über keinen Herrscher verfügte. Schließlich stimmten die Vertragspartner in eine Amnestie für die Großen überein, die im Bürgerkrieg die Fronten gewechselt hatten. Über die "Außenpolitik" des Frankenreichs bzgl. Westgoten und Langobarden wurde hingegen keine Einigung erzielt. Der Vertrag von Andelot schuf mit den austroburgundischen Machtblock, der in Gegensatz zum Neustrien König Chlothars II. (584-629) die fränkische Politik der folgenden Jahrzehnte bestimmen sollte. [Buhlmann, 04.1989]
Drack, Walter, Fellmann, Rudolf (1991), Die Schweiz zur Römerzeit. Führer zu den Denkmälern, Zürich-München 1991, 334 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, Pläne, Karten, DM 48,-. Besprochen werden vor dem Hintergrund der römischen Geschichte der Schweiz (gallische Allobroger und Helvetier [2./1. Jahrhundert v.Chr.], augusteische Eroberung des Alpenraums [15 v.Chr.-16/17 n.Chr.], Legionslager Windisch, Provinz Raetia, Romanisierung [1./2. Jahrhundert n.Chr.], Krise des römischen Reichs [3. Jahrhundert], Spätantike und Alemannen [4./5. Jahrhundert], Übergang zum Frühmittelalter [5./6. Jahrhundert], frühmittelalterliche Bischofssitze Chur und Basel-Augst) als römische Fundstellen in der Schweiz: L'Abbaye (Straßenspuren), Aegerten (spätrömische Festung), Agno (Sarkophagdeckel), Allschwil (Gräberfeld), Amden (frührömischer Wachtturm), Amsoldingen (Grabsteine), Arbon (vicus, castellum), Ardon (Weihinschriften), Augst (Colonia Augusta Raurica), Avenches (Aventicum, spätrömisches Kastell), Balerna (Sarkophage, -deckel), Basel (frührömische Kastelle, vicus, spätrömische Befestigungen), Baulmes (Weihalter, Säulen), Bellinzona (vicus, Kastelle), Bern (vicus, Straßenspuren), Beromünster, Bettwil (Säulenteile), Biel (Römerquelle), Bière (Weihinschrift), Binn, Bivio (Straßenspuren), Bondo (Straßenspuren), Bösingen (Säulen), Bourg-St-Pierre (Tempel, Straßenstation am St.-Bernhard-Pass), Brugg (spätrömisches Kastell), Buchs (römischer Gutshof), Bülach (spätrömische Fluchtburg), Caneggio (Sarkophage), Carouge (vicus, Grabinschriften), Cham (römisches Mühlenrad), Chancy (spätrömisches Kastell), Chavannes-le-Chêne (Steinbruch), Chur (vicus, spätrömisches Kastell, Bischofssitz, Grabkammer in St. Stephan), Colombier (villa rustica), Commugny (villa rustica), Concise (Steinbruch), Cressier (Weihaltäre), Curtilles (Meilenstein), Dagmersellen (Säülenteile), Delsberg/Delémont, Dietikon (Gutshof), Effingen (Straßenspuren), Elgg (Mosaikfragment), Erschwil (Straßenspuren), Eschenz (vicus), Frauenfeld, Freiburg/Fribourg (Mosaike), Freienbach (gallorömischer Umgangstempel), Freienstein-Teufen (spätrömischer Wachtturm), Frenkendorf (gallorömischer Umgangstempel), Gebenstorf (Grabstein), Genf (vicus, spätrömische Stadt), Glattfelden (spätrömischer Wachtturm), Glovelier (Straßenspuren), Grandval (Straßenspuren), Gravesano (Inschrift), Grenchen (Gutshof), Gretzenbach (Gutshof), Hauenstein (Straßenspuren), Henggart (Herdstelle), Herzogenbuchsee (Mosaik), Hofstetten-Flüh (Straßenspuren), Holderbank (Straßenspuren), Hüttwilen (Gutshof), Jona (Gebäude, Gutshof), Kaiseraugst (spätrömisches Kastell), Kallnach-Studen (Straßenspuren), Kloten (spätrömisches Kastell), Koblenz (spätrömischer Wachtturm), Langenbruck (Straßenspuren), Läufelfingen (Straßenspuren), Laufen, Lausanne (vicus, Hafen, Säule, Mosaikboden), Lavigny (Meilenstein), Lenk (Rasthaus?), Lenzburg (vicus, Theater), Leuzigen (Grabstein), Liestal (Gutshof, Wasserleitung nach Augusta Raurica), Locarno, Lugano (spätrömischer Sarkophag), Lungern (Straßenspuren), Luzern, Martigny (civitas Vallensium, Amphitheater), Massongex (vicus, Grabinschrift, Mosaik), Mendrisio (Grabinschrift, spätrömischer Sarkophag), Minusio (Weihinschrift), Möhlin (spätrömischer Wachtturm, Fluchtburg?), Mollis (gallorömischer Umgangstempel), Monthey, Morens (Grabstein), Moudon (Weihinschrift), Münchenwiler (Ehreninschrift), Muralto (vicus), Murten, Muttenz (spätrömischer Wachtturm), Näfels, Neftenbach (Wasserleitung), Nenzlingen (Straßenspuren), Neuenburg/Neuchâtel, Niederried (Meilenstein), Nürensdorf (spätrömischer Wachtturm), Nyon (Colonia Iulia Equestris, Basilika), Oberentfelden (Depotfund), Oberlunkshofen (Gutshof), Oberweningen, Ollon (Meilenstein), Olten (vicus, spätrömisches Kastell, Gutshof), Orbe (römischer Landsitz), Orny (Straßenspuren, Meilenstein), Osterfingen (Gutshof), Paudex (Meilenstein), Payerne (Weihinschriften), Penthaz (Meilenstein), Péry/Biel (Rundbogennische, Straßenspuren), Pfäffikon (spätrömisches Kastell), Pfyn (vicus, spätrömisches Kastell), Posieux (Befestigung), Pully (Kryptoportikus der villa rustica), Rapperswil/Bern (Weihinschrift), Rapperswil/St. Gallen (vicus), Rheinau (spätrömischer Wachtturm), Rheinfelden (spätrömischer Wachtturm), Rheinklingen (spätrömischer Wachtturm), Riaz/Marsens (gallorömischer Umgangstempel), Riom-Parsonz (Straßenstation), Riva San Vitale (Baptisterium, Grabinschrift), Roche/Yvorne (Steinplattenrest), Rohr (Straßenspuren), Romainmôtier (Eisenschmelzöfen), Rovio (Weihinschrift, spätrömische Sarkophage), Rümikon (spätrömischer Wachtturm), Ste-Croix (Straßenspuren), St. Gallen, St.-Maurice (Zollstation, spätrömischer Wallfahrtsort), St. Moritz, St-Prex (spätrömische Grabkapelle), St-Saphorin (Weihinschrift, Meilenstein, spätrömische Grabkapelle), Sagogn (spätrömisch-frühmittelalterliche Kirche), Sargans (Gutshof), Sarmenstorf (Gutshof), Sarnen, Schaffhausen, Schänis (frührömischer Wachtturm), Schiers (spätrömisch-frühmittelalterliche Friedhofkirchen), Schleitheim (vicus, Thermen), Schönenwerd, Schongau (Gutshof), Schönholzerswilen (spätrömischer Fluchtburg), Schötz, Schwaderloch (spätrömischer Wachtturm), Schwyz (Schatzfund), Siders/Sierre (Grabsteine), Sitten/Sion (civitas Sedunum?), Solothurn (vicus, spätrömisches Kastel, frühchristliche Grabkapelle), Sonvico (Grabinschrift, Säule), Stabio (Altar, Grabstein), Stallikon, Stampa (Straßenspuren, Wannengrab?), Studen (Straßenstation, vicus, spätrömische Befestigung, Tempel), Suhr (Kapitell), Sulz (spätrömischer Wachtturm), Tavennes (Straßentunnel Pierre Pertuis, Straßenspuren), Tegna (Befestigung, Höhenheiligtum), Tesserete (spätrömischer Sarkophag), Therwil (Vermessungs-/Meilenstein?), Thun (gallorömischer Tempelbezirk), Tolochenaz (Meilenstein), Trin (spätrömische Fluchtburg?), Ursins (gallorömischer Umgangstempel), Vallon (Mosaike), Vicosoprano (spätrömischer Wachtturm?), Vicquez (Gutshof), Vollèges (Meilenstein), Vully-le-Haut (Grabstein, Straßenspuren), Wahlen (spätrömischer Wachtturm), Wahlenstadt (frührömischer Wachtturm), Wallbach (spätrömischer Wachtturm), Weesen, Windisch (VindonissaLegionslager, vicus, spätrömisches Kastell), Winkel (Gutshof), Winterthur (vicus, spätrömischer Befestigung), Wittnau (spätrömischer Befestigung), Würenlos (Steinbruch), Yvwerdon-les-Bains (vicus, Kastell), Yvorne (Meilensteine), Zell (Gutshof), Zillis-Reischen (Straßenspuren), Zofingen (Mosaike), Zuchwil ("Urnenstein"), Zug, Zuoz (Brückenpfähle), Zürich (vicus, spätrömisches Kastell), Zurzach (vicus, spätrömisches Kastell Kirchlibuck, spätrömischer Brückenkopf), Zwieselberg (spätrömischer Wachtturm?), daneben in Liechtenstein: Eschen (Gutshof), Mauren (Straßenspuren, spätrömische Fluchtburg), Vaduz. [Buhlmann, 11.2023]
Dreißigjähriger Krieg (1618-1648), mitteleuropäisch-europäischer Krieg:
Die klimatischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krisen im römisch-deutschen Reich im beginnenden 17. Jahrhundert mündeten ein in den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) als eine Abfolge von (konfessionellen) Kriegen (Böhmisch-Pfälzischer Krieg 1618-1623, Dänisch-Niedersächsischer Krieg 1623-1629, Schwedischer Krieg 1630-1635, Schwedisch-Französischer Krieg 1635-1648), in denen Mitteleuropa zum Hauptkriegsschauplatz wurde, es aber auch um das Verhältnis von Kaiser und Ständen im Reich ging (Monarchie <-> "ständische Libertät"). Der Aufstand protestantischer Landstände im habsburgischen Königreich Böhmen und die kurze böhmische Herrschaft des "Winterkönigs" Friedrich (V.) von der Pfalz (1610-1623; Schlacht am Weißen Berg 1620; pfälzische Kurwürde und Oberpfalz an den bayerischen Herzog 1621) leiteten den Beginn der Kriegshandlungen unter Kaiser Ferdinand II. (1619-1637) ein. Truppen der katholischen Liga drangen in der Folge weit auf protestantische Gebiete vor, was König Christian IV. von Dänemark (1588-1648) als Reichsstand und Verteidiger der Protestanten auf den Plan rief. Unterstützt wurde Christian, der auch Kreisoberst des niedersächsischen Reichskreises war, durch die Niederlande und England (Haager Allianz 1625), doch endete sein Vordringen nach Süden in einen Misserfolg (Schlacht bei Lutter 1626), während Truppen unter dem kaiserlichen Feldherrn Albrecht von Wallenstein das dänische Jütland besetzten (1627). Der (Separat-) Frieden von Lübeck (1629) beendete das militärische Eingreifen des Dänenkönigs.
Das Jahr 1629 sah sich Kaiser Ferdinand II. auf dem Höhepunkt seiner Macht; der Herrscher verfügte im Restitutionsedikt (1629) die Wiederherstellung der nicht reichsunmittelbaren Kirchengüter gemäß dem Stand des ("Normal"-) Jahres 1552 bei Aushebelung des Augsburger Religionsfriedens, musste aber unter dem Druck u.a. der Kurfürsten bald einlenken (1630). Zudem waren es die ausländischen Mächte Schweden und Frankreich, die nun auf Seiten der protestantischen Partei im Reich und der "deutschen Libertät" gegen den Kaiser eingriffen. Den großräumigen schwedischen Eroberungen unter König Gustav Adolf (1611-1632; Zerstörung Magdeburgs durch kaiserliche Truppen 1631, Vertrag von Bärwalde 1631, schwedischer Sieg bei Breitenfeld 1631, Schlachten von Rain am Lech 1632, an der Alten Veste 1632, bei Lützen 1632 [Tod Gustav Adolfs]) folgten die Eindämmung der schwedischen Macht (Schlacht bei Nördlingen 1634) und der Prager Frieden zwischen Kaiser und sächsischem Kurfürsten (1635). Letzterer schuf zwar einen Ausgleich zwischen dem Kaiser und Ständen bei Rücknahme des Restitutionsedikts ("Normaljahr" 1627), doch verblieben die ausländischen Truppen weiterhin im Reich, der Dreißigjährige Krieg sollte sich durch den Eintritt Frankreichs in den Krieg gegen (Spanien [Französisch-Spanischer Krieg 1635-1659] und) den Kaiser (und das Reich) (1635/36) zu einem europäischen Konflikt im Reich ausweiten.
Gegen die verbündeten Mächte Schweden und Frankreich (Bündniserneuerung 1641), die das Reich verheerten, war dabei schwer anzukommen, zumal auch Dänemark und Siebenbürgen sich wieder am Krieg beteiligten. Das Zustandekommen des Regensburger Reichstags (1640) und Verhandlungen zur Reichsverfassung wurden endlich (ab 1643) durch Friedensverhandlungen ergänzt, während einzelne Reichsstände aus dem Krieg ausschieden (Separatfrieden mit Brandenburg 1641, Braunschweig 1642, Kursachsen 1645, Bayern 1647) und die Habsburgermonarchie unter Kaiser Ferdinand III. (1637-1657) und das mit den Habsburgern verbündete Kurbayern politisch-militärisch ins Hintertreffen gerieten (Schlachten von Breitenfeld 1642, Tuttlingen 1643, Herbsthausen 1645, Nördlingen 1645, Zusmarshausen 1648).
Die Friedensverhandlungen im katholischen Münster und protestantischen Osnabrück endeten schließlich mit dem Westfälischen Frieden (1648; Instrumentum Pacis Monasteriense, Instrumentum Pacis Osnabrugense), der völkerrechtlich (und über das Reich hinaus, d.h. in europäischem Rahmen ["Westfälisches System"]) das Verhältnis zwischen Kaiser und Reichsständen definierte auf der Grundlage von Landeshoheit (ius territoriale), Bündnisfreiheit der Territorialherren und Fortschreibung des Ausgburger Religionsfriedens bei Anerkennung der drei (katholischen, lutherischen, reformierten) Konfessionen und eingeschränkten konfessionellen Freiheit der Untertanen in den Territorien ("Normaljahr" 1624, "geistlicher Vorbehalt", bikonfessionelle Reichsstädte und Territorien); aus dem Reichsverband schieden damals (rechtlich, faktisch) aus die Vereinigten Niederlande (Achtzigjähriger Spanisch-Niederländischer Krieg 1568-1648) und die Schweizer Eidgenossenschaft.
Zum Dreißigjährigen Krieg s. an Quellen:
Grimmelshausen, Hans Jakob Christoph von (1668/69), Der abenteuerliche Simplicissimus. Gekürzte Ausgabe, hg. v. Walter Schafarschik (1970) (= RUB 7452/53), Stuttgart 1970, 159 S., DM 2,- (zurückblickend auf den Dreißigjährigen Krieg und die Jahre nach dem Friedensschluss),
an Darstellungen:
Mann, Golo (1971), Wallenstein, Frankfurt a.M. 1978, 1126 S., Karten, DM 25,-, (= Spiegel Edition), Hamburg 2006, 1292 S., € 9,90;
Pusch, Matthias (1978), Der Dreißigjährige Krieg 1618-1648 (= Heyne Geschichte 16), München 1978, 204 S., Abbildungen, DM 2,-;
Ranke, Leopold von (1869), Geschichte Wallensteins (= ADTG 7211), Kronberg-Düsseldorf 1978, 348 S., Abbildungen, DM 4,-;
Schmidt, Georg (1995), Der Dreißigjährige Krieg (= BSR 2005), München 21996, 116 S., DM 14,80;
Wedgwood, C.V. (1938), Der Dreißigjährige Krieg (= List 381), München 1971, 517 S., Karten, DM 8,80;
Wedgwood, C.V. (1938), Der Dreißigjährige Krieg (= Bastei-Lübbe Geschichte 64020), Bergisch Gladbach 1978, 544 S., Karten, DM 6,80;
Wedgwood, C.V. (1938), Der Dreißigjährige Krieg, München-Leipzig 61994, 517 S., Karten, DM 19,80;
Westphal, Siegrid (2015), Der Westfälische Frieden (= BSR 2851), München 2015, 128 S., Karten, € 8,95.
[Buhlmann, 07.1998, 04.2016, 12.2017, 06.2021]
Dresden, Stadt in Sachsen:
Die menschliche Besiedlung im Dresdner Raum reicht ins Neolithikum zurück (5. Jahrtausend v.Chr.). Dresden (altsorbisch drezdany für "Sumpf-/Auwaldbewohner" an der Elbe) war wohl ursprünglich eine slawische Ansiedlung im (bis 1142 böhmischen) Nisangau. Zum Jahr 1206 wird Dresden (Dresdene) in der Ausstellungsort einer Urkunde erwähnt, 1350 ein antiqua Dressdin (Rat und Bürgermeister 1292, Stadtrechtverleihung an Altendresden 1403?, Stapelrecht für Dresden 1455, Dresden rechts und links der Elbe als städtische Einheit 1549).
Seit 1485 (Leipziger Teilung) war Dresden Residenzstadt der wettinischen Herzöge und Kurfürsten von Sachsen (Residenzschloss, Münzstätte). Das barocke Dresden des 17. und 18. Jahrhunderts hat den Dresdner Hof der Kurfürsten zum Zentrum (Brand von Altdresden 1685 und Neuaufbau als "königliche Stadt" bis 1732, Zwinger ab 1709, Frauenkirche 1723/43, katholische Hofkirche 1739/51, preußische Eroberungen 1745, 1756). In den Kriegen gegen den französischen Kaiser Napoleon geriet Dresden zwischen die Fronten (Schlacht um Dresden 1813).
Dresden nahm im 19. bis 21. Jahrhundert an den wichtigen Entwicklungen der Moderne teil (Revolution 1848/49, Kaiserreich, Weimarer Republik, "Drittes Reich", Zweiter Weltkrieg und Zerstörung Dresdens 1945, Deutsche Demokratische Republik). Heute ist die Großstadt Hauptstadt des Bundeslandes Sachsen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland.
Zu Dresden s.:
Appel, Reinhard (Hg.) (2005), Die Dresdner Frauenkirche. "Aus Ruinen auferstanden ...". Zerstörung, Mahnmal, Wiederaufbau, Köln 2005, 192 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, € 14,95;
Kootz, Wolfgang ([2004]), Dresden. Bildführer durch die Landeshauptstadt und ihre Umgebung, [Nachdruck] Dresden o.J. [2011], 120 S., Farbfotos, Zeittafel, Karten, € N.N.;
Papke, Eva (1997), Festung Dresden. Aus der Geschichte der Stadtbefestigung, Dresden 1997, 167 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, Stiche, Pläne, Karten, DM 39,80;
Seeger, Horst, Rank, Matthias (Hg.) (1985), Oper in Dresden. Festschrift zur Wiedereröffnung der Semperoper, Berlin 21985, 120 S., Schwarzweiß-, Farbtafeln, M 24,- (u.a. mit: Matthias Rank, Ausgewählte Daten und Fakten zur Chronik der Dresdner Oper: 1627 "Geburtsstunde" der deutschen Oper in Dresden, 1641 Gründung der Kurprinzlichen Kapelle, 1667 Dresdner [Klengelsches] Opernhaus, 1685, Italienische Oper, 1738 und 1749/50 Umbauten des Großen Opernhauses am Zwinger, 1817 Dresdner Hoftheater, 1841 Eröffnung der [ersten] Semperoper, 1878 Einweihung der [zweiten] Semperoper, 1945 Zerstörung der Semperoper im Zweiten Weltkrieg [1939-1945], 1948 Großes Haus der Staatstheater Dresden, 1983 Staatsoper Dresden/Staatsschauspiel Dresden, 1985 Feierliche Wiedereröffnung der Semperoper Dresden).
> E > Erinnern - Entdecken - Erleben [Buhlmann, 10.2021, 11.2023]
Dresen, A[rnold] (1913/14), Ein Ratinger Meßbuchcodex aus dem 12.-13. Jahrhundert (Cod. lat. 10075 der Königl. Hof- und Staatsbibliothek zu München), in: DJb 26 (1913/14), S.1-34 > Lateinische Literatur > R Ratinger Memorienbücher, Ratinger Messbuchcodex
Dresen, A[rnold] (1916), Beda Venerabilis und der älteste Name von Kaiserswerth, in: DJb 28 (1916), S.211-218 > K Kaiserswerth
Dresen, A[rnold] (1925), Die mittelalterliche Wehrverfassung der Stadt Ratingen, in: Alt-Ratingen 2 (1925), S.76-80 > R Ratingen
Dresen, A[rnold] (1926), Ratingen. Zum 650jährigen Stadtjubiläum, in: Jan Wellem Nr.5 (1926), S.99-104 > R Ratingen
Dresen, Arnold (1928), Memorien des Stiftes Gerresheim, in: DJb 34 (1928), S.155-179 > G Gerresheim
Dresen, Arnold (1929), Die Feier der Hochfeste in der Stiftskirche zu Gerresheim, in: AHVN 115 (1929), S.205-219 > G Gerresheim
Dresen, Arnold (1929), Das Abteihaus in Gerresheim und seine Inneneinrichtung, in: DJb 35 (1929), S.1-23 > G Gerresheim
Dresen, Arnold (1929), Grab und Kapelle des seligen Gerrikus in Gerresheim, in: Bergisch-Jülichsche Geschichtsblätter 6 (1929), S.9f > G Gerresheim
Dresen, Arnold (1933), Die Säkularisation des Stiftes Gerresheim und ihre Auswirkungen, in: AHVN 123 (1933), S.98-135 > G Gerresheim
Drewermann, Eugen (1991), Die Spirale der Angst. Der Krieg und das Christentum (= Herder Tb 4003), Freiburg i.Br. 31992 > K Katholische Kirche in der Moderne
Drews, Wolfgang (1962), Gotthold Ephraim Lessing (= rm 75), Reinbek b.H. 241995 > L Lessing, Gotthold Ephraim
Dreyer, Boris (2011), Polybios. Leben und Werk im Banne Roms, Darmstadt 2011 > P Polybios
Dreyer-Eimbcke, Oswald (1991), Kolumbus. Entdeckungen und Irrtümer in der deutschen Kartographie, Frankfurt a.M. 1991 > K Kolumbus, Christoph
Driehaus, Jürgen (1968), Rheinische Urgeschichte. Führer durch die Urgeschichtliche Abteilung des Rheinischen Landesmuseums Bonn (= Kunst und Altertum am Rhein, H.16), Düsseldorf 1968 > U Ur-, Vor-, Frühgeschichte
Drinkwelder, Otto (1916), Das Rüeggisberger Chartular aus dem Jahr 1425, in: SMGB 37 (1916), S.64-82 > R Rüeggisberg
Droege, Georg (1961), Pfalzgrafschaft, Grafschaften und allodiale Herrschaften zwischen Maas und Rhein in salisch-staufischer Zeit, in: RhVjbll 26 (1961), S.1-21 > E Ezzonen
Drösser, Christoph (1994), Fuzzy Logic. Methodische Einführung in krauses Denken (= rororo 9619), Reinbek 1994 > G Gassen, Gehirn
Droste, Heiko (Bearb.) (2000), Schreiben über Lüneburg. Wandel von Funktion und Gebrauchssituation der Lüneburger Historiographie (1350 bis 1639) (= VHKNB 195), Hannover 2000, 488 S., Editionen, Handschriftenverzeichnis, Stemma, € 15,-. I. Die Stadt Lüneburg verdankt ihre Entstehung um 1200 dem Zusammenschluss der Siedlungskerne Saline, Kalkberg und Modestorp (evtl. nach der Zerstörung Bardowicks durch Herzog Hienrich den Löwen 1189). Burmeister und urkundlich 1239 erstmals bezeugter Rat werfen ein Schlaglicht auf die sich herausbildende Bürgergemeinde, deren Reichtum sich der Saline (Salzpfannen, Sülchmeister) und der Schifffahrt auf der Ilmenau (Handel, Stapel) verdankte. In spätem Mittelalter und früher Neuzeit genoss Lüneburg teilweise eine weitgehende Unabhängigkeit von den welfischen Herzögen von Braunschweig-Lüneburg (Lüneburger Privilegien [Ottonianum von 1247, Sate als Landfriedensbündnis von 1392, Vertrag von 1562]). II. Vor dem Hintergrund einer sich in Rat (Stadtschreiber) und Bürgerschaft entwickelnden Schriftlichkeit entstand in Lüneburg eine breitgefächerte Historiografie, deren Ausgangspunkt die Geschehnisse beim Lüneburger Erbfolgekrieg (1369-1374), beim Satekrieg (1392-1406) und beim Lüneburger "Prälatenkrieg" (1446-1462) bildeten. Folgende niederdeutsche Lüneburger "Chroniken" können dann ausgemacht werden: a) Nikolaus Floreke, Chronik zum Lüneburger Erbfolgekrieg (1370/74); b) "Satechronik" (14. Jahrhundert, Ende); c) Lüneburger Chronik bis 1414; d) Heinrich Lange, "Chronik" und Denkschriften (1453/56, 1461); d) Dirick Döring, "Historia" (n.1460); e) "Anonyme Chronik zum Prälatenkrieg" (ca.1460); f) "Anonyme Chronik zum Prälatenkrieg" (ca.1462); g) "Anonymus-Chronik zum Prälatenkrieg" (1476); h) Lieder zum "Prälatenkrieg" (n.1462); i) "Kompilation zum Prälatenkrieg" (Tzerstede-Codex, weit n.1462); j) Fortsetzung der Lüneburger Chronik bis 1466 (ca.1500); k) Lieder zur Reformation (1530); l) Johann Döring, Bericht zur Reformation in Lüneburg (1533); m) Johannes Deghener, Denkschrift zum "Prälatenkrieg" (1547); n) Johannes Deghener, Bewertung der Lüneburger Reformation (1547); o) "Anonyme Chronik zur Reformation" (n.1555); p) Jakob Schomaker, Chronik (v.1562); q) Lucas Lossius, Lunaeburga Saxoniae als Städtelob (Lüneburger Luna-Geschichte, 1562/66); r) Thomas Mawer, Lüneburger Städtelob (1567); s) Jürgen Hammenstede, Erste Chronik (ca.1567/74); t) Jürgen Hammenstede, Zweite Chronik (ca.1575/90); u) Fortsetzungen der Lüneburger Chronik (16. Jahrhundert, Ende); v) Leonhard Elver, Bewertung der Lüneburger Reformation (ca.1610); w) Leonhard Elvers, Discursus historico-politicus de statu rei publicae Luneburgensis (1606/31); x) Anonyme Denkschrift zum Lüneburger Ratsregiment (1636). III. Die Lüneburger "Stadtchronistik" entwickelte sich als historiografisch nicht klar abgrenzbare Gattung (Relation als Vorform der Geschichtsschreibung) im politisch-sozialen Spannungsfeld zwischen Rat und Öffentlichkeit (Elite und Honoratioren; "Sitz im Leben"), zwischen Recht und Geschichtsschreibung, zwischen mündlicher Symbolik und schriftlicher Überlieferung. Als Höhepunkt Lüneburger Geschichtsschreibung kann die chronologisch aufgebaute, gut strukturierte Chronik Jakob Schomakers gelten. Ziel der Historiografen war es, Erinnerungen an historisches Geschehen (Rechtstexte, Lieder, Riten, Daten) zu bewahren (Sicherung, Verfestigung) und so aus der Vergangenheit die Gegenwart der Stadt Lüneburg erklärbar zu machen. [Buhlmann, 07.2014]
Droste-Hülshoff, Annette von, deutsche Schriftstellerin:
I. Aus einem westfälischen katholischen Freiherrengeschlecht stammend, entdeckte Annette von Droste-Hülshoff (*1797-†1848) schon früh Literatur und Schriftstellerei für sich, wenn sie daneben auch anfangs Musikerin und Komponistin war und wenn auch Familie und westfälisches Zuhause für sie immer an erster Stelle stand. Erste literarische Versuche und Briefe stammen aus den Jahren 1804/05, zur Dichterin fühlte sich das Mädchen berufen.
Droste-Hülshoff genoss eine standesgemäße adlige Erziehung mit Privatunterricht, Reisen führten sie u.a. an Nieder- und Mittelrhein sowie an den Bodensee, wo sie u.a. ab 1841 bei ihrem Schwager auf Schloss Meersburg bzw. ab 1843 in ihrem eigenen Haus ("Fürstenhäusle") lebte und arbeitete. Droste-Hülshoffs Leben wurde immer wieder von schweren Krankheiten, einsetzend im Jahr 1815, bestimmt. Am 24. Mai 1848 starb die damals wohl bekannteste deutsche Dichterin auf der Meersburg.
II. Literarische Werke der Annette von Droste-Hülshoff sind: Das geistliche Jahr (1818/20, 1839/40), Gedichte (1838), Die Judenbuche (Novelle, 1842), Gedichte (1844), Westfälische Schilderungen (1845), Nachlässe (1860/62). Daneben sind Musikstücke und musikalische Bühnenwerke der Dichterin überliefert.
Zu Annette von Droste-Hülshoff sind zu nennen an Werken und Biografischem:
Droste Hülshoff, Annette von (1842), Die Judenbuche. Ein Sittengemälde aus dem gebirgichten Westfalen (= Hamburger Leseheft 15), Husum 1958, 40 S., DM 0,50, (= RUB 1858), Stuttgart 1971, 61 S., DM 1,10;
Lavater-Sloman, Mary (1950), Annette von Droste-Hülshoff. Einsamkeit und Leidenschaft (= Heyne Biographien 77), München 41987, 523 S., Schwarzweißtafeln, DM 12,80;
Restle, Wilhelm (1964), Das Drostebuch des Fürstenhäuschens, Meersburg 1964, 75 S., Schwarzweißtafeln, DM N.N.
[Buhlmann, 12.2018, 11.2020, 05.2021]
Droysen, Johann Gustav (1952), Geschichte des Hellenismus. Vollständige Ausgabe in drei Bänden (= dtv 5976), München 1980 > G Griechische Geschichte, 4.-1. Jahrhundert v.Chr.
Drücke, Simone (2001), Humanistische Laienbildung um 1500. Das Übersetzungswerk des rheinischen Humanisten Johann Gottfried (= Palaestra, Bd.312), Göttingen 2001, 490 S., € 7,40. Der Humanist Johann Gottfried aus Odernheim am Glan (*ca.1430-†n.1507/1515?) studierte zwischen 1456 und 1465 an der Universität Heidelberg mit dem Abschluss eines magister artium. 1469 war er Kanoniker an der Stiftskirche von Oppenheim und Visitator des dortigen Franziskanerklosters. Zusätzlich besaß er zwei Pfründen in Rockenhausen und Mosbach. Gottfried unterhielt Kontakte zu der in Oppenheim ansässigen Adelsfamilie Dalberg; wahrscheinlich unterrichtete er Johann von Dalberg, den späteren Wormser Bischof (1482-1503), und dessen Bruder Friedrich (†1507). Kontakte bestanden auch zum Heidelberger Humanistenkreis (sodalitas litteraria Rhenana) und zu dem Benediktinergelehrten Johannes Trithemius. Bekannt wurde Gottfried durch seine lateinisch-frühneuhochdeutsche Übersetzungstätigkeit antiker und humanistischer Werke: Cicero, De fato; Cicero, Paradoxa Stoicorum; Cicero, Cato maior de senectute; (Ps.-) Sallustii in Ciceronem et invicem invectivae; Cicero, Somnium Scipionis; (Ps.-) Aristoteles, Oeconomica I; Leonardo Bruno, Isagogicum moralis disciplinae; Lukian, Calumniae non temere credendum; Cosma Raimondi, Defensio Epicuri; Livius, Ab urbe condita IV, XXX; Lukian, Charon; Isokrates, De regni administratione ad Nicoclem; (Ps.-) Isokrates, Praecepta ad Demonicum (gemäß der Sammelhandschrift Berlin ms.germ.qu.1477 neben den Handschriften Heidelberg cod.pal.germ.451 und 469 sowie dem Druck "Beschirmung Epycuri" von ca.1522). Den Übersetzungen sind Widmungsbriefe an Friedrich von Dalberg vorangestellt, die das Bemühen Gottfrieds um die Weitergabe antiker Kultur, Literatur und Philosophie erkennen lassen. Gottfried benutzte als Vorlage für seine Übersetzungen entsprechende lateinische Texte bzw. durch Humanisten wie Rudolf Agricola ins Lateinische übersetzte griechische Texte aus (meist nicht identifizierbaren) Handschriften und Inkunabeln. Seine Übersetzungstätigkeit beruhte auf der Nachahmung (imitatio) des Lateinischen bei Vermittlung eines verständlichen Textsinns (Lexik: frühneuhochdeutscher Wortschatz, Fremdwörter aus dem Lateinischen und dem Griechischen, Eigennamen, variatio bei Begriffen; Syntax: Satzaufbau, Grammatik; Übersetzungsfehler; Kürzungen und Zusätze; Paraphrasen). Die Übersetzungen wenden sich damit moralisch-didaktisch gerade an ein Laienpublikum. Die Auswahl der übersetzten Texte - von acht antik-römischen, vier antik-griechischen und drei humanistischen Autoren - erfolgte nach moralphilosophischen Gesichtspunkten (Individualethik, Ökonomie und Politik nach Aristoteles). Zusammen ergeben die übersetzten Texte in der Sammelhandschrift Berlin ms.germ.qu.1477 einen humanistisch-deutschen Fürstenspiegel. [Buhlmann, 08.2011]
dtv = Deutscher Taschenbuch Verlag
dtv-Atlas, dtv-Atlanten enthalten neben den eine Thematik ausführenden Texten (rechte Seiten: Texte) Texte erläuternde Abbildungen, Pläne oder Karten (linke Seiten des jeweiligen Buchs: Tafeln). Historische Themen behandeln insbesondere: Kinder, Hermann, Hilgemann, Werner (1964/66), dtv-Atlas zur Weltgeschichte. Karten und chronologischer Abriss, 2 Bde., Bd.1: Von den Anfängen bis zur Französischen Revolution (= dtv 3001), München 31967, DM 6,80, München 81972, DM 7,80, München 352002, € 10,-, Bd.2: Von der Französischen Revolution bis zur Gegenwart (= dtv 3002), München 81973, DM 8,80, zus. 613 S., Tafeln mit Farbkarten und Farbplänen, Bd.2: Von der Französischen Revolution bis zur Gegenwart (= dtv 3002), München 121973, 342 S., DM 9,80, München 372004, IX, 338 S., € 10,-, München 382005, IX, 338 S., € 10,-, Tafeln mit Farbkarten und Farbplänen; Kinder, Hermann, Hilgemann, Werner, Hergt, Manfred (1964/66/77/91/2005), dtv-Atlas zur Weltgeschichte. Karten und chronologischer Abriss, 2 Bde., Bd.1: Von den Anfängen bis zur Französischen Revolution (= dtv 3001), München 382005, € 10,-, Bd.2: Von der Französischen Revolution bis zur Gegenwart (= dtv 3002), München 382005, € 11,-, zus. XVIII, 662 S., Tafeln mit Farbkarten und Farbplänen, weiter: Müller, Werner, Vogel, Günther (1974/81), dtv-Atlas zur Baukunst. Tafeln und Texte, 2 Bde., Bd.1: Allgemeiner Teil. Baugeschichte von Mesopotamien bis Byzanz (= dtv 3020), München 1974, DM 12,80, Bd.2: Baugeschichte von der Romanik bis zur Gegenwart (= dtv 3021), München 1981, DM 15,80, zus. 600 S., Tafeln mit Farbkarten und Farbplänen, Schlosser, Horst Dieter (1983), dtv-Atlas zur deutschen Literatur. Tafeln und Texte (= dtv 3219), München 21985, 305 S., Tafeln mit Farbkarten und Farbplänen, DM 16,80, München 71996, Tafeln mit Farbkarten und Farbplänen, DM 24,90, weiter historische Hilfswissenschaften betreffend: König, Werner (1978), dtv-Atlas zur deutschen Sprache. Tafeln und Texte. Mit Mundartkarten (= dtv 3025), München 1978, 247 S., Tafeln mit Farbkarten, DM 14,80, Kunze, Konrad (1998), dtv-Atlas Namenkunde. Vor- und Familiennamen im deutschen Sprachgebiet (= dtv 3266), München 52004, 255 S., Tafeln mit Farbkarten, € 15,-, weiter die Verortung des Menschen in Kosmos, Geografie und Umwelt betreffend: Heinrich, Dieter, Hergt, Manfred (2006), dtv-Atlas Erde. Physische Geographie (= dtv 3329), München 2006, 319 S., Tafeln mit Farbkarten und Farbplänen, € 24,50, Heinrich, Dieter, Hergt, Manfred (1990), dtv-Atlas zur Ökologie. Tafeln und Texte (= dtv 3228), München 1990, 283 S., Tafeln mit Farbabbildungen, DM 19,80, Hermann, Joachim (1973), dtv-Atlas zur Astronomie. Tafeln und Texte. Mit Sternatlas (= dtv 3006), München 1973, 287 S., Tafeln mit Farbkarten, DM 9,80, weiter den Menschen betreffend: Benesch, Hellmuth (1987), dtv-Atlas zur Psychologie. Tafeln und Texte, 2 Bde., Bd.1 (= dtv 3224), München 1987, DM 16,80, Bd.2 (= dtv 3225), München 1987, DM 16,80, zus. XV, 506 S., Tafeln mit Farbabbildungen > P Psychohistorie, Haller, Dieter (2005), dtv-Atlas Ethnologie (= dtv 3259), München 2005, 307 S., Tafeln mit Farbabbildungen, € 19,50, schließlich auch auf den Menschen und die menschliche Evolution Bezug nehmend: Silbernagl, Stefan, Despopoulos, Agamemnon (1979) dtv-Atlas der Physiologie. Tafeln und Texte zu den Funktionen des menschlichen Körpers (= dtv 3182), München 21983, VIII, 360 S., Tafeln mit Farbabbildungen, DM 26,80, Vogel, Günther, Angermann, Hartmut (1967/68), dtv-Atlas zur Biologie. Tafeln und Texte, 2 Bde., Bd.1 (= dtv 3011), München 81974, DM 8,80, Bd.2 (= dtv 3012), München 71974, DM 8,80, zus. XVIII, 570 S., Tafeln mit Farbabbildungen. [Buhlmann, 1973-1974, 03.2015, 02.2019, 08.2019, 02.2022]
dtv-Geschichte der Antike, hg. v. Oswyn Murray: Bd.1 (1982): Murray, Oswyn, Das frühe Griechenland (= dtv 4400), München 1982, 411 S., Karte, DM 19,80, Bd.2 (1983): Davies, John K., Das klassische Griechenland und die Demokratie (= dtv 4401), München 1983, 299 S., Karten, DM 16,80, Bd.3 (1983): Walbank, Frank K., Die hellenistische Welt (= dtv 4402), München 1983, 282 S., DM 16,80, Bd.4 (1983): Ogilvie, Robert M., Das frühe Rom und die Etrusker (= dtv 4403), München 1983, 206 S., DM 12,80, Bd.5 (1984): Crawford, Michael, Die römische Republik (= dtv 4404), München 1984, 251 S., Abbildungen, DM 16,80, Bd.6 (1985): Wells, Collin, Das Römische Reich (= dtv 4405), München 1985, 332 S., Abbildungen, Karten, DM 19,80, Bd.7 (1994): Cameron, Averil, Das späte Rom (= dtv 4621), München 1994, 264 S., Abbildungen, Karten, DM 24,80. Die dtv-Geschichte der Antike ist eine Geschichte der griechisch-römischen Antike. [Buhlmann, 1983-1984, 12.2020]
dtv-Lexikon der Antike, hg. v. Carl Andresen, Hartmut Erbse, Olof Gigon, Karl Schefold, Karl Friedrich Stroheker, Ernst Zinn (1965), 13 Bde., München 1969-1971 > A Antike
dtv-Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, hg. v. Martin Broszat u. Helmut Heiber, spannt den geschichtlichen Bogen vom Ersten Weltkrieg (1914-1918), über Zwischenkriegszeit (1918-1939) und Zweitem Weltkrieg (1939-1945) bis zur West-Ost-Teilung der Welt vor dem Hintergrund von kapitalistischer und kommunistischer Weltwirtschaftsordnung,
von den Vereinigten Staaten von Amerika über Europa und die Sowjetunion bis zu Fernem Osten und "Dritter Welt".
Im Einzelnen sind im Rahmen dieser Weltgeschichte erschienen:
Bd.1 (1966): Herzfeld, Hans, Der Erste Weltkrieg (= dtv 4001), München 51979, 370 S., DM 6,80;
Bd.3 (1966): Heiber, Helmut, Die Republik von Weimar (= dtv 4003), München 151982, 282 S., DM 6,80;
Bd.4 (1966): Nolte, Ernst, Die faschistischen Bewegungen (= dtv 4004), München 51975, 333 S., DM 6,80;
Bd.5 (1969): Graml, Hermann, Europa zwischen den Kriegen (= dtv 4005), München 51982, 402 S., DM 9,80;
Bd.7 (1966): Angermann, Erich, Die Vereinigten Staaten von Amerika seit 1917 (= dtv 4007), München 61978, 294 S., DM 6,80;
Bd.8 (1967): Ruffmann, Karl-Heinz, Sowjetrußland (= dtv 4008), München 21969, 291 S., DM 6,80,
Ruffmann, Karl-Heinz, Sowjetrußland 1917-1977 (= dtv 4008), München 81979, 366 S., DM 10,80;
Bd.11 (1966): Vogelsang, Thilo, Das geteilte Deutschland (= dtv 4011), München 71976, 406 S., DM 7,80;
Bd.12 (1980): Loth, Wilfried, Die Teilung der Welt 1941-1955 (= dtv 4012), München 1980, 354 S., DM 12,80.
[Buhlmann, 03.2015, 07.2021]
Dubbel. Taschenbuch für den Maschinenbau, hg. v. Karl-Heinrich Grote u. Jörg Feldhausen (2007), Berlin-Heidelberg-New York 222007 > T Technik, Technikgeschichte
Duby, Georges (1981), Der heilige Bernhard und die Kunst der Zisterzienser (= Fischer Wissenschaft 10727), Frankfurt a.M. 1991 > Z Zisterzienser
Duby, Georges (1989), Die Frau ohne Stimme. Liebe und Ehe im Mittelalter (= Kleine kulturwissenschaftliche Bibliothek, Bd.13), Berlin 1989 > L Liebe und Sexualität
Ducellier, Alain (1990), Byzanz. Das Reich und die Stadt, Frankfurt a.M.-New York 1990 > B Byzantinische Geschichte
Duchhardt, Heinz (2013), Der Wiener Kongress. Die Neugestaltung Europas 1814/15 (= BSR 2778), München 2013, 128 S. Schwarzweißabbildungen, € 8,95. Der Wiener Kongress tagte nach Napoleons Niederlage und Verbannung nach Elba, nach dem 1. Pariser Frieden vom 30. Mai 1814 von Oktober 1814 bis Juni 1815 in Wien, der Hauptstadt der Habsburgermonarchie und damals drittgrößten Stadt Europas. Regenten und Gesandte, allen voran Zar Alexander I., Kaiser Franz I. von Österreich, König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, Fürst Metternich, Fürst Talleyrand, Graf Hardenberg u.a., beschlossen in mehrmonatigem politischen Ringen in Gremien und Konferenzen, auf Festen und beim Tanz die Neuordnung Europas in Bezug auf: Gleichgewicht der europäischen Mächte Russland, Preußen, Österreich-Ungarn, Frankreich und England, Handelsfreiheiten (Schifffahrt auf dem Rhein u.a.), Polen, Deutscher Bund (als Staatenbund, Bundesakte vom 8. Juni 1815), während für Italien keine Neuordnung erfolgte. Unter dem Eindruck der "100 Tage" Napoleons (Schlacht bei Waterloo am 18. Juni 1815) kam der Kongress zu einem schnellen Abschluss; die Wiener Kongressakte datiert vom 9. Juni 1815. Der Kongress ging auseinander, ohne alle Fragen in Hinblick auf die Zukunft Europas gelöst zu haben. Dennoch bescherte der Wiener Kongress Europa eine längere Friedenszeit, Mitteleuropa den Deutschen Bund. [Buhlmann, 12.2013]
Duchhardt, Heinz, Espenhorst, Martin (Hg.) (2013), Utrecht - Rastatt - Baden 1712-1714. Ein europäisches Friedenswerk am Ende des Zeitalters Ludwigs XIV. (= Veröffentlichungen des Instituts für europäische Geschichte Mainz, Beih.98), Göttingen 2013 > S Spanischer Erbfolgekrieg
Duden Lexikon A-Z, hg. u. bearb. v. Meyers Lexikonredaktion,hg. v. Wolfram Schwachulla, Helmut Kahnt, Brigitte Röser ([v.1992]), 3 Bde., Augsburg (4)1995 > L Lexika, Enzyklopädien
Duden. Das Lexikon der Allgemeinbildung, Redaktion: Klaus M. Lange u. Peter Neulen (1988), Mannheim-Leipzig-Wien-Zürich 21998 > L Lexika, Enzyklopädien
Duden: Glahn, Iris (Red.) (2015), Deutschland. Alles, was man wissen muss, Berlin 2015 > D Deutsche Geschichte, 1949-heute
Dürrenmatt, Friedrich (Reinhold), deutschsprachiger Schriftsteller: Friedrich Dürrenmatt, geboren am 5. Januar 1921 in Stalden/Konolfingen, gestorben am 14. Dezember 1990 in Neuenburg, gilt als einer der erfolgreichsten Schweizer Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Aufgewachsen im Emmental und in Bern (Gymnasialzeit [Matura 1941]), studierte Dürrenmatt in Bern und Zürich Philosophie, Naturwissenschaften und Germanistik (1941/46) und wurde danach Schriftsteller (Heirat mit der Schauspielerin Lotti Geißler 1946, Kinder). An Romanen und Erzählungen schrieb Dürrenmatt: Der Richter und sein Henker (1950/52), Der Verdacht (1951/53), Das Versprechen (1958, Kriminalromane); Der Sturz (1971, Erzählung), Minotaurus (1985, Ballade), Der Auftrag (1986, Novelle) u.a., an Theaterstücken: Es steht geschrieben (1948), Romulus der Große (1949), Der Besuch der alten Dame (1956), Die Physiker (1962), Herkules oder der Stall des Augias (1963), Der Meteor (1966), Titus Andronicus (1970) u.a.; Vertonungen und Verfilmungen der Werke Dürrenmatts folgten (Hörspiele, Filme). Auch verfasste der Schriftsteller Essays, Vorträge und Festreden. Vgl.: Dürrenmatt, Friedrich (1950/51/55), Der Richter und sein Henker (= rororo 150), Hamburg 71971, 118 S., Schwarzweißabbildungen, DM 2,80, Hamburg ?1976, 118 S., Schwarzweißabbildungen, DM 3,80, Hamburg ?1984, 118 S., Schwarzweißabbildungen, DM 4,80, (= rororo 10150), Hamburg 1092006, 118 S., Schwarzweißabbildungen, € 4,-, Hamburg 1152011, 118 S., Schwarzweißabbildungen, € 4,99; Dürrenmatt, Friedrich (1950/51/55), Der Richter und sein Henker. Kriminalroman. Mit zahlreichen Fotos aus dem Film und einem Anhang (= detebe 22535), Zürich 1986, 182 S., Schwarzweißabbildungen, Zeittafel, DM 8,50 (Inhaltsangabe: I. Vorgeschichte: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts treffen in einer "Judenschenke" in der Vorstadt Tophane von Konstantinopel der junge Schweizer Polizeifachmann Hans Bärlach und ein Mann, der sich später Gastmann nennen soll, aufeinander. Betrunken diskutieren die beiden leidenschaftlich, ob es ein vollkommenes Verbrechen gibt (Gastmann) oder ob Verbrechen immer an menschlichen Unzulänglichkeiten scheitern (Bärlach). Gastmann und Bärlach wetten darum - eine Wette, die beider Leben in den kommenden Jahrzehnten bestimmen soll. Gastmann verübt drei Tage nach dem Zusammentreffen vor den Augen Bärlachs auf der Mahmud-Brücke in Konstantinopel einen Mord an einem überschuldeten Kaufmann - Gastmann stößt Letzteren ins Wasser und der Nichtschwimmer ertrinkt -, der Mörder wird von Bärlach angezeigt, verhört und, da Aussage gegen Aussage steht, schließlich frei gelassen. Gastmann zieht weiter seine verbrecherischen Kreise, Bärlach findet sich nach einem Zwischenspiel in Frankfurt am Main - auf Grund einer Ohrfeige an einer Nazigröße wieder in die Schweiz zurückgekehrt - als Kommissar in Bern wieder. II. Mordfall und Mordermittlung: Hier treffen Gastmann, der ein Haus in Lamboing besitzt, und Bärlach wieder aufeinander. Bärlach, der an einer Magenkrankheit leidet und nur noch kurze Zeit zu leben hat, setzt den fähigen Polizisten Schmied gegen Gastmann ein, Letzterer agiert unter dem Pseudonym Doktor Pantel und verkehrt im engeren Kreis um Gastmann. Eines Abends wird Schmied auf dem Weg nach Lamboing im Auto erschossen. Bärlach verdächtigt indes nicht Gastmann, sondern den Polizisten Tschanz, der - von Neid und Ehrgeiz zerfressen - in der Tat seinen Kollegen ermordet hat. Es beginnt ein kriminalistisches Spiel zwischen Gastmann und Bärlach mit Tschanz als Schachfigur Bärlachs. Die kriminalistischen Untersuchungen nehmen ihren Lauf: Beschlagnahme der Gastmann belastenden Unterlagen Schmieds durch Bärlach, Besuch von Gastmanns Haus in Lamboing und Attacke des Wachhundes auf Bärlach - der Wachhund wird von Tschanz mit demselben Revolver erschossen, mit dem Schmied ermordet wurde -, das Eintreten des Nationalrats von Schwendi für Gastmann beim Untersuchungsrichter Lutz, die Beerdigung Schmieds und letzte Blumengrüße Gastmanns an "Doktor Pantel", der Einbruch Gastmanns in Bärlachs (unverschlossenes) Haus und das Gespräch zwischen Bärlach und Gastmann - Letzterer nimmt Schmieds Unterlagen mit -, das Verhör eines mit Gastmann bekannten Schriftstellers durch Bärlach und Tschanz, der Einbruch Tschanz' in Bärlachs Haus und die versuchte Ermordung Bärlachs durch Tschanz, das erneute Zusammentreffen zwischen Bärlach und Gastmann: Bärlach kündigt dabei Gastmann dessen Ermordung noch am selben Tag an. III. Schluss: Tschanz sieht sich teils gezwungenermaßen, teils aus Gründen des Ehrgeizes - ganz im Sinne Bärlachs, des "Richters" - nun dazu veranlasst, die Ermordung Gastmanns als "Henker" durchzuführen; nur so kann er Gastmann als Mörder Schmieds hinstellen bzw. Schmieds Freundin für sich gewinnen. Tschanz fährt nach Lamboing, in einem "Revolvergefecht" wird der Polizist leicht verletzt, erschießt aber Gastmann und dessen zwei Diener. Aus den gefundenen Unterlagen geht hervor, in welche Verbrechen Gastmann verstrickt war, der indes für ein Verbrechen büßen musste, das er gar nicht begangen hatte (Ermordung Schmieds). Noch am Tag von Gastmanns Tod stellt Bärlach seinen Kollegen Tschanz bei einem Abendessen in seinem Haus zur Rede und konfrontiert Tschanz mit seinen Erkennnissen. Tschanz muss zugeben, dass Bärlach Recht hat; er erkennt seine Rolle als "Henker" im Spiel des "Richters" Bärlach. Bärlach will Tschanz nicht verraten, doch muss dieser ihm von nun an aus dem Wege gehen. Tschanz entschließt sich indes zum Selbstmord (Zugunglück), Bärlach will sich am Magen operieren lassen, um schließlich noch sein letztes Jahr leben zu können.); Dürrenmatt, Friedrich (1950/51), Der Richter und sein Henker. Der Verdacht. Die zwei Kriminalromane um Kommissär Bärlach (= detebe 250/19 = Dürrenmatt-Werkausgabe, Bd.19), Zürich 1980, 265 S., DM 6,80; Dürrenmatt, Friedrich (1951/53), Der Verdacht. Kriminalroman (= detebe 21436), Zürich 1985, Nachdruck 2008, 120 S., € 6,90; Dürrenmatt, Friedrich (1951/53), Der Verdacht. Requiem auf den Kriminalroman (= Süddeutsche Zeitung. Kriminalbibliothek, Bd.5), München 2006, € 4,90; Dürrenmatt, Friedrich (1952), Die Stadt, Nachdruck Zürich 1959, 198 S., SFR 11,80 (mit: Prosa I-IV: Weihnacht, Der Folterknecht, Der Hund, Das Bild des Sysiphos, Der Theaterdirektor, Dei Falle, Die Stadt, Der Tunnel, Pilatus); Dürrenmatt, Friedrich (1955/78), Grieche sucht Griechin. Mister X macht Ferien. Grotesken (= detebe 20851 = Dürrenmatt-Werkausgabe, Bd.21), Zürich 1980, 193 S., DM 6,80; Dürrenmatt, Friedrich (1956), Der Besuch der alten Dame. Eine tragische Komödie, Zürich 1956, 103 S., SFR 6,55; Dürrenmatt, Friedrich (1956/80), Der Besuch der alten Dame. Tragische Komödie (= detebe 23045 = Dürrenmatt-Werkausgabe, Bd.5), Zürich 1985, 152 S., DM 6,80, Zürich 1998, 155 S., € 7,90 (Inhaltsangabe: Kläri Wäscher aus der Kleinstadt Güllen wurde in ihrer Jugend von Alfred Ill geschwängert; dieser ließ sie mit dem Kind sitzen. Als reiche Witwe Claire Zachanassian kehrt sie vier Jahrzehnte später nach Güllen zurück und fordert den Tod Ills für ihre finanzielle Unterstützung der Stadt. Sie wartet die weitere Entwicklung im Hotel ab. Und wirklich wird aus der Entrüstung der Güllener Bürger (einschließlich Bürgermeister, Pfarrer, Lehrer, Arzt) über ihre Forderung alsbald Gier, begleitet von Konsum, Korruption und Spekulation. Unter mysteriösen Umständen stirbt Ill, dessen Flucht zuvor gescheitert war, in einer Menschenmenge Güllener Bürger. Claire Zachanassian überreicht den Geldscheck und reist mit dem Leichnam im Gepäck nach Capri ab, wo Ills sterbliche Überreste in einem Mausoleum beigesetzt werden sollen.); Dürrenmatt, Friedrich (1957/58), Das Versprechen. Requiem auf den Kriminalroman; Aufenthalt in einer kleinen Stadt. Fragment (= detebe 20852 = Dürrenmatt-Werkausgabe, Bd.22), Zürich 1980, 203 S., DM 6,80; Dürrenmatt, Friedrich (1962), Die Physiker. Eine Komödie in zwei Akten, Nachdruck Zürich 1962, 79 S., SFR 7,80; Dürrenmatt, Friedrich (1962/80), Die Physiker (= detebe 23047 = Dürrenmatt-Werkausgabe, Bd.7), Zürich 1985, 95 S., DM 6,80, Zürich 1998, 95 S., DM 9,90, Zürich 1998, 95 S., € 6,90; Dürrenmatt, Friedrich (1976), Der Mitmacher. Ein Komplex (= detebe 20844), Zürich 1980, 332 S., DM 9,80; Dürrenmatt, Friedrich (1985), Justiz. Roman (= detebe 21540), Zürich 1987, 371 S., DM 14,80. Romane und Erzählungen Dürrenmatts werden analysiert in: Neis, Edgar ([1972]), Friedrich Dürrenmatt: Der Richter und sein Henker, Der Verdacht (= Königs Erläuterungen, Bd.42), Hollfeld 4o.J., 64 S., DM N.N. > Friedrich Dürrenmatt [39 kB] [Buhlmann, 10.2017, 02.2018, 05.2019, 07.2019, 11.2019, 03.2020, 11.2020, 02.2021, 10.2021, 04.2022, 05.-06.2023, 04.2024]
Dürrheim, Bad, Ort, Stadt auf der Baar, in Baden-Württemberg:
Archäologisch bezeugt sind in und um Bad Dürrheim steinzeitliche Reste von Pfahlbauten sowie alemannenzeitliche Überreste von Gräbern. Zu den vor- und frühgeschichtlichen Funden zählt auch die Wallanlage auf der "Blatthalde" (bei Bad Dürrheim-Unterbaldingen), eine Abschnittsbefestigung, die zeitlich allerdings nicht eingeordnet werden kann.
Eine Urkunde des Klosters St. Gallen erwähnt zum Jahr 889 Dürrheim als Ort eines Gerichtstages (placitum), der über die Verwaltung der benachbarten Löffinger Kirche entschied.
Nach 889 verschwindet Dürrheim bis zum Ende des 11. Jahrhunderts wieder aus den Geschichtsquellen; direkte Beziehungen der Mönchsgemeinschaft in St. Gallen zu Dürrheim hat es (auch von daher) wohl nicht gegeben. Erst zum Jahr 1092 erwähnt der Gründungsbericht des 1084 gegründeten Benediktinerklosters St. Georgen im Schwarzwald einen Hug de Tureheim, Angehöriger der bis zum 14. Jahrhundert bezeugten Herren von Dürrheim. Im späten Mittelalter besaß der Johanniterorden, die Johanniterkommende Villingen am Ort Besitz und Rechte. Überliefert ist zum Jahr 1280 die Übergabe von Besitz und Dürrheimer Kirche durch Walter den Esel von Dürrheim an Graf Heinrich I. von Fürstenberg (1236/37-1284); Letzterer schenkte Kirche und Kirchenpatronat eben dieser Johanniterkommende, die zudem später über Gericht und Bann in Dürrheim verfügte.
Die Villinger Kommende war nur ein Grundbesitzer im Dorf, neben anderen geistlichen Institutionen wie Amtenhausen oder Salem. Dabei blieb es in der frühen Neuzeit. Nach einem württembergischen Zwischenspiel (1805/06) wurde Dürrheim Teil des Großherzogtums Baden (1806). Salzbohrungen (1822, Saline Ludwigshall) leiteten die Phase Dürrheims als Produktionsort für Kochsalz, später als Badeort ein (Solebehälter [Narrenzopf] 1825, Kindersolebad 1879).
1971 bzw. 1972 wurden die Orte Biesingen, Oberbaldingen, Öfingen bzw. Hochemmingen, Sunthausen und Unterbaldingen eingegliedert. 1974 erfolgte die Erhebung Dürrheims zur Stadt.
Zu (Bad) Dürrheim s.:
Buhlmann, Michael (2015), Das Kloster St. Gallen, die Baar und Dürrheim im frühen Mittelalter (= VA 78), Essen 2015, 60 S., € 4,-;
Warrle, Lydia (1990), Bad Dürrheim. Geschichte und Gegenwart, Bad Dürrheim 1990, 348 S., Abbildungen, € 2,95.
[Buhlmann, 02.2015]
Duffner, Helmut, Himmler im Tunnel. Geschichten aus dem Schwarzwald, Memmingen o.J. > S Schwarzwald
Duffy, Christopher (1977), Die Schlacht bei Austerlitz. Napoleons größter Sieg (= Heyne Geschichte 30), München 1979 > N Napoleon Bonaparte
Dulckeit, Gerhard, Schwarz, Fritz (1962), Römische Rechtsgeschichte. Ein Studienbuch (= Juristische Kurzlehrbücher), München-Berlin 31963 > R Römische Rechtsgeschichte
Dunningen, Ort im oberen Neckarraum: Dunningen, gelegen oberhalb des Flusses Eschach im Hügelland der Muschelkalk-Ostabdachung des Schwarzwaldes, reicht bis mindestens in den Anfang des 7. Jahrhunderts n.Chr. zurück (alemannenzeitliche Frauengräber), christliche Kult- bzw. Kirchenbauten sind ab dem 7. Jahrhundert nachweisbar; der Ort wird unter dem -ingen-Toponym Tunningas erstmals in einer Urkunde des Klosters St. Gallen zum Jahr 786 erwähnt. Vielleicht gab es in Dunningen Reichsgut der ostfränkisch-deutschen Könige (902?, 905?), in jedem Fall ist Königsgut im benachbarten Seedorf nachweisbar.
Im hohen Mittelalter ist Dunninger Ortsadel belegt (1222), ebenso Besitz des Schwarzwaldklosters St. Georgen (1086, 1090). Mittelalterlich sind die Burg der Herren von Kirneck bzw. von Zimmern an der Dunninger Kirche, die Burg der Herren von Burgberg an der Eschach und die südlich von Dunningen gelegene Birnburg (Bürnburg, als Ringwall). Im späten Mittelalter war Dunningen nicht nur ein bedeutender Pfarrort mit großem Pfarrsprengel (Erwähnung der Dunninger Kirche im Liber decimationis des Bistums Konstanz 1275), sondern auch ein Reichsdorf, ein auf Reichsgut gelegener Ort, mit großer Gemarkung, mit Vogt, Schultheiß und eigener Gerichtsbarkeit.
Im Jahr 1435 unterstellte sich Dunningen vertraglich der Herrschaft der Reichsstadt Rottweil, die damit ihr Territorium maßgeblich nach Westen ausweiten konnte (Rottweiler freie Pürsch). In der frühen Neuzeit waren in Dunningen mehrere fromme Stiftungen und geistliche Kommunitäten begütert, u.a. die Rottweiler Heiligkreuzbruderschaft und die Kloster Rottenmünster und Wittichen. Bauern, Tagelöhner und Handwerker machten die Dunninger Bevölkerung im 17. und 18. Jahrhundert aus. Das Dorf wurde 1736 und 1786 durch Brand schwer geschädigt. Infolge der Mediatisierung fielen Dunningen und Seedorf an (das Königreich) Württemberg (1805); Dunningen wurde dem Oberamt Rottweil zugeschlagen.
Im 19. und 20. Jahrhundert machte der Ort die gesellschaftlichen (Industrialisierung) und politischen Wandlungen der Neuzeit (deutsches Kaiserreich, Weimarer Republik, Nationalsozialismus, Bundesrepublik Deutschland und Land Baden-Württemberg) mit. 1972 bzw. 1974 wurden die Orte Lackendorf und Seedorf nach Dunningen eingemeindet.
Zur Dunninger und Seedorfer Geschichte (des Mittelalters) s.:
Buhlmann, Michael (2015), Das Kloster St. Gallen, das Königtum, der obere Neckarraum und Dunningen im frühen Mittelalter (= VA 81), Essen 2015, 64 S., € 4,-;
Buhlmann, Michael (2015), Das Kloster St. Gallen, das Königtum, der obere Neckarraum und Seedorf im frühen Mittelalter (= VA 82), Essen 2015, 64 S., € 4,-.
[Buhlmann, 07.2015]
Dupont, Florence (2013), Rom - Stadt ohne Ursprung. Gründungsmythos und römische Identität, Darmstadt 2013, 224 S., € 24,90. Origo bezeichnete laut Marcus Tullius Cicero u.a.) den (nicht unbedingt mit Rom identischen Herkunftsort) eines römischen Staatsbürgers. Die origo äußerte sich u.a. in den römischen Ritualen des alljährlichen Pilgerzugs der römischen Konsuln nach Lavinium (Wohnsitz der römischen Penaten) und des Luperkalienfests, während griechische Mythen und griechisch beeinflusste Mythografen die Ursprünge Roms genealogisch darstellten. Die Aeneis des Vergil (Publius Vergilius Maro) hingegen stellt - vor dem Hintergrund von Trojanern (Aeneas) und Latinern (nomen Latinum) die römische Identität bei nichtrömischer Alterität heraus ("doppelte Anderartigkeit" der origo). Römer wurde man durch Recht, nicht durch Abkunft; Römer war man im (nichtbarbarischen) imperium der humanitas. Die Origo war demgemäß römische Praxis (keine Theorie), die immer wieder durch rituelle Handlungsmuster befestigt wurde. Von daher ist es für die historische Forschung sinnlos, aus den griechischen Ursprungsmythen über Rom, der "Stadt ohne Ursprung", etwas in Erfahrung zu bringen. Dem stehen auch Geschichte und Wandel von Kultur und Gesellschaft entgegen, die - wie bei den Römern - nicht nur linear und teleologisch gedacht werden muss. [Buhlmann, 12.2013]
Duruy, Victor (1887/89), Histoire de Grecs (depuis les temps les plus reculés jusqu'a la réduction de la Grèce en province Romaine), Nouvelle Edition, 3 Bde., Paris 1887-1889 > G Griechische Geschichte
Dusa, Joan (1991), The Medieval Dalmatian Episcopal Cities. Development and Transformation (= American University Studies, Series IX: History, Vol.94), New York-Bern-Frankfurt a.M.-Paris 1991, 157 S., € 4,09. Die mittelalterlichen Kommunen Dalmatiens entwickelten sich aus den Bischofsstädten unter Einfluss auch des byzantinschen Reiches, das vom 7. zum 10. Jahrhundert die Städte am Rand des Reiches beherrschte, während im kroatischen Hinterland im Gefolge der slawischen Landnahme und Christianisierung der kirchenslawische Glagolismus aufkam. Vor dem Hintergrund von solcherart auftretenden Bruchlinien im Christentum, aber insbesondere auch einer großen politischen Autonomie der Bischofsstädte Salona, Sibenik, Split, Trogir, Zadar säkularisierte sich die Kirche mehr und mehr, z.B. was bischöfliche Gerichtsbarkeit und Steuerverwaltung (Kirchenzehnt) anbetraf. Die bischöflichen Städte bildeten sich auf spätantik-frühmittelalterlicher Grundlage und christlich-slawischer Gesellschaft aus (Bischof als defensor civitates), eingebunden in die kirchliche Organisation des Erzbistums Split (zeitweise zum Patriarchat von Konstantinopel gehörig [863-923]). Die weltlichen Kommunen, die die Bischofsherrschaft vor dem 14. Jahrhundert an den Rand drängten bzw. ablösten, hatten slawisch-ethnische Bindungen, eine gesellschaftliche Schichtung innerhalb der Städte, die Ausformung eines weltlichen Notariats, bestimmte Formen von weltlich-ziviler Gerichtsbarkeit und eine Bürokratisierung zur Voraussetzung. Damit einhergehend verstärkte sich der Einfluss von Laien (städtisches Patriziat) auf die Kirche der hochmittelalterlichen Kirchenreform (11./12. Jahrhundert); das Bischofsamt war stärkerer Kontrolle ausgesetzt, kirchlicher Landbesitz sollte fiskalisch nutzbar gemacht werden. Dabei äußerte sich städtische Unabhängigkeit durch: Verwaltungsinstitutionen, Gerichtsbarkeit und Recht, Patriziat, Unabhängigkeit nach außen, wobei aber die Städte ab dem 14. Jahrhundert in Abhängigkeit von Venedig oder Ungarn gerieten. [Buhlmann, 08.2021]
Dux, Günter (1992), Die Zeit in der Geschichte. Ihre Entwicklungslogik vom Mythos zur Weltzeit (= stw 1025), Frankfurt a.M. 1992, 484 S., DM 14,90. Jedes menschliche Individuum (Subjekt) hat seine eigene, anthropologisch bestimmte (historisch-genetische) Zeit, resultierend aus seinen Bedürfnissen und - daraus folgend - seinen Handlungen (kognitive Operationalität). Zeit ist die Zeit zwischen Beginn und Ende einer Handlung und deren menschliche Reflexion darüber innerhalb der von Menschen geschauten subjektiven Welt. Zeit ist damit selbstreferentiell, bezogen auf das Subjekt in seinem "Hier und Jetzt"; Zeit "fließt" dem Subjekt "zu", es entsteht eine "gegenwärtige Vergangenheit" und eine "gegenwärtige Zukunft". In Bezug auf menschliche Kulturen und Gesellschaften haben daher Mythen keine Geschichte, sind mithin ungeschichtlich, während Geschichte als Schlüssel zum Weltverständnis zunächst eine "zentrierte Handlungslogik" und damit ein Geschehen in der Zeit verlangt (kategoriale Zeit). Es ergibt sich kulturell gesehen eine Entwicklungslogik der Zeit von den Kulturen den Jäger und Sammler über die frühen (neolithischen) Bauernkulturen (beides ohne historisches Bewusstsein) zu den frühen Hochkulturen des Alten Orients und Griechenlands (mit deren festgeschriebener Organisationskompetenz in der Welt). Mit der seit den frühen Hochkulturen von den Menschen zunehmend erfassten Autonomie der Welt gegenüber dem menschlichen Subjekt löste sich die Zeit vom Geschehen, wurde abstrakt; der Chronologie von Geschichte über die "zentrierte Handlungslogik" hinaus kam hier eine besondere Rolle zu (Herodots Chronologie, Zeit ohne Werden bei Parmenides). Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kristallisierten sich im Zeitverständnis "fortgeschrittener" Kulturen heraus. Die Zeit des frühen und hohen Mittelalters folgte dabei noch hauptsächlich der Handlungslogik. U.a. mittels des mittelalterlichen christlich-kirchlich-klösterlichem Zeitverständnisses als neuer Organisationsform (Zeit und Ewigkeit, weltliche und himmlische Zeit, Metaphysik der Zeit), vornehnmlich durch die Erfindung der mechanischen Uhr bildete sich die kapitalistisch-kaufmännisch-mechanische Zeit des Spätmittelalters heraus ([mit ihrer neuen Handlungslogik des Uhrmechanismus]). Die mechanische Zeit abstrahierte die Zeit weiter, die sich von den Handlungen des Menschen loslöste. Es entwickelte sich der Begriff der Zeitdauer als Zeitkontinuum zwischen zwei Ereignissen, es entwickelte sich ein "Zeit-Raum der Geschichte", ein neues Verständnis von Geschichte; das Subjekt verliert seinen Rückhalt in der Zeit, Zeit wird ungewiss. Parallel dazu verlor die Zeit ihre metaphysische Verankerung (Nietzsches Kritik der Metaphysik), wurde Teil der Welt, der physikalischen Raumzeit. Das Konzept einer historisch-genetischen Zeit zeigen dann noch auf die Fallstudien über: das Zeitverständnis von Amazonasindianern (Macu) in Brasilien, das Zeitverständnis von Dorfbewohnern im indischen Puryhiya, die Entwicklung des Zeitverständnisses bei Kindern in der Bundesrepublik Deutschland. [Buhlmann, 04.2015]
DW = Dichtung und Wirklichkeit
DWG = Darstellungen aus der Württembergischen Geschichte