Lexikonartikel: Reichenbach, Klosterreichenbach

Reichenbach, Klosterreichenbach

Das Priorat Reichenbach ist eine Gründung Abt Wilhelms von Hirsau (1069-1091), der 1082 auf Veranlassung des adligen Stifters Bern die cella sancti Gregorii im Schwarzwald an der Murg errichtete. Die enge Verflechtung mit Hirsau blieb in der Folgezeit bestehen, der Hirsauer Abt besaß das Recht der Ein- und Absetzung des Reichenbacher Priors, Loslösungstendenzen des Priorats wurden erfolgreich unterbunden. Die Vogtei über Priorat und Klosterbesitz besaßen zunächst die Grafen von Calw, um 1200 die Pfalzgrafen von Tübingen, im 14. Jh. die Grafen von Eberstein. 1399 erlangten die Markgrafen von Baden einen Anteil an der Kastvogtei, Markgraf Bernhard I. von Baden (1372-1431) erhöhte im Interesse seiner Landesherrschaft den Druck auf das Priorat, dessen Mönche wohl daraufhin zur Besitzwahrung und -dokumentation das Reichenbacher Urbar von 1427 anfertigten. Das Eingreifen der Grafen von Württemberg auf Hirsauer Seite führte dazu, dass Reichenbach im 15. und 16. Jh. ständiges Streitobjekt zwischen Baden und Württemberg wurde. So setzte Markgraf Karl I. von Baden (1453-1475) im Jahr 1472 gewaltsam seinen Kandidaten als Prior durch, die Zusammensetzung des Konvents, der aus dem Landadel und den Ratsfamilien der Umgebung kam, wurde im badischen Sinne beeinflusst. Die Reformation und die Säkularisierung Hirsaus (1535) durch den Württemberger Herzog Ulrich I. (1498-1550) verstärkten den Streit, da Reichenbach unter badischer Kontrolle und somit katholisch blieb. 1595 besetzte Herzog Friedrich I. von Württemberg (1568-1608) Reichenbach, 1602 erwarb er die Vogteirechte, 1603 wurde in Reichenbach die Reformation eingeführt. Nach einem katholischen Zwischenspiel zwischen Restitutionsedikt (1629) und Westfälischem Frieden (1648) wurde Reichenbach endgültig württembergisch.

Das Reichenbacher Schenkungsbuch aus der Mitte des 12. Jh. und das Reichenbacher Urbar von 1427 geben einen guten Einblick in die Grundherrschaft des Priorats. Danach besaß die geistliche Kommunität im späten Mittelalter nicht nur das Klosterterritorium im oberen Murgtal, sondern auch Besitzschwerpunkte im Gebiet von Neckar und oberer Nagold sowie Streubesitz um Oppenau, Achern, Gernsbach, Ettlingenweier und Pforzheim. Das Urbar verweist auf Ortsherrschaften, Gerichtsrechte, Frondienste und Abgaben an über 60 Orten, teilweise schimmert noch die hochmittelalterliche Fronhofsverfassung der Grundherrschaft durch.

Die heutige Reichenbacher Kirche geht, was Langhaus, Vorhalle und Westturmpaar betrifft, auf das Gotteshaus von oder kurz nach 1082 zurück. Verändert wurde im ausgehenden 12. Jh. der Chor, zu Beginn des 13. Jh. die Vorhalle. Die Klosteranlage wurde nach der württembergischen Okkupation durch eine Ringmauer geschützt.

Bedeutende Prioren aus Reichenbach waren Theoger von St. Georgen (ca.1085-1088) und Wolfram Maiser von Berg (1423-1428), der die Niederschrift des Reichenbacher Urbars veranlasste.

Prioren

GB V, S.336-344; HHS BW, S.411f; Kloster Reichenbach; Reichenbacher Schenkungsbuch; Urbar Reichenbach.

Artikel aus: Michael Buhlmann, Benediktinisches Mönchtum im mittelalterlichen Schwarzwald (= Vertex Alemanniae, Heft 10/1-2), St. Georgen 2004

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