Lexikonartikel: Theoger von St. Georgen

Theoger von St. Georgen

Über das Leben des St. Georgener Abtes Theoger unterrichtet uns in zwei Büchern mit einer Vielzahl von Kapiteln die Vita Theogeri, die vielleicht der Mönch und Bibliothekar Wolfger (†n.1173) um die Mitte des 12. Jh. unter Abt Erbo I. (1121-1162) vom Kloster Prüfening schrieb. Theoger, um die Mitte des 11. Jh. geboren, stammte – so die Vita – aus ministerialischen Verhältnissen, war aber wahrscheinlich mit mächtigen Adelsfamilien im elsässisch-lothringischen Raum verwandt, u.a. mit den Grafen von Metz und denen von Lützelburg. Theoger soll dann unter dem berühmten Manegold von Lautenbach (†n.1103) und im Wormser Cyriakusstift seine geistliche Ausbildung erhalten haben. Er wandte sich aber dem Mönchtum zu und trat in das Kloster Hirsau unter dessen Abt Wilhelm (1069-1091) ein. Dieser ernannte ihn später zum Prior des Hirsauer Priorats (Kloster-) Reichenbach (1085-1088). Schließlich wurde Theoger auf Betreiben Wilhelms zum Abt von St. Georgen eingesetzt (1088). Um Selbstständigkeit von Hirsau bemüht, gelang es Theoger während seines Abbatiats, das Kloster St. Georgen zu einem Reformmittelpunkt benediktinischen Mönchtums in Elsass, Süddeutschland und Österreich zu machen. Diese St. Georgener Reform war verbunden mit der Einflussnahme der Schwarzwälder Mönchsgemeinschaft auf eine Reihe von Männer- und Frauenklöstern, die entweder neu gegründet oder von St. Georgen aus reformiert wurden, wobei St. Georgener Mönche vielfach als Äbte der zu reformierenden Klöster fungierten, während die Neugründungen meist als St. Georgener Priorate im Besitz bzw. unter der seelsorgerischen Oberaufsicht der geistlichen Kommunität an der Brigach standen. Im Einzelnen bestanden Verbindungen St. Georgens zu folgenden Klöstern: Ottobeuren (1102), die Zelle des heiligen Markus (St. Marx) bei Rouffach (ca.1105), Amtenhausen (vor 1107), Lixheim (1107) und Hugshofen (um 1110) im Elsass, St. Afra in Augsburg (1113?), Admont (1115, Admonter Reform), Prüfening (1121). Der damaligen Bedeutung St. Georgens entsprach es, dass das Kloster auch Empfänger eines wichtigen Papstprivilegs wurde. Erinnert sei an das Schutzprivileg Papst Urbans II. (1088-1099) vom 5. März 1095, das für die Mönchsgemeinschaft unter Abt Theoger die „römische Freiheit“ bestimmte, d.h.: die Unterstellung unter das Papsttum, die freie Abtswahl und die freie Wahl des Klostervogtes. Wie der „Gründungsbericht des Klosters St. Georgen“ (Notitiae fundationis) zudem mitteilt, waren es bedeutende Schenkungen von Landbesitz und Rechten, die die Mönche aus dem Schwarzwald um die Wende vom 11. zum 12. Jh. erlangen konnten. Diese äußeren Faktoren machten zusammen mit der inneren Geschlossenheit klösterlichen Lebens, das sich nach den Hirsauer Gewohnheiten richtete, den Erfolg des Klosters St. Georgen unter Theoger aus – ein Erfolg, der auch noch nach dem gleich zu behandelnden Weggang Theogers anhielt und das St. Georgener Jahrhundert von der Klostergründung (1084/85) bis zu Abt Manegold von Berg (1169-n.1193/94) begründete.

Theoger war Reformabt und Anhänger der Gregorianischen Kirchenreform. Daher ernannte die kirchliche Reformpartei im durch den Investiturstreit (1075-1122) zerrütteten Deutschland ihn, der sich lange dagegen sträubte, zum Bischof von Metz (1117) und damit zum Gegenkandidaten des kaiserlichen Bischofs Adalbero IV. (1090-1117/20). Unterstützt von seinen Metzer Verwandten, ebenfalls Reformern, bestätigt vom Papst, gelang es Theoger dennoch nicht, im Metzer Bistum Fuß zu fassen (1119). Ein Ausgleich zwischen Papst Calixt II. (1119-1124) und dem Erzbischof Bruno von Trier (1102-1124) endete schließlich damit, dass Theoger in dem burgundischen Kloster bleiben konnte (Ende 1119). Er verzichtete faktisch auf die ungeliebte Bischofswürde und starb am 29. April 1120 in Cluny, wo sich in gewisser Weise für ihn der Kreis von der cluniazensischen über die Hirsauer bis zur St. Georgener Reform schloss. Die Vita Theogeri verehrt Theoger als Heiligen. Wie Abt Wilhelm von Hirsau, so hat sich auch Theoger mit den artes liberales, den „(sieben) freien Künsten“ beschäftigt. Besonders die Disziplinen des Quadrivium hatten es ihm angetan, und so ist von Theoger auch eine musiktheoretische Schrift auf uns gekommen.

Buhlmann, Theoger; Vita Theogeri; Wollasch, Anfänge.

Artikel aus: Michael Buhlmann, Benediktinisches Mönchtum im mittelalterlichen Schwarzwald (= Vertex Alemanniae, Heft 10/1-2), St. Georgen 2004

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